Quelle: Archiv MG - BRD AUSSENPOLITIK OSTPOLITIK - Deutschland über alles


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       Marxistische Schulzeitung Bremen, 26.11.1981
       
       Breshnew auf Staatsbesuch:
       

BONNER KRIEGSDIPLOMATIE

Die Frage wird immer rätselhafter, wieso der "kränkelnde" Staats- und Parteichef der Weltmacht Sowjetunion überhaupt noch die Stra- pazen dieser Reise auf sich nahm, obwohl ihm seine Dolmetscher im Außenministerium jeden Tag aus westlichen Zeitungen vorlesen konnten, was ihn erwartete. Wieso kam der alte Leonid sich nicht blöd behandelt vor oder wie der Präsident irgendeiner Bananenre- publik - was auf der diplomatischen Ebene dasselbe ist -, wenn er extra in Bonn die Honneurs macht und bereits vor seiner Abreise mitgeteilt kriegte, daß der die Visite auf jedenfall umsonst macht, wenn er sich einbildet für i h n sei irgendetwas drin? Er hat sich von Helmut Schmidt sagen lassen, "daß die Aufstellung amerikanischer Mittelstreckenraketen gemäß dem NATO-Beschluß Ende 1983 unabwendbar ist, wenn sieh bis dahin die Sowjets nicht zu einer Reduzierung ihrer SS20-Raketen bereit erklärt haben." Der Bonner Regierungschef erweist sich darin "als redlicher Inter- pret" der westlichen Erpressung der SU (Eure SS20 weg, dafür stellen wir nichts auf, behalten also unsere Erst-, Zweit- und Hauptschlagskapazitäten), daß er die sowjetischen Angebote auf teilweise Reduzierung der eigenen Raketen - die Vorleistung für Verhandlungen mit der NATO - als perfiden "Anschlag auf den ge- meinsamen Doppelbeschluß" und das "NATO-Bündnis überhaupt", als versuchte "Schwächung (!) der westlichen Position" zurückweist. Der Bundeskanzler verlangt jetzt über "solche Gesten" (!) hinaus - im Sommer waren das noch die Forderungen der NATO! - von den Sowjets das praktische Zugeständnis, daß sie mit ihren SS20 das Hindernis für den Weltfrieden darstellen, weswegen der Westen sie jetzt totrüstet. Damit übersetzt Bonn Breshnew unzweideutig, wie er den NATO-Doppelbeschluß zu verstehen hat: Weil der Westen so realistisch ist, nicht anzunehmen, daß sich die SU des Mittels begibt, einen atomaren Vergeltungsschlag zu führen, macht er sich auf jeden Fall mit Pershings überlegen und benutzt Verhandlungen, um dem Hauptfeind mitzuteilen, daß und warum demnächst geschossen wird - es sei denn er gibt gleich klein bei. Wobei diese vom We- sten selbst als unerfüllbar eingestufte Forderung das schöne Er- gebnis hat, daß die SU jetzt endgültig als d e r Kriegsgrund dasteht, weil sie überhaupt noch Waffen zur Selbstbehauptung hal- ten will - und damit jede Verhandlung scheitern muß. Sehr illusionär und gefährlich daher, wenn Breshnew auf eigene, zu den USA angeblich differierende Interessen der deutschen Re- gierung setzt, weil russische Atomsprengköpfe im Ernstfall das gesamte Bundesgebiet vernichten würden. Da muß er sich von Schmidt, Genscher und Co. sehr nationalbewußt sagen lassen: Eben, deshalb setzen wir den NATO-Doppelbeschluß ja durch, weil er uns so überlegen macht, daß ein künftiges Schlachtfeld möglichst weit bei dir im Osten liegt. Ein handfester radikaler deutscher Natio- nalismus also, der hier innerhalb der NATO und deshalb mit ihr als Mittel Breshnew sehr eigenständig so offensiv gegenübertritt, daß vor ihm der deutsche Nationalismus vor 2. Weltkrieg nur erblassen kann: Der konnte seine Weltherrschaft nur als Anspruch deklarieren, den er im Krieg erst durchsetzen wollte, während die BRD sich auf Grundlage der NATO schon überall auf der Welt poli- tisch wie ökonomisch zuständig weiß ("Unsere Interessen in Afrika, Ägypten, Afghanistan" etc.) und gerade dabei ist, alle Vorbereitungen zu treffen, damit das letzte Hindernis für diese deutsche Zuständigkeit in der Welt beseitigen wird. Das hätte sich doch auch telephonisch zum Nachttarif oder per Postkarte noch einmal mitteilen lassen. zurück