Quelle: Archiv MG - BRD AUSSENPOLITIK OSTPOLITIK - Deutschland über alles
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Wochenschau
DIE INNERDEUTSCHEN BEZIEHUNGEN BELASTET
momentan die Praxis der DDR-Staatsorgane, ihre Untertanen beim
Betreten der "Ständigen Vertretung Bonns in Ostberlin" zu kon-
trollieren und fotografieren.
Dieser Akt "lückenloser Kontrolle" dient nach offizieller Aus-
kunft des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen, Winde-
len, der "Erzeugung einer psychologischen Druckkulisse", die die
bundesdeutsche Vertretung von ihrer humanitären Aufgabe abhält,
den unterdrückten DDR-Bürgern "Hilfe und Beistand" zu leisten.
In der Tat, wieder mal ein gelungenes Stück politischer Hetze! Wo
hierzulande weitaus geringere Anlässe als das Betreten der Bot-
schaft eines als feindlich eingestuften Staates die Gewalt in
Form des Verfassungsschutzes auf den Plan ruft und der bloße
V e r d a c h t staatsfeindlicher Umtriebe und Gedanken minde-
stens die Eintragung in den Zentralcomputer garantiert, wird der
DDR dieser Umgang mit ihren eigenen Bürgern bestritten. Was der
Demokratie recht und billig ist, steht einem östlichen
"Unrechtssystem" schließlich noch lange nicht zu. Für diese Bot-
schaft ist dem Sprecher der Bundesregierung keine noch so offen-
sichtliche Heuchelei zu blöd:
Sudhoff: "Offenbar wollen die DDR-Behörden nicht nur Besucher ab-
schrecken, sondern auch verhindern, daß DDR-Bürger in die Vertre-
tung flüchten, und durch die Weigerung sie wieder zu verlassen,
ihre Ausreise in den Westen zu erzwingen versuchen."
Ist schon komisch! Wie tönte es neulich erst quer durch die Frak-
tionen, als die Stoph-Nichte und andere auf diese Weise rüberma-
chen wollten: "So geht's nicht. Das ist Nötigung von Staatsorga-
nen und Mißbrauch der Aufgabe der Ständigen Vertretung. Wenn ihr
unbedingt rüberwollt, dann habt ihr das gefälligst bei euren zu-
ständigen Behörden zu beantragen."
Und jetzt?
Die Bundesregierung: "Die Behinderungen stellen einen sehr ernst
zu nehmenden Vorgang dar." "... wird darauf hingewiesen, daß eine
fortdauernde Beeinträchtigung des innerdeutschen Verhältnisses
durch das Vorgehen der DDR den geplanten Besuch des DDR-Staa-
tratsvorsitzenden Honecker gefährde."
"Wir bestehen darauf, daß der Wortlaut und der Geist der Verein-
barungen über die Ständige Vertretung realisiert worden kann."
"Wir nehmen die Zugangsbehinderung nicht hin."
Die Bedeutung, daß durch die laufende Ausreisewelle zu viele
rüberkommen, die hier kaum unterkommen (Warnung vor einer
"Entvölkerung der DDR") und doch lieber drüben dem Staat auf den
Wecker fallen sollten; der Realismus, auch in den deutsch-deut-
schen Beziehungen, nicht eine Praxis einreißen zu lassen, mit der
DDR-Bürger sich nicht an die politischen Regeln halten, sondern
einfach die Ständige Vertretung bevölkern - das hindert natürlich
nicht daran, da, wo die DDR ihre Bürger ganz normal unter Kon-
trolle hält, von einem unerhörten Vorgang zu reden und mit dem
Hinweis auf die so gestörten innerdeutschen Beziehungen politi-
schen Druck auf die DDR auszuüben. Um die Menschen geht's dabei
sowieso nicht, wie man sieht.
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