Quelle: Archiv MG - BRD AUSSENPOLITIK OSTPOLITIK - Deutschland über alles
zurück Westmächte zur "Deutschen Frage"DIE TEILUNG IM WELTMASSSTAB
Der westdeutsche Nationalfeiertag hat nicht nur einen negativen Adressaten im Osten, sondern auch einen Ansprechpartner im Bünd- nis. Was dieser ungeteilt mitfeiert, ist der Kriegsgrund "mitten in Deutschland" als Ostgrenze der Freiheit. Den damit verbundenen nationalen Anspruch der BRD nimmt der freie Westen allerdings als konkurrierenden Machtanspruch aus Bonn für die Neuaufteilung der Welt nach der erfolgreich abgeschlossenen Befreiung des Ostens wesentlich differenzierter zur Kenntnis. Außerhalb der Bundesrepublik wird die Wiedervereinigung "Deutschlands" nur von der Volksrepublik China energisch und vor- behaltlos gefordert: Sie betrachtet die Bundesrepublik als quasi natürlichen Bündnispartner gegen ihren Hauptfeind, die So- wjetunion, mit dem gleichen Ziel, ein auswärtiges Staatsgebiet als eigenes zu beanspruchen und sich einzuverleiben. In sozialli- beralen Zeiten des "Wandels durch Annäherung" waren Regierungs- vertreter nicht einmal begeistert über die Betonung der Notwen- digkeit deutscher Wiedervereinigung seitens chinesischer Kommuni- sten, die damit jeden deutschen China-Besucher zu erfreuen such- ten. Allerdings finden sich auch kaum Kritiker des westdeutschen Ter- ritorialanspruchs welcher Staat kann es sich schon leisten, durch eine abweichende Stellung es sich mit deutscher Wirtschaftsmacht zu verderben, mit oder ohne Hallstein-Doktrin? Und warum auch sollte ein Staat sich die Territorialansprüche eines anderen zu- eigen machen, wenn sie nicht eigene Zuständigkeiten für die be- treffende Gegend anmelden oder innehaben. Natürlich muß jeder namhafte Staatsbesuch in Berlin aufs Podest zwecks fotogener Be- sichtigung der Unfreiheit. Amerikaner sind dann Berliner und füh- len sich, als wären sie zu Hause. Und glasige Augen sind das min- deste, was so ein hetzender Heuchler zustandebringen muß, wenn er ins Grauen nach drüben schaut, oder wie Reagan demonstrativ einen Fuß über die Grenze auf Ostberliner-Gebiet setzt. Ganz eiserne Figuren, die in London, Dublin und Falkland besten Gewissens Blutbäder inszenieren und daraus politisches Kapital schlagen, brechen glatt in Tränen aus: "'Es ist entsetzlich, absolut entsetzlich!' Mit Tränen in den Au- gen und gebrochener Stimme wandte sie sich ab und sagte: 'Es war noch schlimmer als ich es mir vorgestellt habe... man muß es ge- sehen haben; um das Schreckliche in seiner ganzen Tragweite zu erfassen.'" (Times, 30.10.82) NATO-Gebiet in Feindeshand -------------------------- Natürlich klagt ein jeder NATO-Häuptling die Mauer samt östlicher Unfreiheit an. Natürlich legt er ein Bekenntnis zur militärischen Feindschaft gegen die Sowjetunion ab: "Frieden, so heißt es, ist mehr als nur die Abwesenheit eines be- waffneten Konflikts... Streitkräfte oder militärische Bewegungen allein führten nicht zu jenen Konfrontationen (um Berlin). Sie entstanden, weil sich die Sowjetunion weigerte, den freien Fluß von Menschen und Ideen zwischen Ost und West zuzulassen." (Reagan in Berlin) "Sie haben ein besonderes Recht zu wissen, daß Großbritannien seine Verpflichtungen respektiert. Und ich komme als Premier ei- nes Landes, das dies erst neulich bewiesen hat." (Die Verteidige- rin der Freiheit auf den Malvinas im Angesicht der Mauer von Ber- lin) Nur ist die Anklage der deutschen Teilung noch lange nicht iden- tisch mit dem Versprechen deutscher Wiedervereinigung. Für die Siegermächte ergeben sich aus den Ergebnissen des Zweiten Welt- kriegs jeweils ganz eigene Rechte und damit Mittel, ihrem natio- nalen Zweck entsprechend den Hauptfeind unter Druck zu setzen. Als solche Mittel werden sie gehütet, und darum wurde die militä- rische Präsenz in Berlin nicht immer so eingesetzt, wie das so mancher westdeutsche Politiker z. B. 1961 (Friedenswilly) ge- wünscht hätte, wie auch die Polizeigewalt über Ostberlin nur sym- bolisch ausgeübt wird: "Britische, französische und amerikanische Soldaten patrouillie- ren regelmäßig in Ostberlin, um die beinahe mythische Vorstellung von der Viermächteverantwortung über ganz Berlin aufrechtzuerhal- ten. Bei jedem Zwischenfall im östlichen Sektor anerkennen die alliierten Soldaten allein die Autorität der Russen." (Times, 25.5.83) "Silly games" sind das nicht. Schließlich spielt man dieses Spiel, weil die Anerkennung der Zuständigkeit der Russen in ihrem Sektor keine Selbstverständlichkeit ist und weil man sich mit eben diesem blöden Spiel den völkerrechtlichen Anspruch bewahrt, die eigene Zuständigkeit geltend zu machen. Für die Alliierten ist die deutsche Teilung als "ungelöstes Problem" (kein Friedens- vertrag!) die Aufrechterhaltung des Kriegszustands mit dem ehema- ligen Verbündeten, mit dem sie noch eine Rechnung zu begleichen haben - und nicht die Bestätigung der deutschen "Grenzen von 1937". Grenzen werden erst nach dem Sieg von den Siegern nach Maßgabe ihrer Macht gezogen, und dementsprechend werden irgend- welche Rechtsansprüche für gültig erklärt. Gefahr des Neutralismus? ------------------------ Das besondere Interesse der NATO-Partner der BRD wird schon daran deutlich, daß russische Angebote einer Wiedervereinigung in Neu- tralität stets umgehend zurückgewiesen worden sind. Die Londoner Times etwa veröffentlichte zum Bruch der sozialliberalen Koali- tion in Bonn einen skeptischen Kommentar über die Ostpolitik der Bundesregierung, deren Zuverlässigkeit in puncto Russenfeind- schaft in Zweifel gezogen wird. Überschrift: "End of the line for the appeasers". Demnach soll Kanzler Schmidt mehr und mehr "an Boden verloren haben gegenüber dem zunehmend mächtigen proso- wjetischen Flügel der Sozialdemokratischen Partei" (Times, 21.9.82). Zum Beweis der antiwestlichen Machenschaften der SPD hat der Au- tor Brandt, Bahr und Wehner zu "Hauptexponenten der prosowjeti- schen Linie" erklärt und dafür Wehners kommunistische Vergangen- heit wieder aufleben ("ein enger Mitarbeiter in Lenins Komin- tern") und Brandt die Sozialistische Internationale in ein Forum "sowjetischer 'Friedens'propaganda" umkrempeln lassen. Und der Leserbrief eines britischen Diplomaten, der sich gegen diesen Kommentar wendet, zeigt Verständnis für die Bedenken gegen eine deutsche Wiedervereinigung, weil er die Funktionalität des deut- schen Nationalismus gegen den Hauptfeind auch im Rahmen der Ent- spannungspolitik hervorgekehrt wissen will: "Herr Brandt und seine Freunde initiierten die Idee des Wandels durch Annäherung. Sie meinten aber nicht Annäherung an den Kommu- nismus..." (Times, 25.9.82) Wie auch immer - eines ist klar: deutscher Nationalismus wird von den Partnern beansprucht als Unterabteilung des gemeinsamen NATO- Zwecks. Deutsche Wiedervereinigung ist für andere Nationen entwe- der ein Popanz oder ein Mittel den Russen eins reinzuwürgen. Besonders reserviert gegenüber dem deutschen Wiedervereinigungs- anspruch, waren schon immer die Franzosen - schließlich hängt ihre eigene nationale Stellung nicht zuletzt von der Stärke oder Schwäche des Nachbarn ab. Frankreich war immer allergisch gegen die in der deutschen Frage unterstellte Revision der Ergebnisse des 2. Weltkriegs. Alle französischen, von den USA "leider" nicht beherzigten Vorschläge zur endgültigen Lösung des Deutschlandproblems liefen auf die ir- reversible Schwächung des europäischen Hauptkonkurrenten hinaus. Die "Wiedervereinigung" ist in der französischen Ideologie gleichbedeutend mit der Wiederherstellung des 3. Reiches, also der Wiederbelebung des nazistischen Feindes von einst, der in wü- sten Filmen über die stiernackigen "boches" nach wie vor präsent ist. Umgekehrt war und ist für die Franzosen die bundesdeutsche Westintegration eine Art Garantie gegen die Wiedervereinigung. Dies das offene Geheimnis der Freundschaft von Adenauer und De Gaulle: Frankreich war am glücklichsten mit einem Deutschland "von der Größenordnung Frankreichs, das mit der Vergangenheit zu kämpfen hatte, zwar seine Gleichberechtigung forderte, sich aber doch in manchen Fällen (Zuständigkeit für Ex-Kolonien, Souveräni- tät in Rüstungsdingen, Ostpolitik/Weltpolitik à la De Gaulle) mit einem ehrenvollen zweiten Platz - nach Frankreich - zufriedengab" (Ernst Weisfeld). Entsprechend kühlte sich das Verhältnis zwischen Pompidou und Brandt merklich ab, denn die deutsche Ostpolitik wurde von fran- zösischer Seite als neues "Rapallo" verdächtigt. Seitdem gibt es in Frankreich die Auffassung, daß der deutsche "Rechtsnationa- lismus von einst heute nach links gewandert ist". Die französischen Angriffe auf den "Neutralismus" der Grünen und der Vogel-SPD zeigen deutlicher denn je, daß Frankreich für seine westliche Sonderrolle auf ein antirussisches Bollwerk und Glacis namens BRD angewiesen ist und an diesem entscheidenden Punkt der entschiedenste Gegner der sonst hochgelobten "Blockfreiheit" ist. "Frankreich muß Deutschland helfen" - schreibt der Direktor des französischen Instituts für internationale Beziehungen "dem Versuch zu widerstehen, gegen eine hypothetische Wiederver- einigung, die Moskau nie gewähren wird, seine zunehmende Neutra- lisierung einzutauschen." Während die USA mit der einer Führungsmacht eigenen Gleichgültig- keit gegen spezielle Anliegen ihrer Mit-Macher in Berlin die Feindschaft d e s W e s t e n s gegen den Osten demonstrieren, und erklärte "Berliner" wie Kennedy, Carter und Reagan deshalb auch über die besonderen Verhältnisse West- und Ostberlins gar nichts zu wissen brauchen, geschweige denn überzeugte Anwälte bundesrepublikanischer Wiedervereinigungsansprüche sind, wittern die französischen Nachbarn und Partner in diesen Anspruch argwöh- nisch und konsequent das bundesrepublikanische Ziel einer künfti- gen unbestrittenen Führungsrolle in Europa und arbeiten sich di- plomatisch an dem Widerspruch ab, daß die Gemeinsamkeit des west- lichen Bündnisses nicht dasselbe wie die Kontrolle der BRD ist und im vorweg angemeldeten Streit um eine neue Nachkriegsordnung die amerikanische Führung und die Mitsprache des mächtigen Bünd- nispartners Bundesrepublik nicht zu umgehen ist. Ein "Wiederaufleben alter Erbfeindschaft" ist das nicht, sondern die Sorge um den gebührenden Platz in einer künftigen imperiali- stischen Welt. Von einer kriegerischen Beseitigung der SU gehen alle Beteiligten so selbstverständlich aus, daß sie darüber spe- kulieren, ob das deutsche Ansinnen auch brauchbar ist für diesen Zweck. S o und nur so sind nationale Rivalitäten erlaubt als Beweis, daß die Wiedervereinigung mit dem NATO-Programm zusammen- fällt, also auch im Rahmen einer "gesamt-europäischen" Nach- kriegsordnung geregelt werden soll. *** Öffentliche Ordnung ------------------- "Stadt Witten Der Oberstadtdirektor Stadt Witten, Postfach 2280, Witten Betreff: Sondernutzung; hier: Ihr Antrag vom 15.5.1983/Eingang: 17.5.1983 Sehr geehrter Herr Es ist beabsichtigt, die beantragte Sondernutzungserlaubnis für die Anbringung von 230 Plakaten Ausmaß: DIN A 1/DIN A 2, Aufruf der Marxistischen Gruppe zur Demonstration gegen die gewaltsame deutsche Wiedervereinigung im Nato-Weltkrieg am 17. Juni 1983 in Bonn abzulehnen. Begründung: Der Text des eingereichten Musterplakates stellt allein durch die behauptete beabsichtigte gewaltsame deutsche Wiedervereinigung im Nato-Weltkrieg eine Gefahr für die öffentliche Ordnung dar. Durch die Anbringung dieser Plakate im Wittener Stadtgebiet würde un- weigerlich eine Störung der öffentlichen Ordnung eintreten. Gemäß Paragr. 28 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen wird Ihnen hiermit Gelegenheit gegeben, sich zu den Gründen, die zu dieser Entscheidung geführt haben, zu äu- ßern. Die Äußerung kann schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stadt Witten, Rathaus, Amt für öffentliche Ordnung, Zimmer 54, erfolgen. Mit freundlichen Grüßen. Im Auftrage Burkert" Der Herr Oberstadtdirektor lehnt das Anbringen unserer Plakate nicht ab, weil sie den Verkehr behindern würden. Ihm paßt der In- halt der ganz demokratisch praktizierten Meinungsfreiheit nicht: Wer sich gegen die gewaltsame deutsche Wiedervereinigung im NATO- Weltkrieg ausspricht, stört die öffentliche Ordnung. Obwohl nie- mand daran glaubt, daß die deutsche Wiedervereinigung anders denn gewaltsam zu haben ist - oder meint jemand wirklich, die DDR würde ihre Souveränität freiwillig in Bonn abgeben? -, soll man diese Perspektive nicht behaupten dürfen. Offenbar ist Ö f f e n t l i c h e O r d n u n g ein Ding, das den Bürger vor allen Gedanken schützt, die nicht den Verlautbarungen des Staatsinteresses entsprechen. Und wenn demnächst die Ö f f e n t l i c h e O r d n u n g ihre Plakate aushängt mit denen die M o b i l m a c h u n g bekanntgegeben wird für den Kampf um die deutsche Wiedervereinigung mit Krieg für die Frei- heit - dann wird das für den Herrn Oberstadtdirektor der Stadt Witten mit Sicherheit in Ordnung gehen... *** Roll Back '83 ------------- "Eine verantwortungsvolle Deutschlandpolitik, wie überhaupt die Ostpolitik des Westens, muß in geistig-politischer Hinsicht viel offensiver geführt werden. Es genügt nicht zu wünschen, daß sich der Kommunismus nicht weiter gewaltsam ausdehnt. Wir müssen deut- lich machen, daß der Friede zwischen Ost und West erst in dem Au- genblick, wirklich gesichert ist, in dem die kommunistischen Re- gime ihren Völkern freie Selbstbestimmung gewähren, freie Wahlen und alles, was dazugehört. Erst dann bräuchte sich der Westen nicht mehr bedroht zu fühlen." (Aus: "Wendepunkt", Stadtteilzei- tung der CSU in München-Schwabing, Juni 1983, S. 7) zurück