Quelle: Archiv MG - BRD AUSSENPOLITIK OSTPOLITIK - Deutschland über alles


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MENSCHLICHE ERLEICHTERUNGEN - AUF KREDIT

Knapp eine Milliarde verleiht die Deutsche Bank erneut an die DDR. Der bekannt zuverlässige Schuldner bietet ausreichend Si- cherheiten für die Rückzahlung; die Bundesregierung glaubt gar nicht an das Eintreten des Garantiefalles, für den sie bürgt; der Preis für das geliehene Geld liegt über den Zinsen, die sonst verlangt und bezahlt werden. Ein ganz normales Geschäft -------------------------- also, das die BRD mit der DDR da abgeschlossen hat - und ein glänzendes dazu. Da werden keine Umschuldungstransaktionen getä- tigt, die bereits ruinierten Volkswirtschaften wie Polen helfen sollen, auch noch die letzte Gans an "uns" abzuliefern, und die dafür sorgen, daß bereits entwertete Darlehen, die nie zurückge- zahlt werden können, den dafür bürgenden westlichen Banken als Geschäfts- und Spekulationsmittel erhalten bleiben. Es sind ziem- lich normale Geschäfte, deren unter kapitalistischen Partnern völlig selbstverständlichen Finanzierungsmodalitäten hier zu ei- ner ungeheuer großzügigen bundesrepublikanischen Kreditaktion aufgebauscht werden. Die Vorteile aus diesem Geschäft sind auch kein großes Geheimnis: "Die bundesdeutschen Einkäufer fahren dagegen mit recht positiven Erwartungen nach Leipzig. Sie wollen in erster Linie Konsumgüter ordern, die zur Zeit in der DDR besonders preisgünstig zu bezie- hen sind." So verdienen sich IKEA, Quelle, Siemens usw. nicht nur mit dem Einheitsschrott, mit dem bundesdeutsche Familien ihre Zimmer vollstellen, dumm und dämlich, alles made in DDR - und so ist die Welt des Osthandels heil und problemlos. Beschwerden über die Kreditvergabe gibt es auf dieser Grundlage ausgerechnet von der bundesdeutschen Geschäftswelt. Der DIHT "findet keine Hinweise darauf, daß der unlängst von der Bundesre- gierung verbürgte Kredit über 950 Millionen Mark den gegenseiti- gen Handel befruchten würde. Da sich die finanzielle Situation der DDR in jüngster Zeit weiter gebessert habe, sei die Zurück- haltung gegenüber den Firmen aus der Bundesrepublik nicht zu ver- stehen." Das ist nicht zu verwechseln mit der Klage, mit der Kapitalisten immer ihren Erfolg begleiten: Er ist ihnen nie genug. Hier wird der Bundesregierung ja vorgeworfen, sie habe es versäumt, mit der Kreditvergabe an einen anderen Staat diesen auf den exklusiven Vorteil der eigenen Geschäftswelt zu verpflichten, ihn also zum Verzicht auf freien Umgang mit seiner Ökonomie zu bewegen. Wenn die DDR sich herausnimmt, den Kredit nach eigenem Ermessen zu verwenden, so ist das eine nicht zu duldende Unverschämtheit. Der Nutzen, den auch von der DDR geschätzte Herren wie Wolff von Ame- rongen und Beitz aus dem Osthandel ziehen, läßt diese nicht ver- gessen, daß "normale Beziehungen zur DDR" auf einer etwas anorma- len, besonderen Geschäftsgrundlage beruhen. Vom Geschäft ist aber zuallerletzt die Rede. Mit ihrer Kredit- bürgschaft hat sich die Bundesregierung vielmehr ins laufende Kredit- und Handelsgeschäft eingeschaltet, um die DDR in einer ganz anderen Hinsicht als Schuldner dastehen zu lassen. Wenn es aus dem innerdeutschen Ministerium zu dem Deal heißt, er sei zu- friedenstellend, weil "nach Leistung und Gegenleistung ausgewo- gen", dann geht es für die BRD darum, einen p o l i t i- s c h e n Erfolg ganz anderen Kalibers einzukassieren. Wenn die DDR einen westdeutschen Kredit für sich haben will, dann kriegt sie den nur zu politischen Preisen, die sie zusätzlich zu den Kosten des Kredits als "Gegenleistung" zu zahlen hat. Für das grundgesetzlich verankerte Sonderinteresse des NATO-Mitglieds BRD - das Ziel aller Deutschen ist die Wiedervereinigvng, also die Beseitigung der DDR von der politischen Landkarte hat sich die DDR erkenntlich zu zeigen, will sie Beziehungen zu "uns" haben. Diese politische Erpressung trägt den sonnigen Namen Menschliche Erleichterungen... ------------------------------ Erfreut wird registiert, daß ihr die DDR im Zusammenhang mit dem neuerlichen, Kredit in einer Weise nachgekommen ist, "von der man vor Jahren nur träumen konnte" (Staatssekretär Jenninger). Mit dem von oben gepflegten Volksvorurteil von den zerrissenen Fami- lienbanden zu "unseren Brüdern und Schwestern im Osten" und den armen Mütterchen, die weder von drüben nach hüben noch von hier nach dort gelassen werden, haben die "menschlichen" Erleichterun- gen, um die sich die Bundesregierung verdient macht, herzlich we- nig zu tun. Wenn es darum ginge - nichts leichter als das: Die Anerkennung der DDR und ihrer Staatsbürgerschaft würde die Anormalität der sogenannten innerdeutschen Beziehungen ausräumen. Oder anders- herum: Ohne die seit Gründung der BRD praktizierte Nichtaner- kennung der staatlichen Hoheit und der Grenzen der DDR gäbe es die besonderen Verhältnisse zwischen diesen beiden Staaten gar nicht, über deren "unmenschliche" Folgen westdeutsche Politiker immer zu jammern belieben. DDR-Bürger, die in die BRD einreisen, fallen potentiell unter westdeutsche Strafverfolgung, wenn sie sich drüben nicht als brave BRD-Bürger aufgeführt haben. Die BRD vereinnahmt alle in der DDR lebenden Menschen als ihre Unterta- nen. Die grundsätzliche Nichtanerkennung der "innerdeutschen" Grenze ergänzt sie durch Unnachgiebigkeit auch noch beim letzten Grenzzipfel, dessen genauen Verlauf zu klären, die Alliierten nach '45 übersehen haben. Von ihrem Territorium, besonders von Westberlin aus, hat die BRD alles nur Mögliche getan, um die "Stabilität" eines zum "Unrechtsstaat" erklären Nicht-Staates zu untergraben. Und da soll man nicht auf die Staats-Vernunft der DDR-Politiker, sondern auf Verbrechen schließen, wenn keine Be- ziehungen zustandekommen, wie sie unter "gesitteten" Nationen sonst üblich sind! Wenn DDR-Politiker herkommen und für die "Normalisierung der Beziehungen zwischen den deutschen Staaten", die "Respektierung der DDR-Staatsbürgerschaft, die Einstellung der Erfassungsstelle Salzgitter und die Anerkennung der Elbgrenze wie international üblich in der Flußmitte und die Umwandlung der Ständigen Vertretung in Bonn in eine Botschaft" fordern, dann lautet die Antwort aus Bonn: "Kommt nicht in Frage!" Darüber solle sich Honecker nichts vormachen, weiß Kohl schon im Vorfeld des Besuchs: "Über die Frage der Staatsbürgerschaft allerdings werde man mit ihm nicht reden können. Diskutieren wohl, aber ohne Ergebnis!" Man sollte sich vielleicht auch einmal klar machen, worauf sich die Bundesregierung eigentlich bezieht, wenn sie jetzt stolz ver- kündet: "Die Senkung des Mindestumtauschs kommt besonders den so- zial Schwächsten zugute". Schließlich ist es ihr Werk, die Renten so gesenkt zu haben, daß die Kosten für einen Besuch der DDR zu einem unbezahlbaren Luxus werden. Der Bundesregierung dient frei- lich ihr freier Umgang mit den Lebensnotwendigkeiten ihrer Bürger dann umso mehr als hilfreiches Mittel, die DDR weiter zu er- pressen. Die Bundesregierung, die die Spesen sämtlicher Ost-West- "Verwandtenhilfen" großzügig für steuerlich abzugsfähig erklärt hat, macht umgekehrt aus ihrer Verarmung der Rentner eine Prinzi- pienfrage gegen die DDR: Die soll ihren Beschluß über DDR-Reise- kosten zurücknehmen - und zwar ausdrücklich auf bundesrepublika- nische Intervention und in aller Öffentlichkeit. Daß sich die BRD ein ganzes Bundesland als Stachel im Feindesland hält und die Berliner zum Demonstrationsmittel dafür benützt, der DDR ihre staatliche Hoheit und das Recht, eine Hauptstadt zu ha- ben, bestreitet - das und nur das hat den Bewohnern von Westber- lin ihre "besondere Lage" eingebrockt. Ohne die Einschränkungen - von denen die, nicht an die märkischen Seen zu können, noch die geringste ist - wäre das Hinterhaus der BRD ja glatt als Zeugnis für den "ungebrochenen Freiheitswillen der Stadt" nicht zu ge- brauchen. Wenn die Berliner den Spruch "Ich bin ein Berliner!" - also ein westlich beauftragter freiwilliger Freiheitskämpfer mit- ten im Feindesland - zu ihrer menschlichen Charaktereigenschaft ausgestalten, umso blöder für sie. Man sollte sich vielleicht auch mal vorstellen, in Ostberlin würde eine Besuchsaktion Kohls mit dem erklärten Ziel geplant, der Bonner Regierung das soziali- stische Recht auf Arbeit, mehr Arbeitslosenhilfen und den unbe- schränkten Familiennachzug für Türken auf's Auge zu drücken, und die Sorge um diese menschlichen Erleichterungen würde täglich als das Programm aller Westpolitik verkündet! Ob Kohl dann erfreut nach Pankow reisen würde! Bei der Definition dessen, worüber ein bundesdeutscher Staatsmann mit Honecker auf keinen Fall reden will, ist Kohl dennoch ein Ge- sprächsgegenstand eingefallen: der Schutz der Umwelt vor "Gefahren, die Menschen jenseits aller Grenzen bedrohen". Busch- haus steht eben haargenau an der richtigen Stelle und wurde haar- genau zum richtigen Zeitpunkt in Betrieb genommen! ...staatliche Erschwerungen --------------------------- Die Sorge westdeutscher Politiker um "menschliche Erleichterun- gen" kündet also nur von einem: Diese Staatsmänner wissen um die Macht, den Leuten, über die sie das Sagen haben, das Leben schwer zu machen. Aus dieser ihrer Souveränität beziehen sie anderer- seits den Anspruch, mit "Augenmaß" und "Festigkeit" der DDR die staatliche Verfügung über deren Menschenmaterial zu bestreiten. Bei allen Vereinbarungen, die "menschliche Erleichterungen" hei- ßen, geht es darum, daß die DDR dem westdeutschen Anspruch nach- gibt, nach eigenem Gusto "im anderen Teil Deutschlands" und gegen das dortige "Regime" mitzuregieren. Die von der DDR für die jetzige Kredit-"Vorleistung" erbrachten "Gegenleistungen" sind nicht von Pappe. Schließlich bestimmt die Bundesregierung jetzt darüber mit, wen die DDR wie lange und wo- hin nach Westdeutschland aus- und von dort einreisen läßt. Und wenn die DDR ihr Territorium vermehrt für den menschlichen inner- deutschen Verkehr zur Verfügung stellt, dann hat sie die ideolo- gische Aufweichung auch per Vertrag anzuerkennen: "Großzügigere Handhabung der Mitnahme von Literatur- und anderen Druckerzeug- nissen; großzügigere Gestaltung des Schallplattenversandes". Daß sich die DDR-Regierung von jedem ihrer ausreisewilligen Bürger erpressen lassen muß, geht auch klar. "Wir" in der BRD können uns freilich von keinem Türken, der nicht abgeschoben werden will, "erpressen" lassen. Das gilt auch für DDR-Bürger, die mit der "Besetzung" der BRD-Vertretung in Ostberlin die "menschlichen Er- leichterungen" gründlich mißverstanden haben. Wer die menschli- chen Erleichterungen befiehlt und erpreßt, sind immer noch "wir", die stolzen Bonner Politiker - "und wir lassen uns nicht nötigen" (Jenninger). Und wenn die DDR ein paar tausend ausreisen läßt, kommt postwendend die Beschwerde, daß man die freie Reiseerlaub- nis und nicht die erlaubte Ausreise gemeint habe. Dennoch, was da die DDR neu zugestanden hat, erfüllt bundesdeut- sche Politiker und deren Öffentlichkeit vor allem mit Unzufrie- denheit: "Magere Gegenleistungen für den Kredit... Was bisher aus Bonn über Reiseerleichterungen bekanntgeworden ist, läßt niemanden in Jubel ausbrechen... Wer alle Einzelbestandteile, so erfreulich sie sind, auf ihre Inhalte und ihre Werte abklopft, wird ent- täuscht sein". (Süddeutsche Zeitung) "Alles noch viel zu wenig", lautet die eintönige Botschaft sämt- licher Bonner Parteien; und die wird gleich als nächste Forderung an Honecker weitergereicht. An dem Anspruch, daß die DDR von der BRD aus regiert werden muß, blamieren sich noch alle Zugeständ- nisse, in die die DDR einwilligt - eben w e i l s i e einwil- ligt. Auf der anderen Seite kommt es auch gar nicht so sehr dar- auf an, ob beim anstehenden Besuch des Staatsratsvorsitzenden, weitere Fortschritte in dieser Richtung erzielt werden. Die letzte und grundsätzliche "menschliche Erleichterung", die Heim- führung der "deutschen Brüder und Schwestern im Osten" ist mit H o n e c k e r ohnehin nicht auszuhandeln - und die Sowjetunion läßt darüber nicht mit sich v e r h a n d e l n. zurück