Quelle: Archiv MG - BRD AUSSENPOLITIK OSTPOLITIK - Deutschland über alles


       zurück

       Warum "Revanchismus" zu Recht in Anführungszeichen steht
       

DER REAL EXISTIERENDE REVANCHISMUS

Wird die unschuldige BRD zu Unrecht mit Dreck beworfen? Wird eine ganz untadelige Friedenspolitik übler Absichten bezichtigt, nur weil Moskau um seine Vorherrschaft bangt? Geht es um ein "normales" Verhältnis der beiden deutschen Staaten um der Men- schen willen, das der Kreml nicht dulden will? Oder rollt die "Propagandawelle" nur wegen des Ärgers über den mißlungenen Ver- such, Europa unter das Diktat der SS 20 zu stellen? Kohl, Gen- scher und Co. strotzen vor Unschuld. Regierungs- und sonstige Sprecher rufen - wen eigentlich? zu Mäßigung, Besonnenheit, Zu- rückhaltung auf. Allgemein gilt, die sowjetischen Vorwürfe seien völlig gegenstandslos. Wie kommen sie nur darauf? Rätselraten. Eindeutige Zurückweisungen des "Revanchismus"-Vorwurfs ------------------------------------------------------ Die Position der BRD ist doch so klar wie gerecht! Was haben die Russen eigentlich dagegen, daß die BRD rüstet, und zwar unüber- sehbar für ein Programm, das auf die Sicherung gegen mögliche Überfälle der Nationalen Volksarmee garantiert nicht berechnet ist? Dürfen Bonner Politiker etwa eine Gelegenheit auslassen, sich auf ihren Grundgesetz"auftrag" zu verpflichten, die "deutsche Frage" zu lösen, also der DDR ein Ende zu bereiten? Ist es nicht recht und billig, daß für jeden deutsch-deutschen Ver- handlungsfortschritt der DDR ein politischer Preis abverlangt wird, daß Kredite als ökonomische Hebel eingesetzt werden, um sich "in die inneren Angelegenheiten der DDR einzumischen"? Ist es schließlich verwerflich, daß diese Unternehmungen darauf zie- len, "die sozialistische Ordnung in der DDR zu untergraben", auch wenn hiesige Politiker dafür andere Vokabeln verwenden: "Wandel durch Annäherung", "Liberalisierung", "Normalisierung"... Nein, die Sowjetunion "liegt neben den Realitäten", verkünden un- sere Politiker und bedienen sich zielsicher des sowjetischen Feh- lers. Solange die Russen die "Gefahr" des Revanchismus in "Kreisen" und "Kräften" wittern, welche E i n f l u ß a u f die gültige Bonner Politik nehmen; solange die Vorstellung eines nationalen Kraftakts zur "Wiedereingliederung" verlorener Gebiete im Kreml die Runde macht; solange schließlich, wie die So- wjetunion die p r a k t i z i e r t e n Angriffe auf ihren ver- bündeten Staat unter "friedlichen Handel" einreiht, um bei der Verkündung der politischen I d e a l e der BRD umso lauter aufzujaulen, so lange können sich die Männer der 'Wende' wie ihre Vorgänger lauter Unbedenklichkeitsbescheinigungen ausstellen. "Revanchismus" können sie beim besten Willen keinen entdecken in der Bundesrepublik, allenfalls "die eine oder andere winzige Gruppe, die schrille Töne von sich gibt. Aber das ist im Re- gelfall keine Frage der Politik, sondern eine Frage der Medizin." (Kohl). Das Programm der deutschen Einheit aber hat schon deswe- gen nichts mit Revanchismus zu tun, weil es sich dabei um eine R e c h t s p o s i t i o n der BRD, siehe Grundgesetz, handelt: "in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden." Was kann es also dagegen einzuwenden geben?! So unverschämt ist das Selbstbewußtsein der Republik, daß der Revan- chismusvorwurf einfach mit dem Hinweis auf die M i t t e l zu- rückgewiesen wird, mit denen dem feindlichen Block Schwierigkei- ten aller Art, und zwar durch die BRD, bereitet werden. Und diese Mittel - von Techniken einmischungsträchtigen Geschäfts bis zur Ausstattung mit Gewalt tragen dazu längst schon den Namen Friedenspolitik! In ganzen zwei Sätzen und mit einem beleidigten Augenaufschlag ist Kanzler Kohl beim Kern der Sache: "Krieg und Gewalt sind keine Mittel der Politik, und die Bundes- republik will einen Beitrag zum Frieden leisten, aber zu einem Frieden zu einer für uns entscheidenden Bedingung - das ist Frie- den und Freiheit. Beides gehört zusammen." Nach-Nachrüstungsangebote an die östlichen Nachbarn --------------------------------------------------- Seitdem die Bundesrepublik eine Zweitausgabe des US- Raketenpo- tentials auf ihrem Territorium stationiert hat, demonstriert sie dem Osten gegenüber auffallend viel Bereitschaft, von dem Rake- ten t h e m a abzusehen und für Entspannung und Frieden zu wir- ken. Die b i s zur Stationierung geltende Heuchelei: 'Nachrüsten, nur um umso besser abzurüsten' hat dabei bezeichnen- derweise abgedankt. In Moskau hat Kanzlerberater Teltschik den heutigen Sinn der "Nach"rüstung erklärt: "Die Westeuropäer haben mit dem Beginn der Stationierung der ame- rikanischen Mittelstreckenraketen bewiesen, daß sie ihren An- spruch auf gleiche Sicherheit durchzusetzen bereit sind. Um nichts anderes ging es. In der Tat wäre es absurd zu glauben, die Sowjetunion durch Rüstung an den Verhandlungstisch zwingen zu können." B l o ß "gleiche Sicherheit" hat man sich also verschafft - gleiche Sicherheit mit der Führungsmacht des gegnerischen Blocks! und auf dieser Grundlage befindet die kleine BRD, daß es doch ein Fehler wäre, "die Beziehungen auf das Raketenthema zu verengen" (Windelen). Im Klartext: Die Sowjetunion hat die europäische Auf- rüstung hinzunehmen und ansonsten die friedlichen Beziehungen zum Westen fortzusetzen - zu den Konditionen, die man hier aufstellt. Das heißt "Schadensbegrenzung". Gerade mit ihrem Rüstungspro- gramm, das im übrigen ja auch längst noch nicht perfekt ist, sieht die BRD nicht den geringsten Grund, auf die Anwendung ihrer anderen, "friedlichen" Methoden zur Aufweichung des feindlichen Blocks zu verzichten. Als Antwort auf die sowjetischen Vorwürfe möchte Außenminister Genscher, nachdem Reagan und andere NATO- Führer vor einiger reit die Entspannung für ziemlich bis ganz tot erklärten, jetzt auf einmal wieder ein großes Entspannungspro- gramm lancieren: "Der Versuch der Sowjetunion, Westeuropa ihr militärisches Ent- spannungskonzept ohne gleiches Recht auf Sicherheit aufzunötigen, ist gescheitert. Umgekehrt wäre es auch falsch, wenn der Westen die notwendige Festigung seiner militärischen Sicherheit als aus- reichendes Mittel zur Lösung der West-Ost-Probleme betrachten würde. Wir haben uns bei der Nachrüstung dafür eingesetzt, daß der Westen nun nicht zu einer Politik der Stärke übergeht, son- dern dem Osten eine langfristige Zusammenarbeit auf vielen Gebie- ten anbietet. Je früher die Sowjetunion die darin für sie liegen- den Vorteile erkennt, desto besser. Doch muß Moskau zu dieser Er- kenntnis von allein gelangen. Westlicher Vorschlagsaktionismus wirkt da eher hemmend... Jetzt ist die Zeit reif für einen neuen Versuch, eine breit angelegte, langfristig tragfähige Entspan- nungsregelung zwischen West und Ost auf der Grundlage des Gleich- gewichts und der Gleichberechtigung zustande zu bringen." Keine "Politik der Stärke" - die Sowjetunion muß b l o ß die zweite gegen sie aufgestellte Raketenfront als unabänderlich ak- zeptieren! Und solange sie darauf besteht, daß die Raketen zu- rückgenommen werden müßten, wenn die Ost-West-Beziehungen nicht leiden sollen, setzt die friedliche BRD sie schlicht dadurch ins Unrecht, daß sie nach Kräften für gute Beziehungen zu den Satel- liten sorgt. In diesem Sinne beglückwünschen sich die bundesrepu- blikanischen Politiker zur ersten Kreditinszenierung mit der DDR regelrecht wie zu einem gelungenen Test auf den Erfolg der eige- nen Politik der Stärke: "In dieser Lage war der Kreditwunsch der DDR durchaus hilfreich. Durch die Garantie konnte die neue Bundesregierung signalisieren, daß sie bei konsequenter Wahrung der Sicherheits- und Bündnisin- teressen der Bundesrepublik Deutschland durchaus bereit sei, mit der DDR zu kooperieren. Nach allem, was wir wissen, ist das Signal auch so verstanden worden, zumal in der Kreditannahme auf dem Höhepunkt der Anti- Nachrüstungskampagne ja ein Eingeständnis der DDR lag, daß die Welt nach dem November nicht zu Ende gehen würde, was sich ja dann auch bestätigt hat... Betrachte ich nur die DDR, so wäre es für deren innere und wirt- schaftlich-finanzielle Lage in der Tat höchst unvernünftig, ja gefährlich, die Verbindungen und die Zusammenarbeit nach Westen abzuschneiden... Insgesamt möchte ich aus dem Beispiel Nachrü- stung die Lehre ziehen: Die wirtschaftlichen und stabilitätspoli- tischen Interessen des Sowjetblocks verwehren diesem augenschein- lich, nach Belieben zwischen den Optionen friedliche Koexistenz oder Kalter Krieg hin- und herzuwechseln." (Windelen) Ein schönes Eingeständnis davon, daß unsere Politiker nur zu gut wissen, mit welchem Kaliber von Aufrüstung sie die Sowjetunion konfrontiert haben! Grund für einen "Kalten Krieg" wären die Ra- keten durchaus - und jetzt werden die Führungsmacht wie ihre Sa- telliten auf ihre Bereitschaft überprüft, ihn auch zu eröffnen. Die in der "Entspannungsperiode" geknüpften Beziehungen, die an- ders gelagerten Interessen der Ostblockstaaten werden ausgenützt, um ihnen zu demonstrieren, daß sie sich wegen der Raketen eine Verschlechterung der Beziehungen zu ihrem eigenen Schaden nicht leisten können. Sie sollen im Gegenteil der BRD weitere ostpoli- tische Erfolge verschaffen. Das heißt dann "ein Geflecht von Be- ziehungen" schaffen, wiederum eine enorm friedenspolitische Ange- legenheit: "Gerade in einer Phase der Abkühlung zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion können konstruktive bilaterale Bezie- hungen in Europa wie ein Sicherheitsnetz zwischen Ost und West wirken. Sie verhindern, daß alle geknüpften Verbindungen, oft mühsam genug zustandegebracht, reißen." (Teltschik) Man möge nur kurz einmal davon absehen, daß und wie die BRD maß- geblich an der H e r s t e l l u n g dieser Abkühlung beteiligt war. Unsere Politiker erheben nachgerade einen R e c h t s a n- s p r u c h darauf, ihre in den Jahren der Ostpolitik erworbenen Mittel zur Einflußnahme auszubauen, und zwar in eindeutiger Absicht: Das Bekenntnis, "Verbindungen" am "Reißen" "hindern" zu wollen, unabhängig davon, was die Beteiligten vorhaben, ist ein Bekenntnis zur Schaffung von A b h ä n g i g k e i t e n; und zwar auf der anderen Seite; Abhängigkeiten, die deren Kalkula- tionsfreiheiten einschränken. Gerade als wollte man die östliche Beschwerde, durch einen Rake- tenzaun ließe sich schlecht miteinander reden, offensiv dementie- ren, behandeln BRD-Politiker die Raketen als den allerbesten Grund, die Beziehungen immer noch enger zu knüpfen. Und gelogen daran sind nur das "leider" und die Beschwichtigerrolle der BRD angesichts der "kühlen" Zeiten. Umgekehrt stimmt's: Warum soll m i t den Raketen das Erpressungsgeschäft gegenüber dem feindli- chen Block in allen anderen Sphären nicht umso besser laufen? Deutschlandpolitische Kontinuität --------------------------------- Daß bei diesen Bestrebungen die DDR der gesuchteste Adressat ist, daß Ex-Kalte-Krieger wie Strauß, die noch vor ein paar Jahren die DDR nicht einmal überflogen hätten, um ihr nicht unversehens ein Stück Anerkennung zu erweisen, nunmehr pausenlos dort landen und Geschäfte "einfädeln", paßt vorzüglich ins Bild. Seit die BRD sich daran gewöhnt hat, die DDR vorläufig quasi anzuerkennen, steht die Deutschlandpolitik auch unter dem Titel "die Folgen der Teilung erträglicher machen". Das heißt entgegen dem beabsichtig- ten menschenfreundlichen Mißverständnis 1. das nationale Bewußt- sein einer T e i l u n g als eines zu beseitigenden Grundübels dauerhaft zu p f l e g e n und 2. die Beziehungen zu diesem Ge- bilde auszubauen, um an möglichst vielen Stellen in das andere deutsche Staatswesen h i n e i n z u r e g i e r e n und in der Form die Zuständigkeit für die andere Hälfte immer weiter auszu- dehnen. Und seitdem die Christen regieren, blamieren sich die sozialdemokratischen Erfinder dieser Politik gründlich mit ihrem Verdacht, ihre "mühsam geknüpften Verbindungen" würden nun von den "Ewiggestrigen mit ihren Berührungsängsten" ruiniert. Von we- gen! Auf die Möglichkeit, die eigenen Interessen andernorts nach- haltig zur Geltung zu bringen, verzichtet kein verantwortungsvol- ler Staatsmann nur wegen früher einmal bevorzugter Stilmittel. Die Christen haben es nachgerade als ihr ostpolitisches Geschäft entdeckt, einerseits die gesamtdeutschen Rechtspositionen ohne jede "Ist-nicht-so-ernst-gemeint"-Attitüde hochzuhalten und ande- rerseits der DDR immer mehr Zugeständnisse in Sachen Grenze, Staatsbürgerschaft, Umgang mit Staatsfeinden, ideologische Unter- wanderung - lauter Fälle von Aufweichung der realsozialistischen Gesetzlichkeit - abzuhandeln. Sie weisen lauter Erfolge vor mit dem Gestus: Da seht ihr, die Politik der Härte zahlt sich aus! Die deutsche Frage kommt voran - mit den Raketen! Wobei allerdings die DDR, also ausgerechnet das jahrzehntelang beschimpfte sozialistische Unwesen auf deutschem Boden, ganz ent- scheidend dafür zuständig ist, daß diese Erfolge zustandekommen. Denn so, daß die bundesrepublikanischen Forderungen so menschlich und gerecht sind, daß sie einfach erfüllt werden müssen, oder daß ein Honecker, weil er nun einmal ein Deutscher ist, gar nicht an- ders kann, als mit uns zu können, - so ist es ja nun auch nicht. Die DDR: Die Westpolitik einer überaus -------------------------------------- "gefestigten sozialistischen Menschengemeinschaft" -------------------------------------------------- Der zweite deutsche Staat, dessen Existenzberechtigung die BRD seit jeher bestreitet, woran sich bis heute nichts Grundsätzli- ches, sondern allein die Methoden geändert haben, der zweite deutsche Staat, der zu Beginn der Entspannungspolitik von seiner Vormacht zur Aufnahme von Beziehungen mit der "revanchistischen" BRD regelrecht gedrängt werden mußte, hat offenbar Gefallen daran gefunden. Die Politik der "menschlichen Erleichterungen", die der DDR lauter Auflagen bezüglich eines der BRD-Politik genehmen Um- gangs mit dem eigenen Staatsvolk macht, nehmen die SED-Politiker offensichtlich auf ihre Weise: Weil die politische Einflußnahme n i c h t o h n e politische Kontakte, Besuche, Verhandlungen, Verträge, kurz: gute Beziehungen zu haben ist, behandeln sie das schlicht als Aufwertung ihres Staatswesens. Sie nehmen die zuneh- mende Besucheranzahl aus dem Westen m i t G e n u g t u u n g zur Kenntnis, als Beweis dafür, daß an ihrer blitzsauberen DDR kein BRD - Politiker mehr vorbeikommt. Der Vormundschaftsanspruch der BRD gegenüber der DDR, einmal als besonderes I n t e- r e s s e an der DDR betrachtet, erscheint ihnen mittlerweise als eine gar nicht so schlechte Geschäftsgrundlage. Und zwar vor allem deshalb, weil sie der Auffassung sind, dem mit jedem BRD-Antrag verbundenen Angriff auf ihre Souveränität g e w a c h s e n zu sein, die Beziehungen also ohne Beeinträch- tigung ihres Staatswesens zu dessen Vorteil ausnützen zu können. Die Komplimente, mit denen sich die andere deutsche Republik im- mer wieder schmückt, belegen die Selbstzufriedenheit der Kommuni- sten deutscher Machart: Nicht nur, daß sie den sozialistischen Aufbau schon längst für erfolgreich beendet erklärt haben und seit langem und pausenlos "die entwickelte sozialistische Gesell- schaft gestalten". "S t a b i l", "e f f e k t i v" und "d y n a m i s c h" - so erläutern sie die herausragenden Vorzüge ihres Staatswesens bei jeder Gelegenheit; eine sehr wenig k l a s s e n b e w u ß t e Erfolgsbilanz, wenn man die Herren einmal an ihre verstaubte Terminologie erinnern will. Es ist ein Erfolg, wie Nationalkommunisten ihn sehen: Die DDR hat sich nicht nur gegen die Anfechtungen der BRD behauptet, sondern hat aus ih- rem Staatsvolk eine pflichtbewußte, staatsbürgerlich gut erzogene Truppe mit einem durchaus DDR-eigenen Nationalismus gemacht, mit der ein Kampf um die nationale Produktion nach dem anderen er- folgreich abgeschlossen wird. Stabil, effektiv und dynamisch ist das halbe Deutschland zur Wirtschaftsmacht des Ostblocks aufge- stiegen. Den Massen hält man immer wieder den höchsten Lebens- standard im Ostblock (und einen international zwischen Italien und England errechneten) als Verpflichtung zu weiterer Leistungs- steigerung vor und sonnt sich ansonsten in dem Bewußtsein, ein gefragter Handelspartner mit "weltmarktsfähigen Produkten" zu sein - auch ein uraltes Ziel der Arbeiterbewegung. Dies ist ihr Erfolg, befindet die Honecker-Mannschaft. Die Bestreitung ihrer Souveränität durch die BRD wird einerseits nach wie vor in allen Einzelheiten registriert und der Öffentlichkeit als Schilderungen der laufenden Grenzverletzungen und Übergriffe in DDR-Rechtsver- hältnisse anklagend vorgetragen; andererseits brauche man das nicht mehr so ernstzunehmen. "Ich möchte darauf verzichten, hier im einzelnen anzuführen, wie- viele Sonntagsreden und auch Reden anderer Art mit dem sogenann- ten Offenhalten der deutschen Frage ausgeschmückt wurden. Das kennen wir schon seit mehr als 3 Jahrzehnten. Natürlich wäre es verfehlt, die Drohungen zu unterschätzen; es wäre aber auch nicht richtig, sie zu überschätzen." Was der Genosse Honecker hier mit seiner bestechenden Radio-Eri- wan-Logik rechtfertigt, ist allerdings etwas anderes als die Feststellung, daß so etwas wie der zu früheren Zeiten befürchtete "als innerdeutsche Polizeiaktion getarnte" Überfall der Bundes- wehr nicht eingetreten ist und wohl auch nicht eintreten wird. Er verteidigt vielmehr die neue Sorte Geschäft mit den alten Revan- chisten, die die SED entdeckt hat, das Geschäft mit der eigenen Souveränität: Verlangt die BRD die Aufhebung des Schießbefehls an der Grenze - gut, dann kann man ihr mit einer Umorganisation der Grenze entgegenkommen, die das Schießen so gut wie überflüssig macht. Besteht die BRD auf ihrem g a n z e n deutschen Volk in Gestalt eines freien Verkehrs über die innerdeutsche Grenze - gut, dann kann man ihr eine flottere Grenzabfertigung, die Wie- dereinreise ehemaliger "Republikflüchtlinge", die Ausreise eini- ger für überflüssig bis störend erachteter 'Elemente' und sonst noch einiges an Reisemodalitäten bieten. Lauter Zugeständnisse in Dingen, die die DDR-Oberen gemessen an der Stabilität der eigenen Herrschaft inzwischen als e n t b e h r l i c h erachten, und w o f ü r sie sich von der BRD eine Aufbesserung ihrer Positio- nen in politischer und ökonomischer Hinsicht erwarten, die den Aufstieg ihres Staatswesens endgültig zur beschlossenen Sache macht. Konstruktive Zusammenarbeit zur "Schadensbegrenzung" ---------------------------------------------------- Das alles im Angesicht der Raketen- und sogar auch wegen der Ra- keten. Als nämlich der Genosse Honecker vor der Stationierung seinen Kollegen Kohl "im Namen des deutschen Volkes" darum gebe- ten hat, davon Abstand zu nehmen, hatte die hiesige Begeisterung weniger ihren Grund in der kindischen Schlußfolgerung der Öffent- lichkeit, daß er es jetzt nun endlich "zugegeben" hätte, das mit dem ganzen deutschen Volk. Vielmehr haben Figuren wie Strauß, Genscher, Jenninger, Windelen usw. an dieser Aktion bemerkt, wie großartig gerade diese militärische O f f e n s i v e dazu ge- eignet ist, "Besitzstände" der Ostpolitik unter ganz neuen Auspi- zien auszureizen. Sie haben bemerkt, daß es nicht die reine Frie- densliebe war, die dem anderen Deutschen diese Formulierung ein- gegeben hatte; sie gewahrten die simple nationalistische Befürch- tung, daß die Rüstungspolitik gegen den eigenen Block die Sonder- beziehungen gefährden könnte, in denen sich die DDR so vortreff- lich eingerichtet hat. Im Unterschied zu den hiesigen Heuchlern, die mit der Rede von der "Schadensbegrenzung" wirklich eine "pharisäische Logik" (Prawda) erfunden haben - erst "mit der Aufstellung der amerika- nischen Raketen den Schaden anrichten" und dann "unter dem Vor- wand der Schadensbegrenzung der Versuch, ihre revanchistischen Pläne zu verwirklichen" -, geht es aus der Sicht der DDR wirklich um ein Stück Schadensbegrenzung: Man möchte - einmal abgesehen von der rein militärischen Reaktion, der Aufstellung von Kurz- streckenraketen auf dem eigenen Territorium - zu keiner Änderung der Beziehungen veranlaßt werden, die die mit der BRD schon aus- gehandelten oder möglicherweise noch auszuhandelnden Sondervor- teile gefährden könnten. Insofern aber enthält die Rede von der Schadensbegrenzung, wie sie die DDR-Führer aufgebracht haben, auch ein gutes Stück Heuchelei. An ihre Begründung für den inner- deutschen Schacher, soweit er als ein Stück Friedenspolitik (Ost) vorgestellt wird, können sie eigentlich selbst nicht ganz glau- ben. Erst wird immer streng gemeinsam mit der Sowjetunion die BRD verurteilt: "Mit allem Ernst wiesen Partei- und Staatsführer der UdSSR und der DDR auch bei ihrem bilateralen Gespräch darauf hin, daß sich die BRD durch die Raketenstationierung auf ihrem Territorium in eine Startrampe für nukleare Angriffswaffen der USA verwandle." Und danach lautet die DDR-eigene Verlängerung regelmäßig: "Das alles erhärtet die Notwendigkeit, nun erst recht alles zu tun, um die internationale Lage umzukehren und der friedlichen Zukunft der Menschen eine Chance zu eröffnen." Und vor allem "solche Schritte in den Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten, die den Interessen der Friedenssicherung, der Entspan- nung und einer gegenseitig vorteilhaften Zusammenarbeit dienen." Das steht nun wirklich in keinem Lehrbuch des Marxismus-Leninis- mus, daß dieselben "Kräfte", die sich die Raketen aufstellen, durch ganz viel Ausreisegenehmigungen, Umweltschutz und Handel von ihren militärischen Ambitionen abgebracht werden können. Das "jetzt erst recht" der DDR-Politik ist nur ein Beleg dafür, daß für diesen Nationalismus 1. die Aufrüstung des Westens gar keinen recht einsehbaren Grund hat, 2. sich weniger gegen einen selbst als gegen die Sowjetunion richtet, 3. auch dort als Bedrohung vielleicht gar nicht so ernst zu nehmen ist, wie es die sowjeti- sche Politik zur Zeit tut, und daß 4. auf jeden Fall für die DDR zur Zeit Lohnenderes und Wichtigeres auf der Tagesordnung steht als die Unterstützung der sowjetischen Versuche, den Westen zur Zurücknahme zu bewegen. "Verantwortungsgemeinschaft" / Interpretation-West -------------------------------------------------- Insofern hat die Beschwörung "im Namen des deutschen Volkes" überhaupt nicht dazu getaugt, der BRD die Raketen auszureden, im Gegenteil: Der Aufstieg zur Raketenrepublik war längst beschlos- sene Sache. Und auch die bundesrepublikanische Antwort auf den DDR-Antrag, beim Honecker-Besuch auch über Frieden und Raketen zu reden, erfolgte prompt und sachgerecht: "Die Bundesregierung hat unmißverständlich bewiesen, daß sie die innerdeutschen Beziehungen allein auf innerdeutscher Interessen- grundlage betreiben wird und sich nicht zu Leistungen nötigen läßt, die ihre vitalen Sicherheits- und Bündnisinteressen gefähr- den." Im Klartext: Wir rüsten gegen das Bündnis der DDR nach Kräften, und da werden wir doch als allerletztes mit der DDR darüber ver- handeln. "Umgekehrt zeigt das Verhalten der DDR nach Stationierungsbeginn, daß auch sie nicht beabsichtigt, ihre Interessen am innerdeut- schen Sonderverhältnis derart eng mit dem Thema der militärischen Sicherheit zu verknüpfen, daß ihr daraus Schaden entstünde." (Windelen) Im Klartext: Unsere Frechheit macht sich bezahlt, die können es sich gar nicht leisten, sich nicht mit uns gut zu stellen! Das bemerkte dringliche Interesse der DDR, sich weiterhin gute Beziehungen zu ihrem immer wuchtiger aufgerüsteten Gegenüber an der Front zu erhalten, hat man als Gratisgabe entgegengenommen, mit der sich "jetzt erst recht" wuchern läßt: Die Geschäftsbezie- hungen, dank derer westdeutsche Ausbeuter kräftig an den Resulta- ten ostdeutschen Arbeiterfleißes teilnehmen, blühen; der Ertrag der Bemühungen, die deutsche Frage offenzuhalten, wächst, also alles, was getan wird, um die Grenze immer "durchlässiger", die Rechtsansprüche des einen deutschen Staates auf den anderen immer unverschämter zu machen; und schließlich läßt sich mit den blen- denden innerdeutschen Beziehungen vor aller Welt demonstrieren, wie unrecht der Außenminister der östlichen Führungsmacht hat und wie wenig er mit seiner Beschwerde auszurichten vermag, die BRD könne "nicht so tun, als sei mit der Stationierung nichts Beson- deres geschehen". Sie kann! Und sie steigert ihre rüstungsdiplomatischen Unverschämtheiten nunmehr durch gar nicht dezente Hinweise, sie habe - eigentlich - im Ostblock lauter heimliche Parteigänger ihrer Linie, die Rake- ten seien eine ganz banale, bloß sicherheitstechnische Angelegen- heit und die Sowjetunion solle von ihrem unbegründeten Groll end- lich wieder zur Tagespolitik zurückkehren - so wie die beiden vorbildlichen deutschen Staaten, die jetzt gemeinsam den Schaden begrenzen, den der eine dem Bündnis des anderen zufügt. Öffentlich und ohne jede Zurückhaltung werden die weitergehenden Spekulationen ausgebreitet: Ob und wieweit sich nicht bei den Sa- telliten ein regelrechter Widerstand gegen die sowjetische Rü- stungspolitik erzeugen läßt; ob wir nicht, wenn im nächsten Jahr der Warschauer Vertrag ausläuft, sogar ein paar spektakuläre Aus- tritte erleben können; ob also nicht der immerselbe Wunschtraum westlicher Friedenspolitiker - das östliche Bündnis in allen Fu- gen kracht und das NATO-Programm durch seine Selbstauflösung ver- einfacht... V e r r ü c k t sind diese Spekulationen in ihrer unverschämten Erfolgsgewißheit schon: Soviel haben nämlich auch noch die natio- nalistisch borniertesten Chefs der Satellitennationen mitbekom- men, daß der schiere B e s t a n d ihrer Herrschaft auf ihrem Kriegsbündnis und nicht zuletzt auf der Roten Armee beruht; eine freiwillige Übergabe ihrer Macht an westliche Ent-Russifizie- rungskommissare beabsichtigen sie sicherlich auch nicht. Aber derlei Erfolgsphantasien passen prächtig zu der jetzt stattfin- denden Zersetzungsarbeit, die alle Mittel mobilisiert, um der So- wjetunion den Zusammenhalt ihres Bündnisses für den Verteidi- gungsfall möglichst sauer zu machen. Genauso funktioniert das un- schuldige "Geflecht von Beziehungen", das unsere Ostpolitiker so gerne als ihre Leistung in Sachen Friedenssicherung rühmen: Als flankierende Maßnahme für die eigene Kriegsvorbereitung werden den Satelliten lauter mögliche Fortschritte auf Grundlage der schon eingerichteten Abhängigkeiten signalisiert, die ihre poli- tische Bedeutung aufwerten und ihrer Wirtschaft zugutekommen könnten. Ungarn wird ein günstiges Abkommen mit der EG in Aus- sicht gestellt; Rumänien wird mit einer US-Satellitenstation und der erneuten Gewährung der Meistbegünstigungsklausel durch die USA belohnt; die DDR kommt in den Genuß der Aufhebung von ein paar handelspolitischen Diskriminierungen im innerdeutschen Han- del; Staatsbesuche von NATO-Führern in nie dagewesener Häufigkeit werben um die ewig an ihrer weltpolitischen Minderwertigkeit her- umlaborierenden Ostblockführer; und sogar Polen wird wieder hef- tig bereist und mit der Aufhebung von ein paar Sanktionen be- dacht. Alles, um den Nationalismus eines Ceausescu, Kadar, Honecker oder Jaruzelski für die eigenen Berechnungen einzu- spannen und deren Vorteilsberechnungen als Hindernis für die Kriegsvorbereitung im Ostblock auszubauen. Revanchismus mit NATO-Zuschnitt ------------------------------- Und da sollen die Russen mit ihrer Revanchismuskampagne "ganz ne- ben den Realitäten liegen"? Was, wenn nicht den an allen Fronten stattfindenden Angriff auf die Souveränität ihres Staatenblocks haben sie denn bemerkt? Und wenn sie der DDR deren eigene früher einmal aufgestellte Rechtspositionen vorrechnen, die Geraer For- derungen, die von der BRD nichts als die Anerkennung einer DDR- Staatsbürgerschaft, DDR-Justiz, DDR-Grenze und staatlicher Selb- ständigkeit verlangen - stimmt dieser Hinweis auf die Gefahren des jetzigen Handels mit der Preisgabe von Teilen der eigenen DDR-Souveränität, der immer nur die viel prinzipielleren Ansprü- che der BRD bekräftigt, etwa nicht? Schließlich ist es doch die sehr zutreffende Erinnerung daran, worauf die 35 Jahre lang von der BRD bestrittene Existenz der DDR immer noch beruht - auf der Zugehörigkeit zu einem Bündnis, das dem BRD-Revanchismus von Adenauer bis heute Paroli geboten hat. Wenn sich die Russen täuschen, dann nur in e i n e m Punkt: Über welche M i t t e l der deutsche Revanchismus verfügt und wie d a h e r seine Ansprüche heutzutage ausfallen. Wenn die Prawda sich über die Benutzung der "wirtschaftlichen Beziehungen zur DDR als Mittel zur Einmischung in die souveränen Angelegen- heiten der Republik" entrüstet, über "Versuche, wirtschaftliche Hebel als auch politische Kontakte auszunutzen für Zugeständnisse in prinzipiellen Fragen, die die Souveränität der Republik ange- hen", kritisiert sie einen M i ß b r a u c h - von Mitteln, die solch finsterem Zweck "eigentlich" widersprechen. Gleich im näch- sten Atemzug betont die Prawda ihre Bereitschaft zu "gegenseitig vorteilhaften gutnachbarlichen Beziehungen und friedlicher Koexi- stenz", und bekräftigt weiterhin ihr Ideal vom eigentlich nützli- chen und friedlichen Charakter der wirtschaftlichen Beziehungen. Aber eben genau dieser friedliche Handel, das Feilbieten von lau- ter brauchbaren, fortschrittlichen "Produktivkräften", die sich die Ostblockplaner nur zu gerne zur Beschleunigung des Wachstums ihres Volkseigentums beschaffen, ist ein Handel z u m Z w e c k e d e r E i n m i s c h u n g! Seine Konditionen zeigen es seit den ersten Tagen der "wirtschaftlichen Zusammenar- beit"! Profite westlichen Kapitals wollen realisiert sein; für die Beschaffung der entsprechenden westlich genehmen Zahlungsmit- tel müssen immer mehr eigentlich zur nationalen Verwendung vorge- sehene Güter auf dem Weltmarkt abgeliefert werden; um dort die Verbesserung von Handelskonditionen zu erreichen und die eigene Zahlungsfähigkeit zu verbessern, müssen Prinzipien der östlichen Wirtschaftsplanung aufgegeben werden usw. usf. Die Bewährung auf einem Weltmarkt, dessen Modalitäten ganz auf den Geschäftserfolg des Kapitals berechnet sind, verlangt den Ostblockwirtschaften lauter Zugeständnisse ab, so daß sie sich zwar einige der begehr- ten Mittel für ihre Nationalökonomie besorgen, können, dafür aber andererseits mit einer Zurichtung ihrer Wirtschaft gemäß den Be- dürfnissen ihrer westlichen "Partner" zu zahlen haben. Und der ständig steigende Wohlstand der Massen ist dabei unter Garantie nicht vorgesehen, auch wenn der Verlauf dieser gutnachbarlichen Beziehungen nicht jedesmal einen solchen Abtransport der Reichtü- mer, halben Staatsbankrott samt Volksaufstand wie in Polen be- wirkt. Auch das DDR-Wirtschaftswunder hat die Eigentümlichkeit zu verzeichnen, daß alle möglichen Kennziffern wie Volkseigentum, Produktivität, Warenproduktion etc. schneller steigen als der "private Verbrauch". Fröhlich hetzen westdeutsche Wirtschafts- journalisten gegen das andere System, "es wird zwar mehr und auch kostensparender produziert, es wird mehr exportiert, aber das Leben für die Verbraucher ist eher müh- samer geworden", als ob sie nicht viel zu gut wüßten, daß ihr 'aber' gar keines ist. Wo landet denn schließlich der Reichtum, den die Brüder und Schwestern Jahr um Jahr mehr produzieren, aber nicht in ihren HO- Läden zu sehen bekommen, wenn nicht bei westdeutschen Handelskon- zernen? Abgerechnet als bewunderungswürdige Leistung in den Bi- lanzen von Krupp, Siemens und Hoechst und mehrfach verzinst bei der Deutschen Bank. Kapital und Kredit ------------------ stellen eine W a f f e der westlichen Demokratien dar, und zwar nicht erst, wenn mit ihnen p o l i t i s c h e Zugeständnisse erpreßt werden. Schlicht durch ihr ökonomisches Funktionieren werden den Ostblocknationalisten, wenn sie sich dieser Mittel be- dienen wollen, lauter Rechnungen aufgemacht, Bedingungen ge- stellt, an denen sie ihre Entscheidungen auszurichten haben. Ka- pital und Kredit untergraben die w i r t s c h a f t s- p o l i t i s c h e S o u v e r ä n i t ä t, insofern die Erfüllung des Anspruchs auf Gewinn, mit dem ins Geschäft eingestiegen wird, manchen Gegensatz zu den Projekten eröffnet, die die "Planer und Leiter" der realsozialistischen Wirtschaft ansonsten so vorsehen. Und gerade die Attraktivität dieser Mittel für die Sorte Kommunisten, die im Ostblock regiert, die bei Kapital nicht mehr an Ausbeutung, sondern an "Technologie" denkt, mit der versehen die Leistungen des eigenen Blocks den nationalen Aufstieg unausweichlich machen müssen, macht dieselben angeblich so machtvollkommenen Herrscher sehr offenherzig für weitergehende politische Erpressungen. Das bemerkt die Prawda eben nur an den R e s u l t a t e n - am friedlichen Handel selber ist ihr noch nie etwas aufgefallen, ge- nausowenig wie den Genossen Handelsministern, die auch nach wie vor mit den deutschen Wirtschaftsführern freundschaftlichst ver- kehren. Kapital und Kredit - mit diesen Waffen hat die friedliche Ostpolitik bereits solche Erfolge bei der Erschließung der Staa- ten erreicht, die früher einmal hinter einem "Eisernen Vorhang" liegen sollten, daß die für die Freiheit (des Kapitals und seiner Staatsgewalt) Zuständigen ihre ganz prinzipielle Unzufriedenheit mit diesem "Vorhang", oder auch der sog. "Teilung Europas" nicht länger verhehlen können. Die praktische Macht des Kapitals, das sich an der Nutzbarmachung der "geknechteten Völker" längst aus- giebig beteiligt, ist gewachsen - und mit ihr die Gesprächsbe- reitschaft der dazugehörigen Führer, die auf dieser Geschäfts- grundlage für alle Zeiten friedlich koexistieren und ihre natio- nalen Wege gehen möchten. Die wollen von ihrer Überzeugung nie lassen, daß letzten Endes ihre westlichen Kollegen auch gar nichts anderes wollen können als eben diesen Frieden! Wenn die Führer der Freiheit diese Erfolge aber mit der "Ä n d e r u n g d e s K l i m a s" zwischen West und Ost fortsetzen wollen, hält das die Sowjetunion für US-Abenteurertum oder, deutsch, für ein "Wiederhochkommen" des Revanchismus. Die Aktualität eines alten "Auftrags" ------------------------------------- Dabei ist es nichts anderes als das Gründungsprogramm der NATO, für dessen Verwirklichung die westlichen Demokratien mittlerweile soviel geleistet haben, daß sie zum Kern der Sache kommen: Ein Block, der seine Herrschaft nicht dem Wachstum des Kapitals wid- met und dem dazugehörigen Recht verschreibt, bleibt auch dann ein H i n d e r n i s u n d U n r e c h t, wenn er sich bedingt auf ökonomische Benützung der ihm unterstehenden Produktivkräfte einläßt. Wenn er auf seinem alternativen Programm beharrt und dies auch noch mit einem konkurrenzfähigen Militärapparat ver- teidigt, hat er keine Existenzberechtigung, ist er das "Zentrum des Bösen". Als T e i l h a b e r an der westlichen Sorte Weltherrschaft sind die Ansprüche der kleinen BRD denn auch ganz anders beschaf- fen, als es die sowjetische Revanchismuskritik sich ausmalt. Es sind eben nicht die "Ewig-Gestrigen", die Stalingradverlierer, die Waffen-SS, das braune Gesindel, die jetzt wieder aus ihren Löchern hervorkommen, der deutsche Militarismus, der auch gegen England und Frankreich zwei verlorene Weltkriege rächen will, die Junker und Schlotbarone, die ihre pommerschen Güter und schlesi- schen Gruben zurückverlangen, lange Jahre im Untergrund tätige "Kreise", die jetzt wieder Oberwasser bekommen - mit denen würde die Sowjetunion auch wohl fertig. - Es sind die demokratisch vom deutschen Volk gewählten e h r e n w e r t e n P o l i t i k e r, die nicht "i m S c h a t t e n der Rake- ten" zum Zug kommen, sondern diese Dinger gewollt haben, um die mit der Gründung der BRD verfolgten Berechnungen in allen Rich- tungen wahrzumachen. Das von den USA gewünschte Bollwerk, das von Adenauer zum treuesten Vasallen der USA gegen den Kommunismus er- klärte Deutschland, das ebenso unerbittlich auf der Wiederverei- nigung zu seinen Bedingungen beharrt hat, wie es berechnend-un- terwürfig im westlichen Bündnis seinen Wiederaufstieg in die Weltpolitik vollzogen hat - bis hin zur Beschaffung sämtlicher Kriegsmittel, damit von deutschem Boden nie wieder ein erfolglo- ser Krieg ausgehen kann -, dieses Staatswesen meldet seine An- sprüche gegen den anderen Block an. Es sind nicht lange Jahre hindurch mehr oder weniger erfolgreich unterdrückte "Kreise", "Kräfte" oder "Tendenzen", sondern die Erben der Kalten-Kriegs- Politik eines Adenauer u n d der Ostpolitik eines Brandt und Schmidt, die die Erfolge ihrer Vorgänger fortsetzen. Es sind deutsche Imperialisten, die wissen, wie vorzüglich ihre nationa- len Vorhaben im internationalistischen Programm ihres Bündnisses aufgehoben sind. Ein Revanchismus, der nicht mit großdeutschem Chauvinismus östliche Untermenschen überfallen will, sondern der seit jeher mit Kapital und Menschenrechten operiert, und dessen Verlangen nach einer Revision von Grenzen deshalb auch längst nicht an der Oder-Neiße-Grenze haltmacht, sondern bis hinter den Ural reicht. Daher fallen die empörtbeleidigten Zurückweisungen der sowjetischen Beschuldigungen auch immer so aus, daß der Be- weis für die Unschuld der BRD damit geführt wird, daß sie sich ein viel grundsätzlicheres und gigantischeres Programm vorgenom- men hat als bloß die Wiederbeschaffung von ein paar Territorien: "Die deutsche Frage in ihrem moralischen und politischen Kern ist keine Grenz- und Gebietsfrage, sondern eine Frage der persönli- chen Menschenrechte und der nationalen Selbstbestimmung." Und solche "Werte" kennen bekanntlich keine Grenzen. Zu wundern braucht man sich also wirklich nicht darüber, wenn die Russen sich so aufregen. Viel eher darüber, warum kaum jemand den Be- teuerungen aus Bonn die überaus klare Botschaft entnehmen will, daß und wie sie sich "die Lösung der deutschen Frage" vorgenommen haben. "Europa" ist unteilbar ---------------------- Nun, jeder kennt das "Argument", mit dem die Bundesregierung sich zur Wehr setzt, wenn dieser Anspruch auf neue Grenzen, dieser re- vanchistische Protest gegen das Kriegsergebnis, einmal beim Namen genannt wird. Das Argument lautet: "Wir wissen, daß das Problem der Teilung im nationalen Rahmen nicht gelöst werden kann. Die Teilung Deutschlands ist ein Teil der Teilung Europas; nur mit dieser zusammen ist sie aufhebbar". Und schon strahlt die ganze Mannschaft, von Kohl bis Vogel und von Apel bis Zimmermann, vor bestem Gewissen: Ach Gott, was ist man bescheiden! Im Ernst: a u s g e r e c h n e t d a s soll bescheiden und harmlos sein?! Das soll die Russen beruhigen, wenn westdeutsche Politiker ihnen treuherzig versprechen, ihre "nationale Frage" nicht im "Alleingang" zu lösen, sondern gleich g a n z E u r o p a einzubeziehen und eine "e u r o p ä i s c h e F r a g e" daraus zu machen - ?! Ist damit der Anspruch, das Kriegsergebnis umzustürzen und die souveräne Macht über Land und Leute auf dem "alten Kontinent" neu zu verteilen, nicht bloß n o c h m a ß l o s e r geworden? Mehr noch: Die Bundesregierung weist immer mit bestem Gewissen darauf hin, ein deutschnationaler Revanchismus könne ohnehin kei- nen Erfolg haben; die "Frage" sei e u r o p ä i s c h anzuge- hen; nur so wäre sie r e a l i s t i s c h gestellt. Ja, ist das mit dem "Realismus" jetzt so gemeint oder nicht? Dann heißt das aber doch auch: Die staatlichen Abgrenzungen gleich in ganz E u r o p a in Frage zu stellen, das hält die Bundesrepublik für den e i n z i g e r f o l g v e r s p r e c h e n d e n Weg, das ärgerliche Ergebnis des verlorenen Hitler-Krieges ungeschehen zu machen. "Unser Revanchismus ist europäisch und nur so, so aber auch wirklich realistisch und aussichtsreich!" - das soll natio- nale Bescheidenheit sein und das Gegenteil von Revanchismus?! Klar, so patriotisch borniert wie die "Heimholungs"-Gelüste der Vertriebenen-Verbände ist die offizielle politische Linie nicht. Aber d a s ist der Unterschied; und das ist auch schon der g a n z e Unterschied. Die offizielle Politik liegt seit jeher auf der Linie, die jetzt auch US-Präsident Reagan ausdrücklich so formuliert hat: Die Abgrenzung von Herrschaftsgebieten in Europa nach dem Krieg wäre so nicht gemeint gewesen. "Jalta muß weg!" Wo, bitte schön, unterscheidet sich das denn von Hitlers "Versailles muß fallen!" - außer in den größeren Maßstäben, die das Programm, den 2. Weltkrieg nachträglich noch gegen die So- wjetunion geführt und gewonnen zu haben, in der Tat besitzt? "Wir wollen ein Europa, in dem Grenzen nicht mehr trennen!" - so lieb- lich lassen Bonns Politiker sich vernehmen. Wie unschuldige Kind- lein tun sie so, als wüßten sie nicht, was es mit der Grenze zwi- schen NATO und Warschauer Pakt auf sich hat: Daß da die Sowjet- macht ihr "System" gegen das westliche abgrenzt und als weltpoli- tische Alternative behaupten will. Für die Sowjetunion steht mit Europas wichtigster Grenze ihr Bestand als nicht-kapitalistische, neutral gesagt: als andersgeartete Macht auf dem Spiel. Bundes- deutsche Politiker tun so - gegen besseres Wissen -, als wäre ihr Spruch gegen "trennende Grenzen" das Harmloseste von der Welt. Sollen sowjetische Politiker, denen damit der Wille zur Abgren- zung bestritten wird, sich etwa genauso blöd stellen?! Das Recht auf Einmischung ist unteilbar --------------------------------------- Ja, sie sollen: Das verlangt die Bonner Regierungsmannschaft als ihr gutes diplomatisches Recht gegen ihre Moskauer Kollegen. Mit einer Frechheit ohnegleichen zucken sie die Achseln, drehen sich quasi nach einem fiktiven Hintermann um, wenn die sowjetische Re- vanchismus-Anklage auf sie weist, und erklären sich für "nicht betroffen". I m Lande zetteln sie eine Kampagne gegen Hans Apel an, bloß weil der als Berliner SPD-Kandidat die offizielle Linie des Bonner Revanchismus - "Deutsche Wiedervereinigung nur im ge- samteuropäischen Rahmen!" - zu einseitig betont und nicht gleich- zeitig die andere Klarstellung dazugeliefert hat: "Im gesamteuro- päischen Rahmen, aber bitteschön d e u t s c h e Wiedervereini- gung!" Die verharmlosende Sprachregelung ist Apel zu verharmlo- send geraten, als er gemeint hat, national gesehen wäre die "deutsche Frage nicht mehr offen". Gegen Apel ist gar nicht mehr "argumentiert" worden; die Verurteilung einer solchen "unglaublichen Äußerung" stand sowieso fest, und öffentlich über- legt wird nur, wie groß der Skandal sein soll, den man daraus macht. Das alles passiert gerade i m Lande - und nach außen, gegen die sowjetische Regierung und ihren Revanchismus-Vorwurf, wird blankes Unverständnis geheuchelt. Kein Mensch stellt über- haupt öffentlich die allerkleinste Überlegung an, ob an dem so- wjetischen Vorwurf vielleicht doch irgendwo irgendwie was dran sein könnte. Stattdessen ergeht man sich in Spekulationen, was für "deutschlandpolitische" Streitereien wohl i m K r e m l ausgetragen würden um die richtige Linie gegenüber DDR und BRD. Gemessen an diplomatischen Gepflogenheiten ist diese Reaktion eine B e l e i d i g u n g d e r g e h o b e n e n S o r t e. Und man darf unseren schlauen Weltpolitikern alles mögliche un- terstellen, aber nicht, sie wären sich darüber nicht im klaren. Sie w o l l e n die politische Beleidigung der Sowjetunion - als U n t e r s t r e i c h u n g des Anspruchs, um den es ge- rade geht: Die Sowjetunion soll in Europa und über Deutschland nichts zu sagen haben. Ein Jahrzehnt lang hat die sowjetische Au- ßenpolitik sich darauf verlassen, daß die leidige innereuropäi- sche Grenzfrage erledigt wäre und niemand sie mehr praktisch auf- werfen will. Jetzt wird ihr mitgeteilt, daß das eine T ä u s c h u n g war und ist. Und wenn sie sich d a r ü b e r beschwert, wird ihr eiskalt entgegengehalten: "Wer so laut schreit" - wie die Regierung in Moskau -, "muß sich die Frage ge- fallen lassen, ob er nicht selber vorhat, was er anderen unter- stellt - nämlich das gesamte Vertragswerk zu unterminieren". So wird aus der sowjetischen Beschwerde ein Rechtstitel dafür ge- macht, genau die Politik voranzutreiben, ü b e r d i e die Russen sich beschweren. So geht diplomatische "Eskalation". Die Raketen sind ja da. *** "Mein eigenes Land, die Bundesrepublik Deutschland, hatte vor nunmehr 35 Jahren das Glück, zu einer stabilen Demokratie zu fin- den. Unser Staatswesen ist hervorgegangen aus der schwersten Ka- tastrophe der deutschen Geschichte, der Zerstörung Deutschlands in der Niederlage des Zweiten Weltkrieges. Es mußte sich mit den schweren Belastungen auseinandersetzen, die das Regime Hitlers hinterlassen hat. Noch heute ist all dies nicht ganz überwunden. Deutschland, mein Vaterland, ist geteilt. Ein Teil der Nation hat sein Schicksal in freier Selbstbestimmung gestalten können, ein anderer Teil bis heute noch nicht. Deutsche Politik ist nur vor diesem Hintergrund zu verstehen. Unser Ziel ist es, in einem ge- einten Europa in Freier Selbstbestimmung die Einheit Deutschlands in Frieden und Freiheit zu vollenden." (Helmut Kohl, Rede vor dem argentinischen Kongreß, 12. Juli 1984) *** "Die wesentlichen Ziele deutscher Außenpolitik haben sich in die- sen Jahrzehnten nicht verändert: Erhaltung der im eigenen Lande gewonnenen Freiheit. Bewahrung des Friedens und Überwindung der widernatürlichen Trennungslinie, die ja nicht nur in Form einer ahschreckenden Mauer unsere alte Hauptstadt Berlin teilt, die nicht nur Deutschland teilt, sondern die Europa teilt, denn jen- seits dieser Mauer liegen nicht nur alte deutsche Gebiete, Städte, Provinzen - Weimar, Leipzig, Dresden, Eisenach -, jen- seits dieser Trennungslinie liegen auch Prag und Bukarest und Budapest und natürlich auch Warschau und Krakau, um nur wenige europäische Städte zu nennen, die Symbole europäisch gemeinsamer Geschichte sind." (Helmut Kohl, Rede vor dem argentinischen Rat für internationale Beziehungen, 6. Juli 1984) *** Aber mal im Ernst "Es wäre ein Irrtum zu glauben, daß sich die Deutsche Frage al- lein durch Zeitablauf erledigen könnte. Die Geschichte lehrt, daß sich ein geistig so vitales und dynamisches Volk wie das deutsche mit einer so widernatürlichen und unmenschlichen Spaltung seines Landes auf Dauer nicht abfinden wird. Für uns sind Krieg und Ge- walt keine Mittel der Politik. Wir werden mit aller Kraft auf einen Zustand des Friedens in ganz Europa hinarbeiten, in dem as deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiederer- langt." (Helmut Kohl, Rede beim Essen des mexikanischen Präsiden- ten, 9.Juli 1984) *** "Im Zeitalter Andrej Sacharows, d.h. der Menschen- und Bürger- rechtsbewegung in der Sowjetunion, vor allem aber im europäischen Machtbereich der UdSSR, den Stalin nach 1945 der Sowjetunion als cordon sanitaire, als Sicherheitsgürtel unterworfen hat, dürfen wir natürlich unsere moralische Solidarität mit diesem immer stärker werdenden Faktor der Zeitgeschichte nicht mehr vergessen. Wir sind zu dieser Solidarität nicht nur berechtigt, etwa durch die Internationalen Menschenrechtsakte und die Schlußakte von Helsinki, sondern auch verpflichtet, wenn wir in West-und Osteu- ropa glaubwürdig bleiben wollen." (Alois Mertes, Rede vor dem Dialog-Kongreß 'Westeuropa-USA-Japan', 8. Juli) zurück