Quelle: Archiv MG - BRD AUSSENPOLITIK OSTPOLITIK - Deutschland über alles
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Mindestumtausch
GESAMTDEUTSCHER HANDEL "ZUM WOHLE DER MENSCHEN
IN BEIDEN DEUTSCHEN STAATEN"
"Einseitig" und "willkürlich" hat die DDR die Tarife für ein inn-
erdeutsches Geschäft heraufgesetzt: gehandelt werden "menschliche
Erleichterungen" oder auch Besuchsverkehr gegen Devisen bislang
6,50 oder 13,-- DM, nunmehr 25,-- DM. Zahlen müssen die Besucher,
"brüskiert" ist die Bundesregierung.
Schließlich ist dieser Handelsartikel eine besondere bundesdeut-
sche Erfindung: gemäß dem Usus demokratischer Politiker, sich
selbst Aufträge zu erteilen, an denen gemessen sie ihren Bürgern
dann eine Leistung nach der anderen vorweisen können, seit Ein-
richtung der Republik ist dies vorzüglich der besondere heilige
Zweck der Verteidigung der Freiheit als Bollwerk, widmen sich die
Bonner Politiker hingebungsvoll der Wiedervereinigung bzw. der
diplomatischen Bestreitung des sogenannten Staatswesens hinter
der Elbe. Für "menschliche Erleichterungen" zu sorgen, heißt also
nicht, den abgespannten Bürgern z.B. ausgiebige Erholungsreisen
zu finanzieren, sondern heißt, dem anderen deutschen Staat Zug um
Zug Reiseerlaubnisse abzufeilschen, damit per Familientreffen der
Z u s a m m e n h a l t der deutschen N a t i o n und die
T e i l u n g D e u t s c h l a n d s noch 35 Jahre danach be-
kräftigt werden. überdies veranschaulicht ja nichts so sehr den
Segen einer Staatsgewalt wie weinerliche Omas, die ihre Enkel in
die Arme schließen oder über die Grenzen hinweg ermöglichte Ehe-
schließungen.
Moderate Formen der Bestreitung der DDR-Souveränität
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Die sogenannten, trotz jahrelanger Anführungszeichen immer noch
ziemlich existente DDR hat mit dieser bedingten Öffnung der Gren-
zen die Unannehmlichkeit in Kauf genommen, daß die "ideologische
Diversion" nicht nur in Gestalt gut antikommunistisch gebildeter
Bundesbürger, sondern weitaus überzeugender mit deren Mit-
bringseln über die Grenze reist, die den Systemvergleich per Wa-
rensortiment entscheiden. Sie hat entdeckt, daß sich mit diesem
BRD-Staatsfimmel ein Geschäft machen läßt: Erstens als Devisen-
quelle; zweitens als laufender Verhandlungsgegenstand, mit dem
sich der BRD immer vorführen läßt, daß drüben ein eigener Staat
und nicht die andere Hälfte Deutschlands das Kommando hat; drit-
tens lassen sich auf diese Weise weitere handels- oder verkehrs-
politische Zugeständnisse herausholen. Über das "Kräftever-
hältnis" ist damit allerdings auch schon einiges gesagt:
schließlich gestattet die DDR mit diesem Verhandlungsobjekt der
BRD das symbolträchtige Aufrechterhalten von 'menschlichen
Beziehungen' als Anspruch auf die Einheit der Nation, also eine
moderate Form der Bestreitung der DDR-Souveränität. Gleichzeitig
gestattet sie die Durchlöcherung eines ihrer Regierungsprinzi-
pien: die Handhabung der öffentlichen Meinung, die, statt falsche
Meinungen zu widerlegen, die offizielle ge- und die Verbreitung
aller anderen verbietet, toleriert mit den Besuchern das Eindrin-
gen konkurrierender Meinungen, die das revisionistisch sortierte
Weltbild ohne große Mühe immer wieder schlecht aussehen lassen,
Diese "ideologische Diversion" hat man allerdings aus Geschäfts-
gründen längst in Kauf genommen und die hiesige Interpretation,
die Erhöhung der Umtauschsätze sei eine Methode zur absichtlichen
Verringerung des Besucherstroms, verdreht absichtsvoll den Sach-
verhalt. Man will nämlich die moralische Verurteilung der Zerstö-
rung zwischenmenschlicher Beziehungen auskosten bzw. hämisch die
Bedeutung des angeblich staatszersetzenden Meinungstransports
herausstreichen.
Von "Zwangsumtausch" ist also hier völlig zu Recht die Rede: Daß
ein in die wahre Republik Einreisender, bringt er nicht genügend
Geld mit, zurückgewiesen werden kann, berechtigt hingegen nicht
dazu, von "Zwang" , zu sprechen, weil Geld muß der Mensch schon
haben und ausgeben.
Mehr Geld und mehr Respekt
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Mit der Erhöhung des Mindestumtauschs will die DDR erstens den
Ertrag des Besuchergeschäfts aufbessern; auch bei nachlassendem
Besucherstrom bleibt noch ein Gewinn. Zweitens werden dem
Schwarzmarkt Grenzen gesetzt, auf dem devisengeile Ostbürger DDR-
Mark zu Spottpreisen anbieten und Westbürgern wohlfeile Einkäufe
ermöglichen, was angesichts eines auch nicht gerade überreichli-
chen DDR-Warenangebotes lästig ist. Da will die DDR die DM lieber
gleich an der Grenze kassieren und sich damit einen Teil ihrer
Devisenbeschaffung erleichtern. Diese schöne Konsequenz der Ent-
spannungspolitik, Unterabteilung Osthandel, bei der die eine
Seite blendende Geschäfte macht und die andere zur Finanzierung
ihrer Einkaufswünsche laufend um die Beschaffung des Zahlungsmit-
tels kämpft und jeden Touristen dafür zur Kasse bittet, prakti-
ziert zwar nicht nur die DDR. Die CSSR hat gerade neulich die
Sätze auf 25,-- DM erhöht, die Polen liegen bei 30,--. Aber der
DDR als Unrechtsstaat der anderen Hälfte unserer Nation steht
eine solche Betätigung ihrer Souveränität nicht zu, worauf die
Honecker-Mannschaft, als Staatsleute, die ebensogut auf sich und
ihre volksdemokratische Staatsgewalt etwas halten, konsequent mit
der Forderung nach mehr Respekt, Anerkennung der DDR-Staatsbür-
gerschaft und Einrichtung von Botschaften, reagiert haben. Mit
der Bemerkung, daß auch gerade im Zuge der Polen-Affaire die
westliche Öffentlichkeit sehr direkt und freudig über den Zusam-
menbruch des Ostblocks und insbesondere der DDR in ihrer etwas
prekären Lage zwischen der BRD und Polen spekuliert, liegen sie
ja nicht ganz unrichtig. Nur zeigen sie leider auch sehr deut-
lich, wo für sie der point d'honneur liegt: die eigenen Leute in-
direkt oder direkt durch westliches Kapital ausnützen lassen, ist
eine gute Sitte im Rahmen der sog. Beziehungen zum wechselseiti-
gen Vorteil; wird ihnen aber die Ehre, einer souveränen Staats-
macht unterworfen zu sein, abgesprochen, dann ist der Ofen aus.
Auf der anderen Seite der Grenze wiederum beschließen dieselben
Politiker, die noch beim Tito-Begräbnis einen auf innige deutsch
deutsche Kooperation gemacht hatten, weil sie auf die Nützlich-
keit des DDR-Standpunkts gegenüber dem Entspannungsstören in Mos-
kau spekulierten, den jetzigen Akt als "schweren Rückschlag für
die Entspannung" zu betrachten, weshalb unbedingt eine Abkühlung
der Beziehungen eintreten muß, die man brühwarm anheizt. Die ge-
kränkte Unschuld - Preiserhöhungen bundesdeutscher Waren für DDR-
Abnehmer sind nie einseitig und willkürlich, sondern logischer-
weise einfach notwendig, - bezieht ihre ganze Schlagkraft aus der
Beschaffenheit der tangierten Ware.
Politisches Kapital mit der Ware Menschlichkeit
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Niemandem will dabei die Heuchelei auffallen, wenn jammernde
Rentner, die im Bundestagswahlkampf noch Kleinaktionäre waren, im
Fernseher interviewt werden, daß sie von ihren 600,-- DM Rente
die 25,-- DM nicht mehr bestreiten können; niemanden will der
streng klassenmäßige Umgang mit den Betroffenen auffallen, daß
kein Bonner Politiker daran denkt, wegen Menschlichkeit den Rent-
nern und anderen die 25,-- DM in die Tasche zu stecken, während
von einer Rücknahme des Swing - der zinslose Überziehungskredit
mit dem dieselben Politiker ihren Lieblingsbürgern das DDR-Ge-
schäft finanzieren - wegen "unserer mittelständischen Unterneh-
mer" (Lambsdorff) nicht die Rede sein darf. Niemandem will
schließlich auffallen, welches Kapital die Mannschaft in Bonn aus
der getretenen Menschlichkeit schlägt, mit Vorhaben, die allesamt
nicht im mindesten den Zweck verfolgen, daß auch nur ein Bürger
leichter zu seinen Verwandter kommt.
1. wird mit dem Vorfall auf der KSZE Folgekonferenz der DDR Zun-
der gegeben. Den Ostblock moralisch als Vertragsverletzer ins Un-
recht zu setzen, ist die nützliche Vorveranstaltung für Verhand-
lungen über europäische Abrüstung.
2. stehen einige andere Geschäfte im innerdeutschen Verkehr an,
bei denen sich als Entgelt für die jetzige Maßnahme Gegenleistun-
gen veranschlagen lassen. Dafür läßt sich auch die theoretische
Infragestellung des Swing als Drohmittel einsetzen. Wie die Ver-
handlungspositionen aussehen und wer da wen erpreßt, schildert
die Süddeutsche Zeitung in ihrer ganz objektiven Weise:
"Den von der DDR vorgetragenen Wunsch, die Bundesregierung möge
sich an der Elektrifizierung ihres Eisenbahnnetzes beteiligen,
hat Bonn bisher noch nicht positiv beantwortet. An diesem lang-
fristigen und sehr teuren Projekt hat die DDR starkes Interesse."
Das der BRD, die ja auch nicht einfach Geschenke verteilt, son-
dern sehr praktisch daran interessiert ist, ihren Brückenkopf und
Symbol der deutschen Einheit, die Frontstadt Westberlin u.a. auch
über geeignete Transportwege auszuhalten, braucht hier nicht ge-
nannt zu werden.
"Wenn sich die Bundesregierung jetzt weigert, darüber zu verhan-
deln, könnte Ostberlin die Infrastruktur ihres veralteten Schie-
nennetzes auf längere Sicht nicht verbessern. Die Folgen wären
anhaltende Transport- und Versorgungsschwierigkeiten in der DDR."
(ebd.)
So kann man in aller Menschlichkeit den Menschen drüben die zu
erwartende Bredouille an den Hals wünschen, beweist das alles
doch nur, wie unmenschlich ihre Staatsgewalt und wie sympathisch
die unsrige doch ist - mit der richtigen parteilichen Sichtweise,
versteht sich.
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