Quelle: Archiv MG - BRD AUSSENPOLITIK OSTPOLITIK - Deutschland über alles
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EIN ITALIENER VERSTÖSST GEGEN DAS GRUNDGESETZ
Skandal in Bonn: Der italienische Außenminister Andreotti erhob
Einspruch gegen den nationalen Haupt- und Oberzweck der bundes-
deutschen Politik, die "deutsche Teilung" in einem befreiten Eu-
ropa vom Atlantik bis zum Ural zu "überwinden". Ihm paßt es of-
fenbar nicht, daß die BRD das gemeinsame NATO-Anliegen ganz
selbstherrlich für ihre Großmachtambitionen benutzen will:
"Es gibt zwei deutsche Staaten, und zwei sollen es bleiben."
Denn: "Wenn man das Abkommen von Jalta in Frage stellt (worin der
UdSSR ihre osteuropäische Einflußsphäre zugestanden ist) so ist
dies eine weit größere Gefahr, als es die Atomarsenale sind."
Ist es nicht wahr, daß die "Überwindung der Teilung Deutschlands
und Europas" die Auflösung der realsozialistischen osteuropäi-
schen Staaten voraussetzt, also ein Kriegsprogramm ist? Das ist
oberster NATO-Zweck. Dafür sorgt die BRD im Bündnis. Deshalb darf
ein EG- und NATO-Partner der BRD sich nicht dagegen aussprechen.
Regierungssprecher Boenisch erklärt Andreottis Stellungnahme für
null und nichtig:
"Was der italienische Außenminister gesagt haben soll, kann er so
nicht gesagt haben."
Weil er es doch gesagt hat, sieht das die Bundesrepublik als
schwere Verletzung der Ehre ihrer Nation an.
Ihre Reaktion zeigt, über welchen gesunden und selbstherrlichen
Nationalismus die Bundesrepublik schon wieder verfügt und daß sie
selbstverständlich von ihren Bündnispartnern in der NATO ver-
langt, daß diese das deutsche nationale Sonderinteresse nach Wie-
dervereinigung teilen: Je größer die Macht, desto weniger läßt
sich unser friedliebendes Westdeutschland gefallen. Der Botschaf-
ter der befreundeten Nation wurde gleich zweimal "einbestellt"
und morgens um acht. Genscher sagte ihm und damit Italien "unsere
Meinung". Das vielzitierte Wort "befremdlich" dürfte da noch das
harmloseste sein. Die Bürger der Bundesrepublik - hat es jeder
gemerkt? - hätten eine "schwere Kränkung" erlitten. Vor Kommuni-
sten (igitt) hat der Christdemokrat Andreotti das Schlimme ge-
sagt. Überhaupt erfülle er damit "die Forderung Moskaus"
(Strauß). Und - während Kanzler Kohl immer noch "rot vor Zorn"
sein soll hat der Bundesaußenminister als Liberaler keine Vorur-
teile und weist Gedanken an die italienische Vertragsbrüchigkeit,
die vor ihm niemand äußerte, präventiv zurück: Er sei "fest davon
überzeugt, daß Italien ein vertragstreuer Partner ist". Für das
gebildete Publikum lieferte Rudolf Augstein historische Überle-
gungen, warum Italien 1914 - verständlicherweise: lange Küsten! -
nicht an der Seite seiner Verbündeten in den Krieg gezogen und
dann aber - so geht's nicht! - gegen uns, "die Germanen" gekämpft
habe. Dregger tut seine Verachtung kund, indem er den Herrn Au-
ßenminister "dieser Herr Andreotti" tituliert, und reibt den Ita-
lienern auch noch hin, daß sie ganz sicher nichts dafür konnten,
daß sie nach dem zweiten Verrat auf der Seite der Sieger standen:
"Was wir nicht zulassen können, ist der Verrat an Menschenrechten
der Mittel- und Osteuropäer durch den Teil Europas, der ohne ei-
genes Verdienst den Zweiten Weltkrieg besser überstanden hat als
sie."
Genscher erklärt großzügig, daß man "keinen Anlaß zu bestimmten
Maßnahmen und Handlungen" habe. Woran hat man also gedacht? Abbe-
rufung des deutschen Botschafters in Rom, Forderung nach Abset-
zung Andreottis, Note mit Aufkündigung der Freundschaft zu Ita-
lien...? Italiens Ministerpräsident Craxi, der offenbar weiß, was
er der Stärke der deutschen Nation schuldig ist, bekundet seinen
"Respekt" vor den Prinzipien und Idealen des westdeutschen Natio-
nalismus und distanziert sich so indirekt von der Rede seines Au-
ßenministers. Andreotti tut dem westdeutschen Anspruch Genüge und
entschuldigt sich eine Stunde lang bei seinem Freund Genscher.
Wenn die Sowjetunion der BRD Revanchismus vorwirft, dann führen
sich die bundesdeutschen Führer als wahre Unschuldslämmer auf,
wundern sich heuchlerisch, wie die Russen bloß auf so eine absei-
tige Idee kommen, und betonen die Friedfertigkeit der BRD. Wenn
aber ein Bündnispartner und obendrein Christdemokrat dasselbe,
was die Russen als Revanchismus angreifen, "Pangermanismus" nennt
und vom Standpunkt des italienischen Nationalismus auf Distanz
dazu geht, dann lassen Kohl und Co. die Maske der Harmlosigkeit
fallen und demonstrieren, wie bitterernst es ihnen mit ihrem na-
tionalen Großmacht- und Kriegsprogramm ist. Andreotti wird als
Agent des Feindes denunziert, Italien wird darauf gestoßen, daß
der Kreuzzug für das heilige "Wiedervereinigungsgebot" der BRD-
Verfassung zu den obersten "Verkehrsregeln" auch der italieni-
schen Außenpolitik gehört:
"Auch ein Italiener am Steuer eines Ferraris kann nicht so forsch
und gegen alle Verkehrsregeln um die Ecken der Geschichte bie-
gen." (Boenisch)
Das soll er sich einmal hinter die Löffel schreiben, der Oberspa-
ghetti, daß er nicht bei der NATO mitmachen und sich zugleich vom
deutschen Imperialismus distanzieren kann! Klar: Wenn die BRD
sich anschickt, die künftigen "Regeln der Geschichte" zu bestim-
men, also mit amerikanischen Raketen und deutschen Tornados und
Leos ihr Großmachtprogramm gegen den großen Feind im Osten durch-
setzen will, dann kann sie nationale Disziplinlosigkeit bei den
"Partnern" unmöglich durchgehen lassen. Schließlich sind "wir"
die europäische Frontführungsmacht und nicht die Italiener.
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