Quelle: Archiv MG - BRD AUSSENPOLITIK OSTPOLITIK - Deutschland über alles
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PROTOKOLLFRAGEN EINER HAFTVERSCHONUNG
Wo wir Erich Honecker hinlassen
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Er kommt, bei jeder Gelegenheit betont, zu einem Arbeits- und
nicht zu einem Staatsbesuch, was ja auch gar nicht ginge, wo wir
doch die DDR nicht als so etwas wie einen anständigen Staat be-
trachten können. Deshalb kommt es wiederum furchtbar darauf an,
auf welches Stückchen deutschen Bodens Honecker seinen Fuß setzen
darf.
"Die Regierungsparteien wollen es vermeiden, daß Honecker Bonner
Boden betritt,... daß der deutsche Bundeskanzler bei einem even-
tuellen Besuch der DDR im Gegenzug auch dem Regierungssitz Ost-
Berlin einen Besuch abstatten müßte, was die DDR ihrer Meinung
nach unzulässig aufwerten würde."
Nun legt aber dummerweise
"die DDR offenbar Wert darauf, daß der Aufenthalt des Staatsrats-
vorsitzenden in der Bundesrepublik nicht als eine Art Verwandten-
besuch in Saarbrücken erscheint."
Also muß man ihn schon irgendwie empfangen.
"Honecker, so wird argumentiert, könnte außerhalb Bonns auf dem
Flughafen Köln-Wahn landen und über die Autobahn an der Bundes-
hauptstadt vorbei nach Gymnich weiterreisen."
Aber das wäre auch schon ein Ausverkauf deutscher Rechtspositio-
nen, deshalb kommt er jetzt, wenn er kommt, nach Brühl, was be-
kanntlich b e i Bonn, aber nicht i n Bonn liegt, und nicht
ins g r o ß e sondern ins k l e i n e Schloß, damit er auch
ganz genau merkt, wofür wir ihn halten:
"Nun wird Bundespräsident von Weizsäcker Honecker im Barockschloß
Falkenlust empfangen und damit doch eine Nähe zum offiziellen
Bonn andeuten. Honecker wird demnach wie jene Staatsgäste 'in
Brühl' festlich empfangen, allerdings nur im kleinen Jagdschloß
und damit um eine Nuance von den anderen unterschieden."
Hoffentlich haben die Bonner Protokollchefs auch die restlichen
Details gut durchgeplant. Nicht, daß nachher Honecker im Neuen
Deutschland verbreiten läßt, er habe etwa mit Kohl gemeinsam auf
e i n e m Sofa, also in gleicher Höhe gesessen.
Das weiß man ja, mit welcher Raffinesse Ostberlin Protokollfragen
ausnützt, um seine ungehörigen Rechtsansprüche als legitimiert
dastehen zu lassen. Dagegen müssen wir "sachlich", "vernünftig"
und "in aller Gelassenheit" auf Klarheit bestehen.
Warum wir Honecker, wenn er kommt, nicht gleich verhaften lassen
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Das würde uns die DDR ja nun doch übelnehmen. Außerdem kann man
einem Bundeskanzler schlecht zumuten, die uns zustehenden
deutschlandpolitischen Zugeständnisse in einem Gefängnis auszu-
handeln. "Andererseits" handelt es sich dabei um ein schwieriges
rechtspolitisches Problem: Wir sind ein Rechtsstaat, der sich um
seiner Glaubwürdigkeit willen keine politisch motivierte Geset-
zesbeugung zuschulden kommen lassen darf. Wir haben eine
"Rechtskultur":
"Das Strafgesetzbuch gilt für alle Deutschen; Bewohner der DDR
sind Deutsche, auch der Staatsratsvorsitzende; und wenn ein Deut-
scher aus der DDR in die Bundesrepublik kommt, unterliegt er hier
nach dem Legalitätsprinzip der Strafverfolgung...
Gegen Honecker könnten sich etwa im Zusammenhang mit dem Schieß-
befehl an der Berliner Mauer und der Zonengrenze strafrechtliche
Vorwürfe richten. Es liegt auf der Hand, daß ein den innerdeut-
schen Beziehungen dienender Besuch von diesen Besonderheiten
'freigestellt' werden sollte, andererseits daß eine Verhinderung
von Maßnahmen der Strafverfolgung durch Einzelweisungen kein
guter Beitrag für die Rechtskultur der Bundesrepublik wäre...
Mitglieder der diplomatischen Missionen und der konsularischen
Vertretungen sind nach dem Gerichtsverfassungsgesetz 'exterri-
torial'. Eine weitere Bestimmung erstreckt diese 'Exterrito-
rialität' auf Staatsoberhäupter. Im Falle Honeckers bringt diese
Vorschrift aber keine Erleichterung, denn Honecker ist zwar ein
Staatsoberhaupt, aber sicherlich kein 'ausländisches'...
Also muß für einen Besuch Honeckers eine besondere Regelung ge-
troffen werden. Sie soll so aussehen: 'Alle Personen, die sich
auf Einladung der Bundesregierung im Gebiet der Bundesrepublik
aufhalten, sind von der deutschen Gerichtsbarkeit ausgenommen'.
Entsprechendes soll auch für die Begleitung solcher Gäste gel-
ten."
Sonst müßte man eventuell Frau Honecker verhaften, und das würde
er sicherlich auch übelnehmen.
Obwohl es höchst gerecht und geboten wäre
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"Wie die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte mit-
teilte, will der frühere politische DDR-Häftling Rolf Kulike
trotz des Drängens westdeutscher Behörden seine Strafanzeige ge-
gen Honecker wegen Freiheitsberaubung nicht zurückziehen. Kulike,
der zwischen 1976 und 1984 drei politische Haftstrafen mit einer
Gesamtdauer von sechs Jahren und sechs Monaten in der DDR ver-
büßte, hatte am 21. März dieses Jahres Strafanzeige gegen Honec-
ker gestellt."
Er hat ja im Prinzip recht. Bloß darf man nicht übersehen, daß
für solche Verfahren gegen regierende Staatsoberhäupter einige
besondere Voraussetzungen gegeben sein müssen. So konnte man z.B.
die in dieser Rechtsmaterie Maßstäbe setzenden Nürnberger Pro-
zesse auch erst führen, n a c h d e m man das Deutsche Reich
militärisch dazu veranlaßt hatte, seine Repräsentanten für ein
Verfahren zur Verfügung zu stellen.
Und nachdem es in der DDR nicht üblich ist, gegen BRD-Politiker
Gerichtsverfahren nach DDR-Recht zu eröffnen - etwa wegen der
Verfolgung Andersdenkender mit Berufsverboten, Existenzschädigung
durch "Marktwirtschaft" oder Körperverletzung durch den Schießbe-
fehl westdeutscher Polizisten -, ist es relativ unwahrscheinlich,
daß Erich Honecker sich einsichtig zeigt und sich selber stellt.
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