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DEUTSCHE (DOLCHSTOSS-) LEGENDEN...
"Verbrecherischer Krieg"
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Bei aller recht- und pflichtmäßigen Empörung über Hitlers
"verbrecherischen Angriffskrieg" gilt auch da: Daß überhaupt die
Schuldfrage gewälzt wird, also nach der Berechtigung dieses
Krieges gefragt wird, verdankt sich allein der Tatsache, daß er
verloren wurde. Ein gewonnener Krieg ist nämlich per se gerecht,
die S c h u l d frage wird durch den Sieg e n t s c h i e-
d e n. Das Statement, daß der Verlierer a n g e f a n g e n
hat, kann man noch aus jeder Kriegserklärung zitieren; die
Legitimation ist damit auch schon erledigt. Wenn Menschen, die
mit politischem Verstand oder gar historischem Durchblick
versehen sind, die Schuldfrage wälzen, kommt nichts anderes raus
als die Rechtfertigung des Kriegs bzw. viel, viel Verständnis
dafür, daß er "ausgebrochen" ist. Nichts ist dabei
selbstverständlicher als die Notwendigkeit der Revision der Er-
gebnisse eines verlorenen Kriegs.
"Versailles"
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"Nationale Souveränität" ist ein unumstrittener, allseits aner-
kannter Titel. Von rechts bis links genießt er Hochachtung, so
daß niemand auf die Idee käme, ihr bzw. dem Willen dazu so un-
schöne Dinge wie Tod und Vernichtung anzulasten. Immer soll es
der M a n g e l an Souveränität, an "Selbstbestimmung eines
Volkes" sein, der - "historisch notwendig" - zu Vorgängen führt,
denen man dann Volkstrauer- und Heldengedenktage widmet. Der An-
spruch des Staates, seine nationalen Interessen gegen andere
durchzusetzen, hat sein Maß allein an den Gewaltmitteln, die ihm
im Verhältnis zur Konkurrenz zur Verfügung stehen. Dieser An-
spruch, diese Mittel zu mehren und sie auch einzusetzen, erfährt
ganz im Gegenteil seine Huldigung, wenn nach der Ursache des
Zweiten Weltkriegs, "einer der größten Katastrophen der Mensch-
heit", gefragt wird.
Daß der Vertrag von Versailles, den die Sieger dem Verlierer dik-
tiert haben, aus deutscher Sicht ein ehrenwerter Kriegsgrund war,
wird nicht nur von deutschen Interpreten allgemein anerkannt. Für
die "Wiederherstellung der nationalen Ehre und der politischen
Handlungsfreiheit" hätte ja auch der "Friedens- und Verzichtspo-
litiker" Stresemann einige über die Klinge springen lassen, wenn
diesem Vorhaben zu seiner Zeit Aussichten auf einen Erfolg be-
schieden gewesen wären. Den Zorn ihres Nachfolgers haben sich die
Weimarer Politiker zu Unrecht zugezogen: Verzichtet haben die
nämlich auf gar nichts. Sie haben sich der entschiedenen Konkur-
renz der Waffen und damit der überlegenen Gewalt gefügt und für
die Mehrung deutscher Handlungsfreiheit vertrags- und geschäfts-
mäßig gesorgt.
Ausgerechnet die O p f e r, die dem Volk für die "Wieder-
erstarkung Deutschlands" (Stresemann) abverlangt wurden:
Inflation und Steuern, Arbeit und Arbeitslosigkeit, dienen den
Ideologen als Bebilderung ihrer Gewißheit, daß eine Nation
o h n e E h r e nicht leben kann. Daß die L e u t e nichts zu
fressen haben, verursacht nur deshalb Aufregung, weil man die Not
zum "Beweis" heranzieht, daß es mit D e u t s c h l a n d so
nicht weitergehen konnte.
"Appeasement"
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Mit dem Argument "Versailles" hat man ein beträchtliches Maß an
Schuld vom geliebten Deutschland auf die Sieger abgewälzt, die
anstatt eines weltfriedenssichernden Vernunftfriedens einen welt-
kriegsschwangeren Siegfrieden diktiert haben so, als wären ausge-
rechnet Siege eine wunderbare Gelegenheit, die Machtansprüche des
Verlierers zu befriedigen.
Der Vorwurf, Deutschlands Gegner wären 1919 zu hart gewesen, wird
umstandslos ergänzt durch den, Hitlers Gegner hätten ihm gegen-
über zu große Schwäche an den Tag gelegt. Die Kritik, Frankreich
und England hätten sich Hitlers Ansprüchen zu sehr angepaßt
(Ansprüchen, denen man nichtsdestotrotz Beifall zollt), propa-
giert den Einsatz der Gewalt der späteren Siegermächte zu einem
früheren Zeitpunkt, als diese selbst ihn für richtig gehalten ha-
ben. Daß hier Krieg durch Krieg verhindert werden soll, erscheint
allein deshalb nicht paradox, weil der propagierte Krieg ja
d e m Frieden gedient haben sollte. Die 60 Mio. Toten des
Kriegs, der stattgefunden h a t, sorgen ganz von selbst dafür,
daß man sich die Opfer des erfundenen Kriegs, der ihn verhindern
sollte, gar nicht erst vorzustellen braucht. Sehr gut vorstellen
kann man sich aber, daß die Alliierten mitschuldig waren an der
ganz großen Kriegskatastrophe, weil sie Hitlers Größenwahn nicht
rechtzeitig Einhalt geboten hätten. So ist auch da die Frage nach
der Schuld am Untergang Deutschlands ins rechte Lot gebracht -
und zwar gleich mit einer brandaktuellen Nutzanwendung. Mit die-
ser Deutung der Appeasement-Politik als Steigerung der Kriegsge-
fahr erteilen NATO-Politiker sich heute den Auftrag, um des lie-
ben Friedens willen in allen internationalen Streitfragen als Er-
presser aufzutreten, also immer besser gerüstet zu sein als der
Gegner. Und mit der Lüge, die Berechnung von Chamberlain und Da-
ladier wären dasselbe gewesen wie die Friedenswünsche in ihrer
Bevölkerung und dieser "Pazifismus" hätte zum Krieg geführt, wird
40 Jahre danach jede Kritik an der NATO-Aufrüstung als Friedens-
gefährdung gegeißlert.
"Stalingrad"
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So geistert der fromme Wunsch, irgendjemand - sei es ein Attentä-
ter, die anderen imperialistischen Mächte oder gar sein treuer
Diener: die deutsche Wehrmacht hätte Hitler r e c h t-
z e i t i g stoppen sollen, durch die Köpfe patriotischer
Vaterlandsbewältiger. Rechtzeitig - aber keinesfalls zu früh!
Denn einen gut Teil von Hitlers Kriegszielen hält man für gutes
Völkerrecht, und ihre Verwirklichung wird allenthalben als
E r f o l g gefeiert, ganz so wie damals vom Volk, dessen mit
jeder Eroberung wachsender Begeisterung keine Kritik widerfährt
außer der, daß es nicht rechtzeitig erkannt habe, daß diese Er-
folge nicht zu sichern seien. Das Wort Erfolg geht dabei so
leicht über die Lippen, weil man die Ausweitung der Souveränität,
die Stärkung deutscher Macht für eine selbstverständlich wün-
schenswerte Angelegenheit hält; einen Wunsch, den man sich mit
der Definition der Macht als Selbstbestimmungsrecht der Völker
genehmigt. Gestritten wird höchstens darum, was als dem Bedürfnis
deutscher Souveränität angemessen gelten soll. Daß Hitler ganz
anders beurteilt, gehörte, wenn er sich mit Österreich und der
Tschechei "begnügt" hätte, darüber herrscht Konsens: Mit der Ver-
wirklichung des Großdeutschen Reiches würde er in der ewigen Na-
tionalligatabelle noch vor Bismarck rangieren. So bescheiden ist
friedfertiger Nationalismus!
Die rückblickende Begeisterung für den jeweils errungenen natio-
nalen Erfolg verrät ganz deutlich, daß moderne Deutsche sich
heute einen besseren Umgang mit der erreichten Macht damals den-
ken können: Hitler hätte sie b e w a h r e n u n d
v e r m e h r e n sollen statt aufs Spiel setzen. Und dabei wer-
fen ausgerechnet solche "Kritiker" Adolf Hitler vor, er habe sich
übernommen. Immerhin eine unwiderlegbare Logik: Hätte er sich
nicht z u v i e l vorgenommen, hätte er m e h r erreicht.
Weil solche Kritiker an Eroberungs- und Weltherrschaftsplänen nur
das eine stört: daß sie gescheitert sind, würde ihnen, wie auch
den Widerstandsgenerälen, nur die Eroberung Rußlands das Maul ge-
stopft haben - die aber gründlich.
"GröFaZ"
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Dann würde es keiner mehr wagen, ihn "GröFaZ" zu schimpfen. Vom
Größten Feldherrn aller Zeiten wäre dann die Rede. So aber finden
sich mühelos Fehler über Fehler. Das nimmt seinen Anfang bei der
mit den Kriegsgegnern geteilten Begeisterung für die
"Blitzkriege", die der Führer nicht richtig genützt habe. Zum
Beispiel Dünkirchen. Die Tommys einfach abrücken zu lassen, an-
statt...? Konsequenterweise wird jede Heuchelei von Frieden und
Menschlichkeit fahrengelassen, wenn man sich theoretisch mitten
im Kriegführen befindet. Da gilt tatsächlich nur ein Kriterium:
der Endsieg. Nicht daß er ihn gewollt hat, sondern daß er ihn
vergeigt hat, das muß Hitler vor der Geschichte verantworten. Daß
er die patriotische Juden - überproportionale Zahl an Opfern und
Orden im Ersten Weltkrieg! - im KZs a n s t a t t auf dem
Schlachtfeld verheizt hat: blinder Rassenfanatismus, a n-
s t a t t kühler staatsmännisch-militärischer Berechnung. Ein
Haffner gibt da noch zu bedenken, daß die Eisenbahnwaggons für
die Judentransporte für den Waffennachschub an die Front gefehlt
hätten. Welch ein Mißbrauch von Mensch und Material, der sich da
dem weltbürgerlichen Blick auftut, der die Menschheit ganz
vorurteilslos nach ihrer Einsatzfähigkeit beurteilt! Und kaum
einer steht an, Hitler den Vorwurf zu ersparen, er habe
fälschlicherweise auf die Entwicklung der Rakete (V 2) gesetzt,
a n s t a t t auf die viel höhere Versaftungsrate der Atombombe.
Auf den Vorschlag, er hätte beide entwickeln lassen sollen, um
mit der Atomrakete seiner Zeit um 15 Jahre vorauszusein, werden
wir wohl auch noch warten können. Dieser konstruktiven Kritik
müßte ein Hitler glatt zustimmen, wäre er nicht über dem Mißer-
folg an der Fähigkeit des deutschen Volkes verzweifelt - das un-
terscheidet ihn von seinen Kritikern.
"Der Landser"
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Eines steht nämlich fest: Den deutschen Landser macht uns keiner
nach! Darum beneidet uns die Welt. Mit Genuß wird der Gegner zi-
tiert, der die Pflichterfüllung der deutschen Soldaten bis zum
Schluß bewundert. Eine Pflichterfüllung, die sich vor allem nicht
durch die Ahnung, für eine erfolglose Sache zu kämpfen, irritie-
ren ließ. Hier wird die bedingungslose Indienstnahme eines Volkes
gefeiert; und dabei läßt man sich in seiner Bewunderung nicht
durch die Vergeblichkeit der Opfer irritieren, wohl in der dop-
pelten Gewißheit, daß die Z i e l e, um derentwillen man sie
schätzt, sich nicht ändern, ihre R e a l i s i e r b a r k e i t
im Rahmen der NATO jedoch eine ganz andere Wucht besitzt. Durch
irgendwelche Kriegsgreuel läßt sich die Heldenverehrung heute
schon gar nicht mehr dämpfen. Die sind längst als böse, aber eben
dadurch allgemein menschliche (= internationale) Erfahrung abge-
tan. Da hat die Aufrechnung von Dresden, Hiroshima, Nagasaki und
Gulag gegen Auschwitz und Co schon längst ihren Dienst getan. Ob
Kameradentreffen, Medien oder oral history; die Erzählungen über
den "Alltag des Krieges" bestehen alle im Lob der Bewährung des
deutschen Menschen an allen Fronten, wo nicht einmal das bloße
Überleben noch als Zweck anerkannt ist, sondern das eigene Leben
als Mittel der Erhaltung des Vaterlands selbstbewußt gefaßt ist.
Unter den miesesten Umständen nicht den Mut verlieren, sondern
ohn' Ansehn des Geschlechts seinen Mann stehen, das ist Demokra-
ten keineswegs verdächtig, dem können sie ihre Anerkennung nicht
versagen. Schließlich ist so ein Volk für eine Demokratie im
Frieden wie im Krieg - wie geschaffen.
"Das falsche Schwein"
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Und der steht ja noch an. Das ist es nämlich, was es aus einem
verlorenen Krieg zu lernen gilt. Den nächsten muß man gewinnen.
Das hat Hitler auch schon gewußt, als er sich entschloß, Politi-
ker zu werden. Das Ergebnis des Zweiten Weltkriegs ist nämlich
für die eine Seite von Siegern und Verlierern ziemlich unerträg-
lich, kurz: Grund für den nächsten. Daß man der Sowjetunion das
Recht zur Souveränität in ihrem Machtbereich bestreitet, wird
recht unverblümt formuliert in den Phantasien, die sich mit einem
Wechsel der Koalition zum Ende des letzten schon das Resultat des
nächsten Kriegs zusammenträumen:
"Die Russen... haben sich überfressen. Sie sind, wie Bismarck
vornehm sagen würde, 'periklitiert', haben ihre Einflußmöglich-
keiten und ihre Einflußsphäre überdehnt. Man sieht nicht, wie sie
ihr Vorfeld räumen, wie sie Afghanistan, Kuba das Geld sperren
und sich in Vietnam zurückziehen können, sie müßten ja nicht al-
les auf einmal tun." (Augstein)
Mit der Konstatierung, daß 1941 nur ein Teil Europas von der
"Schreckensherrschaft" befreit worden sei, der andere Teil nur
den Herrscher gewechselt habe, wird nach dem Sieg über den Fa-
schismus der über den Kommunismus als Parole ausgegeben. Die Tei-
lung Deutschlands, Europas, firmiert als Rechtstitel auf die
Nichtanerkennung der Ergebnisse des letzten Waffengangs. Im Rück-
blick ergeben sich da natürlich gewaltige Perspektiven: Hätte man
die NATO schon 1944 gegründet, dann hätte man gleich das
"richtige Schwein" geschlachtet. Allerdings muß man dabei schon
davon abstrahieren, daß auch ein Churchill das erste Schwein am
Haken haben wollte, bevor er es als das falsche bezeichnen und
zum nächsten Tagesordnungspunkt übergehen konnte. Und der hieß
auch nicht gleich schlachten. Anders als der faschistische setzt
der demokratische Imperialismus nicht nur auf die Konkurrenz der
Waffen, sondern auch auf die Waffe der Konkurrenz. Daß der Waf-
fengang erst noch ansteht, liegt jedoch nicht an der Vorliebe der
NATO für den friedlichen Wettstreit, sondern einzig daran, daß
die Sowjetunion an Waffen einiges entgegenzusetzen hat.
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