Quelle: Archiv MG - BRD AUSSENPOLITIK OSTHANDEL - Politische Erpressung mit Ökonomie
zurück Dortmunder Hochschulzeitung Nr. 2, 18.05.1982 Neues von der Ostfront:GESCHÄFTSSCHLUSS FÜR OSTBLOCK UND OSTHÄNDLER
Warum Milliardenkredite als politische Waffe taugen, und wozu die NATO sie als politische Waffe einsetzt. Die Sowjetunion und ihre Verbündeten haben im Westen Schulden in Höhe von ca. 80 Milliarden Dollar, das und ungefähr 200.000.000.000,- DM; ein Viertel davon stammt aus der Bundesre- publik. Jetzt streichen die westlichen Regierungen staatliche Ga- rantien für das Kreditgeschäft mit dem Osten. Die Bankiers rea- gieren sofort, rücken neue Kredite nur noch zu extra hohen Zinsen und auf kürzeste Zeit heraus. Die Handelsgeschäfte mit dem Ost- block gehen schlagartig zurück; in ihrer vornehmen Art reden die zuständigen Manager von einer "Vollbremsung im Osthandel", die demnächst wohl stattfinden müsse. Hauptbetroffener wird, nach Po- len und Rumänien, als nächstes Land die DDR sein. Was geht das alles einen bundesdeutschen Normalbürger an - der doch noch nie einen Kredit an die Sowjetunion gegeben oder ver- weigert hat? 1. Mit 50 Milliarden DM etwa haben bundesdeutsche Banken und die Bundesregierung den Export bundesdeutscher Güter in den Ostblock vorfinanziert, Zulieferbetriebe für den westlichen Bedarf errich- ten lassen usw. Wo haben sie dieses Geld eigentlich her? Verdient worden ist es erst einmal im eigenen Land. Wie und durch was, ist ebenfalls kein Geheimnis; aus den Spargroschen der bun- desdeutschen "Arbeitnehmerhaushalte" stammt diese Summe todsicher nicht. Umgekehrt: das bundesdeutsche Arbeitnehmervolk muß da einen recht ansehnlichen Überschuß erarbeitet haben, der ganz an- dere Wege gegangen ist als den in Lohntüten der Arbeitnehmer, einen Reichtum, den Unternehmer, Geschäftsbanken und Staat in ge- lungener Arbeitsteilung für sich verwenden (und das keineswegs bloß im Ostgeschäft. Diese Abteilung macht nur einen Bruchteil der von der BRD aus eingesetzten Auslandskredite aus.). Die Kre- dite fürs Ostgeschäft sind einer der vielen Töpfe, in denen "der kleine Unterschied" zwischen Unternehmenserlösen und Löhnen sich ansammelt: den Bedürfnissen der Lohn-"Empfänger" entzogen, den Interessen der nationalen Geschäftswelt frei verfügbar. 2. Welches Interesse verfolgen die Regierung der BRD und ihre kapi- talkräftigen Bürger mit ihren Kreditgeschäften in Richtung Osten? Daß Ostkredite so etwas wie ein Geschenk an die bösen Kommunisten wären, ist ein albernes Gerücht. Kredite müssen bekanntlich "bedient" werden, mit Zinsen und Tilgungsraten. Mit ihnen muß also Geld verdient werden; und zwar eines, das den westlichen Gläubigern gefällt (Rubel oder DM-Ost mögen sie gar nicht!). Das wollen die Ostblockstaaten natürlich auch; deswegen machen sie ja die Schulden. Wenn sie sich aber darauf eingelassen haben, mit Krediten Geld verdienen, dann setzen nicht mehr sie dafür die Maßstäbe, sondern die Gläubiger mit ihrem Zinssatz. Und je größer der Schuldenberg wird, um so mehr müssen die herrschenden "Kommunisten" drüben sich ihren eigenen "Werktätigen" gegenüber aufführen wie die Sachwalter und Funktionäre des westlichen Kre- ditgeschäfts: Damit d a s s i c h l o h n t, d a f ü r müs- sen sie ihr Volk antreten lassen. Da wird so manche Bequemlich- keit abgeschafft, die östliche Manager, im Unterschied zu ihren westlichen Kollegen, ihrem Arbeitsvolk bisweilen noch zugestanden haben. Und weil sie sich mit den bundesdeutschen Weltrekorden in Sachen Ausnutzung der Betriebsbelegschaften doch nicht messen können, wachsen ihnen die Zins- und Tilgungslasten rasch und im- mer weiter "über den Kopf". Für die dortigen Regierungen ist das allerdings kein Grund, ihre Verpflichtungen gegenüber der westli- chen Geschäftswelt schleunigst aufzukündigen; stattdessen drang- salieren sie ihr Volk erst recht mit Zusatzarbeit und Lohnkürzung - "schwere Zeiten" wie bei uns, aber auf "kommunistisch". Da arbeitet also der Ostblock-Mensch, auf sein Auskommen bedacht und irgendwie seiner Regierung gehorsam, gerade so wie hier - und immer nachdrücklicher, immer unangenehmer wird er mit der Tatsa- che bekannt gemacht, daß er schon längst nicht mehr bloß für seine eigene Obrigkeit arbeitet, sondern auch, ja vor allem für das Kreditgeschäft westlicher Gläubiger. Andersherum: für die kapitalkräftigen "Unternehmer"-Figuren der freien bundesdeutschen "Marktwirtschaft" ist das einheimische Ar- beitsvolk viel zu wenig für die Geschäfte, die sie machen wollen und können - und das ostdeutsche und slawische Arbeitsvolk viel zu schade, nur dessen gewinnbringende Benutzung den dortigen Re- gierungen zu überlassen. Per Kredit wird diesem zweifachen Inter- esse geholfen - das ist Sinn und Zweck aller Kapital-"Hilfe", die in den "Ostblock" fließt. 3. Ökonomisch gesehen, ist das für die westlichen Gläubiger ein Ge- schäft mit besten Aussichten; deswegen hat die Regierung es ja auch mit eigenen Krediten und Kreditgarantien gefördert. Die "kommunistischen Planwirtschaften" des "Ostblocks" immer stärker für westliche Kapitalgeber erschließen, für westliche Ge- schäftsinteressen ausnutzen: das wäre doch schon die halbe Wie- derangliederung der "Satelliten Moskaus" an die "freie Welt". Die Tatsache, daß die Schuldenberge der östlichen Partner immer mehr wachsen, wäre dagegen auch kein Einwand; im Gegenteil. Kredite ans Ausland werden vergeben, nicht damit sie alsbald wieder zu- rückgezahlt sind, sondern nur damit dauerhaft die ausländische Wirtschaft dem bundesdeutschen Geschäftsvorteil dienstbar zu ma- chen. Das im Ausland verdiente Geld will ja, genauso wie der im Inland, von den eigenen "Arbeitnehmern" geschaffene Überschuß, wieder angelegt sein. Warum dann nicht in Ostblockländern - so daß westliche Geschäftsleute sich dort noch und noch die gesamte nationale Arbeitskraft friedlich erobern? Ja: warum eigentlich nicht? Warum wird jetzt von oben, von den zuständigen Regierungen her, das Ostgeschäft mit Kredit und Zin- sen zum Erliegen gebracht? Wo doch gerade eine Ostblockregierung nach der anderen ihre Untertanen zu genauso schrankenloser Aus- nutzung durch westliche Firmen bereitstellt, wie die Untertanen der Bundesrepublik sie seit Jahrzehnten mit sich anstellen las- sen?! 4. Die Regierungen der NATO-Staaten haben eine Wirkung des Ostge- schäfts entdeckt, die sie für s t ö r e n d befinden. Nachdem dieses Geschäft einmal so eingerichtet ist, wie das der Fall ist, kann keine "kommunistische" Regierung es sich mehr ohne Weiteres leisten, Schulden und Zinsverpflichtungen aufzukündigen und sich wieder zum alleinigen Nutznießer der eigenen Arbeiterklasse zu machen: das wäre ihr Bankrott. Dieser Tatbestand läßt sich aber auch umgekehrt ausdrücken: Die "kommunistischen Regierungen" drü- ben wären die eigentlichen N u t z n i e ß e r des westlichen Ostgeschäfts. Das ist zwar gelogen; auf diese Betrachtungsweise haben die NATO-Partner sich aber geeinigt und dem Kreditgeschäft die Garantien entzogen, die für einen "risikofreudigen" kapitali- stischen Unternehmer nun einmal unerläßlich sind. Dieser Beschluß ist noch viel härter als die bisherige zunehmende Ausnutzung der Ostblockländer durch und für die westliche Ge- schäftswelt. Er heißt nämlich, klar ausgedruckt: Diese Länder sollen ü b e r h a u p t k e i n e w i r t s c h a f t l i- c h e Z u k u n f t mehr haben, noch nicht einmal die höchst- unerfreuliche eines "Entwicklungslandes" in westlichen Diensten. Und warum nicht? Weil sie doch immer noch eine f a l s c h e, nämlich "kommunistische", sowjetfreundliche Regierung haben! D a s a l l e i n ist inzwischen Grund genug, daß westliche Regierungen, sonst um die Wohlfahrt des nationalen Geschäfts- lebens doch immer aufs rührendste besorgt, sogar manchen V e r- l u s t riskieren: Für die Aussicht, den "Ostblock" ökonomisch zu schwächen und vielleicht sogar zum Bankrott zu zwingen, sind ihnen ein paar Milliarden offenbar nicht zu schade! 5. Warum auch? Schließlich geben die NATO-Staaten seit Jahrzehnten viel gewaltigere Milliardenbeträge aus (wo die herkommen, siehe wieder unter 1.), um der Sowjetunion jeden militärischen Ausweg aus einem ökonomischen und politischen Bankrott ihres Staatensy- stems zur tödlichen Gefahr zu machen. Und sehr tödlich muß diese Gefahr schon sein, wenn man eine Weltmacht nach den Regeln von Ökonomie und Diplomatie in die Knie zwingen will. Ein bißchen einen Weltkrieg muß man dafür schon vorbereiten - und im Ernst- fall auch gewinnen können. Und dabei gehen erst recht mehr Milli- arden drauf, als jetzt im Ostgeschäft verloren gehen könnten. Ob sich das dann lohnt? Und für wen? Man sollte den eigenen Politikern nicht die Freiheit lassen, diese Frage weiterhin Stück um Stück praktisch mit "Ja!", näm- lich: "Für Frieden und Freiheit!", zu beantworten. zurück