Quelle: Archiv MG - BRD AUSSENPOLITIK OSTHANDEL - Politische Erpressung mit Ökonomie


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       Der Osthandel
       

DER WECHSELSEITIGE NUTZEN, DER DIE FEINDSCHAFT BELEBT

1. Das G e s c h ä f t mit dem Feind -------------------------------------- Die russische Revolution hat das Kapital abgeschafft, die Privat- macht des Geldes, mit der Besitzer von Produktionsmitteln auf Lohn angewiesene Arbeitskräfte benützen, damit ein Reichtum zu- standekommt, der sich gesellschaftlich nicht in notwendigen und überschüssigen Mitteln der Konsumtion auszahlt, sondern in der Vermehrung des Geldes. Seitdem gibt es den G e g e n s a t z d e r S y s t e m e, der eine westliche Wertegemeinschaft, also Staaten kapitalistischen Zuschnitts, von einem Block scheidet, in dem staatlich organisierter Kollektivismus herrscht. Die beschwo- rene Abwesenheit von Privatinitiative und Freiheit läßt am Osten nur eines gelten: Er ist in allem anders und deshalb verabscheu- ungswürdig und fürchtenswert. Mit der Abwesenheit von Arbeitslo- sen und Slums kann er nicht beeindrucken. Dennoch ist es eine L ü g e, dieser ökonomische Unterschied oder gar die ideologische Verdammung der abweichenden Produkti- onsweise als gigantische Verirrung wäre der ausreichende Grund für die F e i n d s c h a f t, für die sich der Westen mit der NATO rüstet. Staaten tragen nun einmal keinen edlen Wettstreit um die beste Gesellschaftsform aus; dazu bräuchten sie keine Waffen. Schließlich gab es ja auch einmal das K r i e g s b ü n d n i s d e r w e s t l i c h e n A l l i i e r t e n m i t S t a l i n; das richtete sich gegen einen gleichgesinnten Kon- kurrenten, den deutschen Faschismus, dessen "Unmenschlichkeit" auf dem politischen Willen Hitlers beruhte, der heimischen kapi- talistischen Ökonomie militärisch mehr Lebensraum in der Welt zu verschaffen. Die S a c h e d e r G e s c h ä f t s l e u t e, die der mo- dernsten Wirtschaftsweise ihren Namen gegeben haben, ist es schon gleich nicht, aufgrund der Tatsache, daß anderswo ihre Produkti- ons-, Kredit- und Spekulationsrechenarten nicht gelten, auf den Austrag der Systemfeindschaft zu drängen. Sie sind zwar von Be- rufs wegen die geborenen Gegner dieses Systems, aber vorurteils- los genug, um sogar darin - solange es existiert Marktchancen zu nützen. Dafür werden dann ärgerliche Hindernisse und unsinnige Geschäftsgewohnheiten, die sich aus der ökonomischen Natur des Handelspartners ergeben, hingenommen, um das Beste daraus zu ma- chen. Daß daraus ein schwunghafter Osthandel geworden ist, ist das V e r d i e n s t d e r S o w j e t u n i o n. Die ist mit der Feststellung von Mängeln ihrer Wirtschaft auch darauf gekommen, in den schönen Produktionsmitteln, die der Kapitalismus hervor- bringt, ein Heilmittel für die konstatierte Schwäche des eigenen ökonomischen Planens zu sehen. Auch die Partei, die die russi- schen Menschen von der "Geißel der kapitalistischen Ausbeutung" befreit hat und sich darin der gesamten Menschheit als Vorbild anpreist, kennt den ökonomischen Unterschied nicht als Grund für unvermeidliche Feindschaft. Umgekehrt: Im Zuge des Westgeschäfts sind den östlichen Politikern die Figuren, die nach dem morali- schen Urteil eines Arbeiter- und Bauernstaates für die "Verelendung der Arbeiterklasse" verantwortlich zeichnen, beson- ders ans Herz gewachsen. Die Freundschaft mit einem Beitz und ei- nem Amerongen hat ihnen freilich die Erfahrung nicht erspart, sich laufend über "Ungerechtigkeiten" des Weltmarkts wundern zu müssen. Mit den terms of trade und Handelsbeschränkungen wurde den östlichen Geschäftspartnern ihre Weigerung vorgerechnet, sich auf Gedeih und Verderb in den Weltmarkt zu integrieren. Das macht den Osthandel so "schwierig" - und zu einer Verlaufsform der feststehenden Feindschaftserklärung an den Osten, auch wenn da bloß in Geldmengen und nicht in Antikommunismus gehandelt wird. Bedarf... --------- Das Interesse am gegenseitigen Handel hat zuallererst der Ost- block angemeldet, und zwar in einer ziemlich weltmarktunüblichen Weise. Die staatlichen Planer ihrer Ökonomie haben den Weltmarkt nicht mit v e r k a u f s f ä h i g e n W a r e n und kauf- kräftigem Kapital beehrt, sondern einen B e d a r f a n G e b r a u c h s m i t t e l n für die Erweiterung der eigenen Produktion angemeldet. Dieser Eintritt in die Welt des interna- tionalen Handels und Geschäfts hat andere Gründe. Die sozialistische Planwirtschaft stellt alles Nötige an brauch- baren und gebrauchten Produktions- und Konsumtionsmitteln her. G e p l a n t wird diese G ü t e r v e r m e h r u n g nicht durch bewußte Kalkulation und den rationellen Einsatz der Mittel, sondern mit den ö k o n o m i s c h e n H e b e l n v o n G e l d, P r e i s u n d P r o f i t, mit denen der Staat seine Gesellschaft zur "Vollendung des Wertgesetzes" anreizt (siehe "Mit Hebeln geplant", MSZ 10/11, 1987). Das läßt die offi- ziellen Beschwerden über unzureichende Produktionsergebnisse und über Vergeudung und Schlamperei bei den Betrieben nie verstummen, verhindert andererseits aber dauerhaft, daß ein bloß in Geld ge- messener Überschuß der Zweck des Produzierens wird. Die Waren, die östliche Märkte bevölkern, werden n i c h t p r o d u- z i e r t, um sich mit der ü b e r d e n P r e i s e r- z i e l t e n P r o f i t s p a n n e l o h n e n d z u v e r w e r t e n. So bleibt den gebrauchswertmäßigen Ergebnissen sozialistischen Planens und den volkseigenen Betrieben der Kampf um den Konkur- renzerfolg erspart. Die Sowjetunion ist auf die Durchsetzung und Bewährung im Weltmarkt weder aus noch angewiesen, dessen Waren- und Schuldenströme den Produktivitätsvergleich nationaler Profit- macherei vollziehen. Wenn sie dennoch als Partner antritt, um den Weltmarkt für sich zu nützen, dann o h n e d e n Ü b e r s c h u ß, der aus dem Erfolg gelaufener Geschäfte eines heimischen Kapitals herrührt, und o h n e d i e F r e i- h e i t e i n e s P r e i s v o r t e i l s, der es erlaubt, sich lohnend an Geschäftserfolgen anderswo zu beteiligen. So gerät dem östlichen Außenhandelsmonopolisten der Import nütz- licher Waren zu einem bloßen Zahlungsproblem, für dessen Be- wältigung kein gewinnträchtiges Exportgeschäft einsteht. Die Zahlungsfähigkeit der östlichen Planer schafft da keinen Er- satz. Daß es sich bei Rubel und DDR-Mark um begrenzt taugliche Verrechnungseinheiten staatlichen Planens handelt und nicht um einen Ausdruck wirklichen Werts, mußte westlichen Geschäftsleuten nicht erst erklärt werden. Das ergibt sich schon aus dem U n w i l l e n des Ostblocks, diesen Regulator und Motor des staatlich angeleierten Erfolgs sozialistischen Wirtschaftens kon- vertibel zu machen. Als Zugriffsmittel der internationalen Ge- schäftswelt und als Instrument der Ostblockstaaten für ihre Be- währung in der Konkurrenz kapitalistischer Nationen war das Mit- tel sozialistischer Planung, die ein Ende mit der Herrschaft des Privateigentums macht, nicht erfunden worden. Der Rubel ist eben kein Spekulationsobjekt der internationalen Börsenwelt; umgekehrt gibt es im Ostblock keine Abteilung natio- nalen Reichtums, die auf dem Geldhandel mit und der Spekulation auf fremde Währungen beruht. So werden sozialistische Politiker nie das Gefühl der Ungerechtigkeit los, daß sie beständig von Weltmarktpreisen abhängen, auf die sie keinen Einfluß haben. Eine grundsätzliche Kritik und Ablehnung der Weltmarktgebräuche ist daraus östlicherseits nie geworden; aber mehr als die be- scheidene Öffnung, sich von der kapitalistischen Staatenwelt Ab- hilfe für bestimmte Mängel der eigenen Produktion zu erwarten, war nicht geplant. Ironischerweise betraf dieser Antrag a u s b l e i b e n d e F o r t s c h r i t t e i n d e r "w i s s e n s c h a f t l i c h - t e c h n i s c h e n R e v o l u t i o n" und ihrer planmäßigen Umsetzung, die doch nach eigenem Bekunden mit der Befreiung von den kapitalistischen Fesseln erst ihren Auftakt nehmen, und er galt technisch überle- genen Produktionsmitteln, die trotz der dem Kapitalismus eigen- tümlichen "Verhinderung der Produktivkraftentfaltung" nur im We- sten zustandekommen. Der Grund für die Schwierigkeit, die vorhandenen Kenntnisse und die maschinellen Mittel effektiver einzusetzen und die Arbeit produktiver zu machen, liegt im sozialistischen Planen selbst. Mit dem legt der Staat seine Betriebe auf das Erwirtschaften von Gewinn fest, den sie planmäßig abführen. So wie er seine P l a n u n g s h o h e i t nur dafür einsetzt, einen getrennt von ihm i n s t a l l i e r t e n B e t r i e b s e g o i s- m u s anzustacheln, ebenso behindert er beständig die Geltung der gebotenen Maxime "Gewinnerwirtschaftung". Für die Betriebe lohnt sich eine Erneuerung der Produktion nur im Verhältnis zu den Erfolgskennziffern, die ihnen der Plan vorgibt - d.h. nur sehr bedingt. Erst einmal macht die Umwälzung der Produktion nur Kosten, die sich negativ auf das vorgegebene Plansoll auswirken. Da ist es schon besser und planentsprechender, die Warenmenge zu steigern, auch wenn die Qualität darunter leidet und der Schund liegenbleibt. Damit kann sich ein betriebliches Kollektiv schon eher das "Banner des Leninismus" ans Revers heften. Das "S p a r s a m k e i t s r e g i m e" des Staates, das sich das Wachsen des sozialistischen Reichtums ausgerechnet durch die Ein- sparung bei den zur Produktionssteigerung nötigen Mitteln er- hofft, tut ein Übriges, damit die Unzufriedenheit des staatlichen Planers mit den bewirkten Ergebnissen nie zu kurz kommt. Im übrigen bewährt sich die sozialistische Wirtschaft im Umgang mit den in ihr eingerichteten "Mängeln". Alles, was den staatli- chen Lenkern unerläßlich erschien, ist auch zustande gekommen, wenn auch langsamer als vorgesehen. Daß der staatliche Plan keine rationelle Planung der Ökonomie nach den vorhandenen Möglichkei- ten und Mitteln ist, hat noch keinen sowjetischen Generalsekretär an der Dialektik vom L o b auf die Erfolge des Arbeitswillens seines Volkes, dessen Planübererfüllung eingeplant ist, und vom T a d e l an unausrottbaren und ständig neuen Mißständen irrege- macht. Perestroika und Glasnost, mit denen Gorbatschow seine Ge- sellschaft erneuern will, fordern dem Verstand aufrechter russi- scher Patrioten in dieser Hinsicht nichts Neues ab. Einem Z w a n g, der sich aus dem V e r s a g e n i h r e r Ö k o n o m i e ergeben hätte, ist die Sowjetunion beim Gang auf den Weltmarkt nicht gefolgt. Sie hat sich mit voller Absicht und aus nicht s o n d e r l i c h ö k o n o m i s c h e n G r ü n- d e n dieser Weltgemeinschaft geöffnet. Für den höheren Maßstab des Systemvergleichs ging die eigene Wirtschaft zu langsam voran. In der friedlichen Konkurrenz um das Ein- und Überholen des Kapitalismus, dessen genauere Kennzeichnung auf einmal "Lebens- standard" hieß, sollte sich der Sozialismus als Vorbild erweisen, und die restliche Menschheit sich frei im koexistierenden Nebeneinander zweier Weltverbesserungssysteme für die bessere Seite entscheiden. Von einem Gegensatz zwischen Ost und West sollte nur noch in diesem Sinne die Rede sein, auch wenn und ge- rade weil die Konkurrenz zur kapitalistischen Welt ein Verteidi- gungs- und. Erhaltungsprogramm des Ostblocks gegenüber dem Freien Westen ist. Gemessen an dem Eindämmungswillen der anderen Seite machte sich kommunistischen Politikern der Mangel an ökonomischer Produktivkraft der eigenen Wirtschaft auffällig bemerkbar. Den bedingten Eintritt in den Weltmarkt, um an die dort vorhan- denen Mittel zur Steigerung und schnelleren Erweiterung der so- zialistischen Produktivkräfte heranzukommen, hat der Ostblock nicht als Mangel empfunden. Geplant war die Abteilung Außenwirt- schaft neben und zusätzlich zum eingerichteten Planwesen, um des- sen Vorankommen zu beschleunigen. Die Wahrheit dieser E r g ä n z u n g hat der in Gang gekommene Westhandel vorbuch- stabiert. Der Ostblock bezahlt diese Ergänzung mit einem Abzug aus Mitteln des eigenen Plans. Heute sind die Folgen und die Ge- bote des Geschäfts mit dem Westen zu einer V o r a u s- s e t z u n g der Planerfüllung geworden. ...gegen Geschäft ----------------- Kapitalisten interessieren sich für alles, was sich lohnt. Auch wenn sie täglich zehnmal den Osten auffordern, endlich die Markt- bedingungen zu schaffen, die dem Geschäft gemäß sind, der Osthan- del findet statt - und nicht zu knapp. Zwar hat sich noch nichts an dem g r u n d s ä t z l i c h e n N a c h t e i l geändert, daß sozialistische Staaten ihre Ökonomie von kapitalistischer Be- nutzung ausnehmen. Auf der Grundlage gibt es aber auch V o r t e i l e zu verbuchen, denen Geschäftsleute ihre Achtung nicht versagen können: Staatlich garantierte Produktionskosten, die jedes Unternehmen für vergleichsweise niedrig befindet, keine Streikwirren, stabile Geschäftsbeziehungen und die Tatsache, daß der sozialistische Staat mit dem gesamten nationalen Reichtum da- für bürgt, daß kein Geschäftsrisiko aufkommt. Dafür, daß der staatliche Partner aus dem Osten den unterneh- mungsfreudigen Herren aus den Vorstandsetagen ein Stückchen Ri- siko ihres Geschäfts abnahm, war freilich auch eine kleine Um- stellung der Sowjetökonomie fällig. Bevor Osthandelsgewinne west- liche Geschäftsbilanzen bereicherten, war das Geschäft erst loh- nend zu machen - von der anderen Seite. Für die Lieferung der Produkte kapitalistischen Fleißes, nach denen der Ostblock ein dringliches Bedürfnis anmeldete, sollte der erst ein G e l d v e r d i e n e n, das seinen Namen wert war; mit Rubeln war es nicht getan. So begann der Osthandel höchst einseitig. Der sozialistische Au- ßenhandelsmonopolist mußte Lebens- und Gebrauchsmittel ohne Rück- sicht auf die internen Bedürfnisse auf dem Weltmarkt verscheuern, um an die harten Devisen, zu kommen, die ihm den Einstieg ins Westgeschäft ermöglichten. Bei dieser neuen Aufgabe sozialisti- scher Planung leisteten westliche Unternehmer Vermittlungs- dienste. So entstanden die K o m p e n s a t i o n s- g e s c h ä f t e, die bleibende Elementarform des Beweises, daß Systemgrenzen Geschäfte nicht unmöglich machen. Mancher Maschinenproduzent war sich nicht zu schade, auch einmal den Gebrauchswertstandpunkt einzunehmen und die gute sibirische Moosbeerenmarmelade bei Aldi einzuschleusen, im Gegenzug zu einem Geschäftskontrakt. Allein schon die Frage: Was hat der Ostblock denn zu verkaufen? verbunden mit dem Hinweis, daß das Bedürfnis nach östlicher Qualität jenseits der Grenze schwer zu wünschen übrig ließ, hat die Devisenbeschaffung zu einem Geschäft mit B i l l i g- a n g e b o t e n werden lassen. Wenn sich die sozialistischen Staaten durch die vom westlichen Geschäftspartner festgelegten Preise nicht entmutigen ließen und die Menge ihres Warenangebots erhöhten und dafür die heimischen Regale leerräumten, war auch das nicht ganz recht. Ein Markt war weit und breit dafür nicht zu sehen, das östliche Vorgehen widersprach K o n t i n g e n- t i e r u n g s b e s t i m m u n g e n, und selbst der Dumping- Vorwurf wurde laut. Abhilfe versprach das Angebot der westlichen Geschäftsfreunde, die sozialistischen Planer sollten bei sich zu Hause eine Extra- Produktion für den E x p o r t einrichten, wenn schon die Wa- ren, die den sozialistischen Wohlstand ausmachen, im Westen auf mangelndes Interesse stießen. So haben die Staaten des Ostblocks einen Teil ihrer Planungskraft auf die Errichtung von besonderen Abteilungen ihrer Ökonomie verwendet, die nicht mehr für den Plan produzieren. Was da an Modernisierungen und Arbeitskraft einge- setzt wird, fehlt an anderen Stellen der Produktion, und die Be- völkerung bekommt offiziell mitgeteilt, daß ihr Staat, der sich dazu beglückwünscht, nur für das Wohl seines Volkes da zu sein, bei Exportwaren andere Qualitätsmaßstäbe anlegt als bei der in- ternen Versorgung. So bezahlt die sozialistische Staatenwelt ih- ren Wunsch nach westlicher Technologie mit einem Abzug an nötigen Versorgungsmitteln und mit einer Produktion, die nur für die Be- dürfnisse westlicher Zahlungsfähigkeit geplant ist, damit über- haupt die Verbesserung der sozialistischen Produktion mit den gekauften Maschinen in Gang kommt. Der Wunsch, die enge Geschäftsgrundlage eines Warentauschs gegen Devisen beschleunigt zu erweitern, findet bei westlichen Banken dankbare Adressaten. Dort genießen Staaten des Ostblocks, was ihre Zahlungswilligkeit und -fähigkeit betrifft, eine Bonität, die Entwicklungsländern nie zugestanden wird. Vorurteilslos wur- den sozialistischen Staaten M i l l i a r d e n k r e d i t e eingeräumt, wenn auch des öfteren zu erhöhten Zinssätzen. Westeu- ropäische Banken machten in den 70er Jahren, als sie die Schwie- rigkeit beklagten, Geld unterzubringen, ihren östlichen Ge- schäftspartnern auch Angebote, nach denen die gar nicht nachge- fragt hatten. Die bekamen so die Mittel in die Hand, um sich unabhängig vom un- befriedigend eingeschätzten Stand ihrer Ökonomie und der Mühsal der Umstellung aufs Exportgeschäft, der Modernisierung ihrer ge- samten Wirtschaft zu widmen und die dafür für nützlich erachteten Gerätschaften im Westen einzukaufen. Wahr ist freilich auch umge- kehrt: Damit wurde der gesamte nationale Plan einem zusätzlichen Maßstab - dem der S c h u l d e n b e d i e n u n g und der Z i n s t i l g u n g - unterworfen, und nicht mehr nur ein Teil von Produktion und Konsumtion der Planerfüllung entzogen. Was den Westhandel für die Führungsmacht des Sozialistischen La- gers interessant gemacht hat, war ein natürlicher Überfluß der Sowjetunion, den die "überlegene Produktionsweise" des Sozialis- mus nicht hergestellt hat, sondern der sich im russischen Boden vorfindet und an dem ein lebhaftes Interesse Westeuropas besteht. Eine Diversifikation der Abhängigkeit auf dem Energiemarkt, der in seiner größten Abteilung mit der Preisgestaltung der westli- chen Ölmultis zusammenfällt, durch das russische Öl- und Erdgas- vorkommen, hat die BRD wie andere europäische Staaten in gemein- same Großprojekte mit dem Osten einsteigen lassen. Bei der ge- meinsamen Erschließung sibirischer Ölfelder und der zahlreichen anderen Rohstoffvorkommen konnten sowjetische Politiker wirklich einmal davon ausgehen, sich eine zusätzliche Einkommensquelle zu eröffnen, ohne sie gleich mit einem Abzug aus ihrer laufenden Produktion bezahlen zu müssen. Ganz entsprach auch das nicht der Wahrheit. Den wachsenden Ener- gieansprüchen ihrer eigenen Wirtschaft und der der RGW-Staaten, die sie mitversorgt, kann die Sowjetunion jetzt nur durch die Er- schließung weiter entfernter und teurerer Quellen nachkommen. So bekam die BRD wieder Gelegenheit zu helfen, mit Röhren und Kredi- ten. Der erwartete Gewinn, den sich die Sowjetunion ausrechnete, begann mit Bilanzüberschüssen bei Mannesmann und der Deutschen Bank. Im Verlauf des Geschäfts durfte die UdSSR die Erfahrung machen, daß den f e s t s t e h e n d e n K o s t e n höchst flexible Preise und Erlöse entsprachen. Die Bezahlung der Öl- und Erdgas- lieferungen richtet sich nach Weltmarktpreisen, und so hat die Sowjetunion die Talfahrt des Ölpreises zu spüren bekommen und darf das Auf und Ab der Weltmarktkonditionen als eigene Plangröße in ihren stabilen Ausbau des Sozialismus einrechnen. Nach westli- chen Angaben hat sie allein über den Verfall der Preise von Erdöl und Erdgas, die 30% ihres Außenhandels ausmachen, in den beiden letzten Jahren 18 Milliarden Dollar weniger eingenommen. So sieht es eben aus, wenn sich ein realsozialistischer Staats- händler auf das Interesse echter Kapitalisten und ihrer staatli- chen Vertreter dazu einläßt. Die einen servieren ihm ihre Ge- schäftskonjunkturen als Sachzwang, dem sich auch das ökonomische Programm einer Sowjetunion zu beugen hat. Die anderen machen dem östlichen Handelspartner klar, daß politische Vorbehalte durchaus in der Lage sind, den Geschäftssinn, mit dem die SU kalkuliert hat, zu bremsen. Eine "gefährliche Abhängigkeit" von sowjetischen Energielieferungen wollen sich demokratische Staatenlenker nicht einhandeln. Daß sich der "wechselseitige Nutzen" des Ostgeschäfts sehr ge- recht nach den Mitteln verteilt, die die eine wie die andere Seite aufbieten kann, hat die Sowjetunion nie mit dem Abbruch der für sie an jedem Punkt enttäuschenden Wirtschaftsbeziehungen kal- kulieren lassen; ebensowenig hat die eingestandene Selbstkritik an der eigenen Planwirtschaft, die den Auftakt des Westhandels bildete, die Kommunistische Partei der UdSSR je zu einer grund- sätzlichen Kritik an einem Wirtschaften, das so wenig mit gesell- schaftlicher Planung zu tun hat, verführt. Die Sowjetunion geht unbeirrt davon aus, daß sie sich Geschäfte mit dem Kapitalismus leisten kann und daß dies zur Stärkung ihrer Ökonomie beiträgt - wenn auch zu langsam, zu wenig und mit Rückschlägen verbunden. 2. Das Geschäft mit dem F e i n d ---------------------------------- Kapitalistische Staaten unterwerfen ihre Gesellschaft nicht dem Erfolg des Kapitals, um mit der Sicherung dieser ihrer Macht- grundlage an ihrer staatlichen Grenze aufzuhören. Der Schutz des Privateigentums wäre eine matte Sache, könnte die Staatsgewalt nicht sämtliche anderen Staaten zu dem gegenseitigen Wohlverhal- ten erpressen, das dem heimischen Kapital den Zugriff auf alle Mittel des Reichtums der ganzen Welt erlaubt. Deswegen die Feind- schaft des von den USA angeführten Freien Westens gegen die SU, die sich und ihre Bündnispartner diesem Verhältnis von politi- scher Gewalt und Geschäft dauerhaft entzogen hat. So erging nach dem Weltkrieg auch an die Sowjetunion das Angebot, sich der neuen Weltwirtschaftsordnung anzuschließen, für die die USA ihre nationale Währung als Weltgeld vorstreckten, und gemein- sam Handelshemmnisse zu regeln (GATT) und die Währungen gegensei- tig zu kontrollieren (IWF). Das war freilich nicht die neue Welt- gesellschaftsordnung, mit der die UdSSR eine Lehre daraus ziehen wollte, daß für sie Hitler den unfriedlichen und aggressiven Cha- rakter kapitalistischer Ausbeutung erneut schlagend bewiesen hatte; sie lehnte ab. Damit stand für die Staaten der Freien Welt fest, daß ein "Eiserner Vorhang" in Europa niedergegangen war und daß man nicht bereit war, diese Spaltung der Welt hinzunehmen. Was die Feindschaft so unerbittlich machte, war die Tatsache, daß es der UdSSR gelang, sich militärisch zu behaupten und als Atom- macht zu etablieren. Seitdem stand die politische und wirtschaft- liche Reaktion des Westens auf die Existenz der Sowjetunion unter dem Gebot der Behinderung und Schädigung. Dazu steht es erst einmal und grundsätzlich in Widerspruch, daß mit diesem Feind wirtschaftliche Beziehungen unterhalten werden. Daß so etwas überhaupt stattfindet, beruht auf dem politischen Willen, die kriegerische Austragung der Feindschaft zu vertagen, nicht aber die Feindschaft aufzugeben. Nebeneinander betreiben die NATO-Staaten die Politik der Isolierung und die Politik öko- nomischer Beziehungen, die auf das schädigende Hineinregieren ins andere System zielt. Für das Eingehen auf den östlichen Wunsch nach Geschäftsbeziehungen wissen sie immer eine Bedingung: Ohne politische Vorleistungen der anderen Seite geht nichts. Das macht den Osthandel so besonders. Aus dem Erfolg, sich politisch erhalten zu haben und in der mili- tärischen Konkurrenz mithalten zu können, zieht die Sowjetunion einen anderen Schluß. Sie stützt sich auf ihre Potenz als gleichrangige Weltmacht bei dem Versuch, den Westen von seiner als unnötig erachteten Feindschaft abzubringen, und als Mittel dafür fällt ihr ausgerechnet der "friedliche Handel" mit den ka- pitalistischen Unternehmem ein. Über den Lobreden auf die "friedliche Koexistenz" und den Nutzen "internationaler Arbeits- teilung" ist ihr jedes Wissen über die Natur des Kapitalismus ab- handen gekommen. Das wirkliche Angebot des Westens: Behinderung ---------------------------------------------- Die bleibende Grundlage jeder Geschäftsbeziehung mit dem zum Feind erklärten Osten ist die C o c o m - L i s t e. Die Aufli- stung all der Produkte westlichen Geschäftsfleißes, deren "strategische Relevanz" ihre Ausfuhr hinter den "Eisernen Vor- hang" verbietet, wurde von den Hauptstaaten der westlichen Werte- gemeinschaft 1949 gemeinsam erstellt und wird seitdem laufend neu angepaßt und ergänzt. Der ausgesprochene Zweck besteht im Verbot westlicher "Hilfe", die es der UdSSR erlauben könnte, aus ihrer maroden und unmensch- lich organisierten Wirtschaft dennoch die Mittel für ihre immer überzogene Rüstung herauszuziehen. Die Wahrheit ist umgekehrt und etwas absoluter: Gerade weil die Sowjetunion in der Lage ist, jede Eskalationsstufe der westlichen Aufrüstung mitzugehen, ist grundsätzlich jedes Geschäft, das ohne einen Nutzen auch für die andere Seite nicht zu haben ist, unter dem Ideal des "Totrüstens" als gefährliche strategische Vorleistung an den Gegner einzu- schätzen. Bis 1964 fielen auch Getreidelieferungen an die So- wjetunion, die am schwersten unter dem Weltkrieg gelitten hatte, unter Cocom. Weil die Cocom-Liste von dem Ärger ausgeht, den die Atommacht UdSSR für den Westen darstellt, richtet sie sich gegen die gesamte ökonomische Potenz der Sowjetunion, die ihr solche weltpolitischen Eskapaden erlaubt. Liberal ist diese westliche Grundregel für den Osthandel nur in einer Hinsicht: Selbst die härtesten antikommunistischen Politiker konnten sich bei einigen Waren einfach nicht vorstellen, was der Feind damit groß anfangen könnte; die blieben dann von namentlicher Erwähnung verschont. Umgekehrt orientierten sich die Ersteller der Verbotsliste an den angemeldeten Bedarfswünschen der anderen Seite: Die nachgefragten Maschinen und Ergebnisse eines westlichen "know-how" fanden sich dann des öfteren als nicht lieferfähig benannt - bis hin zu den Heimcomputern. Der Widerspruch zwischen Handelsinteressen und der am militäri- schen Maßstab orientierten Absicht totaler Behinderung der Ökono- mie des Ostblocks sorgt für ständigen Streit im westlichen Bünd- nis. Immer wieder gelingt es findigen Geschäftsleuten - meist in Absprache mit ihrer Regierung - Güter, die unter die Cocom-Liste fallen, nach drüben zu verkaufen; grundsätzlich ist jeder westli- che Staat der Meinung, das von ihm und bei ihm getätigte Ostge- schäft, das der eigenen Wirtschaft einen besonderen Nutzen ver- spricht, könnte schon deswegen nie und nimmer vom Ostblock mili- tärisch mißbraucht werden. Dieser Streit ist eine einzige Heuche- lei: Die westeuropäischen Staaten, die sich da bei den USA über die Behinderung ihrer nationalen Geschäftswelt beschweren, sind noch nie mit dem Antrag auf eine Abschaffung der gesamten Liste nach Washington gereist. Mehr als die verräterische Beschwerde, das Lieferverbot einer bestimmten Ware nütze nichts, weil es der Sowjetunion nicht wirklich schade, ist nicht laut geworden. Umgekehrt wissen die Parteigänger der USA das ihnen oft unhand- lich erscheinende Cocom-Verbot im Osthandel bestens zu nützen, um die Sowjetunion zu Sonderkonditionen zu bewegen, wenn denn ein Geschäft zustandekommen soll. Insgesamt hat darüber der Ostblock erfahren, daß ihm seine Vertragstreue im Westgeschäft nichts hilft, wenn von der anderen Seite auch schon fest ausgemachte Handelsverträge mit dem nachträglichen Hinweis auf Cocom rückgän- gig gemacht werden. Mit den neu gerissenen Planlücken kann er dann selbst fertig werden. Alle Geschäfte mit dem Osten, so nütz- lich sie auch für westliche Unternehmer sein mögen, bleiben für die sozialistischen Planer grundsätzlich unsicher, weil die poli- tische Kündbarkeit ihre vom Westen gesetzte Geschäftsvorausset- zung ist. Daß die Behinderung des Ostblocks der Maßstab des Osthandels ist, wird der Sowjetunion noch anders vorbuchstabiert. Ohne politische Vorleistungen ist an den Übergang zu ersprießlichen Geschäftsbe- ziehungen nicht zu denken. Die betreffen das weite Feld der Um- gangsformen des Staates mit seiner Bevölkerung. Genauer gesagt: Ideologie und Praxis der politischen Ordnung, an denen sich die Verurteilung des feindlichen Systems und das Interesse an seiner Zersetzung so schön betätigen können. Das grundlegende Dokument dieser friedlichen Einigung stellt die Helsinki-Schlußakte dar. Im Gegenzug zu ihrem Zugeständnis, den Geschäftsbedingungen, auf die das freie Wirken des Kapitals Anspruch hat - bis hin zum Druck von Branchenverzeichnissen -, im eigenen Land Geltung zu verschaffen (Korb 11 der KSZE), unterschrieb die Sowjetunion die Ansprüche westlichen Hineinregierens. Die Anerkennung der Ideale westlicher Herrschaft, der Menschenrechte, auf die Reagan und Kohl sich so gern berufen, ohne sich je davon abhängig zu machen, an denen sich nun der Umgang eines sozialistischen Staates mit seinem Volk sollte messen lassen, hat dem Dissidententum Auftrieb verschafft. Die politische Prämisse jedes Geschäfts mit dem Feind lautete "Wandel durch Handel" - wer sich da ändern sollte, ist selbstverständlich. So kommt der Osthandel mit Tauschgeschäften voran, die über die banale Warenwelt hinausgehen: Meistbegünsti- gung gegen Ausreiseerleichterungen, Kredite gegen Berlin-Klausel, besondere Vergünstigung für ein Comecon-Land gegen ein Stück po- litischer Distanzierung von der UdSSR. Bei der amerikanischen Regierung wie bei der regierungsfähig ge- wordenen SPD hat sich die Auffassung durchgesetzt, daß diese öko- nomisch bewirkte Abhängigkeit das weitaus bessere Mittel ist, den Osten zu "bändigen". "Die Notwendigkeit, den friedlichen Handel auszudehnen, ergibt sich aus der Überlegung, daß wir den Handel dafür benützen kön- nen, auf die innere Entwicklung und das außenpolitishe Auftreten kommunistischer Länder Einfluß zu nehmen. Der Handel verschafft uns ein politisches Instrument, eine Bewegung zu größerer natio- naler Unabhängigkeit in Osteuropa zu ermutigen und alle kommuni- stischen Länder zu zwingen, sich besser um die Versorgung ihrer Bevölkerung zu kümmern. ... Die Verweigerung des Handels würde die Militär acht der UdSSR nicht wesentlich behindern." ("Miller- Report" für Präsident Johnson, 1965) Dafür waren freilich auch einige diplomatische Anerkennungsakte gegenüber der sozialistischen Staatenwelt fällig. Besonders die BRD hatte auf ihren mit der Hallstein-Doktrin verfochtenen Revan- chismus, die DDR zu einem nichtexistierenden Phantom zu erklären, Verzicht zu leisten. Schwer ist ihr dies nicht gefallen: Der Kniefall Brandts kündete von Versöhnung und der friedenspoliti- schen Einsicht des zweitgrößten NATO-Staats, dem alle Welt eine Vermittlerrolle zwischen den Blöcken glauben sollte. Mit der Wucht der gelaufenen Geschäfte - und der durch sie be- wirkten Abhängigkeit sozialistischen Planens von westlichen Gü- tern - bekam der imperialistische Weltordnungsstandpunkt, die SU für mangelndes Wohlverhalten zu bestrafen, neue Ansatzpunkte. Po- len und Afghanistan brachten den Wirtschaftsboykott und umfas- sende Embargomaßnahmen, die die SU an besonders empfindlicher Stelle treffen sollten, wieder zur Anwendung. Die "Entspannung" war gescheitert und westliche Politiker, die seit der NATO-Grün- dung auf die Beseitigung des Ärgernisses Ostblock drängen, woll- ten sich in der wahren Natur des Kommunismus getäuscht haben. Da war es ein erneutes Zugeständnis des Westens, daß solche Maßnah- men auch einmal wieder aufgehoben wurden. Reagan erhörte die Klagen amerikanischer Farmer, die auf ihrem Weizen sitzen blieben und bankrott gingen - und das schlagendste Argument für diesen Sinneswandel lautete: Das Geld, das die Russen uns bezahlen müssen, fehlt ihnen bei den SS-20. Wenn westliche Politiker die Resultate ihres politisch betreuten Osthandels bilanzieren, können sie durchaus auf Erfolge hinwei- sen. Der bislang größte ist der Konkurs Polens, dessen Ökonomie ihre Westverschuldung nicht ausgehalten hat. Die Verpfändung sämtlicher Kohlevorräte und Gänse an den Westen, und die Versuche des Staates, seiner Zahlungsschwierigkeiten nach Außen durch Preiskorrekturen im Inneren Herr zu werden, hat die Versorgungs- krise ausgelöst, die die polnischen Arbeiter zum Aufstand gegen ihren Staat bewogen hat. Für die westlichen Betreuer war das ein Grund mehr, Polen aus seiner Zahlungsunfähigkeit nicht zu entlas- sen, alle weiteren Kredite zu sperren, auf barer Zahlung zu be- stehen und von der SU zu verlangen, sie sollte für die Schulden ihres Bruderlands einstehen. In den Verhandlungen über Umschul- dungsalternatiuen ist mit der westlichen Finanzhoheit über Polen auch das Recht auf Einmischung keine Frage mehr. Dennoch: So ist selbst Polen nicht zu knacken. Was den Handel so unerschütterlich friedlich macht, liegt in der begrenzten Reich- weite der mit ihm anzustellenden Erpressung. Es ist dem Kapital ein Leichtes, ganze Völker zum Verhungern zu verurteilen und ein Heer von Arbeitslosen zu produzieren - zur Abschaffung einer Staatsgewalt ist es allein nicht fähig. Denn alle ökonomischen Erpressungen bleiben auf irgendein Interesse der anderen Seite angewiesen. Der Geschäftssinn des Freien Westens und sein poli- tisch berechnender Einsatz mögen es zu manchem Erfolg bringen - eine Entmachtung der mißliebigen Staatsgewalt bringt er nicht zu- wege. So lange die Kriegsentscheidung zwischen dem Freien Westen und der Sowjetunion vertagt ist, bleibt es bei Profit und einigem an Schädigung in der sozialistischen Ökonomie und Gesellschaft. Materieller Anreiz für einen politischen Wandel ----------------------------------------------- Diese Sicherheit, im Letzten vom Gegner nicht erpreßbar zu sein, solange die erzwungene Stabilität eines militärischen Gleichge- wichts von beiden Seiten anerkannt wird, hat die Sowjetunion zu einer weltpolitischen Aktivität veranlaßt, die den Westen be- schämt. Sie will den USA die Feindschaft abgewöhnen und sie zur Einsicht zwingen, von der feindseligen Erpressung zum friedlichen Miteinander überzugehen. Den Hebel, das der anderen Seite schmackhaft zu machen, sieht sie im friedlichen Handel; der Er- folg des Kapitals könne bürgerlichen Staaten doch nicht gleich- gültig sein. Wenn man einmal den vom Kapital bestimmten Weltmarkt als interna- tionale Güterversorgung nimmt, dann bietet die "internationale Arbeitsteilung", mit der Nationen sich zu "wechselseitigem Nut- zen" anstiften, den naturnotwendigen Auftakt zu und ist schon dasselbe wie "friedliche Koexistenz". Störende Eingriffe in die- ses "Geflecht" zum "Wohl der Menschheit", die heute mehr denn je auf "Frieden als oberste Lebensbedingung" angewiesen sei, können nur das Werk von Unvernunft sein; und die hat auf Dauer keinen Bestand. "Das grundlegende Prinzip der neuen politischen Perspektive ist sehr einfach: Der nukleare Krieg kann kein Mittel sein, politi- sche, wirtschaftliche, ideologische und sonstige Ziele zu errei- chen." Dieses Gebot, die Welt, so wie sie ist, durch Frieden zu erhal- ten, folgt für Gorbatschow ausgerechnet aus der Tatsache, daß die USA und die UdSSR ihren Gegensatz mit allen für einen Atomkrieg tauglichen Mitteln bekräftigt haben. Ausgerechnet der härteste Gegensatz soll beweisen, daß Gegensätze kein Lebensrecht in einer Welt mehr haben, die auf die Notwendigkeit und den Zwang zur Ge- meinsamkeit um des Überlebens willen verpflichtet ist. Zu dieser Einsicht verhilft freilich keine noch so falsche Analyse eines in der Welt wirkenden "Kräfteverhältnisses", sondern ein Bild: "Aber wie ich bereits gesagt habe, ähneln die Nationen heute ei- ner Gruppe von Bergsteigern, die durch ein Kletterseil miteinan- der verbunden sind. Entweder steigen sie zusammen weiter bis zum Gipfel, oder sie stürzen zusammen in den Abgrund." (Perestroika, S. 178) Der Generalsekretär, der mit seinem Staat das Ergebnis einer Weltrevolution hütet, weiß daneben seinen russischen Menschen die Notwendigkeit sowjetischer Wachsamkeit und Rüstung schon auch noch zu erklären: "Kraft seiner sozialen Natur bringt der Imperialismus ständig eine aggressive, abenteuerliche Politik hervor... räuberische Ge- lüste der Waffenfabrikanten... eigennütziges Interesse der Mono- pole, ... Angst der Bourgeoisie vor Wandlungen, ... Versuche, die eigenen immer akuteren Probleme auf Kosten des Sozialismus zu lö- sen." (Rede auf dem XXVII. Parteitag) Charakterisiert wird da freilich gar nicht das "verbrecherische Wesen" des Imperialismus, sondern der eigene Glaube, es handle sich bei ihm um eine überholte Ausnahme in einer bereits existie- renden Welt des friedlichen Nebeneinander. Nach der Logik, was nicht sein d a r f, ist auch schon nicht mehr "objektiv" und "real", buchstabiert der Sowjetmann sein Parteiprogramm als "die Realitäten", denen auch die andere Seite wegen ihrer eigenen Kri- sen und Probleme nicht mehr ausweichen kann. P o l i t i s c h e r R e a l i s m u s heißt der Maßstab, nach dem sich die Imperialisten begutachten lassen müssen. Der Westen braucht bei Strafe seines Untergangs friedliche Beziehungen zur Sowjetunion und muß sich mit dem Osten wirtschaftlich verflech- ten, sonst wird er seine Arbeitslosen ebensowenig los wie seine kostspieligen Rüstungsindustriellen. So kennt das Vertrauen in Reagan und Kohl, die um der Rüstung willen voll auf den umstands- losen Erfolg ihrer Industrie setzen, der die Rationalisierungsop- fer schafft, keine Systemgrenze. Die marxistisch-leninistische Krisentheorie, die ausgerechnet aus dem Ergebnis weltweit gelau- fenen Geschäftserfolgs auf den unaufhaltsamen Niedergang des Im- perialismus schloß, der darüber "aggressiv" werde, beweist heute umgekehrt eine Versöhnungsnotwendigkeit, die dem politischen In- teresse kapitalistischer Nationen selbst entspringen soll. Damit der west-östliche Handel die friedensstiftende Qualität be- kommt, die ihm eigen ist, sind freilich ständige Vorleistungen der Sowjetunion nötig. Das stört sie nicht weiter, beweist es doch ihren Vorbildcharakter bei der Erziehung des Globus - zu der friedlichen Einheit, die, weil er sie braucht, schon längst sein Wesen ausmacht. Erfolge ihrer durch Handel und Wandel bewirkten Friedenspolitik können auch die Träger des Leninordens vorweisen. Die Sowjetunion hat den Westen zur Rüstungsdiplomatie samt ihren besonderen Er- folgen genötigt; am sozialistischen Markt waren westliche Ge- schäftsleute nicht uninteressiert; sämtliche Boykotte und die "Gesten des Kalten Krieges" hat die UdSSR überstanden. Die Er- folgsberichte, wie sie die Welt des Kapitals und der demokrati- schen Staaten zum Guten ändert, laufen merkwürdigerweise immer auf eines hinaus: Sie hat in der wirtschaftlichen und technologi- schen Konkurrenz mit dem feindlichen System mitgehalten - und das ist ein Erfolg, der wegen militärischer Mittel zählt: "Jene Länder des Westens, die die wirtschaftliche Entwicklung der UdSSR durch Embargos verhindern wollen, sollten jedoch nicht ver- gessen, daß unser Land solche überaus komplizierten wissenschaft- lich-technischen Probleme unseres Jahrhunderts wie die Schaffung und Entwicklung aller Zweige der Kern-, Laser- und Weltraumtech- nik selbständig, ohne irgendeine Unterstützung von außen lösen konnte. Es liegt auf der Hand, daß beliebige Versuche, den inter- nationalen Handel und Austausch für politischen und ökonomischen Druck auf unser Land zu mißbrauchen, keinen Erfolg haben werden." (N.A. Tichonow, Die sowjetische Wirtschaft, Frankfurt 1985, S. 209) SDI läßt grüßen! Für die UdSSR hat das Vertrauen, zu dem sie den Gegner mit friedlicher Wirtschaftskooperation überreden will, dieselbe Grundlage, auf die auch die NATO im Umgang mit dem Osten setzt. Weil das so ist, wird die Sowjetunion die ihr westlicher- seits angetragene Feindschaft einfach nicht los. 3. Selbstkritik westlich und östlich ------------------------------------ Seit seinem Aufschwung, der mit der Verkündung der "Entspannungs- ära" einsetzte, war der Osthandel eine Domäne der BRD. Seit dem Machtantritt der sozialliberalen Koalition rühmt sich Bonn seiner besonderen Beziehungen zu Honecker und hat das Wirtschafts- potential der DDR für die privilegierte Nutzung in Beschlag genommen. Von der Leugnung der Existenz eines zweiten deutschen Staates sind bundesdeutsche Politiker zu einem Geflecht von Vereinbarungen übergegangen, die die "deutsch-deutschen Be- ziehungen" so besonders machen; und das ohne den "Wiedervereini- gungsanspruch", diese grundsätzliche Bestreitung des Existenz- rechts der DDR, aufzugeben. Wenn ein Genscher Mund und Ohren aufsperrt, bekommen östliche Po- litiker alle Phrasen über die friedliche Natur gegenseitiger öko- nomischer Abhängigkeit wieder zu hören; die ihrer eigenen Über- zeugung entsprungen sind. Die Sprüche aus Bonn fallen eine Nuance anders aus: Es gilt, "ein festes Geflecht wirtschaftlicher Bezie- hungen zu schaffen, das Moskau nicht mehr ohne weiteres zerreißen kann" (H. Schmidt). An der Feindseligkeit solcher Aussagen haben sich östliche Politiker selten gestört. Auch unter Berufung auf sie kann die BRD als der geborene "Vermittler" östlicher Interes- sen im Westen auftreten und dafür bei der Sowjetunion und der DDR besondere Rücksicht auf speziell bundesdeutsche Anliegen einkla- gen. Die reichen weiter als der bloß ökonomische Nutzen des Ostge- schäfts: "Die politische Bedeutung des deutschen Osthandels ist deutlich größer als sein ökonomisches Gewicht" (Bangemann, "FAZ", 6.5.). Die BRD ist mit ihren besonderen Ost-Beziehungen zu einer Adresse geworden, auf deren Wünsche sich die Weltmacht UdSSR ne- ben ihrem Bezug auf die USA extra einläßt; das stimmt die weltpo- litisch gesinnten Macher in Bonn stolz. Der Hinweis bundesdeutscher Sicherheitspolitiker, ihr Land wäre als Frontstaat in einem ausbrechenden Weltkrieg, für den sie die zweitgrößte NATO-Streitmacht stellen, besonders bedroht, also auf eine Stabilisierung des Ost-West-Gegensatzes unterhalb dieser Schwelle angewiesen, hat östlichen Politikern zu denken gegeben. Die Lüge von der "Ohnmacht" der kleinen BRD, die sich allein mit dem Ostblock militärisch nicht messen kann, und deshalb in der strategischen NATO-Planung für eine Vorneverteidigung ganz weit im Osten eintritt, brauchten sowjetische Militärstrategen nicht zu glauben, um ein ausnutzbares politisches Interesse der BRD herauszuhören. Die Sowjetunion machte dem Frontstaat ökonomische Angebote und politische Zugeständnisse, um ihm ein "Wohlverhal- ten" einleuchtend und lohnend zu machen. Die SU setzt darauf, im Falle der BRD den Standpunkt des Geschäfts gegen das NATO- Programm, dem Ostblock sein Lebensrecht militärisch zu be- streiten, ausspielen zu können. Mit seinem Angebot vom "gemeinsamen europäischen Haus" will Gor- batschow auf eine Spaltung des Westens hinaus, vor der sich die NATO-Nationen gegenseitig warnen. Die Antwort aus Bonn fällt un- mißverständlich aus: Dort rühmt man sich der eigenen "Härte" ge- genüber solchen Versuchen als des schlagenden Mittels, den Osten zu immer neuen Vorleistungen anzureizen. Ungerecht wie es auf der Welt zugeht, hat das selbst Kohl den Verdacht von seiten seiner NATO-Partner eingebracht, irgendwie sei die BRD "unzuverlässig", auch nachdem das Belegstück einer bundesdeutschen "Neutralis- mus"sehnsucht, die Friedensbewegung, sich in nichts aufgelöst hatte. Daß die BRD Osthandel betreibt und daraus ein eigen- ständiges nationales Geschäft gemacht hat, sorgt von Anfang an für einen Dauerstreit im monolithischen NATO-Block. Der Osthandel: ein Mittel imperialistischer Konkurrenz ------------------------------------------------------ Als Mannesmann 1962 ein milliardenschweres Röhrengeschäft mit der UdSSR abschloß, wiesen die USA im NATO-Rat, der eben auch das oberste Wirtschaftsgremium des Westens ist, ihre bundesdeutschen Kollegen extra auf das Verbrechen des Mauerbaus in Berlin und auf die Cuba-"Krise" hin. Das machte von einem Tag auf den anderen glaubhaft, daß die Röhren unter strategische Güter fielen, mit denen die Russen zurückschießen könnten. Geliefert wurden sie dann von England und Italien. In die schönste Blüte des Erdgas- Röhrengeschäftes platzte der Polen- und Afghanistan-Boykott. Die USA stoppten die Lieferung von dringend notwendigem Bohrgerät und verboten allen westlichen Unternehmen unter Androhungen von Sank- tionen, entsprechende Maschinen nach Rußland zu liefern. Aus dem ursprünglich geplanten Geschäftsumfang ist dann nichts mehr ge- worden; von der eingeplanten Deviseneinnahme durfte die UdSSR um- fangreiche Abstriche machen. Im Gegenzug beschwerte sich die BRD über den "Egoismus" der USA, den verkündeten Getreideboykott we- gen "kleinlicher", innenpolitischer Rücksichtnahme auf amerikani- sche Farmer auch wieder sein zu lassen. Das beste Argument gegen "unsinnige" Wirtschaftssanktionen aus Bonn hieß allemal, damit würden die RGW-Länder nur noch mehr in die Abhängigkeit von der russischen Oberherrschaft gezwungen. Der Osthandel gab den USA immer wieder Gelegenheit, gegen die Un- art staatlicher Subventionen im allgemeinen und im besonderen zu polemisieren und auf Abstellung zu drängen. Geschäfte mit dem Osten gehen einfach nicht - schon gar nicht Großprojekte -, wenn sie nicht durch Kredite staatlicher und privater Banken vorfinan- ziert und den risikobereiten Osthandelsunternehmern Ausfallbürg- schaften zugesichert werden. Diese Sorte Geschenke an den Ost- block, der dafür vor seinem Geschäftserfolg erst einmal Schulden zu bedienen hatte, hat den USA nie eingeleuchtet. Auch der neue- ste BRD-Kredit über 3,5 Mrd., den die Deutsche Bank der UdSSR ge- währen will, stößt beim amerikanischen Verteidigungsminister Car- lucci auf Unverständnis: "Wir sind unglücklich über diese Art von Krediten, weil sie es der Sowjetunion erlauben, mehr Geld in militärische Rüstung zu stecken." (Frankfurter Rundschau, 14.5.) Bei jeder Sanktionsmaßnahme, mit der die USA das weltpolitisch unbotmäßige Auftreten ihres Gegenspielers bestrafen, ist auch im- mer die Klage über die mangelnde Solidarität der Bündnispartner aus Washington zu hören. Es ist unschwer zu erkennen, daß der in- nerwestliche Streit um die beste Art und Weise, den Ostblock öko- nomisch zu behindern und ihn politisch fügsam zu machen, noch einen weiteren Grund als die gemeinsame Feindschaftserklärung hat: Der Osthandel ist ein Mittel in der Konkurrenz der imperia- listischen Nationen untereinander, den vor allem die BRD erfolg- reich für sich ausgenützt hat. Das Geschäft mit östlichen Staats- handelsländern hat, gerade weil es sich auf eine nichtkapitali- stisch organisierte Welt einläßt, immerhin einen besonderen Vor- teil. Was sich da an DM bzw. an Schulden anhäuft und zur weltweit geschätzten harten Währung beiträgt, ist von den Krisenkonjunktu- ren des Weltmarkts und dem Auf und Ab des Dollars, an dem sich jede gelaufene Geschäftsbilanz relativiert, unabhängig - und da- mit ein Wettbewerbsvorteil. Das Westgeschäft: ein Vorbild sozialistischer Planung ----------------------------------------------------- Die Sowjetunion bekommt laufend Anlässe geliefert, die ihr eine Selbstkritik am Nutzen des Westgeschäfts und den damit verbun- denen politischen Erwartungen nahelegen könnten. Mehr als die matte Beschwerde, gelinkt worden zu sein, fällt Gorbatschow aber nicht ein; und das ist noch der lichteste Moment seiner theoreti- schen Weltsicht: "Meiner Meinung nach haben wir zu große Hoffnungen an die Ent- spannungspolitik geknüpft; ich würde sogar sagen, wir waren zu vertrauensvoll. Viele dachten, sie sei unwiderruflich und eröffne unbegrenzte Möglichkeiten, besonders für die Ausweitung der Han- dels- und Wirtschaftsbeziehungen mit dem Westen. Wir setzten so- gar einige unserer Forschungs- und Technikprojekte aus, weil wir auf internationale Arbeitsteilung hofften und dachten, es sei günstiger, einige Maschinen zu kaufen, als sie selbst herzustel- len." (Perestroika, S. 117) Mit der in Gang gekommenen Gipfeldiplomatie wird wieder unver- drossen auf Hoffnung gesetzt. Mittlerweile ist keine Warnung der Sowjetunion mehr an die sozialistische Brudernationen zu hören, sie sollten sich vor unüberlegten Westbeziehungen hüten. Jeder "eigenständige Weg" der Comecon-Staaten wird als Beitrag zur Kräftigung des Bündnisses gewürdigt, auch wenn die Abstimmung der gegenseitigen ökonomischen Ergänzung und Hilfe immer schwieriger wird. Ungarn darf sich speziell für seine Wirtschaftsreformen lo- ben lassen, auch wenn die so gar nicht mehr mit dem sozialstaat- lichen Volksfürsorgestandpunkt und der staatlichen Planungshoheit zusammenpassen. Die Sowjetunion ist neuerdings der Meinung, sie müßte dem IWF und dem GATT beitreten und dort eine wichtige Aufpasserrolle überneh- men, damit der Weltmarkt, auf dem sie nichts zu schaffen hat und der nicht für sie gemacht ist, gerechter wird. Da wird an russi- schen Universitäten laut über eine "Konvertibilität des Rubel" nachgedacht und lauter "Schwierigkeiten" entdeckt, die dem im Wege stehen. So sind die theoretischen Nachfolger von Marx und Lenin mit der Leugnung aller prinzipiellen Unterschiede zwischen Rubel und Dollar beschäftigt, auf denen nach wie vor der unauf- hebbare Gegensatz von Kapitalismus und Planwirtschaft beruht. Die von Gorbatschow offiziell gemachte Unzufriedenheit mit den Erfolgen der eigenen Wirtschaft hat im Osten zu einer prinzipien- losen Selbstkritik geführt. Man könne nicht länger die Augen da- vor verschließen, daß der Kapitalismus in vieler Hinsicht effek- tiver wirtschafte. Also gilt es, "...von den Kapitalisten zu lernen, wie sie die moderne Produk- tion organisieren und Außenhandel treiben. Die gemeinsamen Unter- nehmen werden sowjetischen Wirtschaftsleitern die Möglichkeit ge- ben, von der westlichen Geschäftswelt zu lernen. Wir gehen bewußt darauf ein, und rechnen damit, daß dadurch unserer Wirtschaft die amerikanische Effektivität, die japanische Initiative und die deutsche Diszipliniertheit 'eingespritzt' wird." (G. Baschenow, Chefexperte des Staatlichen Plankomitees in "Sowjetunion heute", März 1987) Da Profit nun einmal nicht mit erstaunlichen Nationaltugenden ge- macht wird, kürzt sich dieses Verbesserungsprogramm auf das Ange- bot an einzelne westliche Unternehmer zusammen, mit Staatsbetrie- ben "joint ventures" einzugehen. Das "Einspeisen" beschränkt sich auf die Schaffung von Freiräumen innerhalb der sowjetischen Wirt- schaft für kapitalistische Geschäftigkeit: feste Zusage von Ge- winntransfers, keine Einmischung in die Unternehmensführung, freie Lohngestaltung und kündbare Arbeitsverträge. Der Staat, der so die Bereicherung seiner Wirtschaft reorganisiert, tritt des- halb noch lange nicht ab von den "Kommandohöhen" seiner Volks- wirtschaft. Wenn er sich ausländisches Kapital ins Land holt, um für sich Devisen erwirtschaften zu lassen, widerspricht er dem Interesse der Investoren, sich den "riesigen Binnenmarkt der So- wjetunion zu erschließen". Das hält die Öffnung für westliches Wirtschaften in Grenzen. Dafür kann die hiesige Öffentlichkeit an Moskauer Pizzabuden be- wundern, wie lernfähigder Kreml ist, beim Eingeständnis der Unfä- higkeit seines Systems. In diesem eingebildeten Klima einer un- aufhaltsamen Konvergenz finden auch Nonsensdialoge über alle Grenzen hinweg statt. Sozialistische Planer, die als einzige einen ausgeklügelten Preismechanismus beherrschen, diskutieren mit westlichen Ökonomen, ob sie vom "Preismechanismus der Markt- wirtschaft", von dem seine gelehrtesten Interpreten versichern, er funktioniere nur, solange niemand in ihn eingreife, etwas bei sich verwenden können. Sie, die jahraus, jahrein über die immer bessere Güterversorgung von Produktion und Konsumtion grübeln, werden belehrt, daß ihnen mehr Markt gut täte - von Leuten, die wissen, daß das einzig senkrechte Wirtschaften nicht in der Ver- sorgung, sondern in den Leistungen konkurrierender Konzerne liegt. Material für diese Auffassung, der reale Sozialismus müßte um der eigenen Selbsterhaltung willen von der Marktwirtschaft lernen, liefert Gorbatschow, der inzwischen Privatinitiative, Selbstver- antwortung der Betriebe und Konkurrenz als Reformhebel staatli- chen Planens einsetzt. Gemeint ist ein "Weiter so - nur effekti- ver", so daß der westlich geäußerten Erwartung von einem System- umbau die ebenso geheuchelte Enttäuschung auf dem Fuß folgt. Im- merhin bekommen die staatlichen Plankommissionen mit dem Einbau der guten Seiten der westlichen Wirtschaftsplanung das Problem der harmonischen Ergänzung und eine neue Sorge um die Moral der Produzenten. Nach drei Jahren, in denen der Umfang des Osthandels stark zu- rückgegangen ist - eine Folge des Preisverfalls beim sowjetischen Hauptexportartikel Öl, der die UdSSR bei der weiteren Kreditauf- nahme hat vorsichtig werden lassen -, lockt Gorbatschow den We- sten mit neuen Großprojekten. Buntmetallvorkommen auf der Halbin- sel Kola sollen erschlossen und industriell verarbeitet werden, neue Erdölfelder im fernen Sibirien warten auf ihre Nutzung. Westdeutsche Lebensmittelverarbeitungs- und Verpackungsmaschinen sollen Engpässe in der Konsumversorgung überwinden helfen. Für diese Vorhaben hat ein bundesdeutsches Bankenkonsortium bereits 3,5 Mrd. in Aussicht gestellt. Die Sowjetunion nimmt auf dem Ka- pitalmarkt der BRD eine Anleihe von 500 Mill. DM auf. Sie tut das in der Gewißheit ihrer Kreditwürdigkeit. Daß deutsch gleichbedeu- tend mit sicher ist, will die UdSSR aus Tschernobyl gelernt haben und verschafft bundesdeutschen AKW-Bauern Aufträge für die Nachrüstung russischer Atommeiler. Im Gegenzug hat sie die Betei- ligung an den eigenen Erfolgen in der Kosmonautik anzubieten. So hat die Hoffnung auf eine friedensstiftende Wirkung des Ge- schäfts mit der kapitalistischen Welt wieder einmal Hochkonjunk- tur: "Denn wenn man miteinander Handel treibt, denkt man an den Frie- den, an das Leben der Völker, an deren Wohlergehen usw. Und wenn Länder ökonomisch mehr miteinander verbunden sind, dann gibt es auch in der Politik abgewogene Schritte einander gegenüber. Wir werden vorankommen, ohne die soziale Sicherung des Menschen in der Gesellschaft zu schwächen. Deshalb brauchen wir nicht einfach den Gewinn, nicht einfach die nackte Produktivität, sondern wir brauchen auch das, aber so, daß es nicht von dem Hinauswurf der Menschen auf die Straße begleitet wird." (Gorbatschow in einer Rede vor amerikanischen Geschäftsleuten, "Prawda ", 8.8.87) Herzensguten und verständigungsbereiten Menschen im Kreml fällt doch immer nur ihr Gegensatz zum Rest der Menschheit ein, wenn sie diesen vergessen. So geht der Osthandel auch nur so lange weiter, solange er weiter geht. zurück