Quelle: Archiv MG - BRD AUSSENPOLITIK BERLIN - Sumpfblüte des Imperialismus
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17.11. "DeserteurInnen-Parade" in Berlin
Der Bundesverteidigungsminister stellt klar:
SCHLUSS MIT DER IMPERIALISTISCHEN SUMPFBLÜTE WESTBERLIN
So sehen das die Macher des neuen Großdeutschlands, wenn sie ganz
selbstverständlich Berlin genauso wie die neuen Ostgebiete der
deutschen Wehrpflicht und -gerechtigkeit einverleiben. Schließ-
lich haben sie den "entmilitarisierten" Status Berlins als
D i k t a t der Kriegsallierten nur deshalb und dafür in Kauf
genommen, u m s o - im Einverständnis mit den Westalliierten -
Westberlin als Pflock westlicher und bundesdeutscher Herrschaft
mitten im Feindesland regieren zu können und mit ihm die
"deutsche Frage" offenzuhalten. Jetzt ist das Ziel erreicht - und
wofür denn sonst, als daß in g a n z Deutschland die
S o u v e r ä n i t ä t s r e c h t e der BRD gelten. Und eines
der wichtigsten heißt nun mal: Das Volk hält den Kopf hin für die
"Staatsgewalt, die vom Volke ausgeht", sprich: ist Kanonenfutter.
So hat die BRD Westberlin doch nie gemeint: Als Modellversuch für
staatlichen Gewaltverzicht, als Angebot für friedliebende Jung-
bürger, es mal ohne Militär zu versuchen. Und jeder hat es ge-
wußt, der sorgsam und ggf. unter Beratung eines Kenners der
Rechts l ü c k e n seine Wohnsitzänderung vor dem Musterungsbe-
fehl amtlich gemacht hat.
Diese Rechtslücken verschwinden, weil die BRD ja nun uneinge-
schränkt über ganz Deutschland herrscht und ihre ganze M a c h t
dafür in die weltpolitische Waagschale geworfen hat, alle
S o u v e r ä n i t ä t zugestanden zu bekommen. Also zieht sie
Berliner und gliedert sie Ex-NVAler in ihre Militärmacht ein.
Wozu braucht Deutschland Soldaten?
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fragen sich prompt einige. Und stellen sich begriffsstutzig gegen
die offizielle Antwort: Dafür! Für Deutschland eben!
Das stimmt ja: Die alte Begründung der Bundeswehr, daß "die Rus-
sen kommen", hat etwas ausgedient. Nur nimmt das das die politi-
sche Führung nicht als Überflüssigerklärung, sondern als Bestä-
tigung ihres "Arguments" fürs Militär. Hieß früher die Begrün-
dung, daß die Russen nur die abschreckende "Sprache der Gewalt"
verstehen, so heißt jetzt das (Selbst)Lob, hurra, die Russen sind
"lernfähig" und geben deutschen Ansprüchen nach. Diese "Einsicht"
der SU "unumkehrbar" zu machen ist der erste offizielle deutsche
Grund für eine schlagkräftige Armee.
Darin steckt schon der zweite, eigentlich d e r Grund: ein
deutscher Staat, der etwas auf sich hält, braucht einfach eine
Armee. Sie sorgt dafür, daß die eigene Nation Kehrtwendungen an-
derer Nationen "in deutschem Interesse" fordern kann und sichert,
statt daß sie von deren gutem Willen abhängt oder gar deren In-
teressen Zugeständnisse machen müßte.
"Gewalt darf kein Mittel der Politik sein", hört man immer wieder
von den hochgerüsteten deutschen Politikern. Sie meinen eben im-
mer die Gewalt der anderen! Ihre Gewalt, die Bundeswehr eben,
gilt ihnen als das erste und letzte Mittel deutscher "Uner-
preßbarkeit". Sie wollen auf kein auswärtiges Interesse Rücksicht
nehmen müssen, durch keine "internationale Abhängigkeit" oder
nationale Konjunktur zu Konzessionen genötigt sein.
Was sind das für "deutsche Interessen", die so einen gewaltsamen
Nachdruck brauchen? Eine BRD, die sich zur Revision des
Weltkriegsergebnisses gegen die sowjetische Weltmacht verpflich-
tet hatte, konnte gar nicht genug Gewalt kommandieren. Nun ist
der "Sieg im Kalten Krieg" errungen - ist damit der Auftrag der
bewaffneten Gewalt erledigt? Von wegen! Nun gibt es schon wieder
mehr zu "verteidigen"! Nicht nur ein größeres Territorium. Die
Bonner Strategen rechnen längst mit den zersetzenden Wirkungen
ihrer marktwirtschaftlichen Eroberung des ehemaligen Ostblocks,
prognostizieren eine osteuropäische "Region von Krisen" und wol-
len die allesamt im deutschen Interesse entschieden sehen.
Damit nicht genug. Der "Fall Irak" ist den Bonner Strategen eine
Grundsatzdebatte über den w e l t w e i t e n Einsatzbedarf
deutscher Streitkräfte wert gewesen. Unter dem schönen Titel der
"gewachsenen weltweiten Verantwortung" läßt sich die BRD von ih-
ren e i g e n e n weltpolitischen Erfolgen in die Rolle eines
Polizisten in der Staatenwelt rufen. Sie hat nicht nur als
"Exportweltmeister" einer ganzen Welt von Staaten ein
"Schuldenproblem" angehängt, dessen getreuliche Abwicklung beauf-
sichtigt gehört. Sie hat sich auch etliche Staaten gewogen ge-
macht, indem sie von der Patrone bis zur Waffentechnologiefabrik
das geliefert hat, worauf Staaten am meisten scharf sind: die
entscheidenen Gewaltmittel staatlicher Handlungsfreiheit. Und nun
entdeckt sie, daß diese Durchsetzung der BRD als Weltmacht so-
lange unvollständig ist, wie die BRD nicht auch in der Lage ist,
ihren "Freunden" a u f z w i n g e n zu können, von diesen
Gewaltapparaten nur in deutschem Interesse Gebrauch zu machen.
Also entdeckt die neue Weltmacht Deutschland einen dringenden
Handlungsbedarf in Sachen "mobiler Eingreiftruppen" und derglei-
chen, die dann schon gleich fähig sein müssen, ziemlich global
"unseren Interessen" unwidersprechliche Geltung zu verschaffen.
Die der alten NATO-Arbeitsteilung entspringende Ausstattung der
Bundeswehr als Mittel speziell zum Aufrollen der Ostfront kommt
den Machthabern des neuen Deutschlands mittlerweile glatt wie
eine ärgerliche Beschränkung vor angesichts ihres Interesses, daß
von nun an von deutschem Boden weltweite Aufsichtsaufgaben auszu-
gehen haben, die original deutsche militärische Auswärtsspiele
locker miteinschließen. Ein imperialistischer Staat mit so viel
"weltweiter Verantwortung" kann sich doch auf Dauer unmöglich mit
der Rolle des H i l f s sheriffs des Weltpolizisten USA zufrie-
dengeben - da kämen seine politischen Vorsteher sich glattweg
a b h ä n g i g vor und eingeschränkt in ihrer weltweiten
H a n d l u n g s f r e i h e i t!
Einem erfolgreichen Imperialismus Marke BRD gehen mit der erfolg-
reichen Durchsetzung seiner Interessen im Weltmaßstab also die
Gründe fürs Militär keineswegs aus, im Gegenteil: Er hat immer
mehr und immer weitreichendere Interessen zu verteidigen, so daß
sein "Verteidigungsbedarf" wächst. Für Leute, die sich an der
Wehrpflicht in der BRD stören, bedeutet das aber auch: Sie müssen
sich Klarheit über diese Interessen verschaffen und begriffen ha-
ben, warum das gemütliche Staatswesen BRD ohne seine
g e w a l t t r ä c h t i g e S t a a t s r a i s o n nicht zu
haben ist. Darunter geht nichts, wenn man eine solide Gegner-
schaft gegen diese waffenstarrende Republik zuwege bringen will!
***
"Als vor knapp einem Jahr die Mauer fiel, der Warschauer Pakt zu
zerbröseln begann, da dachten viele, jetzt ist es soweit: Abrü-
stung, Abrüstung und nochmals Abrüstung! An vorderster Stelle
sollte die Entmilitarisierung und die Abschaffung der Wehrpflicht
stehen. Doch was kam, schockiert: Bereits zwei Wochen nach der
Vereinigung wurden die ersten Einberufungsverfahren eingeleitet."
(Aufruf zur "DeserteurInnenparade")
An diesem "Schock", den wohlmeinende Gegner der Wehrpflicht da
erlitten haben, kann man studieren, wie politisch schädlich idea-
listische Illusionen über einen demokratischen Imperialismus à la
BRD sind. Dabei wäre das wirklich nicht nötig gewesen, die Auflö-
sung der DDR samt NVA und den fast zeitgleichen gesamtdeutschen
Aufrüstungsbeschluß für einen W i d e r s p r u c h zu halten:
War es denn nicht gerade d e r imperialistische Erfolg des
deutschen demokratischen Kapitalismus, die sozialistische DDR an-
nektiert und den Ostblock aufgelöst zu haben? Und wieso soll
ausgerechnet der g e s t ä r k t e Imperialismus deutscher Na-
tion, weil er seinen E x-Feind im Osten ausgehebelt hat, seine
Armee wegschmeißen? Hat er jetzt nicht noch viel weiterreichende
Interessen "zu verteidigen"? Interessen, die totsicher auf Kosten
seiner lieben staatlichen Konkurrenten gehen, sich ihre mächtigen
Opponenten also selber schaffen, die sie dann mit Gewalt
"abschrecken" müssen? Je mehr gewalttätige Abschreckung desto
besser, weil desto wuchtiger die Geschäfte und die politische Er-
pressung zur Geltung kommen, die vom deutschen Boden ausgehen.
Das ist die Logik deutscher "Sicherheitspolitik"! Ist d i e
Wahrheit über die neue Heimat der wiedervereinigten Deutschen
denn so schwer zu begreifen?
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