Quelle: Archiv MG - BRD AUSSENPOLITIK ANSCHLUSS - Die Eroberung der DDR
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14.12.89
Norddeutsche Neueste Nachrichten
- Abt. Leserbriefe -
Kröpelinger Str. 16
DDR - 2500 Rostock
Betrifft: Leserbrief
"Jetzt muß nur noch unsere Mark konvertibel werden!" So wurden in
einer Bremer Zeitung zwei junge Rostocker zitiert, die von einem
Einkaufsbummel kamen.
Dazu ein paar Bemerkungen:
Die beiden Rostocker haben einen Vergleich angestellt: In der DDR
verfügt so manch einer über reichlich Ost-Mark, aber das Warenan-
gebot läßt zu wünschen übrig, nach Qualität und Menge. In Bremer
Kaufhäusern dagegen begegnet den DDR-Besuchern der Kapitalismus
mit seiner ungeheuren Warensammlung, so daß nur noch ein Wunsch
laut wird: Ach wäre doch die Ost-Mark konvertibel, dann könnte
man sich alles kaufen!
In diesem Vergleich liegt ein kleiner Haken: Sparkonten wie in
der DDR, die da in Gedanken mit der Kaufkraft "unserer" D-Mark
West ausgestattet werden und den Zugang zu mancherlei Genüssen
eröffnen sollen, kommen in der reichen BRD für die Meisten gar
nicht zustande. Der Warenreichtum in den Kaufhäusern ist nämlich
nicht zu Versorgungszwecken produziert, auch durch keinerlei
staatliche Subventionierung oder Preisfestsetzung erschwinglich
gemacht; er ist schlicht und einfach Kapital: ein Güterberg, der
es nicht auf das Bedürfnis, sondern seine Z a h l u n g s-
k r a f t abgesehen hat, damit sich die Produktion für den
Kapitalisten lohnt. Dieser fast banale Gedanke hat zwei harte
Kehrseiten an sich, welche die Menschen am P r e i s und am
E i n k o m m e n zu spüren bekommen. Wer von seiner Arbeit
leben muß, statt daß er "sein Geld", also a n d e r e für sich
arbeiten lassen kann, der darf schon einmal die Hälfte seines
Monatseinkommens an die Grundeigentümer abliefern. Soviel kostet
nämlich im Mieterparadies BRD das bloße Dach über dem Kopf. Der
Rest heißt einteilen: S p a r e n, also heute verzichten, damit
morgen die fällige Sitzgarnitur oder Renovierung zu bezahlen
geht, gehört ebenso zur westdeutschen Lebensqualität, wie die
V e r s c h u l d u n g der kleinen Konsumenten für unaufschieb-
bare Notwendigkeiten. G u t haben, die diesen Namen verdienen,
wirklicher Reichtum also, findet sich bei der Mehrzahl der bun-
desdeutschen Kontoinhaber nie ein. Denn das Einkommen, bei der
arbeitenden Bevölkerung eben der Lohn, wird als K o s t kalku-
liert und kurz gehalten, damit wenigstens die Effektivität der
kapitalistischen Gewinnproduktion stimmt, wenn schon nicht die
Lebensqualität der Massen.
Man sieht: Aus genau demselben Grund, aus dem sich die Waren in
kapitalistischen Kaufhäusern reichlich türmen, ist die arbeitende
Bevölkerung vom Reichtum ausgeschlossen, den sie als Kapital pro-
duziert. Das ist das Reich der h a r t e n D - M a r k: Als
Geschäftsmittel begehrt durch Kapitalisten aller Herren Länder,
Devisenspekulanten obendrein, ist dieses Geld eben nur deshalb,
weil sich damit so blendende G e w i n n e erzielen lassen, und
das heißt eben anders ausgedrückt: weil sich damit ebenso lei-
stungswillige wie verzichtbereite Arbeiter mit modernen Maschinen
zum Segen des Kapitals kombinieren lassen.
Die Sehnsucht nach einer harten Ost-Mark, einer konvertierbaren,
hat also mit den Einkaufswünschen der arbeitenden Bevölkerung
herzlich wenig zu tun. Denn was der Ost-Mark f e h l t, das ist
das auswärtige Interesse berufsmäßiger Geschäftemacher und Kre-
dithengste an ihr. Nur wenn deren privater Initiative freie Bahn
geschafft wird, läge die Voraussetzung einer harten Ost-Mark vor.
Und das heißt eben: Einführung kapitalistischen Privateigentums,
freie Preise und sinkende Löhne für den Gewinn, Leistungssteige-
rung in rationalisierten Betrieben, die die Umwelt nicht nach
Maßgabe der wirtschaftlichen Rechnungsführung, sondern nach allen
Regeln betriebswirtschaftlicher Gewinn- und Verlustrechnung ver-
sauen.
Ist es das, was die DDR-Bürger wollen?
Mit freundlichen Grüßen
Marxistische Gruppe Bremen
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