Quelle: Archiv MG - BRD AUSSENPOLITIK ANSCHLUSS - Die Eroberung der DDR


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       Erblast DDR
       

ZUWENIG BÜROKRATIE IM ALTEN BÜROKRATENSTAAT?

Es ist noch nicht lange her, da mußte man täglich lesen, wie un- sere Brüder und Schwestern drüben von einer übermächtigen Verwal- tung, einem Wasserkopf an Bürokratie in schikanöser Weise kon- trolliert, gegängelt und bis ins Bett mit Vorschriften und Aufla- gen verfolgt würden. Seit der Einheit tönt es anders. Jetzt er- fährt man - neben Nachrichten über die Angleichung der Verhält- nisse in der ehemaligen DDR an bundesdeutsche Standards -, daß mit dem Verwaltungs- und Gewaltapparat der Ex-DDR nicht viel an- zufangen ist. Die gute Nachricht: ------------------- Die Zonis zahlen Steuern ------------------------ Schluß ist mit dem unsinnigen Zustand, der einfach nicht auszu- halten war, wo der alte realsozialistische Staat seinen Bürgern mit lauter Subventionen unter die Arme gegriffen hat. Endlich kassiert der Staat auch in der Ostzone ordentlich ab. Der Fiskus erhebt Lohn- und Einkommenssteuer, Mehrwertsteuer, Mineralöl- steuer und was es sonst alles noch gibt, damit der Staat auf seine Kosten kommt. Auch das gehört zu den Schönheiten des frei- heitlichen Systems. Die schlechte Nachricht: ------------------------ Es fehlt an Ämtern und Finanzbeamten ------------------------------------ Dafür, daß die Leute in den neuen Bundesländern jetzt so richtig demokratisch zur Kasse gebeten werden, fehlt dort ein bewährter Apparat, es fehlen Leute mit Erfahrung in der Durchsetzung des Allgemeinwohls. "Die Verwaltungen der fünf neuen Bundesländer suchen Beamte aus dem Westen: Die staatliche Organisation im Osten ist ein einziges Chaos, die öffentlichen Einrichtungen befinden sich in einem schauderhaften Zustand." Noch schlimmer: Die haben in der alten DDR nicht mal richtige Fi- nanzämter und Steuereintreiber gehabt. Mit dem überzogenen Bürokratismus des alten Systems ist im neuen einfach nichts anzufangen. Die gute Nachricht: ------------------- Schluß mit jeder Scheinbeschäftigung ------------------------------------ Endlich kehrt auch auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt die Normali- tät der freien Marktwirtschaft ein. Die vormals herrschende "verdeckte Arbeitslosigkeit" wird schonungslos offengelegt und in ordentliche Arbeitlosigkeit überführt. "700000 Beschäftigte im Verwaltungswasserkopf der alten DDR sind überflüssig. In der Metall- und Elektroindustrie sind 500000 Be- schäftigte zuviel. Größtenteils Scheinbeschäftigte aus alten DDR- Zeiten. Dasselbe gilt für 400000 Arbeiter aus der sozialistischen Landwirtschaft." Es wird entlassen, daß es nur so kracht. Die Arbeitslosenzahlen in den neuen Bundesländern erreichen einsame Rekordhöhen. Das geht in Ordnung und muß so sein. Denn wo käme da die Wirtschaft hin, wenn sie Leute beschäftigen und entlohnen würde, die von den Unternehmen gar nicht gebraucht werden. Die schlechte Nachricht: ------------------------ Es fehlen Arbeitsämter und Arbeitsrichter ----------------------------------------- Weil der alte Arbeiter- und Bauernstaat keine Entlassungen zuge- lassen hat, läßt sich heute keine ordentlich funktionierende Ar- beitslosenverwaltung von ihm übernehmen. So können die öffentli- chen Einrichtungen ihre "enormen Aufgaben nicht bewältigen", wenn die "Arbeitslosigkeit in der früheren DDR weiter zunimmt". Unmögliche Zustände hat die alte DDR dem neuen Staat überlassen: keine Ämter, die die Betreuung und Verwaltung von Arbeitslosen erledigen; aber auch viel zu wenig Arbeitsrichter und unfähige dazu, die über Kündigungen Recht sprechen könnten. "Die Arbeitsgerichte sind hoffnungslos überlastet, es droht eine weitere Prozeßlawine durch die anstehenden Tausende von Kündigun- gen... Bei Streitigkeiten über die Sozialhilfe ziehen ähnliche Zustände herauf, im Mietrecht ebenso." "Der Präsident des Bundesarbeitsgerichtes (BAG), Otto Rudolf Kis- sel, sieht mit Blick auf die Arbeitsgerichtsbarkeit der neuen Länder den sozialen Frieden gefährdet. Diese Gerichtsbarkeit funktioniert nach seiner Einschätzung nicht, und sie werde nicht zuletzt aufgrund der viel zu geringen Zahl qualifizierter, ge- eigneter Richter auch in absehbarer Zeit nicht funktionieren. Daraus folge 'eine Gefahr für die Rechtsprechung, für den recht- suchenden Bürger und damit letztlich auch für den Rechtsstaat und den sozialen Frieden in unserem Land', sagte Kissel am Mittwoch am Rande der BAG-Jahrespressekonferenz in Kassel." Jetzt haben wir den Schlamassel. Schuld ist wieder die alte DDR, die mit Arbeitslosen einfach nicht umgehen konnte und die Unver- schämtheit besaß, das Problem des sozialen Friedens einfach nicht zu kennen. Die gute Nachricht: ------------------- Das Verbrecherwesen wird normal ------------------------------- Gegenwärtig wird die Verbrechensstatistik bundesrepublikanischen Verhältnissen angeglichen. Auf diesem Felde hatte die ehemalige DDR ja auch noch einiges aufzuholen, um normal zu werden. Das ge- schieht erfreulich rasch. Die in der westdeutschen freien Markt- wirtschaft zum Alltag gehörende Drogen- und Wirtschaftskriminali- tät hat in Ostdeutschland schon Fuß gefaßt und ist dabei, ihren durchschnittlichen Anteil am Wirtschaftsleben zu beanspruchen. Seitdem es in der Ostzone echtes Geld gibt, werden auch die Dieb- stahlsstatistiken mit Banküberfällen zurechtgerückt. Das Rowdytum in Fußballstadien erobert sich seinen unvermeidbaren gesell- schaftlichen Platz. Und in Sachen Verkehrsunfällen brechen die ostdeutschen Kavaliere der Landstraße alle westdeutschen Rekorde. So weit, so normal. Die schlechte Nachricht: ------------------------ Gerichte überfordert, Polizei schlapp ------------------------------------- Die notwendige "Amtshilfe" für dieses so normale Verbrechertum schaffen die überkommenen Gerichte und Richter der alten DDR ein- fach nicht. Ihnen fehlt die Erfahrung mit der kriminellen En- ergie, die in der freien Marktwirtschaft gedeiht, und sie haben nicht das passende Rechtswesen gelernt. So machen sie dem einge- schleusten juristischen Personal aus dem Westen noch extra Ar- beit. Die fähigen Richter und Staatsanwälte aus den alten Bundes- ländern müssen ihren neuen Kollegen nicht nur zur Seite stehen; sie haben sie auch umzuerziehen und zu überprüfen, in welchen Fällen sie das für aussichtslos halten. Nicht einmal die Polizei funktioniert. Nicht einmal mit Hooligans wird sie fertig. Dabei hatte es früher immer geheißen, daß im Un- rechts- und Unterdrückerstaat hinter jedem Bürger mindestens ein Polizist steht. Heute muß man erfahren, daß der alte "Überwachungsstaat" zuwenig Überwachungspersonal und Gewaltmittel ins neue gesamtdeutsche Staatswesen einbringt: "Die Ex-Volkspolizei ist der Realität im neuen Deutschland nicht gewachsen. Es fehlt ihr an allem: an Leuten, Geld, Ausrüstung, Ausbildung... Dünn besetzt war die Polizei schon zu Honeckers Zeiten." Schuld daran ist natürlich die "durch und durch militarisierte Gesellschaft", wie sie so lange in ostdeutschen Landen bestanden hat. zurück