Quelle: Archiv MG - BRD AUSSENPOLITIK ANSCHLUSS - Die Eroberung der DDR
zurückMONTAGSGEJAMMER IN DER OSTZONE - AUSGERECHNET DER DGB FÜHRT REGIE!
Es wird wieder demonstriert in der Ostzone; montags, wie gehabt. Diesmal gegen Arbeitslosigkeit und ein teures, schlechtes Leben im neuen großen Vaterland. Und dazu ruft auf: die gesamtdeutsch gewordene Gewerkschaft. Das ist gelungen. Die neuen Montags-Demonstrationen gegen die neue Armut werden von genau derselben Gewerkschaft angeführt, die sich mit den Un- ternehmern über Billiglöhne für Ostzonis einig geworden ist, weil sie soviel Verständnis für die Nöte des Kapitals "da drüben" hat. Dieselbe Gewerkschaft ruft zum Protest gegen Arbeitslosigkeit, die sich mit den regierenden Meistern in Bonn längst darüber ei- nig geworden ist, daß massenhafte Arbeitslosigkeit "unumgänglich" ist, weil das Kapital die Billiglöhner drüben eben zur Zeit nicht nutzen mag; daß also die Belegschaft der neuen Bundesländer bis auf weiteres ein einziger riesiger Sozialfall ist. Genau die Gewerkschaft schimpft öffentlich über Massenentlassungen, die mit ihrem tiefen Verständnis für die Empfindlichkeit des freien Unternehmererfolgs längst eingesehen hat, daß man einer kapitali- stischen Firma unmöglich die Verköstigung von so vielen Arbeitern zumuten kann, wie es die alten VEBs zustandegebracht haben; die längst zugestimmt hat, daß der Sonderkündigungsschutz für Ostzo- nen-Arbeiter demnächst, Mitte oder Ende des Jahres, wegfallen muß, weil sonst doch glatt all die Massen nicht entlassen werden könnten, deren Entlassung nach kapitalistischen Maßstäben längst fällig ist - Kündigungsschutz geht nämlich nach Gewerkschaftslo- gik genau dann nicht, wenn er mal wirklich nötig wäre. Kurzum: Genau die Gewerkschaften, die den Zonis ihre beschissene Lage mit eingebrockt haben und keinen Zweifel zulassen, daß es anders nicht geht - genau die führen den Protest gegen diese Lage an. Verrückt? Ein Fall von Bewußtseinsspaltung beim ehrenwerten groß- deutschen Arbeiterverein? Nein; alles ganz konsequent. Wenn die deutsche Gewerkschaft einen Protest anführt, dann tut sie das nur, um "Schlimmeres zu verhin- dern" - nämlich daß der Protest sich womöglich zu etwas wirklich Oppositionellem auswächst. Die Gewerkschaft ruft zum De- monstrieren auf, um die Enttäuschung und Verbitterung der Ost- deutschen in die richtigen Kanäle zu lenken: ein öffentliches Volksgemurmel, damit es anschließend wieder aufhört; ein paar freche Töne gegen "die da oben", um anschließend ein paar unter- tänige Bittgesuche nach oben zu richten; Schimpfen übers Elend, damit nur ja keine andere Forderung daraus wird als die nach ei- nem Arbeitsplatz, also einer Gelegenheit, sich für die Erfolge privater Unternehmer nützlich machen zu dürfen. Die Gewerkschaft kümmert sich um jede Unzufriedenheit, damit die an der richtigen Adresse abgegeben wird, nämlich bei ihr und den anderen Instan- zen, die sowieso das Sagen haben und dauernd die G r ü n d e zur Unzufriedenheit schaffen. Sie wacht regelrecht darüber, daß keiner aus der Rolle fällt und daß das Volk sich an die de- mokratische Geschäftsordnung hält - also die Politik den Politi- kern überläßt, die Wirtschaft den Unternehmern, den Lohn den Ge- werkschaften und die Unzufriedenheit darüber auch. Denn in der Demokratie müssen auch Protest und Opposition säuberlich ver- waltet werden und am besten in den Händen derer bleiben, die die Gründe fürs Protestieren und Dagegen-Sein schaffen; dann kann nichts schiefgehen. Dafür setzt der DGB sich ein; das ist er sei- ner selbstgewählten Rolle als "Säule der Demokratie" ganz einfach schuldig. Der DGB ist eben überall mit dabei. Im Namen der Betroffenen wirkt er mit, wo Opfer geschaffen werden. Und die Opfer betreut er, vor allem moralisch und mit konstruktiven Protestparolen, da- mit sie sich alles gefallen lassen. zurück