Quelle: Archiv MG - BRD AUSSENPOLITIK ANSCHLUSS - Die Eroberung der DDR
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"MARODE, MARODE!"
Viele DDR-Betriebe sehen baufällig aus, manche Maschinen wirken
altertümlich, Anlagen sind oft reichlich zusammengeflickt. Das
alles ist nicht schön. Aber was ist eigentlich wichtiger: der
frische Putz an der Wand - oder wie es drinnen mit dem Akkord zu-
geht? Die schöne Maschine - oder was daran an Leistung, Stumpf-
sinn und Aufmerksamkeit erbracht werden muß? Die vorbildlich auf-
geräumte Anlage - oder die Wechselschichten, zu denen man dort
antreten darf?
Komischerweise richtet sich gegen die A r b e i t, die in den
"maroden" DDR-Betrieben stattgefunden hat, gar nicht viel Kritik
- dabei hätte die es sicher verdient, denn da haben sich die
"realen Sozialisten" redlich bemüht, den Kapitalisten Techniken
der Arbeitshetze abzuschauen und nachzumachen. Aber d a s will
ihnen nun wirklich niemand vorwerfen. Wenn es eine anerkannte
Kritik an der Lohnarbeit in der alten DDR-Wirtschaft gibt, dann
lautet sie genau entgegengesetzt: Viel zu locker wäre es da zuge-
gangen, wenig effektiv, vergleichsweise gemütlich...
Auch das wird kaum die ganze Wahrheit sein. Interessant ist es
aber schon, daß niemand auf die Idee kommt, es könnte eventuell
ein wenig f ü r die DDR-Wirtschaft von früher sprechen, daß sie
ihre Leute nicht gar so weltrekordverdächtig eingespannt hat, wie
das im goldenen Westen üblich ist. Im Gegenteil. Daß in den VEBs
drüben nicht so Leistung geklotzt worden ist wie im D-Mark-Wun-
derland, versteht jeder als V o r w u r f an die realsoziali-
stische Arbeitswelt: nicht zuletzt d e s w e g e n wäre die
DDR-Wirtschaft so "marode".
Das ist also die Moral von der Geschichte: Baufällige Maschinen
in der DDR zeigen an, daß es mit der A u s n u t z u n g d e r
A r b e i t nicht weit her war. Und schwachbrüstige Anlagen be-
weisen: L o h n a r b e i t o h n e L e i s t u n g s -
d r u c k - das konnte ja nicht gutgehen!
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