Quelle: Archiv MG - BRD AUSSENPOLITIK ANSCHLUSS - Die Eroberung der DDR
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WAS KOSTET "UNS" DEUTSCHLAND?
Seitdem der Anschluß der DDR an die BRD - zumindest in Bonn -
endgültig beschlossen ist und die Währungsunion als d e r
Schritt dazu in Angriff genommen wird, werden ausführliche Zah-
lenspiele darüber angestellt. Bis zu "500 Milliarden" guter deut-
scher Mark, "schätzen Wirtschaftsministerium und Wirtschaftsfach-
leute" (BamS, 11.2.), sollen nötig sein, um die DDR auch an-
schlußwürdig zu gestalten. So fiktiv die Zahlen sind, so verlogen
ist auch die darauf folgende Frage der BamS: "Was kostet uns die
deutsche Einheit?"
Eine selten bescheuerte Frage. Wer ist denn überhaupt der "uns"?
Die Kapitalisten
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- hierzulande gerne d i e W i r t s c h a f t genannt - kommen
nicht nur den "Bild"-Redakteuren als erste in den Sinn, wenn es
um die in die DDR zu pumpenden Milliarden geht. "Das Geld, das
die DDR-Wirtschaft braucht, wird zum größten Teil von unseren
Privatunternehmen aufgebracht werden." Gut, daß es die gibt. BamS
nennt allerdings auch die Bedingungen, unter denen "unsere"
Unternehmen dieses Geld ausgeben: "Sie warten darauf, daß drüben
endlich die nötigen Gesetze verabschiedet werden, die sicherstel-
len, daß sie nicht mehr Steuern zahlen müssen als hier und ihre
Gewinne genauso sicher sind wie in der Bundesrepublik."
Es handelt sich bei den von den Unternehmern übernommenen Kosten
also schlicht um Investitionen. Das sind Kosten, die sich lohnen
sollen. Und lohnend werden sie dadurch, daß freie Unternehmer
freie Lohnarbeiter für sich arbeiten lassen. Zu entsprechenden
Löhnen und mit entsprechender Leistung. Dafür verlangen die
Unternehmer staatliche Garantien und "infrastrukturelle" Voraus-
setzungen. Außerdem erhalten sie auch noch staatliche Zuschüsse,
weil der Staat schließlich will, daß künftig auch im Osten ver-
dient wird. Die Kapitalisten lassen sich also die DDR viel kosten
- nämlich die Mühe, Gewinne einzustreichen.
Die Arbeiter
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haben es leichter. Sie brauchen über die fälligen Kosten über-
haupt nicht zu entscheiden. Das machen die Politiker für sie. Da-
für handelt es sich da auch um wirkliche Kosten. Von denen haben
die Arbeitnehmer wirklich nichts. Außer einem guten nationalen
Gefühl. Und so etwas war schon immer etwas teurer.
- Selbstverständlich darf ihre Gewerkschaft bei den anstehenden
Lohnrunden den Anschluß der DDR nicht unberücksichtigt lassen.
Wieviel Lohnverzicht dabei herauskommt, darüber entscheiden Un-
ternehmer und Gewerkschaften. Schon jetzt ist es ein offenes Ge-
heimnis, daß die Lohndrückerei nicht der Konkurrenz mit den bil-
ligeren DDR-Arbeitern überlassen wird, sondern zum offiziellen
Kurs gewerkschaftlicher Lohnpolitik wird.
- "Droht eine Inflation?" fragt nicht nur die BamS und beantwor-
tet die Frage glatt mit "Nein". BamS hat also mit den Unterneh-
mern verabredet, daß sie in diesem Leben nie mehr die Preise er-
höhen werden. Und wenn doch - dann ist es ein "Solidarbeitrag"
für unsere Brüder und Schwestern.
- Steuererhöhungen will neuerdings auch Bundessozialminister Nor-
bert Blüm "nicht ausschließen". Seine Kollegen sehen das anders.
Sie wollen Steuern "vorerst" nicht erhöhen. Und überlegen sich
schon mal, welche um wieviel. Also wird der Staat ein bißchen
teurer. Die "deutsche Einheit ist nicht zum Nulltarif zu haben",
zumindest für die, die nicht - wie die bundesdeutschen Unterneh-
mer - von ihr profitieren. "Eine Mehrwertsteuererhöhung wäre
keine Katastrophe", meint dazu ein Journalist im "Presse-Club"
der ARD. BamS wiederum meint, Steuererhöhungen wären nicht un-
bedingt nötig, weil der Staat auch mehr Einnahmen hätte. Eines
ist jedenfalls klar: Wenn sie "nötig" sind, dann werden sie auch
gezahlt.
- Daß die "sozialen Kosten" der Angliederung in der DDR durch
"unsere" Sozialkassen "abgefedert" werden müssen, ist in der öf-
fentlichen Debatte auch unstrittig. Zu welchen Beitragserhöhungen
und Leistungssenkungen das für die arbeitenden Beitragszahler
führt, darüber darf spekuliert werden. Wieviel es wirklich ko-
stet, das beschließt "unser", dann vielleicht gesamtdeutscher
Staat schon noch rechtzeitig. Jetzt schadet es auf keinen Fall,
wenn Kürzung der Renten und höhere Arbeitslosenbeiträge jeden-
falls schon mal im Gespräch sind.
"Kosten" für die Wiedervereinigung sind also "nicht zu vermeiden"
- das ist der einhellige Tenor, mit dem in der BRD darauf vorbe-
reitet wird. Und wenn die Kapitalisten schon daran verdienen, an
der Wiedervereinigung, dann ist auch für die anderen klar: "Die
Kosten sind zu verkraften". Schließlich bleibt denen nichts an-
deres übrig - im Namen Deutschlands.
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Moralische Spiegelfechtereien um den Sozialneid
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Das Bundeskabinett und seine "Bildzeitungen" bekämpfen ihn, den
Neid auf unsere "Brüder und Schwestern", die "wir" mit
Eingliederungsbeihilfen verwöhnen. Damit sie ihn bekämpfen kön-
nen, müssen sie ihn natürlich erst einmal geweckt haben. Das ha-
ben sie nicht mit Geld geschafft, sondern mit einer Lüge. Die
heißt: "Wir helfen dem Volk der DDR!" Das "wir" ist der erste
Schwindel, das "helfen" der zweite und das "dem Volk" der dritte.
In Wirklichkeit hilft nämlich nur die deutsche Staatsmacht sich
selbst voran. Sie erobert sich die DDR und macht sie zum Tummel-
platz für Kapitalisten zurecht. Dadurch werden Zuschüsse zu den
neu einzurichtenden Sozialkassen für die Lohnarbeiter drüben fäl-
lig - von Geldgeschenken ans investierende Kapital einmal ganz
abgesehen. Deswegen aber sind es noch lange nicht die Volksgenos-
sen drüben, die der deutsche Staat sich soviel kosten läßt. Es
handelt sich noch allemal um die Unkosten der Vergrößerung des
deutschen Reiches. Was da der berühmte "kleine Mann" zu finanzie-
ren hat, sind wie immer - die Rechnungen seiner ehrgeizigen Poli-
tiker.
Deswegen ist es d e n e n ja auch so recht, wenn ihr Volk mal
wieder alles moralisch mißversteht und sich einbildet, es ginge
um eine Überweisung an Herrn und Frau Volk in Leipzig und an-
derswo. Dann brauchen sie ihre kostspielige Politik nämlich nie
wieder zu rechtfertigen. Statt dessen sind sie in der un-
verschämten Position des Predigers, der dem Volk hier Neid und
Mißgunst, dem Volk drüben Undankbarkeit und allen zusammen Geld-
gier vorwirft.
Zur Strafe kommen die Völker hüben und drüben allerdings nicht in
die Hölle, sondern ins vereinigte Deutschland. Das haben sie dann
davon, die alten Neidhammel.
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