Quelle: Archiv MG - BRD AUSSENPOLITIK ANSCHLUSS - Die Eroberung der DDR
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Rechtsstaat und Öffentlichkeit gemeinsam gegen die PDS
JAGDSZENEN AUS DER DEUTSCHEN DEMOKRATIE
Die Zeitungen für die klugen Köpfe begleiten gewöhnlich das poli-
tische Geschäft mit Erwägungen zu Stil, Geschicklichkeit und Er-
folgsaussichten der Regierenden. Der Rest der Welt wird von
"Bild" und Co. in Kurzfassung mit den Resultaten dieser Erwägun-
gen vertraut gemacht und - wenn es gegen einen inneren oder äuße-
ren Feind geht - mit Hetze pur unterhalten.
Da die Macher "seriöser" Blätter dieses Fach auch beherrschen,
das sie sonst herablassend die Kollegen von der "Boulevard-
Presse" erledigen lassen, beweisen sie, wenn es ganz prinzipiell
wird: wenn es, wie derzeit, darum geht, im neuen Deutschland, das
auf der weiten Welt keinen Feind mehr haben soll - der Irre von
Bagdad natürlich ausgenommen -, die letzten Restbestände des be-
siegten DDR-Systems wegzusäubern. Da legen die Damen und Herren
von "Süddeutscher Zeitung", "Frankfurter Rundschau" oder
"Tagesthemen" ohne große Umstände mit Hand an zur Unterstützung
derer, die in Politik und Polizei fürs praktische Aufräumen zu-
ständig sind. Sie machen die Gangster von der STASI-SED-PDS vorab
agitatorisch dingfest und liefern ein stimmungsmäßiges Umfeld, in
dem kurz- bis mittelfristig die
Politische Entsorgung der PDS
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stattfinden soll.
Und das geht z. B. so:
Im September machte die "Süddeutsche Zeitung" eine Woche lang
mächtig Wirbel mit dem "Verschwinden" von 730 Mio. DM aus der an
die alte DDR bezahlten Transitpauschale. Fraglos war klar, daß
das nur ein Werk der perfiden Untergrund-Stasi sein konnte. Als
die Kohle dann wieder aufgetaucht war, mußte man schon zu den
aufmerksameren Zeitungslesern zählen, um die Nachricht in unserer
pluralistischen Medienvielfalt zu entdecken: in der "Frankfurter
Rundschau" vom 6. 10., 6,5 cm hoch, einspaltig, gleich über dem
Wetterbericht, durfte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums
murmeln, daß "nichts unterschlagen" wurde.
Am 18.10. setzte die SZ nach: per Aufmacher auf der ersten Seite
berichtete sie über einen milliardenschweren Devisenbetrug in
der, Ex-DDR und wußte gleich wieder - schon in der fetten Haupt-
überschrift - daß die "Haupttäter vermutlich - Stasi-Sonderoffi-
ziere" waren. Das hatte der SZ ein echter Justiz-Staatssekretär
gesteckt, mit dem sie dann eben zusammen auf der ersten Seite das
Entsprechende "vermutete".
Am Samstag darauf war die Angelegenheit einerseits immer noch ein
Fall von Devisenbetrug, aber - obwohl immerhin der erste von Zo-
nis mitveranstaltete deutsche Qualitätsbetrug von Weltniveau -
inzwischen war dem Skandal das Skandalöse abhanden gekommen. Die
inhaftierten Beschuldigten waren leider keine "Stasi-Sonderoffi-
ziere" mehr, sondern Leute, über die
"der Staatsanwaltschaft Gerüchte bekannt waren, wonach zwei der
Beschuldigte Stasi- K o n t a k t hatten." Deshalb mußte - wen
interessiert schon ein gewöhnlicher Milliardenbetrüger - das De-
menti des großen Aufreißers vom Donnerstag als kleine innermini-
sterielle Unzuträglichkeit ("Justizsenatorin über Staatssekretär
verärgert") auf die zweite Seite rücken. (Außerdem hätte es auch
genausogut so sein können, wie man zunächst "vermutet" hatte, man
denke nur an die verschwundene Transitpauschale!)
Auf der ersten Seite der SZ vom Samstag hätte aber das Dementi
schon aus Platzgründen nicht mehr hingepaßt. Da mußte nämlich
schon über eine neue Schweinerei der STASI-PDS berichtet werden:
wegen des "Verdachts der Untreue" mußte bekanntlich deren Berli-
ner Zentrale "wegen Gefahr im Verzug" bei Nacht, ohne Durchsu-
chungsbefehl unter Aufbietung 160 Bewaffneter durchsucht werden.
Die Hauptsache ist ein solider Verdacht
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Mit diesem spektakulären Einsatz hatten sich Justiz und Polizei
nun endlich auch aktionsmäßig dahin vorgearbeitet, wo die Medien
mit ihrer Dauerhetze über die angeblich fortdauernde Geheimherr-
schaft der SED theoretisch schon längst waren: zum Zuschlagen ge-
gen die g r e i f b a r e n Repräsentanten all dieser Unter-
grundverbrechen, als die die Presse die PDS zurechtpräpariert
hat. Dies ist eine Partei, der niemand glauben soll,
"daß sie eine wahrhaftig gewandelte Partei ist" (FR).
Sie bleibt die alte STASI-SED,
"deren Finanz-Transaktionen besonderer Aufmerksamkeit bedürfen"
(SZ).
Der J u s t i z kann es deshalb ziemlich gleichgültig sein, ob
ihre Beschuldigung, die PDS habe unter den Augen von Treuhand,
Parteien-Aufsichtskommission, Verfassungsschutz und Interpol in
offener Kontobewegung Geld "beiseiteschaffen" wollen, zutrifft
oder nicht. Sie hat nämlich durch ihre Aktion schon einige
"Beweise" für die "Vermutungen" der Presse geliefert:
- das, was man diesem Verein vorwirft, ist ihm auch zuzutrauen,
sonst hätte man ja nicht sein Büro durchsuchen müssen,
- daß er gefährlich ist, sieht man daran, daß man soviele bewaff-
nete Polizisten mit schußsicheren Westen brauchte,
- weil diese Partei normalerweise ganz schnell und konspirativ
betrügt, mußte man nachts und ohne richterlichen Durchsuchungsbe-
fehl eingreifen, es war immerhin "Gefahr im Verzug"!
Auch die M e d i e n m a c h e r zeigten sich beim Hin- und
Herwenden des Sachverhalts vor allem daran interessiert, mit al-
len berufsüblichen Techniken der üblen Nachrede zu Lasten der PDS
dafür zu sorgen, daß an ihr möglichst viel "hängenblieb".
"Neulich hat die PDS Geld überwiesen. " Das ist für eine Partei
zwar nicht besonders extravagant, im Falle der PDS aber allein
deswegen ein Verbrechen, weil sowieso jeder davon ausgeht - spä-
testens angesichts dieser Sensationsmeldung -, daß dieser Partei
so etwas schlechterdings nicht zusteht. Am Skandal, daß sie Fi-
nanzmittel hat, wird bloß immer wieder das feststehende Urteil
bekräftigt, daß sie kein Existenzrecht hat - wo wäre sonst der
Skandal?
Das Urteil war jedenfalls schon fertig, bevor die Beweisaufnahme
am Ziel und das Geständnis auf dem Tisch war; da haben auch die
"seriösen Journalisten" ihre sonst so selbstgefällig gepflegten
Vorbehalte gegen "Vorverurteilungen" ganz schnell und in ganz un-
pluralistischer Einheitlichkeit abgelegt. Um so schöner für sie,
daß, wie sich eine Woche später herausgestellt hat, tatsächlich
ein paar besorgte Parteigenossen einen Teil des Parteivermögens
sicherstellen wollten, das die siegreiche Konkurrenz zweifellos
der Partei bald abknöpfen wird, weil es aus demokratischer Sicht
sowieso veruntreutes Staatsvermögen ist (während mit der Vereini-
gung der westlichen Staats- mit den östlichen Blockparteien auch
vermögensmäßig in aller Stille zusammenwächst, was zusammenge-
hört). Damit ist auch schon so gut wie bewiesen, daß nicht bloß
die Transaktion an der Treuhandaufsicht vorbei ein Vergehen war,
sondern der Geldbesitz dieser Partei selbst im Grunde ein Verbre-
chen. Hat die "Süddeutsche" es nicht schon vorher gesagt?
"Herkunft und Verwendung ihres Vermögens unterliegen dem Verdacht
unrechtmäßiger Aneignung." (SZ)
Der Justiz wegen ihres entschlossenen Zugriffs den Vorwurf zu ma-
chen, sie habe den
Rechsstaatlichen Benimm vernachlässigt
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würde vom Wesentlichen ablenken. Deshalb verbietet das liberale
süddeutsche Weltblatt strikt einen Vergleich, der ihr offenbar
selbst auch gleich eingefallen ist:
Keinesfalls "darf der Eindruck entstehen, daß unsere Justiz zu
ähnlichen Willkürakten fähig ist, wie einst Stasi und Volkspoli-
zei."
Und die noch freiheitlichere FR gibt - gemeinsam mit dem Spenden-
fahnder Lambsdorff konstruktiv zu bedenken, daß man die PDS je-
denfalls in Wahlkampfzeiten -, um ihr kein "zusätzliches Wahl-
kampfargument" zu geben, lieber unter Beachtung der rechtsstaat-
lichen Manieren verfolgen sollte:
"... sollte auch niemand die kleine Partei für so wichtig hälten,
daß er über ihrer Verfolgung die Prinzipien des Rechtsstaates
vergißt (!). Das ist die PDS nicht wert."
Insgesamt aber herrscht Verständnis vor, für die
"hervorragende Kriminalpolizei, die wie immer ohne Ansehen der
Person zugegriffen hat." (Innensenator Pätzold, Berlin)
und ihre menschlich naheliegende "Vergeßlichkeit":
"In Berlin sind die Wunden aus der SED-Zeit vielleicht noch zu
frisch, als daß dafür immer das nötige Fingerspitzengefühl vor-
handen wäre." (SZ)
Die a m t l i c h e Bestätigung für all das, was sich die deut-
schen Journalisten bei der Herstellung einer einheitlichen freien
Meinung in diesem all schon die ganze Woche über
s e l b s t ä n d i g gedacht haben, haben sie schließlich am
Mittwoch von ziemlich hoher Stelle im Bundestag bekommen.
"Eins ist klar", sagte da CDU-Rühe zur PDS, "sie gehören zur Par-
tei der Täter, als Opfer kommen sie nicht in Frage."
Der gute Zweck heiligt alle Rechtsmittel
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Dem gewöhnlichen Menschen kann es natürlich reichlich egal sein,
ob nun die PDS beschissen hat oder selbst hereingelegt wurde. Mit
der Welt der 100 Millionen, die die Parteien hin- und herschie-
ben, hat er ohnehin nur als trostloser Zahler zu tun.
Über d a s g u t e R e c h t aber, dem bei uns alle Staatsge-
walt so sehr verpflichtet ist, daß sie den feinen Titel
"Rechtsstaat" umgehängt bekommt und dadurch schon fast keine Ge-
walt mehr sein soll, und über d i e f r e i e P r e s s e,
die diesen Titel so gern auf Hochglanz poliert, könnte man aus
diesem Theater schon eine kleine Lektion mitnehmen: Das Dienst-
verhältnis zwischen Rechtsstaat und politischer Gewalt funktio-
niert offenbar genau andersherum, als es Weizsäcker und die Sozi-
alkunde lehren. Das Recht dient der Gewalt zur Regelung aller
alltäglichen Machtaffären. Rechtsvorschriften behindern die Ge-
walt nicht, sondern sind die in Paragraphen gefaßte Niederschrift
ihrer Handlungsfreiheit. Zwar will die demokratische Ideologie
wissen, daß im Rechtsstaat das saubere Verfahren den Zweck hei-
ligt -, aber eine besonders gute Absicht heiligt schon auch mal
die Mittel. Und wenn die demokratischen Chefs bei einer besonde-
ren Lage einmal die von ihnen und für sie erlassenen Vorschriften
locker nehmen und die "Unverletzlichkeit der Wohnung", "Immunität
von Abgeordneten", "Verhältnismäßigkeit der Mittel" oder andere
heilige Güter nachlässig behandeln, dann sorgt die richtige
Rechtsauffassung dafür, daß das kein Unglück ist.
So wurde zur gleichen Zeit, zu der sich der Rechtsstaat die PDS
vorknöpfte, ziemlich geräuschlos der "größte Waffenskandal der
Nachkriegsgeschichte" - (Monitor v. 23.10.), der U-Boot-Deal mit
Südafrika, beerdigt. Dem Kanzler war von Gerichts wegen bestätigt
worden, daß er vor dem Untersuchungsausschuß lügen durfte, weil
er nicht als Zeuge, sondern in "beschuldigtenähnlicher Stellung"
ausgesagt hatte. Auch die Parteispenden- und Steueraffären der
westdeutschen Parteien wurden nicht wie im Falle PDS durch den
nächtlichen Aufmarsch bewaffneter Hundertschaften, sondern mit-
tels sehr ziviler Bußgelder aus Westentaschen und Portokassen ge-
regelt.
Der Verfassungsgrundsatz der Gleichbehandlung erfordert eben
schon immer auch die Ungleichbehandlung von Ungleichem. Und es
ist eben nicht das Gleiche, ob Kohls Teltschik staatstragend Ak-
ten beiseite schafft, oder die PDS staatsfeindlich Geld hat.
Die Ö f f e n t l i c h k e i t hat in Sachen PDS, im Doppelpaß
mit Politik und Justiz, agitatorische Vorlagen gegeben, hat Amt-
liches verlautbart und war sich auch per Kommentar für die Abtei-
lung Schmutz und Hetze nicht zu schade. In Sachen U-Boot-Affäre
hat sie bestimmt ganz ohne Befehl aus dem Kanzleramt so sparsam
berichtet. Unsere Presse braucht dazu keine Zensur. Die ist ein-
fach so frei.
PS.
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Die demokratische Hetze gegen die PDS und der mit rechtsstaatli-
chen oder auch schon mal nicht so hundertprozentig rechtsstaatli-
chen Mitteln durchgeführte Angriff auf ihre Finanzmittel wird
jetzt auch noch durch die Partei selbst ins Recht gesetzt. Sie
gibt nicht bloß die Tatsachen zu, deren sie angeklagt wird - ohne
Genehmigung Geld ins Ausland überwiesen, um es dem so gut wie an-
gekündigten Zugriff der Staatsgewalt zu entziehen und eine Si-
cherheit für die Parteiarbeit und die in ihrer bürgerlichen Exi-
stenz bedrohten Parteimitarbeiter zu schaffen. Sie bekennt sich
gleich auch noch schuldig im Sinne der Anklage : gibt also dem
Staat recht, der sie enteignen will, so als stände hier gar nicht
das politische Interesse ihrer Gegner gegen ihre Überlebensinter-
essen, sondern der arme Sünder vor dem höchsten Gericht. Sogar
gegen ihre eigenen materiellen Existenzbedingungen zieht die PDS
damit i h r e p o l i t i s c h e L i n i e durch, nämlich
die sauberste politische Kraft im neuen Deutschland sein zu wol-
len, geläutert durch den Verzicht auf die Macht und deswegen ga-
rantiert unkorrumpierbar - eine Linie der bürgerlichen Moral, so
fern wie nur etwas jeder kommunistischen Position; einer Moral,
die notwendigerweise ein trost- und hoffnungsloser Oppositions-
versuch bleibt, weil keine parlamentarische Partei sich im Ernst
an so übertriebenen Maßstäben mißt, geschweige denn messen läßt.
Demokratische Parteien leben bestens mit dem Urteil, ihr Metier
wäre "ein schmutziges Geschäft", weil das keine ernsthafte An-
klage ist, sondern im Gegenteil das Meiste entschuldigt; nicht
zufällig machen verurteilte, aber erfolgreiche Steuerhinterzieher
weiter Parteikarriere. Daß man der PDS nichts durchgehen läßt,
hat - wie übrigens im Grunde jeder weiß - erst recht keine mora-
lische Gründe, sondern kommt ausschließlich aus dem politischen
Interesse an der Kriminalisierung dieses Vereins und am liebsten
überhaupt jeder Position im Lande, die irgendetwas mit Sozialis-
mus zu tun haben möchte. Nur die PDS selbst sieht das ganz an-
ders: Sie steht und fällt mit ihrem absurden Unterfangen, m i t
p u r e r L ä u t e r u n g s m o r a l P o l i t i k machen
zu wollen. Deswegen tut sie alles, um sich gewissermaßen an die
Spitze der gegen sie entfachten Empörung zu setzen - womit sie
bestenfalls sich selber Eindruck macht, aber sonst niemandem;
schon gar nicht ihren politischen Gegnern, die ihre eigenen Affä-
ren nach dem bewährten Muster abwickeln: Vertuschen, Leugnen,
alle Tatbestände Verwirren, Gegner als Verleumder Verleumden usw.
Der Hetze gegen sie und dem staatlichen Angriff auf ihre Existenz
entzieht die PDS mit ihrer Geständnis-Offensive jedenfalls nicht
den Boden. Allenfalls kürzt sie das Verfahren ab, auf dessen Er-
gebnisse ihre Gegner scharf sind: Enteignung (CSU), Wahlausschluß
(SPD) - und vor allem der moralische Zusammenbruch dieser Rest-
Heimat für letzte Getreue des ehemals Realen Sozialismus aufdeut-
schem Boden.
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