Quelle: Archiv MG - BRD AUSSENPOLITIK ANSCHLUSS - Die Eroberung der DDR


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HURRA - ANSCHLUSS AUF ALLEN EBENEN

Von wegen, der Anschluß der DDR an die BRD käme nicht so richtig in die Gänge, die notwendigen Veränderungen in der DDR wären ziemlich unvollständig und alles ginge viel zu langsam! Von we- gen, das alte und überholte System in der Zone würde die wirt- schaftlichen und politischen Umwälzungen nach guter westdeutscher Art immer noch ganz grundsätzlich sabotieren und nicht zum Zuge kommen lassen! Schließen wir uns doch nicht den ewigen Miesma- chern an! Die Segnungen der neuen freien Marktwirtschaft in der DDR, die Schönheiten demokratischer politischer Verhältnisse sind doch längst da! An allen Ecken und Enden kann man sie entdecken! Urlaubsunterkünfte auf Rügen und sonst an der Ostsee stehen leer; Wirtshäusern geht die Kundschaft ab Vor der Währungsunion waren der Urlaub und der regelmäßige Gast- hausbesuch eine Selbstverständlichkeit für alle in der DDR. Die Wirtshäuser waren überfüllt und die Betriebe organisierten den Urlaub für jeden, so daß niemand zu kurz kam. Jetzt kostet das Bier, die Unterkunft an der Ostsee, das Schnitzel im Restaurant echtes Geld, so daß sich die DM-Lohnempfänger das alles nicht mehr so einfach leisten können. Aber so ist es ja auch ganz rich- tig und im Sinne der Marktwirtschaft. Mit billigen Falschpreisen kämen wir in Teufels Küche. Kein Hotelier, kein Reisebüro, kein Wirt würde so ein Geschäft machen können. Jetzt dürfen solche Ge- schäftsleute ihre Preise frei gestalten, und die Kundschaft zählt ihr echtes Geld und gewöhnt sich daran, auch mal auf Sachen zu verzichten, die in der alten DDR normal waren. Wo kämen wir auch hin, wenn einem alles nachgeschmissen würde. Erfreulich zudem die Angleichung der Verhältnisse in der DDR an westdeutsche. Seit der Währungsunion können auch DDR-Bürger auf westlichen Campingplät- zen die große weite Welt beschnuppern. "Urlaub daheim" und das Bier von Aldi sind preiswerte Alternativen zu größeren Unterneh- mungen. Übrigens: "Aldi ist da. Aldi hat seinen ersten Supermarkt in der DDR eröffnet." (Bild, 9.8.) So geht richtige Marktwirt- schaft. Aus dem bekanntlich ziemlich knappen Geldbeutel der ehe- maligen Zonis, also fast aus nichts ein Geschäft machen, das be- weist die enorme Stärke der kapitalistischen Wirtschaftsweise. Einen "Sieg für die Frauen" --------------------------- bringt der Anschluß. Zwei Jahre noch dürfen DDR-Frauen nach der Fristenregelung abtreiben. Und bundesdeutsche Frauen, die die Be- sonderheit des DDR-Gesetzes nutzen, werden dafür glatt nicht be- straft. Nach zwei Jahren ist dann endgültig die Gleichstellung der Frau im geeinten Deutschland durchgesetzt. Sie hat ihre Rolle im Kapitalismus zu erfüllen: Als Lohnarbeiterin hat sie der Wirt- schaft zu dienen; als Frau und Mutter für Familie und Kinder zu sorgen. Und Vater Staat paßt darauf auf, daß sie sich nicht egoistisch aus der Verantwortung stiehlt, die Lasten der Arbeit, des Kinderkriegens und -aufziehens zu tragen, damit das Volk sei- nen Nachwuchs hat. Ein eindeutiger Sieg für die gesamtdeutsche Frau. Die Preise werden immer normaler -------------------------------- "Die Preise in der DDR sind seit der Währungsunion um 30% gestie- gen." (Bild, 9.8.) Daß die Leute für ihr gutes Geld immer weniger kaufen können, geht natürlich in Ordnung und ist eine wichtige Errungenschaft der Marktwirtschaft. Deren Segnungen sind bekannt- lich nicht zu haben, wenn der Bevölkerung Lebensmittel fast zum Nulltarif angeboten werden, wie das früher in der DDR so war. Er- freulich schnell haben die DDR-Bewohner gelernt, wie man mit den neuen freien Marktpreisen geschickt umgeht. Sie wissen zu ent- scheiden, was sie sich für ihr knappes Geld unmöglich kaufen kön- nen, und stehen schon wieder Schlange. Jetzt aber nicht mehr nach Bananen - dieses Mangelsymbol eines maroden Systems gibt's jetzt für seinen Preis zu kaufen -, sondern nach Sonderangeboten in Po- len. Das ist von König Kunde und den Besitzern von harter D-Mark vernünftig kalkuliert: Wenn die Polen mit ihrer Einführung der Marktwirtschaft noch nicht so weit sind, muß man das ausnutzen und sich die dort für einen DM-Besitzer vergleichsweise noch bil- ligen Lebensmittel unter den Nagel reißen. Dafür fährt man gern weitere Wege und schämt sich auch gar nicht mehr über das - vor- mals so unmenschliche - Schlangestehen. Das tut der östlich der Elbe üblichen Hetze gegen "die Polacken", die sich bei "uns" ein paar DM ergattern wollen, keinen Abbruch. Nach der Einpartei-Diktatur wird's im östlichen Teil Deutschlands Richtig demokratisch -------------------- Nach der demokratischen Devise: Wer die Macht hat, bestimmt, wo's langgeht! werden die ostdeutschen Politiker von den westdeutschen Kollegen über den Tisch gezogen und als "Dilettanten" und "Schlaffis" beschimpft, wenn sie nicht einfach bedingungslos Ja! sagen zum Anschluß gemäß den Vorstellungen der westdeutschen Machtinhaber. Dabei handelt es sich um die ersten demokratisch gewählten Politiker in der DDR seit über 40 Jahren, die voll und ganz begriffen haben, worin ihre demokratische Verantwortung be- steht, nämlich als Vollzugsgehilfen des Anschlusses zu fungieren. Sie haben sogar schon gelernt, daß nur über Nebensächlichkeiten wirklich gestritten werden darf, wenn man sich als echter Partei- politiker in Szene setzen will, der sich darauf versteht, seine Wählerverarschung besser als die anderen Parteien zu gestalten. Dafür pochen sie dann sogar auf ein bißchen DDR-Eigenständigkeit gegenüber den Partei-Führungsriegen in der Bundesrepublik und kämpfen für die richtige Endlagerung der STASI-Akten auf dem Ge- biet der ehemaligen DDR. Das freut den DDR-ler, der nichts dage- gen hat, daß er gerade dem gesamtdeutschen Verfassungsschutz un- terstellt wird. Und die demokratisch erneuerten DDR-Parteien streiten im Schlepptau ihrer westdeutschen Mutterparteien über eminent wichtige Fragen: Wann ist endlich der Anschluß? Zu wel- chem Datum wird gesamtdeutsch gewählt? Soll das eine Datum vor dem anderen liegen oder umgekehrt? Keine Frage, die politische Kultur der Bundesrepublik ist in der DDR schon voll durchgesetzt. Die Demokratie lebt ziemlich kräftig in der Zone. Frische Kommentare aus Westdeutschland bestätigen das: "...erleben wir seit Wochen einen west-östlichen Hühnerstall, der aufgeregt immer neue Wahleier begackert... Die Scham erreicht die Schmerzgrenze. Doch bei allem Zorn: So ist Demokratie. So schwer, aber auch so frei. Sie ist uns allemal lieber als die Grabesstille der Diktatur." (Bild, 23.8.) Zwar soll der Parteienstreit unwürdig und dem mündigen Bürger kaum zuzumuten sein, aber dieser Mist spricht natürlich schwer für die Freiheit der Demokratie. So korrekt haben die ehemaligen Zonis die demokratische Lektion "Das Volk sind wir" gelernt, daß sie das Wahlstimmenfangspiel der ehrenwerten Politiker voll durchschauen und darüber auch schon kennerhaft die Nase rümpfen. "Wahlmüde" sollen die Ossis schon geworden sein. Das spricht aber schon wieder dafür, daß die Demokratie überhaupt nichts Totalitä- res an sich hat. Zumal sich immer genug Idioten finden, die ihren Politikern die 100%ige Ermächtigung gewähren. Die mit dem Anschluß eröffnete Freie Fahrt! ------------ für Freiheit und Demokratie hat die Mobilität der DDR-Bürger enorm beflügelt. In nicht einmal einem halben Jahr haben sie die Verkehrsunfallzahlen pro Kopf der Bevölkerung der Bundesrepublik erreicht. Die vielen Toten und Verletzten mögen schmerzen, aber spricht das nicht auch für Freiheit und Abenteuer? "Verseuchte Billigrinder aus der Zone in westdeutschen Ställen" (Süddeutsche Zeitung, 5.9.) "Aus der DDR wurden illegal mindestens 38 Millionen uralte faule und auch lebensgefährliche Eier ins Bundesgebiet, nach Belgien und nach Holland verkauft." (Bild, 16.8.) Eine Spätfolge der jede Initiative tötenden Kollektivierung der Landwirtschaft der DDR? Überhaupt nicht! Da verhalten sich DDR-Landwirte preisbewußt ------------------------- und scheuen kein Risiko, so, wie man das ja in der Bundesrepublik schon lange kennt. Oder soll das etwa weniger marktkonform sein, wenn wie im vorliegenden Fall die faulen Eier zu Shampoo und nicht zu Nudeln verarbeitet werden? Geld stinkt nicht, lehrt die Marktwirtschaft. Dieses Gesetz beginnt man in der DDR ganz rich- tig zu beherzigen. Auch eine andere marktgemäße Feinheit des Gol- denen Westens beherrscht die endlich befreite Landwirtschaft schon: Schmackhafte Produkte, die keinen lohnenden Preis erbrin- gen, werden vernichtet. So ist das nun mal, wenn für den Markt produziert wird. Einen echten und unverfälschten Arbeitsmarkt -------------------------------------------- gibt es jetzt in Ostdeutschland. Schluß ist mit dem jede Leistung verhindernden "Recht auf Arbeit", Schluß mit "verdeckter Arbeits- losigkeit". Jetzt regiert der Gewinn die Produktion, und Lohnar- beiter, die dafür nicht lohnend zu beschäftigen sind, werden ent- lassen. Die Währungsunion sorgt dafür, daß sich die Arbeitsmarkt- verhältnisse ziemlich schnell an bundesrepublikanische Verhält- nisse angleichen. Das schweißt die gesamtdeutsche Volksgemein- schaft zusammen. Leistung lohnt sich endlich überall in Deutsch- land. 1,5 Millionen Arbeitslose hat die DDR jetzt schon vorzuweisen. Oder ist die Zahl ungenau? Das DDR-Arbeitsministerium spricht von 350 000 Arbeitnehmern ohne Beschäftigung. Ach so, das bekannte Versteck-Spiel mit der Statistik haben die Politiker der ehemali- gen Zone auch schon drauf. Die einen rechnen die 900000 Kurzar- beiter ohne Arbeit zu den Arbeitslosen, die anderen nicht. So steht es einmal schlimmer, einmal besser um den Arbeitsmarkt in der DDR. Darüber brauchen sich die neuen Lohnempfänger der DDR aber nicht den Kopf zu zerbrechen. Sie kriegen schon ganz von selbst mit, wie der Kapitalismus ihre Leistungsbereitschaft hono- riert, nämlich gar nicht. Die "Bild"-Zeitung hilft Zonis, ------------------------------- die sich nach so vielen Jahren bequemen Schlendrians und einer Gängelei, die dem Individuum keinen Raum ließ, umgewöhnen und auf neue deutsche Größenverhältnisse einstellen müssen. "Paßt ein Golf in eine Trabi-Garage? ... Also: Garage ausmessen, vorm Kauf des West-Autos in den KFZ-Schein schauen ... Gutes Ein- parken!" (Bild, 14.8.) Genauigkeit verlangt die freie Marktwirtschaft schon. Unverständ- lich nur, warum die "Bild"-Zeitung es unterläßt, davor zu warnen, daß immer noch vom Stasi gefälschte Meterstäbe in der DDR in Um- lauf sind! Lauter freie Tarifverhandlungen ------------------------------- haben in der DDR stattgefunden und zu ordentlichen Abschlüssen geführt. Ein Gewerkschaftsfunktionär von der neuen freien Sorte erklärt, warum die Abschlüsse, die sich durch alle Branchen ziem- lich gleichen, unter den gegebenen Bedingungen ein Erfolg gewerk- schaftlicher Politik sind: "Mit dem Abschluß wurden zumindest die durch Steuern und Sozial- beiträge entstehenden Kosten abgeglichen." Beruhigend für die Lohnempfänger der DDR, daß sie von ihren staatlich festgesetzten Billiglöhnen nicht auch noch die Zwangs- beiträge für die staatlichen Kassen bezahlen müssen, beziehungs- weise nach der Lohnerhöhung genausowenig Lohn in der Tasche haben wie vorher. Zugleich können sie lernen, wofür Gewerkschaften im Kapitalismus gut sind. Was mit wirtschaftlichen und staatlichen Erfordernissen verträglich ist, wird als Lohn ausgehandelt. Daß die Arbeiter von ihrem Lohn auch noch leben müssen, sogar das ist ein Gesichtspunkt gewerkschaftlichen "Lohnkampfs" - soweit es das Wohl von Wirtschaft und Staat eben zulassen. Derweil kämpft der DGB um das Vermögen des FDGB, auf das er alte Ansprüche anmeldet. Wofür das gut ist? Für die Gerechtigkeit na- türlich und damit dann die Arbeitnehmer auch in der DDR eine starke Gewerkschaft haben, die durchsetzt, daß die Arbeitnehmer der DDR noch geraume Zeit mit niedrigsten Löhnen auskommen müs- sen. Gegen alle Miesmacher der Einigung, die es trotz allem immer noch gibt - der Anschluß beschert den ostdeutschen Bürgern und allen Deutschen Viel Gutes, worüber sich alle freuen können ------------------------------------------- N a c h z ä h l b a r e s: "Im DDR-Finanzministerium klingelt die Kasse. Die Steuereinnahmen haben sich im August gegenüber Juli auf 2,2 Milliarden Mark ver- dreifacht." (Bild, 31.8.) E t w a s f ü r s G e m ü t: Die Zonis dürfen Berlin als Zen- trale in das deutsche Gesamtkunstwerk einbringen, und wir alle kriegen wieder eine richtige Hauptstadt. "Die Herzen der Deutschen schlagen für Berlin.'' (Bild, 4.9.) - Hurra! Ein F u ß b a l l e r aus der DDR spielt wahrscheinlich bald in der gesamtdeutschen Nationalelf - Hurra! Am 3. Oktober ist N a t i o n a l f e i e r t a g mit Beethoven und Glocken- geläute - Hurra! Der 17. Juni fällt als Feiertag natürlich weg. Schade! Etwas S p a n n e n d e s: "In den fünf Ländern auf dem Gebiet der heutigen DDR soll nach der Vereinigung ein Billig-Lotto eingeführt werden. Der Tipp- schein wird 40 Pfennig kosten, der Hauptgewinn 500 000 Mark be- tragen... Auch Bundesbürger können an dem Billig-Lotto teilneh- men, für das es spezielle Formulare und Ziehungen geben wird." (Süddeutsche Zeitung, 6.9.) Der Anschluß, ein Glück für a l l e Deutschen! zurück