Quelle: Archiv MG - BRD AUSSENPOLITIK ANSCHLUSS - Die Eroberung der DDR
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Worauf es jetzt ankommen soll:
"ANGLEICHUNG DER LEBENSVERHÄLTNISSE"
Kaum haben die Politiker aus dem Westen auch im Osten Deutsch-
lands die ihnen unerträgliche staatliche "Gleichmacherei" abge-
schafft, geben sie die Parole aus, worauf es jetzt ankommen soll:
Auf eine "Angleichung der Lebensverhältnisse" in Deutschland
(Ost) an Deutschland (West). Also doch wieder Gleichmacherei? Na-
türlich nicht.
Unterschiede schaffen!
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Das ist nämlich der erste Schritt zur Angleichung: mit Währungs-
union und Anschluß sind erst einmal U n t e r s c h i e d e i n
d e n L e b e n s v e r h ä l t n i s s e n innerhalb der Ex-
DDR geschaffen worden, wie man sie früher nicht kannte. Jetzt ist
in der Ex-DDR für Löhne, Renten und Arbeitslosengelder gesorgt,
mit denen man kaum mehr über die Runden kommt - während sich auf
der anderen Seite für L e u t e m i t G e l d Verdienstmög-
lichkeiten auftun, an die in der alten DDR gar nicht zu denken
war. Die staatliche Garantie eines irgendwie an- oder aus-
geglichenen "Lebensniveaus" für alle Bürger soll die Untertanen
im Sozialismus ja so unfrei gemacht haben; sie entfällt zugunsten
einer ordentlichen S c h e i d u n g v o n a r m u n d
r e i c h. An dieser Herstellung ungleicher Lebenslagen gibt es
nur eine Kritik: Staat, Kapital und DGB sind sich einig, daß die
"Differenzierung" bei Löhnen und Gehältern noch viel zu
g e r i n g ist!
Die S y s t e m a n g l e i c h u n g zwischen Deutschland Ost
und West ist also längst passiert. Das i s t die Gleichheit,
die der Westen nunmehr auch seinen vom Sozialismus "befreiten"
Bürgern bietet. Ein anständiges Leben für alle ist weder Zweck
noch "Nebeneffekt" dieser Produktionsweise.
Jedem das Seine!
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Die "Lebensverhältnisse", die da zur Angleichung anstehen sollen,
sind mit den konkreten Lebensumständen irgendeines konkreten Bür-
gers nicht zu verwechseln. Die sind, mittlerweile auch im Osten
der Republik, total u n t e r s c h i e d l i c h - und zwar
zwischen den oberen und unteren E i n k o m -
m e n s s c h i c h t e n und nicht etwa zwischen den Him-
melsrichtungen! Der Unterschied zwischen arm und reich ist in der
"reichen BRD" so selbstverständlich, daß überhaupt niemand auf
die Idee verfällt, einen Vergleich der Einkünfte von Otto Normal-
verbraucher mit denen eines Fabrikbesitzers, Managers oder Poli-
tikers anzustellen - wenn verglichen wird, dann sowieso bloß mit
seinesgleichen!
Die "Lebensverhältnisse", das "Lebensniveau" oder auch der be-
rühmte "Lebensstandard" sind D u r c h s c h n i t t s-
g r ö ß e n, statistische M i t t e l werte, in denen alle
möglichen und höchst unterschiedlichen Einkünfte zusammenaddiert
werden. Dank dieser Operation hebt dann plötzlich ein gelungener
Geschäftsabschluß oder auch die Abwanderung von ein paar Reichen
in den Osten der Republik automatisch, weil rechnerisch, das
"Lebensniveau" der dort Einheimischen! Die spüren davon nichts,
sondern erfahren höchstens aus stolzen Fernsehberichten von ihrem
gestiegenen L e b e n s s t a n d a r d.
Wenn sich der deutsche Arbeiter (Ost) vergleichen darf, dann nur
mit s e i n e s g l e i c h e n weiter westlich. Jeder nach
seinem Stand! Der deutsche Arbeiter (Ost) bekommt von seinen po-
litischen Chefs das Recht zugesprochen, daß er
e i g e n t l i c h u n d i m P r i n z i p beanspruchen
darf, wie ein deutscher Arbeiter (West) zu leben. Aber nur per-
spektivisch, also vorerst noch nicht! Die "Angleichung der
Lebensverhältnisse" ist nämlich ein P r o z e ß. So etwas dau-
ert bekanntlich und geht bloß "schrittweise". Aber ab sofort pas-
sieren überhaupt bloß noch Schritte in die richtige Richtung:
Alles für die Angleichung!
So lautet die menschenfreundliche Überschrift über alle Maßnah-
men, die die Nation in ihrer neuen Ostzone vornimmt: Jede Telex-
leitung, jede neue Autobahn, jeder Flughafen, jedes aus Staats-
in Privateigentum überführte Mietshaus ist ein Beitrag zur An-
gleichung der Lebensverhältnisse, auch wenn das normale Leben da-
von nichts merkt und damit gar nichts zu tun hat. Auch Subventio-
nen und Steuererleichterungen für Kapitalgesellschaften dienen
demselben schönen Ziel wie die für den Osten staatlich organi-
sierten Billiglöhne: alles zur Angleichung. Spätestens bei den
Löhnen wird unübersehbar, worum es bei der A n g l e i c h u n g
d e r L e b e n s v e r h ä l t n i s s e geht: Für die Anglei-
chung werden hier nämlich erst einmal die Unterschiede vergrö-
ßert! "Gleiche Lebensbedingungen fürs Kapital!" - das ist die
Wahrheit jenes großartigen Versprechens der deutschen Politik an
ihre Ostbürger.
"Strukturpolitik"
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ist der richtige Name für diese Sache, die es im kapitalistischen
Deutschland schon länger gibt: Seit 40 Jahren gibt es Investiti-
onshilfen und Steuergeschenke für "Zonenrand-" und sonstige
"strukturschwache Gebiete". Jetzt ist der neue Osten der Republik
dran.
Der Staat betreibt diese "Strukturpolitik" nicht aus Humanismus
gegenüber benachteiligten Landsleuten, sondern aus einem doppel-
ten Grund: Erstens nämlich ist die sogenannte Strukturschwäche
keine Unbill der Natur, sondern ein Resultat kapitalistischer Ge-
schäftemacherei, die der freiheitliche Staat schützt: Das Kapital
hat die Rentabilität von Standorten verglichen und so überhaupt
erst dafür gesorgt, daß es "industrielle Ballungsräume" und ver-
ödete Landstriche gibt. Der kapitalistische Staat, der diese Nut-
zung erlaubt und fördert, ist mit dem Resultat unzufrieden:
i h m wäre es am liebsten, wenn ü b e r a l l in seinem Herr-
schaftsbereich m e h r G e s c h ä f t e gemacht würden. Ver-
ödete Regionen kommen ihm vor wie ausgebliebenes Wirtschafts-
wachstum.
Dagegen wird etwas unternommen. Die Angleichung der Geschäftsbe-
dingungen organisiert der Staat als Angebot an die Unternehmer.
Und dazu hebt der die regionalen Unterschiede im Lebensniveau der
Bevölkerung nicht etwa auf, sondern nutzt sie zu Sonderangeboten
an die Geschäftswelt aus. Wo kein Geschäft geht, sind die Löhne
niedrig und die Grundstücke billig, aber offenbar nicht genug -
sonst würden die Herren Unternehmer ja zugreifen. Also macht eine
u m A n g l e i c h u n g besorgte Regierung mit ihrer politi-
schen Gewalt die Löhne noch ein Stückchen billiger, ebenso die
Grundstücke, senkt für diesen Raum die Steuern und legt bei Inve-
stitionen ein paar Millionen fürs Kapital drauf.
Was dann die Geschäftswelt aus der Einladung m a c h t, mit der
demokratische Politiker sie anlocken wollen, steht auf einem ganz
anderen Blatt. Entweder entschließen sich die Unternehmen, die
gewährten Sondervorteile auszunützen. Oder sie schlagen einen
noch so großen "Standortvorteil" mangels attraktiver Gewinnaus-
sichten aus - wie derzeit im Osten der Republik. Dort führt die
Unterordnung der vorhandenen Produktion unter die westdeutschen
Konkurrenzmaßstäbe ja dazu, daß sie sich gegenüber dieser Konkur-
renz als weitgehend geschäftsunfähig erweist, für unrentabel be-
funden und eingestellt wird, daß also massenhaft Betriebe zuge-
macht werden. So wird die DDR überhaupt erst einmal in eine
"strukturschwache Zone" verwandelt. Das beflügelt umgekehrt nur
die staatlichen Anstrengungen, den unternehmerischen Lieblings-
bürgern die DDR-Verhältnisse schmackhaft zu machen. Sie sollen ja
nicht unter ihnen leben, sondern sie im Sinne des nationalen
Wirtschaftswachstums benutzen. Das läßt der Staat sich einiges
kosten.
Was das alles mit den Lebensumständen des gemeinen Volks hüben
wie drüben zu tun hat?
Eben: Gar nichts. Oder umgekehrt: Alles. So wird
d e f i n i e r t, wieviel Leben drin ist bei der
"ausgeglichenen" Nutzung von Land und Leuten für die Wirtschaft.
Dafür sind Ossies und Wessies gleichermaßen M i t t e l. Was
das heißt, läßt sich nicht erst an den zigtausend Obdachlosen und
satten 10% Armen "unterhalb der offiziellen Armutsgrenze" studie-
ren, die die "reiche BRD" höchst offiziell bilanziert.
Aber zumindest auf dieser Ebene macht die "Angleichung" ja präch-
tige Fortschritte...
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