Quelle: Archiv MG - BRD AUSSENPOLITIK ANSCHLUSS - Die Eroberung der DDR


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       Worauf es jetzt ankommen soll:
       

"ANGLEICHUNG DER LEBENSVERHÄLTNISSE"

Kaum haben die Politiker aus dem Westen auch im Osten Deutsch- lands die ihnen unerträgliche staatliche "Gleichmacherei" abge- schafft, geben sie die Parole aus, worauf es jetzt ankommen soll: Auf eine "Angleichung der Lebensverhältnisse" in Deutschland (Ost) an Deutschland (West). Also doch wieder Gleichmacherei? Na- türlich nicht. Unterschiede schaffen! ---------------------- Das ist nämlich der erste Schritt zur Angleichung: mit Währungs- union und Anschluß sind erst einmal U n t e r s c h i e d e i n d e n L e b e n s v e r h ä l t n i s s e n innerhalb der Ex- DDR geschaffen worden, wie man sie früher nicht kannte. Jetzt ist in der Ex-DDR für Löhne, Renten und Arbeitslosengelder gesorgt, mit denen man kaum mehr über die Runden kommt - während sich auf der anderen Seite für L e u t e m i t G e l d Verdienstmög- lichkeiten auftun, an die in der alten DDR gar nicht zu denken war. Die staatliche Garantie eines irgendwie an- oder aus- geglichenen "Lebensniveaus" für alle Bürger soll die Untertanen im Sozialismus ja so unfrei gemacht haben; sie entfällt zugunsten einer ordentlichen S c h e i d u n g v o n a r m u n d r e i c h. An dieser Herstellung ungleicher Lebenslagen gibt es nur eine Kritik: Staat, Kapital und DGB sind sich einig, daß die "Differenzierung" bei Löhnen und Gehältern noch viel zu g e r i n g ist! Die S y s t e m a n g l e i c h u n g zwischen Deutschland Ost und West ist also längst passiert. Das i s t die Gleichheit, die der Westen nunmehr auch seinen vom Sozialismus "befreiten" Bürgern bietet. Ein anständiges Leben für alle ist weder Zweck noch "Nebeneffekt" dieser Produktionsweise. Jedem das Seine! ---------------- Die "Lebensverhältnisse", die da zur Angleichung anstehen sollen, sind mit den konkreten Lebensumständen irgendeines konkreten Bür- gers nicht zu verwechseln. Die sind, mittlerweile auch im Osten der Republik, total u n t e r s c h i e d l i c h - und zwar zwischen den oberen und unteren E i n k o m - m e n s s c h i c h t e n und nicht etwa zwischen den Him- melsrichtungen! Der Unterschied zwischen arm und reich ist in der "reichen BRD" so selbstverständlich, daß überhaupt niemand auf die Idee verfällt, einen Vergleich der Einkünfte von Otto Normal- verbraucher mit denen eines Fabrikbesitzers, Managers oder Poli- tikers anzustellen - wenn verglichen wird, dann sowieso bloß mit seinesgleichen! Die "Lebensverhältnisse", das "Lebensniveau" oder auch der be- rühmte "Lebensstandard" sind D u r c h s c h n i t t s- g r ö ß e n, statistische M i t t e l werte, in denen alle möglichen und höchst unterschiedlichen Einkünfte zusammenaddiert werden. Dank dieser Operation hebt dann plötzlich ein gelungener Geschäftsabschluß oder auch die Abwanderung von ein paar Reichen in den Osten der Republik automatisch, weil rechnerisch, das "Lebensniveau" der dort Einheimischen! Die spüren davon nichts, sondern erfahren höchstens aus stolzen Fernsehberichten von ihrem gestiegenen L e b e n s s t a n d a r d. Wenn sich der deutsche Arbeiter (Ost) vergleichen darf, dann nur mit s e i n e s g l e i c h e n weiter westlich. Jeder nach seinem Stand! Der deutsche Arbeiter (Ost) bekommt von seinen po- litischen Chefs das Recht zugesprochen, daß er e i g e n t l i c h u n d i m P r i n z i p beanspruchen darf, wie ein deutscher Arbeiter (West) zu leben. Aber nur per- spektivisch, also vorerst noch nicht! Die "Angleichung der Lebensverhältnisse" ist nämlich ein P r o z e ß. So etwas dau- ert bekanntlich und geht bloß "schrittweise". Aber ab sofort pas- sieren überhaupt bloß noch Schritte in die richtige Richtung: Alles für die Angleichung! So lautet die menschenfreundliche Überschrift über alle Maßnah- men, die die Nation in ihrer neuen Ostzone vornimmt: Jede Telex- leitung, jede neue Autobahn, jeder Flughafen, jedes aus Staats- in Privateigentum überführte Mietshaus ist ein Beitrag zur An- gleichung der Lebensverhältnisse, auch wenn das normale Leben da- von nichts merkt und damit gar nichts zu tun hat. Auch Subventio- nen und Steuererleichterungen für Kapitalgesellschaften dienen demselben schönen Ziel wie die für den Osten staatlich organi- sierten Billiglöhne: alles zur Angleichung. Spätestens bei den Löhnen wird unübersehbar, worum es bei der A n g l e i c h u n g d e r L e b e n s v e r h ä l t n i s s e geht: Für die Anglei- chung werden hier nämlich erst einmal die Unterschiede vergrö- ßert! "Gleiche Lebensbedingungen fürs Kapital!" - das ist die Wahrheit jenes großartigen Versprechens der deutschen Politik an ihre Ostbürger. "Strukturpolitik" ----------------- ist der richtige Name für diese Sache, die es im kapitalistischen Deutschland schon länger gibt: Seit 40 Jahren gibt es Investiti- onshilfen und Steuergeschenke für "Zonenrand-" und sonstige "strukturschwache Gebiete". Jetzt ist der neue Osten der Republik dran. Der Staat betreibt diese "Strukturpolitik" nicht aus Humanismus gegenüber benachteiligten Landsleuten, sondern aus einem doppel- ten Grund: Erstens nämlich ist die sogenannte Strukturschwäche keine Unbill der Natur, sondern ein Resultat kapitalistischer Ge- schäftemacherei, die der freiheitliche Staat schützt: Das Kapital hat die Rentabilität von Standorten verglichen und so überhaupt erst dafür gesorgt, daß es "industrielle Ballungsräume" und ver- ödete Landstriche gibt. Der kapitalistische Staat, der diese Nut- zung erlaubt und fördert, ist mit dem Resultat unzufrieden: i h m wäre es am liebsten, wenn ü b e r a l l in seinem Herr- schaftsbereich m e h r G e s c h ä f t e gemacht würden. Ver- ödete Regionen kommen ihm vor wie ausgebliebenes Wirtschafts- wachstum. Dagegen wird etwas unternommen. Die Angleichung der Geschäftsbe- dingungen organisiert der Staat als Angebot an die Unternehmer. Und dazu hebt der die regionalen Unterschiede im Lebensniveau der Bevölkerung nicht etwa auf, sondern nutzt sie zu Sonderangeboten an die Geschäftswelt aus. Wo kein Geschäft geht, sind die Löhne niedrig und die Grundstücke billig, aber offenbar nicht genug - sonst würden die Herren Unternehmer ja zugreifen. Also macht eine u m A n g l e i c h u n g besorgte Regierung mit ihrer politi- schen Gewalt die Löhne noch ein Stückchen billiger, ebenso die Grundstücke, senkt für diesen Raum die Steuern und legt bei Inve- stitionen ein paar Millionen fürs Kapital drauf. Was dann die Geschäftswelt aus der Einladung m a c h t, mit der demokratische Politiker sie anlocken wollen, steht auf einem ganz anderen Blatt. Entweder entschließen sich die Unternehmen, die gewährten Sondervorteile auszunützen. Oder sie schlagen einen noch so großen "Standortvorteil" mangels attraktiver Gewinnaus- sichten aus - wie derzeit im Osten der Republik. Dort führt die Unterordnung der vorhandenen Produktion unter die westdeutschen Konkurrenzmaßstäbe ja dazu, daß sie sich gegenüber dieser Konkur- renz als weitgehend geschäftsunfähig erweist, für unrentabel be- funden und eingestellt wird, daß also massenhaft Betriebe zuge- macht werden. So wird die DDR überhaupt erst einmal in eine "strukturschwache Zone" verwandelt. Das beflügelt umgekehrt nur die staatlichen Anstrengungen, den unternehmerischen Lieblings- bürgern die DDR-Verhältnisse schmackhaft zu machen. Sie sollen ja nicht unter ihnen leben, sondern sie im Sinne des nationalen Wirtschaftswachstums benutzen. Das läßt der Staat sich einiges kosten. Was das alles mit den Lebensumständen des gemeinen Volks hüben wie drüben zu tun hat? Eben: Gar nichts. Oder umgekehrt: Alles. So wird d e f i n i e r t, wieviel Leben drin ist bei der "ausgeglichenen" Nutzung von Land und Leuten für die Wirtschaft. Dafür sind Ossies und Wessies gleichermaßen M i t t e l. Was das heißt, läßt sich nicht erst an den zigtausend Obdachlosen und satten 10% Armen "unterhalb der offiziellen Armutsgrenze" studie- ren, die die "reiche BRD" höchst offiziell bilanziert. Aber zumindest auf dieser Ebene macht die "Angleichung" ja präch- tige Fortschritte... zurück