Quelle: Archiv MG - BRD AUSSENPOLITIK ANSCHLUSS - Die Eroberung der DDR
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2 + 4 - Verhandlungen
2 + 4 = EINE NEUE WELTMACHT WIRD AUS DER TAUFE GEHOBEN
1.
Die Russen, so hört man, basteln an einem F r i e d e n s v e r-
t r a g. An einem diplomatischen Dokument also, in dem Deutsch-
land nicht als das vorkommt, was es ist, sondern als Nation,
deren Status sich aus dem verlorenen Weltkrieg bestimmt. Das war
einmal. Selbst die Russen scheinen bei ihrem Unternehmen
mitbekommen zu haben, daß es nicht ganz zeitgemäß ist. Sie
fordern keine Reparationen bzw. nur einen moralischen Ersatz
dafür. Ungefähr nach dem Motto, daß sich Deutschland ver-
pflichtet, ein ordentliches Benehmen an den Tag zu legen und nur
Frieden von seinem Boden ausgehen läßt. Die Chancen selbst dieses
Friedensvertrags sind gering. Diplomatische Begegnungen und die
sie krönenden Dokumente pflegen der "Realität" zu entsprechen.
Und die besteht nicht aus Interessen, sondern aus der M a c h t
und ihren Mitteln, mit denen die anrückenden Nationen ihr Inter-
esse zu p o l i t i s c h e n T a t s a c h e n machen.
2.
Die Deutschen, so hört man, wollen von den "großen Vier" der
Nachkriegsjahre eine Unterschrift. Sie denken an dasselbe wie die
Russen, bloß ein bißchen umgekehrt. Sie gehen von den politischen
Tatsachen aus. Die sehen sie in ihrer Macht, die sie in 45 Jahren
angehäuft haben und mit der sie es bis zur "Wiedervereinigung"
gebracht haben. Diese "Realität" beweist ihnen zuverlässig, daß
sie k e i n e b e s i e g t e N a t i o n mehr sind - und die
anderen auch nicht mehr als das auftreten können, was sie einmal
waren: als S i e g e r n a t i o n e n, denen es zusteht,
Deutschland etwas vorzuschreiben.
Da nun aber das Völkerrecht immer noch ein wenig mit Zuständig-
keiten befrachtet ist und operiert, die der "Realität" nicht mehr
gerecht werden, sind gewisse Korrekturen fällig. Sie betreffen
die Angleichung der internationalen "Rechtslage" an die tatsäch-
lichen Kräfteverhältnisse. Die Argumente des neuen Deutschland
sind klar: Eine Nation, die nicht nur weltweit ökonomischen Ge-
winn macht und Einfluß genießt, die sich auch als Militärmacht in
einem angesehenen Kriegsbündnis abschreckend bewährt, die es dar-
über zu einer handfesten Revision des letzten Kriegsergebnisses
gebracht hat eine solche Nation ist völkerrechtlich erstklassig.
Die diplomatisch immer noch herumgeisternde Vorstellung von einer
gewissen Zweitrangigkeit muß weg. Sie ist von gestern.
3.
Das muß ordnungsgemäß ins Protokoll aufgenommen werden. Die Sie-
germächte dürfen zum letzten Mal in dieser ihrer Eigenschaft tä-
tig werden, um dem neuen Deutschland zu bestätigen; daß es völlig
zu Recht nicht mehr als besiegte Nation behandelt wird und der
Status der "Siegermacht" aus der weltpolitischen Szene verschwin-
det. Der Erfolg in der Staatenkonkurrenz gebietet es, dieses
Deutschland nicht wie eine Nation mit beschränkter Haftung zu be-
handeln. So lautet die Tagesordnung, deren Vollzug für die Deut-
schen die einfachste Sache von der Welt ist. Bleibt nur noch die
Frage, ob sich die anderen - noch "Siegermächte" - zur selben
Sicht der Dinge herbeilassen. Daß sie einen " Deutschlandgipfel"
veranstalten, zeigt zwar, daß auch sie so etwas wie einen diplo-
matischen "Handlungsbedarf" verspüren. Ob sie deswegen gleich dem
eindeutigen Rechtsempfinden des schwarz-rot-goldenen Verhand-
lungspartners nachgeben, ist aber eine andere Frage. Nämlich die
ihrer Macht und ihrer Interessen, ohne die keine völkerrechtliche
"Realität" zustandekommt.
4.
Vom deutschen Standpunkt aus trifft es sich gut, daß ein Gebrauch
der geballten Macht, die da am Tisch versammelt ist, gegen die
deutsche Sache nicht vorgesehen ist. Die M a c h t m i t t e l
für eine Beschränkung der gesamtdeutschen Souveränität wären wohl
vorhanden, das I n t e r e s s e daran jedoch hält sich in
Grenzen. Denn die Siegermächte sind erstens nicht als e i n e
Partei zugegen, und zweitens ist ihr Verhältnis zu Deutschland
von ganz unterschiedlichen Gesichtspunkten und "Tatsachen" älte-
ren Datums geprägt. Drei Siegermächte stehen zwar auf dem
W e l t m a r k t i n K o n k u r r e n z zu Deutschland -
hätten also gute Gründe, darauf zu dringen, wo es schon auf sie
ankommt, das Walten deutscher Macht - die gerade expandiert -
einzuschränken. Ausgerechnet die können die Verfolgung dieses
ihres "natürlichen" Interesses aber nicht wollen: Zwei von ihnen
haben sich mit der BRD schon in ökonomischen Dingen als
P a r t n e r zusammengetan und bilden mit ihr auch schon seit
geraumer Zeit gute p o l i t i s c h - m i l i t ä r i s c h e
B e z i e h u n g e n aus. Die USA sind schon lange an Deutsch-
land als Frontstaat interessiert, und zwar wie die Franzosen und
Engländer gegen die Sowjetunion. Dieser vierten Macht am Tisch
kann ein Interesse nachgesagt werden, den Gebrauch deutscher Sou-
veränität einzuschränken. Ihr ausgerechnet gebricht es an den
Mitteln, die schon zur Verhinderung der "Wiedervereinigung" ge-
fehlt haben. Deswegen ist sie nicht auf Konfrontation aus, son-
dern hält es für sicherer, sich mit der NATO und der deutschen
Großmacht zu arrangieren.
5.
So gerät die Deutschlandkonferenz zu einem vollen Erfolg. Erstens
für Deutschland und zweitens auf Kosten der Russen. Der NATO-
V o r b e h a l t, d.h. die gemeinsame Sache des Freien Westens
gegen die Sowjetunion, die eine solide Austragung der Konkurrenz
unter den freien Demokratien des Westens nicht geraten erscheinen
läßt, kommt hier wg. Germany, wieder einmal in seiner p o s i-
t i v e n Seite zum Zuge. "R u s s e n r a u s!" - diese Pa-
role wird in allen Nuancen verhandelt. Ob an sofortiger
Beteiligung unserer Berliner an gesamtdeutschen Wahlen, ob an der
NATO-Mitgliedschaft oder dem deutschen Recht auf den Bau von
Flugzeugträgern - eine "Tatsache" der Weltpolitik will da festge-
schrieben sein, obwohl noch ein paar russische Soldaten in Mit-
teleuropa herumgurken: Hier hat die UdSSR ein R e c h t
v e r l o r e n. "Schadlos" halten möchte sie sich mit einer Art
Friedensvertrag und dem per Unterschrift zugesicherten "Recht",
von der neuen Großmacht, die Europa jetzt vorsteht, nicht weiter
geschädigt zu werden. Dergleichen können Genscher und seine Part-
ner leicht unterschreiben. Sie haben ja eben in eigener Regie
"erfahren", daß das R e c h t im Verhältnis zwischen den
Staatsgewalten genau so lange dauert und soweit reicht - wie die
Tatsachen.
6.
Ob die Zonis an dieser Diplomatie der höchsten Stufe gemerkt ha-
ben, worum es bei der "Wiedervereinigung" geht, ist egal. Haupt-
sache, sie stehen der neuen Weltmacht, an deren Geburt sie so
herzlichen Anteil genommen haben, auch nach der Taufe zur Verfü-
gung.
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