Quelle: Archiv MG - BRD ALLGEMEIN - Auf dem Weg zur Weltmacht
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Mobilmachung auf parlamentarisch
ES LEBE DER VERTEIDIGUNGSWILLE
Da haben Generationen von Schulkindern nach dem 2. Weltkrieg ge-
lernt, daß sie in einem prima deutschen Staat leben dürfen, der
nichts als Wohlstand und Glück unter die Leute bringt und immerzu
auf den Frieden aufpaßt. Vergeblich haben sich Kommunisten 30
Jahre lang bemüht, glaubhaft darzulegen, daß es auch dem "neuen"
Bonner Staat um anderes zu tun ist als um die Versorgung der
Menschheit mit Annehmlichkeiten. Nicht einmal der Hinweis darauf,
daß die Bundeswehr in die NATO gehört und damit wohl für die Er-
ledigung des östlichen Feindes zuständig ist, hat viele über-
zeugt. Zumindest gegenüber Kommunisten haben die Bürger der Bun-
desrepublik nie davon abgelassen, mit "i h r e m Staat" zufrie-
den zu sein und sich etwas darauf einzubilden, in Westdeutschland
arbeiten und sparen, steuerzahlen und dienen zu dürfen. Nicht we-
nige haben sich sogar zu der Überzeugung bekannt, daß es "den
Leuten" zu gut gehe.
Und jetzt, 1981, da die Nachkriegszeit vorbei ist und die Vor-
kriegszeit längst begonnen hat, kommt ein Helmut Kohl daher und
schimpft auf Leute, die sich immer noch eine allzugute Meinung
über ihren Staat leisten:
"Der amerikanischen Wendung zu Führung und Weltpolitik entspricht
leider das deutsche Festhalten an Wohlstand als Staatsziel und
Entspannung als Ersatzreligion."
Anlaß zu dieser Klarstellung war das Thema "Außen- und Sicher-
heitspolitik", mit dem sich die frei-gewählten Politiker letzten
Dienstag in Bonn sehr frei auseinandersetzten. Sozial-, Frei- und
Christdemokraten haben öffentlich miteinander gestritten, wer dem
Volk die unangenehmen Wahrheiten am direktesten sagt und deswegen
berechtigt ist, es zu f ü h r e n. Als wollten sie ein für al-
lemal darlegen, welches dumme Geschwätz der Eid ist, den ein
deutscher Kanzler ablegt - "den Nutzen des Volkes zu mehren...,
Schaden von ihm abwenden" - haben sie einen mehrstündigen Kampf
gegen "Illusionen" veranstaltet, die sie als unerträglich für
sich und den Staat erachten.
1. Wohlstand kein Staatsziel
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Der Staat ist für die Freiheit zuständig, und die hat einen saf-
tigen Preis. Auch auf dem Felde der allerhöchsten Werte scheint
sich die Inflation bemerkbar zu machen; dort bestimmen zwar nicht
Geschäftsleute die Preise, sondern die Politiker - und die halten
es für angebracht,
"Einschränkungen hinzunehmen, gar Opfer zu bringen",
sie wettern gegen die
"Illusion, es gebe Freiheit und materielle Sicherheit zum morali-
schen und politischen Nulltarif",
so daß schon jetzt feststeht:
"Zur Sanierung des Etats 1982 müssen die Bürger Opfer bringen."
Weil der Haushalt der Nation im Augenblick dem "Sachzwang" ausge-
setzt ist, die Einsatzbereitschaft der Friedenswehrmacht zu ga-
rantieren, führt "kein Weg an Kürzungen bei gesetzlich festgeleg-
ten Finanzleistungen" vorbei. Dieser Weg zur Erhaltung unserer
"freiheitlichen Lebensform" wird selbstverständlich völlig ge-
setzlich beschritten, d.h. durch ein neues Gesetz des Gesetzge-
bers: kein Arbeitsloser soll sagen können, er sei beschissen wor-
den...
2. Entspannung = Ersatzreligion
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Der Glaube, die Bundeswehr sei für alles Mögliche da, nur nicht
fürs Kriegsführen, gilt in Bonner Kreisen als überholt. Er mag ja
für die kriegsgebeutelte Generation tauglich gewesen sein, für
Leute, die noch den Spruch von F.J. Strauß in den Ohren hatten -
"Hand abhacken, wenn je wieder Waffe anrühren..." - heute gilt
dieser Glaube als Auftakt zur Sabotage am Kampfauftrag:
"Wer sich nicht scheut, den Ernstfall zu denken",
liegt jetzt richtig: Und von den Politikern aller Fraktionen er-
hält er kundige Anleitung im s t r a t e g i s c h e n Kalku-
lieren. Der Kanzler hat zum Abschluß seiner Amerika-Reise mit dem
amerikanischen Präsidenten ein Communique herausgebracht, das das
Wort "Entspannung" nicht mehr enthält. Jetzt darf man sich bei
der Aufrüstung wirklich "Aufrüstung" denken u n d sie deswegen
auch für gut befinden! Nur aufgerüstet und ü b e r l e g e n
sind Verhandlungen mit den Russen "sinnvoll" - dann also, wenn
schon vor dem Waffengang entschieden ist, wer auf jeden Fall
nachzugeben hat. Die richtige Religion heißt also "Stärke", und
der Glaubensbeweis sind Raketen und Tornados.
3. Die Freiheit verteidigen
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ist also gar nicht so schwer, wenn man die Vorschriften der Poli-
tiker für die "schweren Zeiten" beachtet, die sie so verantwor-
tungsbewußt herbeiführen. Die sozialliberale Regierung, die ge-
genwärtig das Aufrüsten und die Kriegskredite besorgt, sieht
freilich noch in der Zurschaustellung von Gewissensqualen, insbe-
sondere im Gesicht von Willy Brandt, eine brauchbare Masche, ihre
Beteiligung am NATO-Totrüsten zu verantworten. Das "leider", mit
dem sie die Mobilmachung eines Volkes betreibt, dürfte sich al-
lerdings demnächst auf die Propaganda beschränken, welche die SPD
in Gestalt sogenannter Linker in der "Friedensbewegung" treibt.
Friedenswilly Brandt hat schon zu Protokoll gegeben,
"daß Unterschriftenkampagnen keine Politik ersetzen können" -
und Politik treibt er an der Seite von Helmut Schmidt, der sich
mit dem christlichen Helmut völlig einig ist, daß sich das
"Wunschdenken" noch allemal vor dem "Realismus" der Macher in den
USA wie in Bonn zu blamieren hat. Und die haben beschlossen, daß
die Freiheit verteidigt wird, auch wenn das ihren Genuß erheblich
mindert. Es geht schließlich um die Freiheit der Nation und um
sonst nichts.
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