Quelle: Archiv MG - BRD ALLGEMEIN - Auf dem Weg zur Weltmacht
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Diskussionsveranstaltung
DER ERNSTFALL IM FRIEDEN
1
Von der "Nachrüstung" - man erinnert sich: die Mittelstreckenra-
keten vom letzten Jahr wird nicht mehr viel geredet. Die ersten
Batterien sind gefechtsklar. Damals noch sollten sie angeblich
eine Lücke westlicher "Sicherheit" schließen, jetzt sieht es so
aus, als hätten Pershing II und Cruise Missile lauter "Fenster
der Verwundbarkeit" aufgerissen: Zu wenig Panzer, überhaupt eine
"konventionelle Rüstung" viel zu weit unterhalb der "nuklearen
Schwelle", die Moral der Truppe unter aller Sau und der Personal-
stand Ende der 80er Jahre besorgniserregend!
2
Die nationale Debatte um die Raketenstationierung ist so einer-
seits beendet worden - durch die Stationierung -, andererseits
hat sich der Bonner Beschluß, zur Tagesordnung überzugehen, da-
hingehend ausgewirkt, daß jetzt die Tagesordnung in Sachen
K r i e g s v o r b e r e i t u n g sang- und klanglos abgehakt
wird. Etwa mit Fragen der folgenden Art: Wie läßt sich die Rolle
der europäischen Streitkräfte im Bündnis stärken? Wie ist das
Verhältnis zwischen taktischen und strategischen Atomwaffen? Was
für konventionelles Zeug muß dafür angeschafft werden? Die Auf-
gabe der Chemie in der Waffentechnik? Weltraumlaser gut oder
schlecht für die BRD? Frauen in die Bundeswehr und/oder "bedingt
Taugliche" für bestimmte Aufgaben sehr gut tauglich? Dürfen Tiere
abgeknallt werden?
3
So diskutiert man auch die Metzeleien an fernen Fronten: Ange-
sichts des erklärtermaßen ganz normalen Krieges der westlichen
Führungsmacht gegen den Sandinismus in Nicaragua fragt sich die
bundesdeutsche Öffentlichkeit engagiert-sachkundig, ob Reagan
nicht zu weit gehe; man befindet die "freien Wahlen" in El Salva-
dor für ungeschickt inszeniert; hält die Folterpraktiken des tür-
kischen NATO-Verbündeten für belastend und bewertet "kritisch",
wie der Bonner Kanzler und sein Außenminister die "deutsche Posi-
tion im Bündnis" zur Geltung bringen. Ansonsten sorgt man sich um
Brutalität auf Videokassetten.
4
Die Mobilmachung an der Heimatfront nimmt mittlerweile einen ge-
werkschaftlichen Streik, der erklärtermaßen keiner sein will, als
"Anschlag auf den inneren Frieden" wahr, sieht in den Ansprüchen
einer durch und durch staatsfreundlichen Gewerkschaft "marxisti-
sche Kadergruppen" am Werk und würdigt die von Blüm geplante
"Änderung des Arbeitsrechts" zugunsten von Kapital und Staat
("das Arbeitsrecht gelenkiger machen") als einen mehr oder
weniger gelungenen Beitrag zur "Förderung der Beschäftigung".
5
Der umstandslose Dienst für die Wirtschaft und damit für den Er-
folg der Nation, steht auf dem Programm - ein Anspruch, der sich
mit einer Verkürzung der Arbeitszeit ebenso wenig verträgt wie
mit dem Anspruch der Arbeiter, von ihrer Arbeit leben zu können.
Für diesen Dienst am Vaterland werden Ausländer ganz prinzipiell
für untauglich befunden, weshalb diese raus und deutsche Embryos
auf jeden Fall vermehrt sein müssen. Mit den Untertanen fremder
Nationen kann ein deutscher Staat schlecht Krieg fahren - und so
gebietet der in Aussicht genommene "Ernstfall" schon im Frieden
all die Maßnahmen, welche die Nation auch im Innern gefechtsklar
machen.
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