Quelle: Archiv MG - BRD ALLGEMEIN - Auf dem Weg zur Weltmacht
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Bremer Hochschulzeitung, 19.09.1984
EIN ECHTER VORKRIEGSSKANDAL
Skandal in Bonn: Der italienische Außenminister Andreotti erhob
Einspruch gegen den nationalen Haupt- und Oberzweck der bundes-
deutschen Politik, die "deutsche Teilung" in einem befreiten Eu-
ropa vorn Atlantik bis zum Ural zu "überwinden":
"Es gibt zwei deutsche Staaten, und zwei sollen es bleiben."
Denn: "Wenn man das Abkommen von Jalta in Frage stellt (worin der
UdSSR ihre osteuropäische Einflußsphäre zugestanden ist), so ist
dies eine weit größere Gefahr, als es die Atomarsenale sind."
Ist es nicht wahr, daß die "Überwindung der Teilung Deutschlands
und Europas" die Auflösung der realsozialistischen osteuropäi-
schen Staaten voraussetzt, also ein Kriegsprogramm ist? Gerade
deshalb darf ein EG- und NATO-Partner der BRD sich nicht dagegen
aussprechen. Regierungssprecher Boenisch erklärt Andreottis Stel-
lungsnahme für null und nichtig: "Was der italienische Außenmini-
ster gesagt haben soll, kann er so nicht gesagt haben." Weil er
es doch gesagt hat, wird der italienische Botschafter in Bonn zu
Kanzler und Außenminister zitiert. Die wollen ihm mit der ganzen
ihnen zu Gebote stehenden Unverschämtheit zu verstehen geben, wie
unmöglich es ist, daß ein italienischer Minister gegen Richtli-
nien seiner, der italienischen nämlich, Außenpolitik verstößt,
die in der zweiten NATO-Hauptstadt B o n n erlassen wurden.
Boenisch: Andreotti führe sowjetische Propagandaparolen im Munde.
Wenn die Sowjetunion der BRD Revanchismus vorwirft, dann führen
sich die bundesdeutschen Führer als wahre Unschuldslämmer auf,
wundern sich heuchlerisch, wie die Russen bloß auf so eine absei-
tige Idee kommen, und betonen die Friedfertigkeit der BRD. Wenn
aber ein Bündispartner und obendrein Christdemokrat dasselbe, was
die Russen als Revanchismus angreifen, "Pangermanisinus" nennt
und vom Standpunkt des italienischen Nationalismus auf Distanz
dazu geht, dann lassen Kohl und Co. die Maske der Harmlosigkeit
fallen und demonstrieren, wie bitterernst es ihnen mit ihrem na-
tionalen Großmacht- und Kriegsprogramm ist. Andreotti wird als
Agent des Feindes denunziert, Italien wird darauf gestoßen, daß
der Kreuzzug für das heilige "Wiedervereinigungsgebot" der BRD-
Verfassung zu den obersten "Verkehrsregeln" auch der italieni-
schen Außenpolitik gehört.
"Auch ein Italiener am Steuer eines Ferraris kann nicht so forsch
und gegen alle Verkehrsregeln um die Ecken der Geschichte bie-
gen." (Boenisch)
Das soll er sich einmal hinter die Löffel schreiben, der Oberspa-
ghetti, daß er nicht bei der NATO mitmachen und sich zugleich vom
deutschen Imperialismus distanzieren kann! Klar: Wenn die BRD
sich anschickt, die künftigen "Regeln der Geschichte" zu bestim-
men, also mit amerikanischen Raketen und deutschen Tornados und
Leos ihr Großmachtprogramm gegen den großen Feind im Osten
durchsetzen will, darin kann sie nationale Disziplinlosigkeit bei
den "Partnern" unmöglich durchgehen lassen.
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