Quelle: Archiv MG - BRD ALLGEMEIN - Auf dem Weg zur Weltmacht


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       Der Veranstaltungskommentar
       

"IST DIE BRD VERTEIDIGENSWERT?"

- diese Frage wollten sich letzten Donnerstag Bonner Studenten im gut besuchten Hörsaal 17 anhand der Argumente der MARXISTISCHEN GRUPPE beantworten. Nach reger Diskussion rang sich der Saal schließlich zu einem klaren NEIN durch. Abschlägig beschieden wurde die Frage zunächst durch eine Über- prüfung derjenigen "guten Gründe", die ein Bundesbürger dafür ha- ben soll, voll und ganz für sein Vaterland einzustehen. Von s i c h s e l b e r aus freilich geht solche Rechnung nie auf: daß es irgendwie was bringen soll, "tot statt rot" zu sein, ist einfach abwegig (im übrigen würde es jeder Politiker, der diese Parole für so umwerfend überzeugend hält, als Unverschämtheit empfinden, wenn man i h m mit einem knappen "lieber lebendig als christ/sozialdemokratisch" begegnete). Daß dabei in der Tat kein zählbarer Vorteil für den Bürger her- ausspringen k a n n, soll einen laut höchstoffiziellem Beschluß nun aber nicht zu dem Schluß verführen, den ganzen Krempel hinzu- schmeißen. Vielmehr soll man - o h n e etwas für sich zu erwar- ten - "unser" Land nicht nur tapfer, sondern auch noch innerlich überzeugt verteidigen. Eventuelle Unklarheiten beseitigt der Ein- berufungsbefehl - übrigens ein ganz eindeutiges Zeichen dafür, daß der Staat sich gerade n i c h t darauf verläßt, daß seine Bürger, die er als Soldaten gebrauchen will, freiwillig für die Freiheit, die doch angeblich das Senkrechteste auf der Welt ist, an die Front marschieren. Also sollte sich auch niemand vorma- chen, er würde wegen seiner Freiheit ins Feld ziehen. Noch dazu wegen einer Freiheit, die für die meisten eh nur im Arbeitengehen und treuer Pflichterfüllung besteht. Oder wann demonstriert ein Freiheitsfreund schon mal gegen die Regierung, wann versammelt er sich schon mal zum Umsturz, kurz: wann tut er schon mal das, was er den sowjetischen Bürgern so warm ans Herz legen möchte? Diese armen, weil unfreien Erdenwürmer sollen sich gegen ihre Regierung auflehnen, um in den Genuß der Freiheit zu gelangen - nur, um sie dann nicht zu gebrauchen? Ein schöner Treppenwitz des freiheitli- chen Nationalismus! Abschlägig beschieden wurde die Frage nach der Verteidigungswür- digkeit zweitens daran, w a s denn nun t a t s ä c h l i c h verteidigt wird. Das sind nun allerdings sehr handfeste Dinge. Gemeint sind: "Unser" Öl am Persischen Golf, "unsere" Sicher- heitsinteressen in Nahost, Mittelamerika und Afrika, etc. Anfan- gen kann der arbeitende Mensch damit zwar nichts, über das ein- vernehmende "Wir" wird er auch nicht zum Nutznießer von Rohstoff- quellen und Militärstützpunkten in fremden Ländern - doch als D e u t s c h e r wird er für solche Vorhaben seines Staates von diesem quasi in Sippenhaft genommen: Wer mit Öl nur heizt, wer mit Ausländern nur auf dem Zeltplatz verkehrt, der hat eben kei- nen Reichtum und keine Einflußsphären zu verteidigen, aber ent- lassen ist er aus dem weltweiten Verteidigungsauftrag seiner Na- tion damit - etwa mangels Masse! - noch lange nicht; dann hat er eben nicht f ü r, aber m i t sich selber geradezustehen. Bemerkenswert an den in der Diskussion vorgebrachten Einwänden zu den Ausführungen der MARXISTISCHEN GRUPPE war die Tatsache, daß sie die Frage nach dem "größeren Übel" aufwarfen, das selbstver- ständlich in der DDR/SU zu finden sei. Daran fällt auf, daß die- ses Argument - so falsch es schon ist, die eigene Lebenslage aus einem V e r g l e i c h mit den Zuständen in anderen Ländern zu beurteilen, ganz so, als hätte man die freie Auswahl, wo man ge- boren wird und wo man hingeht sich nicht einmal selbst mehr ernstnimmt: mit dem Verweis auf das vermeintlich g r ö ß e r e Übel soll das Ü b e l an dem kleineren verschwunden sein. Wenn man zwei saure Bier vorgesetzt kriegt, soll das weniger abgestan- dene plötzlich runterzischen wie Edelpils? In der politischen Einschätzung scheint das allerdings so zu sein: Bloß weil es drü- ben schlimmer sein soll als hier, will man hier nichts mehr auszusetzen haben! Eine saublöde Aufrechnerei, bei der nichts anderes herauskommt als genau die Formel, die einem von höherer Seite her sehr bekannt vorkommen sollte: Wer was gegen den Westen hat, ist für den Osten (wieso denn eigentlich?) - und weil "wir" nun einmal gegen den Osten sind, hat man sich ganz fest in Reih und Glied hinter der Fahne des "kleineren Übels" zu sammeln. Und weil sich die Teilnehmer der Veranstaltung solch antreibende Gewaltmärsche nicht l e i s t e n wollen, beschlossen sie, einen freien Sonntag im November dazu zu nutzen, ihrer Abneigung gegen die Taten des amerikanischen und bundesdeutschen Imperia- lismus auf den Straßen unserer freien Hauptstadt Ausdruck zu ver- leihen. Als Termin wurde der 22.11., 13.00 Uhr vereinbart. zurück