Quelle: Archiv MG - BRD ALLGEMEIN - Auf dem Weg zur Weltmacht
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Bremer Hochschulzeitung Nr. 13, 22.04.1980
UNSERE MEINUNG
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Die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten, wie sich die von
der iranischen Regierung verletzte Ehre der amerikanischen Nation
wiederherstellen lasse, ist gefallen. Die Willenserklärung Car-
ters, "Washington habe seinen Vorrat an nichtkriegerischen Mit-
teln erschöpft", gab sich ganz logisch. Der Übergang zu den Mit-
teln, die jetzt fällig seien, ergebe sich "durch die analytische
Anwendung des gesunden Menschenverstandes".
Der gesunde Menschenverstand hierzulande hat sich diese Logik des
Imperialismus schon längst zu eigen gemacht. Die Konkjunkturen
der öffentlichen Beurteilung der amerikanischen Politik gegen den
Iran beruhen seit Beginn des "Geiseldramas" auf einer festen
Grundlage: ein Krieg der Amis gegen Iran ist notfalls immer drin,
wenn es um die Sühne des verletzten Völkerrechts und der diploma-
tischen Gepflogenheiten geht.
Daß es zum Krieg kommen kann, ist eine nicht nur an Stammtischen
verbreitete Selbstverständlichkeit. Die gehobene Version kann man
der letzten Nummer der ZEIT entnehmen, worin die Redakteure
gleich unverblümt in die Uniform der Generalstäbler geschlüpft
sind und sich über Vorteile und Nachteile von Blockade bzw. Ver-
minung auslassen. Daß die Möglichkeit militärischen Eingreifens
jetzt auf dem Programm steht, verlangt dem politischen Gewissen
in der BRD im Augenblick allerdings eine zusätzliche Verantwor-
tung ab. Antiamerikanische Stimmung, die unter Berufung auf ver-
säumte Chancen und auf Fehler des amerikanischen Präsidenten,
seiner "Führungsschwäche" und "seinem autoritären Umgang mit sei-
nen Verbündeten" Amerika allein die Kastanien aus dem Feuer holen
lassen will, kann jetzt nicht mehr geduldet werden:
"Sie mögen diese Politik für undurchdacht, für unzweckmäßig, ja
für schädlich halten. Sie mögen dem Mann, der sie derzeit verant-
wortet, zutiefst mißtrauen.... All diese Vorbehalte schwinden da-
hin angesichts der Gefahr, daß das Verhältnis zwischen Amerika
und seinen Verbündeten unwiederbringlich Schaden nimmt." (ZEIT)
Jede Spekulation auf ein mögliches Heraushalten ist von jetzt an
verboten. Die Zeit für Klagen über "Alleingänge" Carters ist end-
gültig vorbei: der Nation wird verordnet, daß das deutsche Inter-
esse sich in den Stunden, "wo die Welt wieder etwas kälter gewor-
den ist" in der umstandslosen Solidarität mit den militärischen
Maßnahmen, die die USA ergreifen will, zu bewähren hat.
2
Dem Nationalismus der Bundesbürger macht dieser Marschbefehl
keine Schwierigkeit. Protest gegen die offiziell geschürte Be-
fürchtung, daß ein Krieg fällig ist, an dem sich die BRD, wenn
auch nicht gleich militärisch beteiligt, ist weit und breit nicht
zu sehen. Mitten in einer Situation, wo jedermann in dieser Repu-
blik darauf eingeschworen wird, daß sich westdeutscher Nationa-
lismus jetzt als die Solidarität mit dem Amis buchstabiert, folg-
lich nur noch das Wann und Wie, nicht aber das Ob eines militäri-
schen Schlages gegen den Iran zur Debatte steht, besinnen sich
Berliner (das hat die Frontstadt verdient!) Intellektuelle, voran
Günter Grass, auf eine aparte Abart des proamerikanischen Antia-
merikanismus.
"Wir sind Verbündete mit den Vereinigten Staaten, wir sollen es
auch bleiben. Aber wir sollen kritische Partner sein, denn wir
sind keine Satellitenstaaten. Das ist ein wesentlicher Unter-
schied zum Ostblock."
Das A und O des bundesdeutschen Nationalismus, daß wir wieder et-
was gelten in der Welt (man schaue bloß nach drüben), wird hier
herangezogen, um die besondere Verantwortung der deutschen Nation
für den Frieden in der Welt hochzuhalten. Diese besondere Verant-
wortung der D e u t s c h e n, die schon genug Kriege angezet-
telt hätten, soll begründen, daß es sich die deutsche
N a t i o n, weil aus eigener Schuld geteilt und zwischen zwei
Weltblöcken stehend, nicht leisten kann, in einen neuen Krieg
verwickelt zu werden. Der Einsatz der BRD als Weltfriedens in
a c h t wird gefordert und hierin setzen die Verfasser des
Briefes auf die politische Stärke der BRD, an der ihnen nichts
problematisch ist und entschuldigen zugleich alles, was die Bun-
desregierung mit dieser Stärke in der Welt so anfängt. Als hätte
die BRD mit dem US-Imperialismus, dessen treuester Bündnispartner
sie ist, nichts zu tun, wird ihr ein moralisches Weltgewissen be-
scheinigt von einigermaßen verrückten Nationalisten, die nichts
gegen die praktizierte Politik Schmidts haben, weil sie an die
besondere Mission Deutschlands in der Welt glauben.
3
Als imperialistische Missionare sind die Macher des Modell
Deutschland zur Zeit groß im Geschäft. Ihre Mission ist einfach:
Krieg im Iran muß es geben, wenn nötig, aber es soll keiner sa-
gen, die deutschen Politiker hätten nicht davor gewarnt. Gleich
viermal hat der Kanzler in diesen Tagen den Rückblick auf den Au-
gust 1914 bemüht, nicht weil er ernsthaft behaupten würde, im
April 1980 sei alles wie damals (kann man ja schon an ihm se-
hen!), sondern weil sich solche Anspielungen sehr schön für die
moderne Form der Kriegspropaganda eignen. 1. sehr viel darüber
reden, damit jeder weiß, wie ernst die Lage ist. 2. sehr viel
darüber reden, wie leicht man in einen Krieg "schlittern" kann,
damit jeder weiß, daß der Krieg letztlich nur ein fahrlässiger
Unfall ist, 3. sehr viel über Kriegsvermeidung reden, damit jeder
weiß, daß Politik auch noch anders geht als mit Waffen - und die
BRD (spätestens hinterher) als Friedensbote dasteht.
Vom Krieg habe er die Schnauze voll, meinte der Kanzler; und sel-
ber geführt hat unsere Republik seit 35 Jahren keinen mehr. Aber
worum es geht, weiß der Warner aus Bonn schon, ein wenig imperia-
listische Erfahrung haben die Deutschen ja immerhin:
"Anknüpfend an die Bündnistreue gegenüber den USA verglich
Schmidt die psychologische Situation der Amerikaner mit der Si-
tuation der BRD zur Zeit von Mogadischu. Damals hätte man sich
alle nur denkbaren Wege überlegt, um die "verschleppten Mallor-
caurlauber der Landshut" freizubekommen. Dies wolle er jedoch
nicht als "Plädoyer für unüberlegte Handlungen" verstanden wis-
sen. Abschließend betonte Schmidt, daß man notfalls in der Lage
sein müsse, seine eigenen Interessen auch militärisch zu vertei-
digen." (Das Ganze - ein sicherheitspolitischer Kongreß der SPD)
Es ist eben alles ganz anders als im August 1914. Die Kriegspro-
paganda und Deutschland haben Fortschritte gemacht.
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