Quelle: Archiv MG - BRD ALLGEMEIN - Auf dem Weg zur Weltmacht


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       Wer macht, warum und wozu gibt es
       

"DIE "SCHWEREN ZEITEN"?

"Schlechte Zeiten, Kamerad!" - "Du sagst es!" Denn jeder hat reichlich Gelegenheit zu merken, daß "es" nicht mehr "so gut geht". Jeder auf seine Weise: - Der "Lohnempfänger" am "empfangenen" Lohn; denn der sinkt im 1983er Jahr, erstmals seit langer Zeit, nicht mehr "bloß" für viele einzelne, sondern für die Vielen mit einzelnen Ausnahmen, nicht mehr "bloß" reell, in erschwinglichen Gütern gemessen, son- dern über's Jahr gerechnet auch als Geldsumme. Oder glaubt noch irgendwer, mit den freiwilligen, übertariflichen Lohnteilen könnte man dieses Jahr fest rechnen? Noch nicht einmal der Ta- riflohn ist heutzutage ja noch sicher! - Die "Arbeitslosen" - nicht daran, daß sie die Arbeit los sind (wer möchte das nicht?), sondern weil sie damit bekanntlich gleich auch ihren Lohn los sind. Genauer also: die "Nichtmehr- Lohnempfänger" kriegen ein sparsam bemessenes Stück vom vorher Zwangsgesparten, und auch das nur befristet, als Überleitung zur Sozialhilfe oder zur Rente, was keinen großen Unterschied macht. Denn die "schweren Zeiten" merken auch - Die Rentner an ihrem Gnadenbrot; davon ist der letzte Zipfel Wurst jetzt runter. Und wenn's vom Geld-"Empfang" zum Geldausgeben geht, merkt der Mensch die "schlechten Zeiten" gleich ein paarmal: - Als Mieter - Als "Haushalt" - Als Urlauber - Als "Genießer" von Klaren oder Zigaretten Usw. usw. Und damit auch jeder weiß, was das ist, was er da merkt, wird es von Politikern immerzu laut verkündet (und der gegnerischen Par- tei in die Schuhe geschoben) und von den Fernseh- und Pressefrit- zen ganz unermüdlich breitgetreten: Die "schlechten Zeiten" sind's! Merkwürdig bloß: daß diese "Zeiten" d a r i n b e s t e h e n, daß der lohnabhängige Teil der Menschheit immer weniger bekommt und für das weniger immer noch ein Stück weniger kaufen kann, das will von all den Politik- und Öffentlichkeitsaffen keiner gesagt haben. Nicht, daß es den Leuten schlechter geht, ist der Inhalt der "schweren Zeiten" und der Grund, "die Zeiten" "schlecht" zu nennen. Genau umgekehrt: W e i l "die Zeiten schlecht" sind, d e s w e g e n soll klar sein, daß es den Leuten dann auch ir- gendwie komplizierter geht. Und das ist nicht bloß eine Angelegenheit davon, was man sich über Weltlage und Weltenlauf d e n k e n soll. E i n e g a n z e T a r i f r u n d e wird dieses Jahr wieder unter die praktische Maßregel gestellt: Weniger Lohn ist zur Zeit das Be- ste, was man den Lohnarbeitern tun kann; alles andre wäre schäd- lich - "schwere Zeiten"! J a w o r i n b e s t e h e n s i e d e n n e i g e n t- l i c h, diese merkwürdigen "Zeiten", die immer als die allereh- renwerteste B e g r ü n d u n g herhalten, wenn es den Lohnabhängigen ans Einkommen und ans Auskommen geht?! Leer soll sie sein - die Staatskasse nämlich -------------------------------------------- Und es soll Leute geben, die stellen sich das allen Ernstes so vor, als hätten Kohl und Stoltenberg oder vorher Schmidt und seine Matthöfers ins staatliche Haushaltsportemonnaie geguckt und voll Entsetzen festgestellt: Schon wieder alles weg! - Als wurde irgendwo Mangel herrschen, wenn die Bundesrepublik ihre Macht nach innen oder nach außen ausübt und repräsentiert! Nun weiß auch jeder: Wenn der Staat weniger Geld einnimmt als er braucht, um die wichtige Rolle auf dem Globus zu spielen, für die die Deutschen anzutreten haben, dann läßt er nicht von seinen un- bescheidenen Vorhaben ab - dann macht er S c h u l d e n. Auch da stellt mancher sich die Staatsschulden vor wie einen riesigen Barkredit, den die Regierung irgendwann abbezahlen muß - als würde sonst eines Tages der Finanzminister sich selbst den Ge- richtsvollzieher ins Haus schicken. Nein, wenn der Staat Schulden machen würde mit der Absicht, sie irgendwann zu begleichen, könnte er es geradeso gut gleich las- sen. Er will ja gerade über seine Steuereinnahmen hinaus sich mehr Machtmittel verschaffen und die Wucht seiner Ökonomie ver- größern, also seine Bedeutung und seine Gewalt in der Konkurrenz der Nationen erhöhen. Höhere Bedeutung stellt aber wieder höhere Ansprüche und nicht etwa kleinere. Ein Staat, der seine nationale Wirtschaft stärkt und weltweit an Einfluß gewinnt, wird darüber doch nicht zufrieden und bescheiden und gibt eine Ruhe; immer mehr "Verantwortung" hat er zu tragen - für "unser Öl" in Arabien und Nigeria, für den "Freiheitskampf" afghanischer Moslems, für die Beseitigung der "Raketenlücke in Westeuropa"... -; und die kostet immer mehr. Der Staat macht also Schulden, um sie mit erneuten und vermehrten Schulden zu "begleichen"; und d a s kriegen seine Untertanen in den "schweren Zeiten" zu spüren - so unterschiedlich, wie es sich für eine Klassengesellschaft gehört: - Wer Geld h a t, für den ist die Staatsverschuldung fast so etwas wie ein finanzkapitalistisches Schlaraffenland. Vor allem die Banken, die dem Staat das Geld ihrer Kundschaft verleihen oder vermitteln, legen sich außer garantierten Zinseinnahmen so einen Schatz von Wertpapieren zu, der ihnen die Ausgabe neuer Kredite an die Kundschaft erlaubt, also das Geschäftsleben beflü- gelt: - Wer sein Geld zum Leben v e r b r a u c h t, der bekommt es bloß mit einer Wirkung des beflügelten Geschäftslebens zu tun, mit der aber um so härter: Die allgemeine Zahlungsfähigkeit steigt, die seine aber leider überhaupt nicht, schon gar nicht in entsprechendem Maße. Und wenn dann die Geschäftswelt "aus dem Markt" herausholt, was "der Markt hergibt", dann hat König Kunde mit steigenden Preisen zu kämpfen - und darf seine Einkaufsnöte Woche für Woche als Inflationsrate zur Kenntnis nehmen wie die neueste Wasserstandsmeldung. Natürlich tut der Staat auch einiges, um "die Inflation zu dämp- fen". Er verschuldet sich nicht hemmungslos, sondern nur für die Vorhaben, die ihm Macht und Einfluß mehren - zufriedene Rentner, wohlversorgte Kurgäste oder Patienten, sorgenfreie Arbeitslose fallen darunter n i c h t; da läßt sich im Gegenteil beim brei- ten Publikum von der allgemeinen Zahlungsfähigkeit einiges "abschöpfen". Und wenn dasselbe bei den Löhnen geschieht - siehe oben -; wenn entlassene Arbeiter hunderttausendweise auf Stingl- Diät gesetzt werden; dann sinkt die Zahlungsfähigkeit des Publi- kums erst recht - und das macht nicht "die Wirtschaft" kaputt, wie mancher besorgte Gewerkschaftsboß sich denkt, sondern eröff- net der staatlichen Verschuldungspolitik neue Perspektiven, ohne: daß die Inflation das Geschäftsleben, vor allem das mit dem Aus- land, beeinträchtigt. Wenn also für das vorletzte Jahrzehnt des Jahrhunderts "schwere Zeiten" angesagt sind, dann heißt das für den Staat nur eins: s e i n e w e l t w e i t e n I n t e r e s s e n h a b e n H o c h k o n j u n k t u r; und deswegen m a c h t er der Masse seiner Bürger das Leben finanziell sehr schwierig. Der Druck der Konkurrenz ------------------------ vor allem derjenigen aus Japan, setzt angeblich d e r d e u t- s c h e n W i r t s c h a f t ganz furchtbar zu: das ist die andere Abteilung der "schweren Zeiten", in deren Namen man sich jede Schlechterstellung als Notwendigkeit gefallen lassen soll. Da soll man sich denken - und so mancher tut das wohl auch -, die bundesdeutsche Industrie läge ganz furchtbar darnieder, und wenn nicht schleunigst zehnmal mehr Profit gemacht wird, ist es bald aus mit der Nation. Nun, zu diesem S c h w i n d e l will es nicht so recht passen, - daß in deutschen Firmen zur Zeit die härtesten - und natürlich aufwendigsten - Rationalisierungen laufen, die dort je gelaufen sind; d a b e i kann dann manches Unternehmen nicht mehr mithalten und geht pleite! daß die deutsche Wirtschaft ausgerechnet im Krisenjahr '82 einen Exportboom hingekriegt hat wie noch nie; d a r a n ist schon mancher ausländische Konkurrent zugrundegegangen! Das sind schon sehr eindeutige Klarstellungen über die Weltmarkt- Konkurrenz, unter der die deutsche Wirtschaft angeblich gerade zusammenbricht. Den K o n k u r r e n z d r u c k, den da alle Welt beseufzt, m a c h t d i e b u n d e s d e u t s c h e W i r t s c h a f t s e l b s t. Wie? und mit wem? Mit dem Ar- beitspersonal, dem sie "schwere Zeiten" einbrockt; dadurch, daß sie ihm "schwere Zeiten" beschert. Deren Klartext heißt hier näm- lich schlicht und ergreifend: S e n k u n g d e r L o h n k o s t e n - E r h ö h u n g d e s p r o f i t- b r i n g e n d e n A u s s t o ß e s. Schon in normalen Zeiten ist es - wenn man's 'mal ohne Angeberei ehrlich betrachtet kein Glück, sondern ein Pech, "produktiver Arbeiter" zu sein; denn für die Herstellung des Markenartikels "Profit" gehen täglich erneuerte Anstrengung, täglich erneuerte finanzielle Sorgen und die Unsicherheit darüber, überhaupt benutzt zu werden, notwendig zusammen. Wenn die nationale Wirtschaft Weltrekorde in Sachen Konkurrenz anstrebt, dann wachsen für das "Menschenmaterial" die Härten entsprechend: genormte Leistung ohne Lücken; ein Entgelt immer ein Stück weiter unter dem gewohnten "Lebensstandard"; immer handfestere Aussichten auf häufigeren und dauerhafteren Lohnausfall durch Entlassung - nämlich e n t w e d e r, weil die "eigene" Firma gerade dabei ist, in Sachen Leistungssteigerung neue Maßstäbe zu setzen, und deswegen auf ein paar "liebe Mitarbeiter" verzichtet; o d e r deswegen, weil die "eigene" Firma da nicht mithalten kann oder will und dicht macht. Für die Betroffenen eine heiße Alternative - lang genug haben sie ja Zeit, darüber nachzugrübeln...! Für das nationale Kapital dagegen heißen die "schwierigen 80er Jahre" nur eins: s e i n e K o n k u r r e n zi n t e r e s- s e n g e g e n d e n R e s t d e r G e s c h ä f t s- w e l t a u f d e m G l o b u s h a b e n H o c h k o n- j u n k t u r; damit macht es seinen Wertarbeitern das Leben schwer. Eine ideologische Sauerei sondergleichen ---------------------------------------- ist daher das öffentliche Gerede von den "schweren Zeiten" für Staat und Wirtschaft, denen die auf Lohnarbeit festgelegten Bür- ger durch mehr Verzicht Rechnung tragen müßten. Die demokrati- schen Herrschaften und die "Arbeitgeber" machen ihre Leute kon- junkturgemäß zu Opfern; das geschieht über's Geld wie von selbst und ohne jede Volksabstimmung. Dann werden die Probleme beschwo- ren, die Staatsmacht und Kapital ausgerechnet mit ihren Erfolgen bekämen; und im Namen dieser Probleme soll ein jeder die Not zur Tugend machen und die ihm auferlegten Opfer auf die Kappe seiner Opferbereitschaft nehmen, so als hätte er sie sich ganz freiwil- lig aus lauter Edelmut ausgesucht. So werden die "schweren Zei- ten", die man aufgehalst bekommt, sogar noch zum Argument dafür gemacht, sie sich gefallen zu lassen: so vernünftig und anständig geht es zu in einer demokratisch verwalteten Marktwirtschaft. Und die Betroffenen? -------------------- Lassen eine Tarifrunde über sich ergehen, in der diese Vernunft und dieser Anstand das Sagen haben. zurück