Quelle: Archiv MG - BRD ALLGEMEIN - Auf dem Weg zur Weltmacht
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Dortmunder Hochschulzeitung Nr. 18, 10.05.1983
Die Regierungserklärung:
Doktor Kohl klärt auf über die Rolle der
MENSCHLICHKEIT IN DER POLITIK
Sicher, Kanzler Kohls Regierungserklärung w a r ein zweiein-
halbstündiger klebriger Strom moralischer Gemeinplätze und Tief-
sinnigkeiten. Dem Kanzler ausgerechnet d a s zum Vorwurf machen
zu wollen: das setzt allerdings eine "aufgeklärte" - und in ihrer
eingebildeten intellektuellen Erhabenheit auch so unanfechtbare
U n t e r t a n e n g e s i n n u n g voraus.
Jene Gesinnung, mit der der selbstbewußte Knecht sich einen über-
legenen Herrn wünscht, an seinem Herrn also die mangelnde bzw.
mangelhaft demonstrierte Überlegenheit vermißt und sich nach
w i r k l i c h e r "geistiger Führung" sehnt; jene demokrati-
sche Untertanengesinnung, auf die die offizielle Opposition spe-
kuliert, indem erst sozialdemokratische Schleimigkeit, dann grüne
Weiblichkeit sich als die viel höheren Geschmacksansprüchen an
die Macht genügende Alternative zu Kohl vorführen. Wer an Kohls
Rede nichts als ihre moralischen Seichtigkeiten entdeckt, der hat
glatt d i e G e w a l t verpaßt, die sich darin ankündigt. Ge-
rade Kohls Regierungserklärung war nämlich eine beispielhaft
deutliche Demonstration der Wahrheit, daß die Ansprüche der Poli-
tik an die Untertanen immer genau dort am unverschämtesten wer-
den, wo sie für sich in Anspruch nehmen, ganz menschlich und
"dem" Menschen g e m ä ß zu sein.
Menschengemäße Marktwirtschaft
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Ganz aus Versehen ist dem Kanzler in seiner programmatischen De-
finition von Humanität - "...ist, wenn viele für andere da sind"!
- eine Entlarvung des Dienstverhältnisses gelungen, zu dem in ei-
ner "marktwirtschaftlichen" Demokratie "Menschenwürde" und
"Humanität" als Ideale so fest dazugehören wie zum "Jammertal"
der Glaube ans Paradies. Und obwohl diesen saudummen Moralspruch
mit Sicherheit niemand - auch Kohl selber nicht - als Hinweis auf
die Lohnarbeit verstanden hat, in der die "vielen" die Last der
Arbeit zu tragen haben und die "anderen" den Reichtum als Lohn
einkassieren, hat der Kanzler in seinen Zusagen eines tiefen men-
schlichen Verständnisses für die "Leistungsträger" der bundes-
deutschen "Marktwirtschaft" die beiden sehr unterschiedlich be-
teiligten Klassen höchst sachgerecht unterschieden und auseinan-
dergehalten.
- "Menschengemäß" ist es für die Fraktion der Eigentümer und Ma-
cher dieser Wirtschaft, daß ihre "Leistung sich wieder lohnt",
und zwar in Mark und Pfennig. Ein sehr korrektes sozialstaatli-
ches Vorhaben für eine "soziale Gruppe", deren ganze Leistung in
gar nichts anderem besteht, als durch andere Reichtum schaffen zu
lassen und den ihnen zufließenden, in Geld gemessenen Überschuß
für neue lohnende Geschäfte zu verwenden. Wo Eigentum als Recht
"zugestanden" wird von Staats wegen, da ist dessen Vermehrung
Pflicht - so konkretisiert sich in diesem Fall des Kanzlers Sinn-
spruch: "Wer Recht hat, der hat auch Pflichten!" Und wo der Staat
also etlichen seiner Untertanen es als ihren Beruf auferlegt,
durch lohnende Geschäftstätigkeit zu profitieren, da ist er die-
sem von ihm geschaffenen Menschenschlag auch den Dienst schuldig,
"Investitionswillen und -fähigkeit" durch eine Verbesserung der
"Ertragslage" der Unternehmen zu stärken - alles andere wäre ge-
radezu menschenrechtswidrig!
- Zur Benutzung durch, geschweige denn zum Nutzen für die andere
Menschensorte in einer "marktwirtschaftlichen Gesellschaftsord-
nung", die Gattung der Lohnarbeiter, sind die ökonomischen Ein-
richtungen der Nation n i c h t geschaffen; Geld ist für sie
nicht lohnendes Geschäftsmittel, sondern Beschränkung, Arbeit
nicht Mittel lohnender Überschüsse, sondern Last. Für geradezu
unmenschlich wurde Kanzler Kohl es daher halten, diesen Menschen
eine "sozialstaatliche" Sorge um ein lohnendes Ein- und problem-
loses materielles Auskommen zuzusagen. Denn wo der Reichtum nicht
für die lohnarbeitenden Massen da ist, dort, so des Kanzlers
tiefe Überzeugung, sind eben auch die meisten Menschen nicht für
den Reichtum da. Demgemäß ist der Staat dieser Menschenrasse, die
ja niemand als er mit seiner Gewalt auf die produktiven Zwänge
der Eigentumslosigkeit festlegt, eben auch nicht einen materiel-
len Nutzen schuldig, sondern die sachgerechte Wiedererweckung ei-
nes "Verständnisses der Arbeit, die unserer abendländischen Tra-
dition entspricht: Sie ist nicht nur für den Broterwerb da." Son-
dern zur "Selbstverwirklichung" und dergleichen - und das
"Selbst" eines Lohnarbeiters, da hat der Kanzler schon recht,
schließt einen garantierten Broterwerb durchaus nicht ein. Dieser
sozialen Figur steht I d e a l i s m u s an, also das Einver-
ständnis damit, daß das Leben sich nicht lohnt - alles andere
wäre geradezu menschenrechtswidrig!
Menschenwürdiger Sozialstaat
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Was für die "vielen", die ganz ohne Frage sehr praktisch "für an-
dere da sind, Menschenrecht und Menschenwürde ausmacht, das ist
ein Gebot der Menschlichkeit erst recht in bezug auf alle, die
nicht einmal mehr Arbeit haben, um ihr "Selbst" darin
"verwirklichen" zu können. Arbeitslose brauchen nicht Geld, son-
dern als Ausgleichssport für Moral und Körperkräfte den freiwil-
ligen Dienst in der Freiwilligen Feuerwehr oder einem Turnverein.
Kranke brauchen keine kostspielige Therapie, sondern menschliche
Zuwendung - am besten eine Fernsehaufzeichnung der Regierungser-
klärung. Rentner brauchen nicht Rente, sondern hilfsbereite Nach-
barn. Usw. - alles nach dem Motto: Wo die staatliche Überlebens-
hilfe für Eigentums- und Erwerbslose sowieso nicht reicht, darf
es auf sie auch nicht "allein" ankommen; wo der Staat a r m e
Menschen schafft, verlangt eine "Gesellschaft mit menschlichem
Gesicht" danach, die Armut zu e h r e n und nicht etwa beseiti-
gen zu wollen. Anerkennung, nicht Geld ist der kapitalistische
Sozialstaat seinen Opfern schuldig. Alles andere wäre
"Entmündigung" (nicht durch Zwangsabgaben, sondern durch staatli-
che Auszahlungen) und "Freiheitsberaubung" (der Freiheit nämlich,
sich selber durchschlagen zu dürfen) - also menschenrechtswidrig.
Diesen Grundsatz: das vom Staat durchgedrückte Elend den Betrof-
fenen als ihre Tugend zuzurechnen, ihre Wehrlosigkeit als ehrba-
ren freien Willen zu deuten, dem Schaden auch noch den Spott des
moralischen Kompliments, des Kompliments nämlich für den unter-
stellten Opfersinn, hinzuzufügen, staatliche Einschränkungen also
als den Herzenswunsch der eingeschränkten Menschen auszugeben -
diesen Grundsatz hat Kanzler Kohl nicht erst aus dem "Mein Kampf"
betitelten offiziellen Tagebuch seines letzten gesamtdeutschen
Vorgängers abzuschreiben brauchen. Zu einer "Sparpolitik", die
aus einem von Kohl angekündigten Wachstum des Staatshaushalts um
2 Prozent und einer geplanten Neuverschuldung um die 40 Milliar-
den DM die unabweisbare Notwendigkeit ableitet, ohne großes
"leider" dem Sozialhaushalt 6 bis 7 Milliarden DM zu e n t-
z i e h e n, zu einer solchen offen deklarierten "Umvertei-
lungs"-, sprich: Verelendungspolitik stellt sich auch für
christdemokratische Politiker die faschistische Moral wie von
selbst als passendster ideologischer Rechtstitel ein.
Menschennatürliche Ordnung
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Was der Staat seinem Menschenmaterial an Unterschieden auf-
herrscht, danach hat sich jeder zu richten, denn das ist die
"Natur" und das Menschenrecht der Betroffenen: Im Namen dieser
Moral exekutiert Kanzler Kohl die staatliche Gewalt, die den Leu-
ten ihr jeweiliges "Wesen" verpaßt. Staatsgewaltig unterschieden
wird so zwischen Kapitalisten, denen Kapitalbildung, Lohnarbei-
tern, denen billige Leistung im Dienst für "andere", unbrauchbare
Arme, denen Redlichkeit gebührt - und noch in ein paar anderen
Hinsichten.
Zum Beispiel zwischen Leuten, die sich alles gefallen lassen, und
anderen. Diese sind "Extremisten", und der Menschennatur des
"Extremisten" entspricht es, "hierzulande keine Chance" zu haben.
Also wird sie ihnen genommen, vor allem durch den Verfassungs-
schutz, dem dafür "Dank und Vertrauen des Bürgers" zustehen. Denn
schließlich wird so des Bürgers Menschenrecht darauf geschätzt,
daß seine Untertänigkeit das Normale ist und eine faschistische
Moral überhaupt nicht extrem, geschweige denn extremistisch.
Auch nach In- und Ausländern ist die Menschheit durch die Staats-
gewalt sortiert; und wenn der Staat andererseits wieder dafür
sorgt, daß die türkische und die bundesdeutsche Rasse kräftig
durcheinandergemischt werden, dann fordert das Menschenrecht eben
zweierlei. Erstens soll der d e u t s c h e Mensch wissen, daß
"deutsch" seine N a t u r ist, auf seinen Unterschied zu diesen
Untertanen anderer Herren also größten Wert legen, sich wer weiß
was darauf einbilden - kurzum: den Inhaber eines fremden Passes,
wo auch immer man sich an ihm stört, als Unglücksgeschöpf be-
trachten: Er darf ja noch nicht mal den Kanzler Kohl, dem er ge-
horchen muß, dazu auch noch als braver Wähler
e r m ä c h t i g e n! Zweitens hat der Nationalmensch seine na-
tionalmenschennatürliche V e r a c h t u n g der fremden Natio-
nalrasse soweit zu zügeln, wie der Regierung am Import von Exem-
plaren jener Gattung noch gelegen ist: die Verachtung soll gefäl-
ligst die Form der T o l e r a n z annehmen. (Denn daß die To-
leranz in diesem Fall nichts anderes ist als die Tugend der Ver-
achtung, selbst das hat Kanzler Kohl in seiner unnachahmlich
dreisten Heuchelei noch klargestellt. Natürlich sind "die Auslän-
der", nämlich ihr "Zusammenleben mit den Deutschen", "ein Pro-
blem" - dem soll man "aber" mit Toleranz begegnen. Ein verräte-
risches "aber"!) Drittens ist Kohls Empfehlung vor jedem ideolo-
gischen Mißverständnis sicher, seit die Regierung entdeckt hat,
die Menschennatur eines Ausländers, der hier nicht mehr gebraucht
wird, ließe sich, wohl doch unter der Obhut seiner einheimischen
Diktatoren am besten verwirklichen, und bevorzugt Asylbewerber
und Kritiker der "Toleranz" ihrer Heimatstaaten überantwortet.
Menschenfreundliche Sicherheit
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Andere Ausländer wiederum sind dem Kanzler im Namen der Nation
dermaßen willkommen, daß das nationalistisch Berechnende dieser
speziellen "Völkerfreundschaft" nur für besonders hartgesottene
Patrioten noch Platz läßt für den Verdacht, hier verschriebe die
Bundesregierung sich womöglich einer vaterlandsvergessenen Ge-
folgschaftstreue - ein Verdacht, in dem die offizielle Opposition
sich natürlich gefallen hat. Zu den USA sind die Beziehungen des
Kanzlers und der von ihm geführten Nation geradezu -
m e n s c h l i c h; denn die Deutschen wären nicht so deutsch,
wie sie es sind, o h n e N A T O. Ohne dieses wuchtigste
Kriegsbündnis aller Zeiten könnte ihr Kanzler nämlich kaum in
seiner Regierungserklärung sämtliche Regionen des Globus vorkom-
men lassen, ohne etwas anderes an ihnen zu erklären als eine ganz
selbstverständliche Mit-Z u s t ä n d i g k e i t s e i n e r
R e g i e r u n g für die gesamte Staatenwelt - das allerdings
unmißverständlich. Ohne gute und mächtige "Freunde", die Kohls
menschenrechtliche "Wertordnung" teilen, könnten die Deutschen in
Gestalt ihres Kanzlers schwerlich den Anspruch erheben, das pol-
nische Volk sollte sich gefälligst zusammenreißen und unter
päpstlichem Zuspruch einen "inneren Frieden" schließen, der vom
"Warschauer Pakt" nicht mehr viel übrig läßt; die "Völker Euro-
pas" sollten sich überhaupt endlich zusammenraufen und über Elbe
und Neiße hinweg eine Einheit bilden, aus der die Sowjetunion
draußen ist; und vor allem hätte - "im Rahmen einer (solchen!)
europäischen Friedensordnung" - D e u t s c h l a n d, endlich
wieder eine "Einheit" zu bilden, ein Staatsgebilde nämlich, das
auf der Landkarte etwas mehr an die Grenzen von 1937 erinnert.
Und schließlich: Ohne hervorragende "menschliche Beziehungen" zu
dem Bündnispartner, der mit Atomraketen den Russen ein
"eurostrategisches Gleichgewicht" vor die Haustür servieren will,
wäre es ein schlechter Witz, wenn der westdeutsche Kanzler der
Sowjetunion per Regierungserklärung mit der Vorschrift daher-
kommt, sie hätte gefälligst mehr Deutsche 'rauszulassen; ihre in-
ternationale Werbung für den "Klassenkampf" - wann ist wohl das
letzte Mal so etwas passiert? - hätte zu unterbleiben; aus Afgha-
nistan müßte sie 'raus und aus Polen; und überhaupt wäre ihre Rü-
stung - mit der die NATO bekanntlich "gleichziehen" will - eine
nicht hinnehmbare Ü b e r rüstung und deswegen "im Interesse des
Friedens" schleunigst zu entfernen. Weil die deutsche Nation, in
Gestalt ihres Führers, hier aber durchaus im Namen der NATO
spricht und fordert, handelt es sich in allen diesen Punkten al-
len Ernstes um "Friedenspolitik": um die Festsetzung der
B e d i n g u n g e n, von deren Erfüllung die Bundesregierung
i h r e Bereitschaft, Frieden zu halten, a b h ä n g i g
m a c h t. Der Frieden, für den die westdeutsche Regierung ein-
stehen läßt, ist eben ein so anspruchsvolles Ding, anspruchsvoll
nämlich gegen die Sowjetunion, daß er sich in jeder Weltgegend
als das darstellt, was westdeutsche Führer von der sowjetischen
Seite immer zu befürchten vorgeben, nämlich p o l i t i s c h e
E r p r e s s u n g. Und Westdeutschlands Anteil an diesem Frie-
den, der an allen Ecken und Enden von sowjetischer Nachgiebigkeit
bis hin zur friedlichen Kapitulation - noch vor der Schlacht per
Abrüstung - abhängig gemacht wird, also e i n e e i n z i g e
D r o h u n g darstellt, ist immerhin groß genug, daß Kanzler
Kohl für s e i n e Armee das gar n i c h t p a r a d o x e,
s o n d e r n i m p e r i a l i s t i s c h e Verdienst in An-
spruch nehmen kann: "Alle reden vom Frieden - unsere Soldaten si-
chern ihn!" Wer das nicht merkt, was für ein Ding Kohls Frieden
ist: ein politischer Anspruch, dem eine im Ernstfall sofort 2
Millionen Mann starke Armee, eine Weltmacht im Rücken und dem-
nächst einige hundert "Enthauptungswaffen" gegen den sowjetischen
Feind kaum genügen, um sich mit Sicherheit durchzusetzen -... der
soll sich dafür hergeben, ihn zu sichern; wenn nötig durch die
Verwirklichung der längst perfekten NATO-K r i e g s planung. Was
hat die Menschengattung "Soldat" denn sonst für einen Sinn im Le-
ben? Was sonst als Kämpfen und Sterben im Dienste von "Frieden in
Freiheit" wäre ihr denn "menschengemäß"?
Denn das ist schließlich und endlich die Wahrheit allen demokra-
tischen Menschentums: Nichts ist menschengemäßer als demokrati-
sche Herrschaft; auf nichts hat der Mensch ein höheres Menschen-
recht als auf Gewalthaber, die ihm das Menschenrecht zugestehen,
ihnen ganz freiwillig dankbar zu sein - wofür? - für eben dieses
Zugeständnis, f r e i w i l l i g dankbar sein zu dürfen; des-
wegen bewährt des Menschen Würde sich logischerweise in der
Pflicht, sich zum d i e n s t b a r e n K n e c h t und im
Ernstfall zur l e b e n d e n W a f f e unter dem Kommando ei-
ner menschenberechtigten Herrschaft zu machen. Daß die so aus-
sieht wie Kohl, macht sie nicht lächerlich, sondern beweist, daß
es für erfolgreiche Herrschaft eben gar nicht auf die
G e s c h m a c k s u r t e i l e eingebildeter, selbstbewußter
Untertanen ankommt - sondern auf U n t e r t a n e n. Und über
die scheint Kanzler Kohl ja zu verfügen.
P.S.
In der Debatte zur Regierungserklärung Kohls hat ein Grüner 'mal
Töne angeschlagen, wie sie seit 30 Jahren im Bundestag nicht mehr
vernommen worden sind. Am Rande grüner Fraktionsdisziplin hat er
nicht gleich für Phantasie und Glaubwürdigkeit im Parlament
geworben, sondern der Regierungspolitik ihre Heuchelei vorgerech-
net, Wirtschaftsaufschwung nach dem erklärten Prinzip "Investie-
ren muß sich lohnen!", zu betreiben, ganz folgerichtig selber mit
zunehmenden Arbeitslosenzahlen zu rechnen und dennoch das Ganze
als eine einzige Wohltat für's Arbeitslosenheer auszugeben. Zwar
taugt das Argument Überhaupt nichts, die Regierung würde sich
nicht um die Arbeitslosen, sondern um den Profit kümmern: In ei-
ner "Marktwirtschaft" steht die Abhängigkeit der Lohnarbeiter vom
lohnenden Geschäft ihrer Anwender so fest, daß die Sorge um den
Profit sich guten Gewissens als Fürsorge für die seinetwegen Ent-
lassenen ausgeben kann. Immerhin wurde aber einmal Einspruch laut
gegen die so bequem eingespielte Heuchelei der demokratischen
Parteien, die einander höchstens ein "zuviel" oder "zuwenig",
schlimmstenfalls "Untätigkeit" oder "Konzeptionslosigkeit" vor-
werfen, an den gemeinsam praktizierten und propagierten Prinzi-
pien der ganzen Scheiße aber keine Kritik aufkommen lassen.
Die Reaktion war typisch für die Heuchler des guten Ratschlags an
Oppositionelle, sie sollten sich doch gefälligst Stimmvieh zusam-
mensuchen und ihre abweichende Meinung ins Parlament tragen -
dort wäre sie dann respektabel. Kaum haben sie es mit einer par-
lamentarisch gewordenen Kritik zu tun, die aus dem Rahmen gemein-
schaftlicher Heuchelei fällt, flippen sie aus. Null Gegenargu-
ment, dafür das beleidigte Geschrei, aufgeführt vom "kühlen"
Stoltenberg mit roten Ohren: "Von ihnen lassen wir uns doch nicht
beleidigen mit ihrem Steinzeit-Marxismus!"
Nein, souverän hat er sich nicht gegeben, die topmoderne Kapita-
lismus-Apologie des christlichen Finanzministers. Leider verrät
das höchstens intellektuelle, also b e i P o l i t i k e r n
keine Schwäche. Solange die M a c h t intakt ist, ist ihre
A r r o g a n z tatsächlich kaum zu beleidigen!
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