Quelle: Archiv MG - BRD ALLGEMEIN - Auf dem Weg zur Weltmacht
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DIE REPUBLIK MACHT MOBIL
dieses Urteil über den bundesdeutschen Herbst '84 stößt mit Si-
cherheit auf zwei Einwände.
Einwand Nr. 1:
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Wo findet sie denn statt, die Mobilmachung? Geht nicht alles sei-
nen gewohnten Gang - trotz Pershing-Raketen, und auch wenn aus-
giebige Herbstmanöver der Bundeswehr abgehalten werden?! Vor ei-
nem Jahr, in der Aufregung um den "Doppelbeschluß" und die neuen
Raketen, mag mancher an Mobilisierung gedacht haben. Doch wo
hätte die Durchführung dieses Beschlusses den normalen Alltag be-
einträchtigt? Das Schuljahr geht seinen Gang; das Wintersemester
folgt aufs Sommersemester; das Geld bleibt knapp und die
"Gefahren für den Aufschwung" kommen weiterhin, glaubt man der
Zeitung, vom hohen Dollarkurs; die Prüfungen sind nicht schärfer,
die Vorlesungen für einen Studienanfänger nicht erkennbar natio-
nalistischer geworden... Kurzum: nichts unterbleibt, keine prak-
tische Umstellung ist von einem Studenten im Herbst '84 verlangt,
weil die Republik etwa Kriegerisches vorhätte.
Bloß - woher kommt eigentlich die Sicherheit, daß Kriegsvorberei-
tung und normaler bürgerlicher Betrieb einander
a u s s c h l i e ß e n? Welche Gewohnheiten des Geschäftema-
chens, des Vergnügens, des Arbeitens oder des Studierens wären
denn so h i n d e r l i c h für nationale Kriegsbereitschaft,
daß sie ihrerseits behindert oder unterbunden werden müßten? Si-
cher, wenn der Aufmarsch läuft, Autobahnen gesperrt und Autos be-
schlagnahmt werden, am Ende die falschen Bomben fallen: dann
sieht das Leben in der BRD sicher sehr viel anders aus als jetzt.
Immerhin weiß aber doch ein jeder, daß der bürgerliche Betrieb
durchaus auch mitten im Krieg weitergeht, ohne daß in Universitä-
ten und Kinos etwas Neues geboten, in den Betrieben der Nation
etwas Ungewohntes verlangt würde.
Ist es nicht vielleicht so, daß Kriegsvorbereitungen den gewohn-
ten Alltag nicht b e e n d e n, sondern i n D i e n s t
n e h m e n?!
Einwand Nr. 2:
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Wenn sich auch vieles, von Blüms Rentenreform bis zur Neuauflage
alter Ufa-Filme nicht bloß im Bayerischen Fernsehen, mit Kriegs-
vorbereitungen - die ohnehin allemal i m F r i e d e n statt-
finden: wann denn sonst?! - keineswegs beißt, so paßt doch eines
mit Sicherheit nicht dazu: das rege Leben einer kritischen Öf-
fentlichkeit. Findet nicht gerade ein Großreinemachen in den Füh-
rungsetagen der Republik statt - bis hin zum Bundestagspräsiden-
ten Barzel, immerhin? Duldet eine kriegsbereite Republik die Auf-
deckung von Flick-Affären oder ein Lächerlich-Machen des Kanz-
lers, der im Ernstfall den Oberbefehl führt, als "Birne"? Ist die
Indoktrinierung mit Feindbildern nicht überall verpönt, die kri-
tische Erinnerung an Orwells "1984" auf fruchtbaren Boden gefal-
len? Mag sein, daß "rechtsaußen" einige Entgleisungen vorkommen;
aber paßt die öffentliche Kritik nicht eben darauf sorgfältig
auf?
Auch dieser Einwand übersieht so manches. Nicht nur die tägliche
Pflege des antikommunistischen Feindbilds durch "Bild" und
"Frankfurter Allgemeine", die wöchentlichen Agitationsleistungen
von "Bild am Sonntag" und "Quick", die politische Hochkonjunktur
von "Vertriebenenverbänden" und Heimatgedanken. Die Maßstäbe des-
sen, was hierzulande als Kritik firmiert, sind selber nicht so
sehr viel anders!
Saubermänner gegen Barzel
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Worauf will denn die republikerschütternde Beschwerde hinaus, die
führenden Männer der Nation hätten sich von Flick kaufen lassen?
Von den Schäden, die die Politik der vergangenen Jahre den ver-
schiedensten Fraktionen - und immer so ziemlich derselben Klasse
- der Gesellschaft gesichert oder zugefügt hat, von moderner
Lohnarbeit und Arbeitslosigkeit bis zu Rentenkürzungen für alle,
die darauf angewiesen sind, von Schäden ist in dieser Kritik von
vornherein nie die Rede. Nicht eine Wohltat wird namhaft gemacht,
die auf Grund der dicken Spenden aus dem Flick-Konzern unterblie-
ben wäre. Wenn die geschmierten Politiker Stein und Bein schwö-
ren, sie hätten auch ohne Geldgeschenke haargenau dieselbe Poli-
tik gemacht, dann steigert das nicht etwa die Erbitterung über
die gemachte Politik - nichts davon durch Korruption zu entschul-
digen; alles Absicht! -, sondern stößt auf das Bedenken, ob man
ihnen ehrlich glauben kann - als wäre d a n n die Welt der Po-
litik in Ordnung! Kein anderer "Schaden" steht zur Debatte als
derjenige, den die G l a u b w ü r d i g k e i t der Demokratie
erlitten haben soll; vor allem bei "der Jugend", die offenbar je-
der öffentliche Kritiker für ziemlich doof hält. Lauter
Ü b e r z e u g u n g s t ä t e r an der Staatsspitze; die Ju-
gend begeistert mit dabei; e g a l w o b e i: Das wäre wohl
recht?!
Mal im Klartext: Es ist die Sehnsucht nach einem unbedingt
r e s p e k t g e b i e t e n d e n F ü h r e r, die das sau-
bermännische Nörgeln an den Bonner Finanzaffären in Gang gebracht
hat und in Schwung hält. Nach einem Macher, dem der politische
Schneid nicht mit Geld abzukaufen ist. Und diese Sehnsucht soll
die wirklichen Macher bremsen in ihrem Drang, Macht und Einfluß
der BRD mit allen Mitteln zu vergrößern?!
Volksgemeinschaft Deutscher Wald
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Die Zahl der offiziell erfaßten Arbeitslosen marschiert auf die
dritte volle Million zu - das Geld, das sie kriegen, setzt neue
Maßstäbe für den bundesdeutschen Lebensstandard. In dieselbe
Richtung bewegen sich Löhne und Renten. Das Glück, sich für einen
Lohn nützlich machen zu dürfen, muß mit "Flexibilität" in jeder
Hinsicht verdient werden. Alle ökonomischen Lebensbedingungen der
normalbürgerlichen Menschheit stehen der Regierung und "der Wirt-
schaft" zur Disposition; klar, daß die natürlichen Lebensbedin-
gungen für die Mehrheit unserer sozialfriedlichen Gesellschaft
ebenfalls unübersehbar Schaden nehmen. Und worüber regt die Öf-
fentlichkeit sich auf - außer über Flicks Großzügigkeit - ?
Auf d e n W a l d als Hauptleidtragenden der modernen Zeiten
hat die Nation sich geeinigt; ihm gilt die Sorge von Rentnerinnen
und Sägewerksbesitzern, Bauern und Studenten, Bild-Zeitung und
Grünen; um ihn zu retten, sollen die guten Deutschen alles Tren-
nende vergessen, Bäumchen pflanzen und dem Innenminister die Dau-
men halten, daß er sich erfolgreich durchsetzt gegen fremdländi-
sche Autobauer - und gegen das einzige "egoistische" Interesse,
das hierzulande überhaupt noch eine gewisse Anerkennung bean-
sprucht und findet, nämlich an einem Autobahntempo über 100. Er-
folgreich abgetan ist damit nicht bloß der Ärger um die großindu-
strielle Vergiftung von allerlei Lebensnotwendigem; auch alle üb-
rigen öffentlich gewürdigten Sorgen, von der "Raketenfrage" bis
zur "Jugendarbeitslosigkeit", sind da passend eingeordnet in die
Prioritätenliste der allumfassenden nationalen "Schutzgemein-
schaft Deutscher Wald".
Mal im Ernst: Ein Patriotismus der dümmsten Machart ist da der
gemeinsame Nenner einer lückenlosen Gleichschaltung des öffentli-
chen Meinens, Denkens und Kritisierens, wie sie durch behördliche
Anordnung nie zu erreichen wäre!
Die kritische Alternative: eine bessere CDU!
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Man betrachte die "Angriffe" der SPD-Opposition auf die neue bun-
desdeutsche Vorwärts-Verteidigung: Wegen der Kießling-Affäre,
Gott hab' sie selig, wäre Wörner eine Belastung für die Bundes-
wehr! Man betrachte die Beschwerden der Gewerkschaften: Die Re-
gierung täte zu wenig für das angebliche nationale Gemeinschafts-
anliegen "Arbeitsplätze schaffen"; deswegen hätte die Gewerk-
schaft stattdessen, hilfsweise sozusagen, für Arbeitszeitverkür-
zung streiken müssen und ernte nun ungerechterweise Schimpfe
statt Anerkennung! Man betrachte die Bedenken der wachsamen repu-
blikanischen Intellektuellen bezüglich "drohender Tendenzen" zum
"totalen Überwachungsstaat": Ein alter Buchtitel, Orwells "1984",
und dessen Fiktion eines Staatswesens, das den absurden Zweck
zweckfreier Unterdrückung verfolgt, hat dafür den Anlaß und die
Maßstäbe hergegeben, nicht Zimmermanns Verfassungsschutz und
seine tatsächlichen Zwecke; die schneiden bei einem so blödsinni-
gen Vergleich notwendigerweise so gut ab, daß die Regierung
selbst den Orwell-Spleen mit betrieben hat! Man betrachte
schließlich den "subversiven" Pennäler-Sport, Kanzler Kohl als
"Birne" und provinziellen Sprach-Tolpatsch lächerlich zu machen -
als wäre sein Amt nur durch stromlinienförmige, großstädtische
Literaturpreisträger angemessen zu besetzen! Stets erschöpft sich
das "Dagegensein" darin, ein - wirklich oder vermeintlich -
g e m e i n s a m e s A n l i e g e n o d e r I d e a l d e r
N a t i o n namhaft zu machen, vor dem die Regierung versagt
hätte. Nicht etwa schäbig und anpaßlerisch, sondern besonders li-
stig kommt sich eine "Kritik" vor, die die herrschende Mannschaft
ganz wörtlich "beim Wort nimmt" und sich umstandslos als besserer
Anwalt genau der "Werte" aufführt, die die Christlich-Liberalen
für sich mit Beschlag belegt haben - "Wo bleibt denn die morali-
sche Wende?" "Müssen Minister nicht moralische Vorbilder sein,
wenn sie schon Erneuerung versprechen?" und so weiter. Keine re-
levante "Stimme" in diesem Staat stellt sich gegen einen nationa-
len Zweck, der Anerkennung genießt, benennt die Feinde des eige-
nen Interesses, erklärt sich als Gegner dessen, was läuft. Da muß
immer erst mal unüberhörbar eingestimmt werden in das allgemeine
Geschwätz über die angeblichen gemeinsamen Probleme; dann wird
die noch viel gemeinsamere Verantwortung für deren Lösung be-
schworen; "Kritik" findet statt als Konkurrenz um den konstruk-
tivsten "Lösungsvorschlag"... Und dieses antikritische Getue
sollte geeignet sein, der Regierung Steine in den Weg zu legen,
wenn sie an die Bereinigung des "Friedensproblems" und der
"offenen deutschen Frage" herangeht?! Das kann nur glauben, wer
sich über die einstweilen noch nicht widerrufene
E r l a u b n i s zum öffentlichen Diskutieren und Problemati-
sieren und Spotten so herzlich freut, daß er darüber den Inhalt
und die Maßstäbe dieses eintönigen Meinungspluralismus glatt
übersieht.
Die Republik macht mobil -
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die gelungene Ausräumung jedes inneren Unfriedens, jeder Kritik,
die sich g e g e n patriotische Gemeinschaftsanliegen stellt,
ist ein nicht unwesentlicher Teil davon. Denn die allgemein be-
griffene und befolgte Pflicht, konstruktiv zu sein und zu denken,
sichert der Regierung besser als jeder geheime Staatssicherheits-
dienst jede Handlungsfreiheit. Und daß sie das nicht zu nützen
wüßten, kann man Kohl und seiner Mannschaft im Ernst nicht vor-
werfen - auch wenn faschistische Bildzeitungskommentatoren wie
"liberale" Leitartikler sich bisweilen in diesem Vorwurf gefal-
len.
Deutsche Einheit bis nach Polen - bloßes Geschwätz?
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Es vergeht keine Woche, kaum noch ein Tag, ohne daß ein Regie-
rungs- oder Koalitionsmensch an das bundesdeutsche Recht auf eine
"Neuordnung" der osteuropäischen Staatenwelt erinnert. Sicher,
zur "Rückeroberung" der DDR und der alten Ostgebiete rät da kei-
ner - aber daß es ohne deutsche und europäische Einheit unter
westlichen Vorzeichen "keinen dauerhaften Frieden geben kann",
das muß man sich immer wieder sagen lassen. Auch wenn das "zur
Zeit nicht geht": Einen "geschichtlichen" Rechtstitel hat die BRD
da schon noch einzulösen; das hat jede Nation anzuerkennen, die
mit unserem Friedensstaat befreundet sein und bleiben will.
Es mag schon sein, daß diese Politik bei den meisten bundesdeut-
schen Mitbürgern - noch - keine Hurra-Stimmung weckt. So mancher,
der als Wähler nie eine Eingemeindung der DDR und der Siebenbür-
ger Sachsen in Auftrag gegeben hat, hält daher die Parolen der
Regierung für bloße Meinungsäußerungen, die nicht ernst genommen
sein, sondern nur bei gewissen anderen Wählerschichten Eindruck
machen wollen. Wie sollen aber die auswärtigen Adressaten das
verstehen, wenn der deutsche Kanzler die "Befreiung" Osteuropas
als historische Mission der NATO und ihres westdeutschen Vorpo-
stens bezeichnet? Wenn nach amtlicher Regierungsauskunft der
"Frieden nicht sicher" ist ohne Erfüllung westdeutscher Wieder-
vereinigungswünsche: kann eine sowjetische Regierung dem etwas
anderes entnehmen als eine verklausulierte Kriegsdrohung? Und:
sollten "unsere" weltweit respektierten Führungsmänner das womög-
lich nicht bedacht haben?! Schwer zu glauben - wo sie doch selber
jeder sowjetischen Phrase eine Bedrohung ablauschen, die unbe-
dingt durch die Aufstellung zusätzlicher Atomraketen beantwortet
werden müsse! Sie werden ihren Revanchismus schon so meinen, wie
ihr Gegner ihn v e r s t e h t; sonst würden sie ihm ja allmäh-
lich mal etwas anderes zu verstehen geben.
Zumal die Regierung ja alles tut, damit-ihre diplomatischen An-
sprüche und Drohungen auch verfangen:
Gefechtsbereitschaft - bloß fürs Manöver?
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Keine Woche und kaum ein Tag vergeht, ohne daß Erfolge oder Pro-
bleme bei der Herstellung militärischer Kriegsbereitschaft gemel-
det werden. Das "Gerät" ist da, aber reicht auch die Munition?
und wie lange? Ist Aufklärung garantiert? Wie muß der Tornado
verbessert wer, um die sowjetischen Truppenverbände in Weiß-Ruß-
land - die "2. A n g r i f f s staffel"...! - zerschlagen zu
können? Darüber unterhält der Generalinspekteur der Bundeswehr
sich nicht mit einer Altherrenriege aus Hitlers Wehrmacht, son-
dern mit einem Spiegel-Reporter, der, kritisch wie er ist, das
bundesdeutsche Militär mal wieder nur "bedingt einsatzbereit"
findet. Und: reichen die "Offiziersstellen aus, um dem
"Beförderungsstau" entgegenzuwirken und so drohenden
"Motivationsverlust" abzuwenden? Umgekehrt: reicht der Nachwuchs
der Nation für die "Friedensstärke" der Wehrmacht? Für die
"kritische" Öffentlichkeit ein Finanzierungsproblem - was da fi-
nanziert wird, geht sowieso in Ordnung und ist höchstens
n i c h t e f f e k t i v g e n u g. Effektiv - wofür? Die al-
ten Lügen - Abschreckung hätte mit Überlegenheit nichts zu tun
und mit Kriegführung bis zum Sieg schon gleich nicht; ein Atom-
krieg wäre "undenkbar"; ein Krieg in Mitteleuropa wäre sofort ein
Atomkrieg und deswegen unmöglich; überhaupt hätte die Bundeswehr
nur den "Eisernen Vorhang" von Westen her zu sichern; usw. - alle
diese alten Lügen werden durch die offen verkündeten Maßstäbe der
neuen Aufrüstung handfest blamiert. "Eurostrategisches Gleichge-
wicht" - das heißt doch wohl: Die BRD plus Hinterländer will sich
auch in strategischer Hinsicht mit der "Supermacht" Sowjetunion
messen können. "Nicht die USA sind zu stark, sondern Europa ist
zu schwach!" - wenn Genscher diese seine Lieblingsparole zur
Richtschnur der Europa-Politik erklärt; wenn Kohl und Mitterand
eine eigenständige militärische Nutzung des Weltraums beschlie-
ßen; und wenn die WEU die letzten Beschränkungen für die Produk-
tion deutscher Großwaffen aufhebt, dann heißt das doch wohl: Die
BRD plus Partner will der "Supermacht" USA gleichwertig sein.
"Die Atomschwelle anheben" - so heißt das Programm, die Rote Ar-
mee auch ohne Atomwaffen zerstören zu können. Und dies ab sofort
jederzeit abrufbar - oder wozu sonst sollen die Munitionsvorräte
"endlich" auf Sollstärke gebracht, die Nachschubwege ausgebaut,
die Reservisten mehr in Schwung gehalten werden?
Verarmung - bloß ein Fall fürs Mitleid?
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Was soll der mitdenkende Student schließlich aus der ungeschminkt
von oben verkündeten Tatsache machen, daß die Regierung am Le-
bensunterhalt ihrer Volksmassen kräftig "spart" -? Sicher, man
kann sich mit der Lüge begnügen, es wäre eben "kein Geld da", und
an möglichen Umschichtungen im Bundeshaushalt mit herumproblema-
tisieren. Aber wäre nicht erst einmal der Grundsatz festzuhalten,
nach dem die Regierung da verfährt? Er lautet schlicht und ein-
fach: Arbeit und Lebensunterhalt der Leute sind für den Staat da;
die Staatsgewalt mißt sich nicht etwa daran, was die Massen für
sie übrig haben, sondern diktiert und treibt ein, was sie von ih-
nen will. Rüstung ist eben teuer!
Und wenn zugleich dank der Wirtschaftspolitik von Staat und Un-
ternehmen die Zahl der Arbeitslosen wächst, dann kann man sich
natürlich, ob Fachmann oder nicht, mit dem tiefsinnigen Kanzler-
spruch begnügen, es wäre eben "nicht genügend Arbeit da", und mit
dem DGB in der Phantasie das "knappe Gut Arbeit" "umverteilen".
Es läßt sich aber auch hier durchaus das maßgebliche Interesse
identifizieren, das sich mit einem Lebensunterhalt aus Arbeit in
so vielen Fällen nicht verträgt. Nicht Bedürfnis und Leistungs-
kraft der Leute entscheiden in dieser Republik darüber, was sie
sich leisten können, sondern ihre lohnende Verwendung: lohnend
fürs Geschäft der Unternehmen, die ihre "Arbeitsplätze" entspre-
chend "rationell" einrichten. In diesem Punkt treibt die deutsche
Wirtschaft den internationalen Wettbewerb voran.
Beide Grundsätze zusammengenommen, ergeben wie von selbst ein
ganzes Regierungsprogramrn - eben das, das Kohl und Co exekutie-
ren. R e i c h t u m hat die Nation abzuwerfen, und zwar in den
Formen, die in der Freien Welt gelten, nämlich als wachsendes Ka-
pital, und in den Proportionen und Massen, die diesen Reichtum
konkurrenzfähig machen. Denn an d i e s e n Früchten rentabler
Volksbenutzung nimmt die Staatsgewalt Anteil - den enormen Anteil
nämlich, den eine schlagkräftige Macht mit weltweiter Verantwor-
tung in der Staatenkonkurrenz von heute braucht.
"Die Wende" - eine bloße Phrase?
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Die Bundesrepublik hat einen Außenminister, dem die Elite zu we-
nig gefördert wird - man zwingt sie zur Konkurrenz mit den Vielen
-; einen Innenminister, der das "Türken-Problem" durch Rückexport
dieser Un-Deutschen lösen möchte; einen Familienminister, dem die
bundesdeutschen Liebespaare zu wenig Kinder werfen und überhaupt
sich zu viele Freiheiten herausnehmen. - Braucht es da noch Ras-
sen-I d e o l o g e n?
Die Bundesrepublik verfügt über einen Kanzler, der seine sämtli-
chen Taten mit dem einzigen Hinweis rechtfertigt und durchzieht:
"lch bin gewählt!" - Braucht dieser Mann noch ein extra Ermächti-
gungs-Gesetz?
Die Bundesrepublik verfügt über ein Grundgesetz, das die Unzu-
friedenheit mit dem letzten Weltkriegsergebnis zur politischen
Pflicht Nr. 1 erklärt - und eine Regierungsmannschaft, die diese
Pflicht "wieder" ernster nehmen will als alle ihre Vorgänger. -
Braucht es da noch eine NPD?
So geht 1984 Mobilmachung: die Mobilisierung einer ganzen Nation
für einen W e l t k r i e g, dessen "kalte" Phasen und "lokal
begrenzten" Abteilungen das Weltschehen schon längst in Schwung
halten - und zunehmend in Schwung bringen.
Das braucht Studenten beim Studieren natürlich nicht zu stören.
Mit ihrem Studieren stören sie die Mobilmachung der Republik ja
auch nicht. Eher schon das Gegenteil.
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