Quelle: Archiv MG - BRD ALLGEMEIN - Auf dem Weg zur Weltmacht


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UNSERE MEINUNG

Die Vorstellung, bei der BRD handele es sich, im Weltmaßstab ge- sehen, um einen "ökonomischen Riesen und politischen Zwerg", sie scheue sich vor der Übernahme des ihr zukommenden Maßes "weltpolitischer Verantwortung" (so z.B. der Deutschland-begei- sterte französische Politologe Grosser) und sei deswegen in Sa- chen Imperialismus von geradezu verantwortungsloser Unschuld, weil sie die Welt nirgends mit deutschnationalen Herrschaftsambi- tionen belästige, sondern ihr nur allenthalben mit deutscher Wertarbeit zu Diensten sei, - diese liebliche Vorstellung von der Rolle der BRD in der Welt, gehört, scheint's, zum festen Reper- toire des Weltbildes eines deutschen Staatsbürgers. Sie hat in letzter Zeit sogar an Beliebtheit gewonnen, weil sie es dem poli- tisch nachdenkenden deutschen Bürger erlaubt, den eigenen Staat, was dessen eigene außenpolitische Zwecke betrifft, aus der west- lichen Offensive gegen jeglichen Weltmachtanspruch der So- wjetunion und aus den dazu gehörigen Kriegsvorbereitungen heraus- zudividieren, einen prinzipiellen Gegensatz zwischen amerikani- scher Kriegskalkulation und westdeutschen Überlebensinteressen aufzumachen und eine aktive Beteiligung der militärisch ach so schwachen und gefährdeten BRD am eventuellen Ernstfall für unvor- stellbar zu erachten. Die Realität zu diesem idyllischen Gerücht ist im Abstand von ei- ner Woche gleich zwei Mal in persona in Venedig zu besichtigen: Erst vom EG-, dann vom Weltwirtschaftsgipfel per Fernsehen frei Haus geliefert. Helmut Schmidt ein politischer Oberzwerg, der, aus lauterer Friedensliebe widerwillig am Gängelband der USA zer- rend, die Schwäche und die daraus resultierende weltpolitische Anspruchslosigkeit der Nation repräsentiert? Wir haben das in un- seren Fernsehapparaten ein wenig anders gesehen. - Was Schmidt bei weltpolitischen Auftritten wie denen in Venedig demonstriert und was ihm da den Respekt seiner Kollegen wie der Weltöffentlichkeit verschafft, ist eine Arroganz der Macht von ganz eigener Güte. Er personifiziert eine Staatsgewalt, die wirk- lich souverän ist; will sagen: die so frei und so selbstsicher und so erfolgreich über ihr eigenes Volk als williges Mittel ih- rer Stärke verfügt, wie eine Staatsgewalt sich das nur wünschen kann. Und er personifiziert sie glaubwürdig. In seiner Arroganz blamiert Schmidt jede Vorstellung derart, er wäre von einer un- kontrollierten Willensbildung im eigenen Volk abhängig, er müßte sich zuhause für die weltpolitischen Aufgaben, die er seinem Volk beschert, irgendwie rechtfertigen, und sein Volk könnte womöglich was anderes für sein außenpolitisches Interesse halten als das, was er dafür erklärt. - Dank dieser Souveränität des Kanzlers Schmidt verbietet es sich von vornherein, sein schlagzeilenträchtiges Engagement in Sachen EG-Agrarpolitik auf dem ersten Venediger Gipfel als Sorge um den westdeutschen Nährstand, den dazugehörigen Steuerzahler oder gar um die preiswerte Abfütterung des heimischen Arbeitsvolks mißzu- verstehen. Den Agrarmarkt "in Ordnung zu bringen", war erklärter- und anerkanntermaßen die eine der beiden offensiven Absichtser- klärungen des souveränen "Machers", die Souveränität, die die deutsche Staatsgewalt sich im eigenen Lande errungen hat, auf die breitere Basis der europäischen "Völkergemeinschaft" auszudehnen, also die politische Schlagkraft des Bündnisses zu stärken. Und deswegen gehörte zum Thema Agrarpolitik als zweiter Venediger EG- Schlager die Resolution in Sachen Naher Osten: auch diese unmiß- verstehbar nicht als selbstlose Solidaritätsadresse an den Welt- frieden gemeint, sondern die offensive Anmeldung des gar nicht bescheidenen Anspruchs, in den politischen Angelegenheiten auf diesem Globus gefragt und als zuständige Macht respektiert zu werden. Der Makel, hierbei vor den Amerikanern weich geworden zu sein, trifft den französischen Kollegen, nicht Schmidt, im Gegen- teil. Daß die von den USA verlangte "Ausgewogenheit" der Resolu- tion zustande kam, war ja nur zu deutlich als die durchaus souve- räne Leistung und als Erfolg des umsichtigen Kanzlers erkennbar. - Denn das ist eben der unverwechselbare bundesdeutsche Beitrag zum modernen Imperialismus: der Ausbau Europas zur konkurrenzfä- higen Weltmacht unter maßgeblicher deutscher Führung, die ihre Konkurrenzfähigkeit mit der Weltmacht Nummer 1 dadurch sichert, daß sie sie eben dank deutscher Umsicht und Bündnistreue, n i c h t g e g e n die USA b e t ä t i g t, sondern Seite an Seite mit ihnen: Imperialismus als Arbeitsteilung in der Beherr- schung der Welt. Daß Helmut Schmidt wieder einmal eine gute Figur macht, wenn deren Modalitäten für die nächste Zeit auf dem zwei- ten Venediger Gipfel, dem Treffen des imperialistischen Führungs- zirkels, verabredet werden, das kann so gar nicht ausbleiben. zurück