Quelle: Archiv MG - BRD ALLGEMEIN - Auf dem Weg zur Weltmacht


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KULTURNOTIZEN

Nach einhelliger Meinung der Kulturwelt hat Heinar Kipphardt mit seinem Stück "Bruder Eichmann" die deutsche Vergangenheit miß- bräuchlich verwendet. Statt nämlich - wie der Titel es suggeriert - einen verdienstvollen Beitrag für die Bewältigungsreihe "Nie wieder...!" abzuliefern, verdarb er den Interessenten am Genuß "menschlicher Abgründe" ihre verantwortungsbeflissene Erbauung: Sie mußten entdecken, daß Kipphardt sich bei seinem Anprangern staatlicher Gewalt eines unerlaubten moralischen Rigorismus be- diente und die Qualität einer Gewalt im Faschismus auch an den Opfern von Demokratie und Imperialismus nach 1945 wiederzuent- decken vermeinte. Die Gleichsetzung von Israels Kriegsminister Sharon mit dem 'Unmenschen' Eichmann, der Judenvergasung mit den US-Massakern in Vietnam und andernorts, wurde hinsichtlich ihres künstlerischen Wertes für nachgerade entartet befunden, weil ein staatstreuer Genuß nur an einem Theater Erbauung findet, in dem Faschismus als die Perversion der sauberen Demokratie vorgestellt wird. Zu retten wäre das Kunstwerk allenfalls, wenn es - gemäß dem Vorschlag der FAZ vom 24.1.83 - der Bekämpfung des Un m e n s c h e n tums in Gestalt von 'Eichmann' eine ordentli- che politische Zukunftsperspektive gewiesen hätte: "...in den im Archipel Gulag,... in Afghanistan." "Kampf dem Gammeln" hieß eine Expertentagung Dezember letzten Jahres in Wentrof, deren Ergebnisse jetzt der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium Würzbach (CDU) bekanntgab ("Süddeutsche Zeitung" vom 25.1.). Es drehte sich also nicht um "asoziale" Jugendliche, sondern um junge Männer, die den vornehmsten aller s o z i a l e n D i e n s t e, den der Bund zu offerieren hat, ausüben: 15 Monate beim "Bund". Um die praktischen Vorschläge, mit denen Würzbach in "spätestens 2 Jahren" dafür sorgen möchte, daß "der Begriff Gammeln für die Bundeswehr ein Fremdwort" wird, geht es dabei weniger. "3000 neue Unteroffiziersplanstellen, mehr Geld, Treibstoff und Munition", damit nicht mehr so viele "Übungen ausfallen" - das sind ja längst unter dem Programm "Einsatzfähigkeit der Truppe" verhandelte und beschlossene "Notwendigkeiten". Wenn zum soundsovierten Male gegen "eine übergroße Zahl von Vorschriften, Erlassen und Plänen" und gegen "Bürokratismus" in der Truppe zu Felde gezogen und mehr "Ideenvielfalt, Verantwortungsfreude und Motivation" beim Heer gefordert wird, dann ist das vielmehr ein Stück der "neuen geistigen Führung", mit der die Regierungs- mannschaft wahlkämpft. Daß man am Kasernenleben nicht den Zwangscharakter und den staatsdienlichen Kampfzweck kritisieren darf, der da aus all den ungemütlichen Erscheinungen des Wehrdienstes erkenntlich wird, sondern daß man sich Sorgen um die Effektivität von Drill, Manö- ver, Kaserne und Rekruteneinstellung machen muß, ist ja beileibe keine Erfindung der christdemokratischen Mannschaft. Neu ist die Art und Weise, wie diese Sorge jetzt öffentlich aufgemacht wird. Es gehört zu den sorgsam und überparteilich gepflogenen "Erblasten" dieser Republik, daß die Rolle des Soldaten mit dem Ideal der "inneren Führung" des "Bürgers in Uniform" ausgemalt wurde, der im Heer zum selbstbewußten Verteidiger der Demokratie erzogen werden solle. Jetzt - und auch das ist keineswegs erst ein Einfall der Politchristen - soll man als Lernziel für die Schule der Nation die soldatische Tugend der Kampfbereitschaft angeben, in der sich ein anständiger Bürger verwirklicht. Der Soldatendienst ist in beiden Fällen derselbe, und um die Moral der Truppe soll man sich früher wie jetzt sorgen. Der neue Geist - der für manchen Staatszivilisten allerdings den Unterschied zwischen reaktionären und genehmen Politikern ausmacht - liegt nur darin, daß mit einem demokratischen Tugendkatalog dienender Selbstverwirklichung ein Ideal von Kasernengeist und Kommißdasein ausgemalt wird, das auf Zustimmung nicht nur beim dienstbereiten kleinen Mann berechnet ist: "Sinnvolle" Befehle durch "praxis- erfahrene junge Offiziere", anständiger Gehorsam ohne "Lange- weile" und "Frust", beständige Einsatzbereitschaft ohne "Unter- forderung", eine drahtige Truppe ohne lästige Vorschriften- hemmnisse - kurz, eine ordentliche Soldatenmannschaft für eine ordentliche Vaterlandsverteidigung. Kritik am Heer ist längst außer Mode gekommen. Deswegen kämpfen unsere Politiker ein ums andere Mal gegen "das mangelnde Verständnis" für die Bundeswehr und machen das, was sie beständig fordern, gleich selber auf ihre Weise: "offensiver über die Notwendigkeit der Bundeswehr öffent- lich diskutieren". Die Notwendigkeit der Kriegsmannschaft ist un- terstellt, deswegen wird mit ihren Notwendigkeiten offensiv ge- worben. Im übrigen verläßt sich die Führungsmannschaft darauf, daß der praktische Einsatz, dessen Gelingen da der Vater der sor- genvollen Gedanken über den "Gammel" ist, jede "Motivationshilfe" überflüssig macht, wenn nur die Notwendigkeit des Militärs einge- sehen und seinen Notwendigkeiten politisch Rechnung getragen wor- den ist. Und das wird ja nach Kräften gemacht! zurück