Quelle: Archiv MG - BRD ALLGEMEIN - Auf dem Weg zur Weltmacht
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Die "Supermächte" machen einen Vertrag -
DIE BUNDESDEUTSCHEN MACHEN SICH IHREN
NATIONALISTISCHEN VERS DARAUF
Genauer gesagt: Drei etwas unterschiedlich eingefärbte Reime.
1. Hochoffizielle Unzufriedenheit
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war das erste schwarz-rot-goldene Echo auf den INF-Vertrag. "Die
nehmen uns unsere besten Atomwaffen weg", war der Tenor der Be-
schwerdeführung. Die härtesten NATO-Fans stellten die Möglichkeit
zur Debatte, auch die BRD könnte mal ein bißchen Ärger machen im
Bündnis. - Das war einmal bundesdeutsches Nationalinteresse ohne
Friedensheuchelei. Dieser Staat ist nicht (mehr) zufrieden mit
dem Vasallen-Status, in dem er groß, reich und bedrohlich gewor-
den ist. Er ist unzufrieden, wenn er sich nicht - mit den USA im
Rücken - der Sowjetunion gegenüber als respektable Atommacht auf-
bauen kann. Denn in unserer zivilisierten, friedfertigen Freien
Welt gilt eine Nation nach wie vor genau so viel, wie ihre
Streitmacht wichtig und bedeutend ist. Das haben die Macher in
Bonn nie vergessen.
2. Verhaltene Begeisterung
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haben dagegen Friedensbewegung, Grüne und sozialdemokratische Ab-
rüstungsideologen verbreitet. Sie haben den Vertrag als Erfüllung
ihrer Wünsche verstanden; daß die härtesten Rüstungspolitiker der
NATO, SDI-Chef Reagan an der Spitze, ihn ausgehandelt haben, ohne
einen Widerspruch zu ihrer sonstigen Politik darin zu entdecken,
hat ihnen nicht sonderlich zu denken gegeben. Schon gar nicht ist
ihnen der Verdacht gekommen, das Vertragswerk könnte ganz anders
gemeint sein. Unzufrieden sind sie nur in einer Hinsicht: Es kä-
men noch v i e l z u w e n i g Waffen weg.
Zu wenig - wofür? Etwa gemessen an den Waffenbedürfnissen einer
normalen bundesdeutschen Sekretärin, eines durchschnittlichen
Facharbeiters, eines arm, also ehrlich gebliebenen Rentners, ei-
nes Arbeitslosen? Diesen Maßstab einmal ernst genommen - das gäbe
nicht bloß eine einzige riesengroße Null-Lösung her. Das ergäbe
glatt eine Kritik an der Feindschaft, die Staaten wie der unsrige
ihren Bürgern einbrocken, nicht bloß an den Waffen. Denn von sich
und seinen Lebensbedürfnissen aus bringt kein Mensch es je in
seinem Leben zu der radikalen Feindschaft, von der diese Staaten
bei ihrer Kriegsplanung und Rüstung mit der größten Selbstver-
ständlichkeit a u s g e h e n. Und wie sollte er es je zu der-
maßen lebensgefährlichen "internationalen Beziehungen" bringen,
wie die Staaten mit ihrer Kriegsbereitschaft - samt Personal und
Gerät - sie h e r s t e l l e n?!
Einen so radikalen Maßstab bringen die Grünen und die paar ähn-
lich gelagerten SPDler aber gar nicht in Anschlag. Dann müßten
sie ja auch tatsächlich die Politik der NATO kritisieren und
könnten nicht bei der Frage der Waffenmenge haltmachen. Tatsäch-
lich haben sie bei ihrem "zu wenig" einen anderen Maßstab für
richtiges Abrüsten im Kopf. Sie stellen sich ein gerechtes Maß
für ein genauso gerechtes bundesdeutsches Staatsinteresse an Waf-
fen vor. Dieses Maß wäre mit dem Wegtun der Pershings und Cruise
Missiles noch lange nicht erreicht.
Das klingt sehr nett, sehr harmlos, ein bißchen weltfremd - und
ist schlicht w i d e r s p r ü c h l i c h. Denn einerseits se-
hen diese Alternativ-Strategen das nationale Waffenbedürfnis, die
"Notwendigkeit" einer nationalen Verteidigung voll ein, gehen
also auch von der Selbstverständlichkeit aus, daß zwischen zivi-
lisierten Staaten wie dem unseren ziemlich mörderische Feind-
schaften herrschen und allemal "ausbrechen" können. Andererseits
wollen sie von den Feindschaften, die es in der modernen Staaten-
welt mit ihrer NATO und ihren Atomwaffenarsenalen gibt, gar
nichts weiter wissen; schon gar nicht trauen sie der BRD eine ak-
tive Rolle dabei zu. Zwar kann ihnen die außenpolitische Einmi-
scherei der neuen deutschen Republik gar nicht ausgedehnt und
machtvoll genug sein; aber daß ein Staat sich so viel Unbeschei-
denheit nur leisten kann, wenn andere Staaten sich v o r i h m
f ü r c h t e n, das wollen sie nicht wahrhaben. Als wäre die
BRD ein Spiegelbild der Friedensbewegung - und als hätte nicht
gerade manch einer aus der Friedensbewegung von eben dieser bun-
desdeutschen Staatsgewalt einige Prügel bezogen -, verknüpfen sie
das Verständnis für irgendwelche "legitimen Verteidigungsbedürf-
nisse" mit der Vorstellung, ihr "Vaterland" wäre im Grunde total
harmlos. Sie wollen in der Bundesrepublik nicht die Weltordnungs-
macht entdecken, die weltweit herumfuhruwerkt und den Russen mit
großen nationalen Ansprüchen kommt, sondern ein idyllisches Länd-
chen, das niemandem böse sein will und erst recht niemandem ge-
fährlich sein kann.
Dabei merken diese großen Verharmloser wahrscheinlich noch nicht
einmal, wie gläubig sie mit ihrer verkehrten Vorstellung vom Un-
schuldslamm BRD dem uralten n a t i o n a l e n
F e i n d b i l d anhängen: Daß die BRD nie einem anderen Staat
ein Leid antun will und kann, nur immer umgekehrt vor anderen auf
der Hut sein muß - das hat noch jeder Kalte Krieger dem braven
deutschen Volk so erklärt.
3. Ein ganz neues Konzept: Vorwärts-Abrüstung, Marke Dregger
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Ausgerechnet die bundesdeutschen Politiker, denen die vereinbarte
"Null-Lösung" für Mittelstreckenraketen eigentlich gar nicht in
den Kram paßt, haben inzwischen nicht um-, sondern weitergedacht
und einen neuen schwarz-rot-goldenen Beitrag zur "Abrüstung" ver-
fertigt. Auch sie stimmen jetzt die Beschwerde an - als hätten
sie bei der Friedensbewegung gelernt -: "Viel zu wenig" würde ab-
gerüstet; der ganze Vertrag wäre überhaupt nur etwas wert, wenn
die Abrüstung noch viel, viel weiter ginge.
Das ist schon lustig: Nachdem die Militärpolitiker der Regie-
rungskoalition jahrelang auf die sowjetischen SS-20-Raketen ge-
deutet haben und auf die völlig neuartige Gefahr, die angeblich
davon ausginge, stellt sich mit dem Verschwinden dieser Waffe
keineswegs Befriedigung ein. Da kann die alte Bedrohungstheorie
ja kaum die Wahrheit gewesen sein; das sollte man sich für die
neue Bedrohungslüge merken, die jetzt aufgebaut wird.
Jetzt wird nicht mehr auf einer besonderen sowjetischen Waffe
herumgeritten, durch die Westeuropa sich furchtbar bedroht sehen
müßte. Nicht einmal das "Ungleichgewicht" bei den atomaren Kurz-
streckenraketen wird so in Anschlag gebracht, daß hier der Westen
durch eine Null-Lösung etwas zu gewinnen hätte, obwohl die So-
wjets doch angeblich hunderte davon haben und "wir" bloß ein paar
Dutzend. Statt dessen kommen lauter ganz grundsätzliche
"überhaupt"-Argumente auf den Tisch: Daß die Russen überhaupt
eine Streitmacht haben, die "invasionsfähig" sei - was denn auch
sonst!, was heißt das denn anderes, als daß sie fremde Truppen
fertigmachen kann! -, ist das große Ärgernis, das "ausgeräumt"
werden muß, wenn es mit dem Abrüstungsgeschäft weitergehen soll.
Freilich: An diesem Maßstab gemessen kommt auch heraus, daß durch
den INF-Vertrag viel zu wenig Waffen abgeschafft werden - nämlich
b e i d e n R u s s e n. Daß es so gemeint ist, machen die
konstruktiven bundesdeutschen Vorschläge klar. "Frieden schaffen
mit weniger Waffen" heißt auf gut deutsch erstens: Ohne Atomwaf-
fen geht es nicht. Zweitens muß man aber folgendes bedenken:
"Dieses dicht besiedelte Land kann atomar vernichtet, aber nicht
verteidigt werden."
"Das erklärt unsere Abneigung gegen atomare Kurzstreckensysteme,
die in beiden Richtungen nur von Deutschland nach Deutschland
reichen, und unsere noch größere Abneigung gegen atomare Artille-
rie." (Alfred Dregger)
Der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende denkt - wie man sieht - bei
Atomwaffen nicht an die blöden Phrasen vom "Krieg verhindern",
sondern ans Schlachtgeschehen. Seine Abneigung gegen ein verwü-
stetes Deutschland - in das er die DDR gleich mit eingemeindet -
geht aber nicht so weit, daß er nun doch den Lehrsatz Nummer Eins
"Ohne Atomwaffen geht es nicht!" - umstoßen würde. Er sucht die
Lösung weiter vorn:
"Wir erwarten daher von unseren Verbündeten, daß sie ihre atoma-
ren Abschreckungswaffen - wenn irgend möglich - nicht gegen unser
Land, sondern gegen das des potentiellen Angreifers (= NATO-Jar-
gon für die Sowjetunion) richten." (Dregger)
Noch Fragen?
Die Bundesdeutschen haben eben weitreichende politische Ansprü-
che; und deswegen haben sie die Sorge, daß von ihrem Boden keine
atomare Kriegsdrohung mehr direkt gegen die Sowjetunion ausgehen
soll. Für Bonner Militärpolitiker und für das nationale Interesse
ist das eine schmähliche Herabsetzung. Am Ende müssen sie sich
als die einzigen vorkommen, die wegen des INF-Vertrags zwischen
USA und Sowjetunion tatsächlich auf etwas militärisch Wertvolles
v e r z i c h t e n müssen. Nein, so haben die Führer unseres
niedlichen Frontstaats nicht gewettet. Abrüstung ja; aber doch
nicht bei uns! So funktioniert sie, die offizielle bundesdeutsche
Friedensliebe.
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