Quelle: Archiv MG - BRD ALLGEMEIN - Auf dem Weg zur Weltmacht
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das aktuelle Friedenslexikon
HEUCHELEI
Seit dem 13. Dezember in Polen rücken die zwei Beurteilungsmaß-
stäbe, über die ein anständiger deutscher Nationalist verfügt,
wenn er sich die außenpolitischen raten seiner Politiker zu Ge-
müte fahrt, immer näher zusammen - bis zur Deckungsgleichheit.
Nicht daß sich der gängige Idealismus, wonach die eigentlichste
Aufgabe bundesdeutscher Weltpolitik im Export von Demokratie und
den Menschenrechten liegen soll, und der realitätsbewußte Respekt
vor den ein wenig härteren Interessen, die "man" nun mal geltend
machen müsse, bisher groß in die Quere gekommen wären. Jene wie
selbstverständlich beherrschte Trennung von Moral und Interesse,
die einem die "politische Vernunft" vorschrieb, so daß man gegen-
über Chile, Südafrika, Südkorea etc. immer nicht so verfahren
könnte, wie es sich eigentlich gehört hätte - eine Betrachtungs-
weise, die vornehm unter den Tisch fallen läßt, daß ohne "unsere
Interessen" all jene Menschenrechtsverletzungen gar nie zustande-
kämen: von wegen "verhaltene Reaktion" der BRD z.B. bezüglich der
türkischen Kamarilla! -, ist seit "Polen" allerdings passe. Weil
auf Beschluß westlicher Politiker das politische Interesse bezüg-
lich Polen, den feindlichen Ostblock aufzuknacken, von vorneher-
ein als höchstmoralische Mission, als Dienst an der Freiheit, an-
tritt.
Diesen von oben vorgegebenen Standpunkt, der immerhin jener so
liebgewonnenen moralischen Distanz zum Imperialismus der Nation
ein Ende macht, sich auch subjektiv zu eigen zu machen, an dieser
Aufgabe macht sich der deutsche Bürger derzeit zu schaffen. Wie
hingebungsvoll, das zeigen die moralischen Streitereien, die da-
für stattfinden. Eine besondere Konjunktur, und das nicht zufäl-
lig, hat dabei der Heuchelei-Vorwurf, der die Kunst des Heuchelns
auf die Spitze treibt.
- Wenn Friedensbewegten, Ex-Vietnamkritikern etc. die Frage vor-
gelegt wird, wo denn die Massendemonstrationen gegen die pol-
nische Unterdrückung bleiben, dann soll damit natürlich nicht ge-
sagt sein, daß Protest z.B. gegen die NATO-Aufrüstungspolitik ge-
recht sei. Umgekehrt: gerade von BRD-Kritikern wird die vollste
demonstrative Unterstützung dieser Politik eingefordert, weil es
eine nationale Ehrensache ist, den Feind zu schwächen.
- Rechte wie linke Moralisten überführen bundesdeutsche Politiker
der "Halbherzigkeit" bis "Feigheit", weil die "Strafaktionen" ge-
gen die östlichen Gewaltherrscher zwar in die richtige Richtung
gehen, aber zu schwach seien für eine Politik, die ernsthaft die
Flagge der Moral hochhalten will. Nationale Interessen werden als
schädlich enttarnt, weil sie das wichtigste Ziel der Nation, der
Unfreiheit entgegenzutreten, behindern sollen (als ob es nicht
die NATO-Verantwortlichen gewesen wären, die wegen Polen Schluß
gemacht hätten mit dem "business as usual"!) Linke bringen Hin-
weise auf die Türkei und El Salvador, um die seit je
"heuchlerischen" BRD-Politiker zu härterem Vorgehen - nicht etwa
gegen die Türkei, sondern - gegen Polen anzustacheln und um ihre
Parteinahme für die imperialistische Erledigung des Ostblocks als
Gebot unbestechlicher Moralität hinzustellen.
- Anhänger einer "realistischen" Politik deuten ebenfalls auf die
Türkei, aber mit der umgekehrten Beweisabsicht. Während dort ver-
nünftigerweise - ein rigides Eingreifen unterbleibe, setze man
mit dem moralischen Rigorismus in Sachen Polen das nationale In-
teresse an einer "maßvollen" und risikobewußten Schädigung des
Gegners leichtfertig aufs Spiel. "Ein Lump, wer da noch heu-
chelt".
- Profis in Sachen "Wertorientierung" deutscher Außenpolitik wei-
sen den Vorwurf der "doppelten Moral" entschieden zurück, weil
eine solche doppelte Moral von der Sache, d.h. vom nationalen In-
teresse her dringend geboten sei. Schließlich lasse sich Reagans
Differenzierung zwischen "autoritären" und "totalitären" Regimen
(erstere gut, weil prowestlich - letztere schlecht, weil proso-
wjetisch) auch auf deutsch hersagen: in der Türkei ist die Mili-
tärregierung leider unvermeidlich, weil die Menschen vor "Terror"
geschützt werden müssen, in Polen dagegen wird eine "friedliche
Bewegung" mit Füssen getreten.
- Arbeitervertreter heucheln ebenfalls nicht, sondern üben sehr
richtig Solidarität mit polnischen und nicht mit türkischen Kol-
legen, weil erstere im Unterschied zu letzteren einer "alten eu-
ropäischen Kulturnation" angehören, wo Inhaftierungen nicht Sitte
sind.
- Endlich finden sich beherzte Journalisten, die den Heuchelei-
vorwurf wegen El Salvador etc. schlicht als untauglich und des-
halb unmoralisch ablehnen. Man habe eben seinen NATO-Standpunkt -
es geht gegen den Osten und dafür ist alles recht -, weshalb man
dem nationalen Interesse nicht mit moralischen Bedenklichkeiten
kommen dürfe: es selbst i s t die höchste Moral!
In diesem Hin und Her entlang der Kommentarspalten von FAZ, TAZ,
SPIEGEL, STERN und wie sie alle heißen, sind sich alle einig und
werden sich immer einiger, daß d a s Interesse und d i e Mo-
ral unserer Republik Antikommunismus heißt. Und da kommen Türken
und Salvadorianer offenbar gerade recht, wenn unter Nationalisten
anläßlich der NATO-Offensive in Polen klargestellt werden soll,
daß einem um die Sache des Westens nicht heuchlerisch, sondern
bitter ernst zu tun ist.
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