Quelle: Archiv MG - BRD ALLGEMEIN - Auf dem Weg zur Weltmacht


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       Bremer Hochschulzeitung Nr. 20, 01.07.1980
       
       Der aktuelle Buchtip: Resultate Nr. 1 / Neufassung
       

DIE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND 1980 -

und was Marxisten in den 80er Jahren an ihr zu ändern haben Zum politischen Kampfpreis von DM 5.- für 143 Seiten erhältlich an den Büchertischen der MG! Politische Gruppen, die mit Einwänden gegen den Lauf der Welt hervortreten und die Menschen zu dessen Änderung zu bewegen ver- suchen, begegnen neben einem Desinteresse, das vor lauter Einver- ständnis mit der Welt auf jedes Argument dafür verzichten will einem geheuchelten Bedürfnis zu erfahren, was sie denn eigentlich zur Weltlage zu sagen haben. Dem e c h t e n Interesse an den Argumenten, die sie zu ihrer Kritik an den gegebenen Verhältnissen bestimmen, entspricht die MARXISTISCHE GRUPPE mit ihrer neuen Nr. 1 der Resultate-Reihe: - Leser, die (unter den üblichen Vorbehalten und mit Hilfe des Vergleichs zu vorstellbaren schlimmeren Zuständen) mit der bun- desdeutschen Demokratie sympathisieren, werden in Teil I der Schrift mit einer Analyse der demokratischen Verkehrsformen in unserer Republik bekanntgemacht, die alle vertrauten affirmativen wie kritischen Auffassungen darüber gründlich auf den Kopf stellt. Während normalerweise jeder eine Vorstellung voll "eigentlicher" Demokratie im Kopf hat, in der alles für den Nut- zen des "kleinen Mannes" getan wird, und die bundesdeutsche Re- alität mehr oder weniger kritisch an diesem Idealbild mißt, wird hier umgekehrt aus der alltäglich praktizierten demokratischen Anteilnahme und Teilhabe des Bundesbürgers an den politischen Ge- schicken seines Staates gefolgert, daß es darin um freiwilligen Verzicht und freiwillige Unterwerfung der "kleinen Leute" unter die reichlich rücksichtslosen Zwecke (hier politischen Herrschaft geht. "Politisierung" wird erklärt als die schlechte Virtuosität, mit der die bundesdeutschen lassen diese eigentümliche Bereit- schaft, sich als Mittel politischer Größe behandeln zu lassen, immerzu hinkriegen also als die Grundlage dafür, daß die berufe- nen Führer der Nation die inzwischen nicht mehr die geringste Scheu haben, sich unter diesem Titel zu empfehlen!) sich ihrem geführten Volk gegenüber jede Freiheit herausnehmen können. Und folgerichtig wird das Auftreten dieser Republik nach außen nicht als ein durch Kompromisse beeinträchtigtes Eintreten für die hö- heren Werte begutachtet, sondern als kompromißloser demokrati- scher Imperialismus beurteilt: Statt ein Hindernis für die Ambi- tionen der Regierung auf weltweite Zuständigkeit und Durchsetzung deutscher Interessen zu sein, bilden die deutschen "Arbeitnehmer" mit ihrem demokratischen Nationalismus die Manövriermasse der Macht, mit der dieser Staat sehr aktiv, sehr gern und sehr er- folgreich am Imperialismus der USA partizipiert. - Daß es allerdings nicht die staatsfromme Einstellung der Bürger ist, auf der die Macht der BRD beruht, sondern das Gelingen öko- nomischer Ausbeutung, die die deutsche Arbeitnehmerschaft sich im Namen ihres Nationalismus gefallen läßt - das ist eine ebenso völlig aus der Mode gekommene marxistische Einsicht wie die, daß Ausbeutung und Armut auch im Jahre 1980 noch immer zusammengehö- ren. Umso ausführlicher geht die Analyse der MARXISTISCHEN GRUPPE im II. Teil auf die Formen ein, in denen beides den Alltag der arbeitenden Massen bestimmt. Leser, die die bundesdeutsche Wirt- schaft als Grundlage einer "Leistungs-", "Industrie-" oder "Wohlstandsgesellschaft" schätzen oder kritisieren gelernt haben, werden auf das Ideologische an dieser Betrachtungsweise ebenso hingewiesen wie auf die Realität, über die diese Ideologien ver- kehrte Auskünfte geben. Für Mitleid mit den Opfern, die die bun- desdeutsche Ökonomie als Grundlage ihrer "Stärke" erzwingt, gibt die Analyse allerdings keinen Anhaltspunkt: Stattdessen werden die bundesdeutschen Arbeiter dafür kritisiert, daß sie sich zum Fußvolk einer Einheitsgewerkschaft machen, die die politische Mitverantwortung für Armut und Ausbeutung ihrer Kundschaft zu ih- rem obersten Anliegen erkoren hat. - An Leser, die als Intellektuelle die gesellschaftlichen Ver- hältnisse als Problem ihrer Theoriebildung betrachten, richtet sich der Teil III der Resultate. Hier wird nämlich über den aktu- ellen Stand der demokratisch-philosophischen Verblödung des wis- senschaftlichen Geistes in der BRD berichtet und begründet, wes- halb von der unter Akademikern üblichen Manier, die Welt in lau- ter "Probleme" zu verwandeln, um dann den eigenen Quark als "mögliche Lösung" zu präsentieren, nichts anderes als kunstvoll komplizierte Liebeserklärungen an die Herrschaft zu erwarten, also nichts zu halten ist. - Weshalb die MARXISTISCHE GRUPPE mit ihrer Kritik an der Welt als eigener Verein auftritt und nicht in den Initiativen und Gruppierungen der bundesdeutschen Linken mitmischt, wird im Teil IV mit einer Analyse der linken Szene in der BRD, ihrer Politik und ihrer jüngsten Entwicklung zur grünen Subkultur begründet. Es ist nämlich nicht nur falsch, sondern eine absurde Mischung aus Bescheidenheit und Größenwahn als Gegner der bestehenden Gesell- schaft dem Glauben anzuhängen, man sei mit seiner Gegnerschaft nicht mehr und nicht weniger als der (bewußte) "Ausdruck" einer in der Gesellschaft selbst "objektiv" virulenten Sehnsucht nach prinzipiellen Alternativen, revolutionärem Fortschritt und einer sozialistischen Zukunft. Leser, die von einer "Krise des Marxis- mus" haben läuten hören, können hier erfahren, inwiefern es sich dabei um das folgerichtige Endstadium einer Politik handelt, de- ren antikapitalistischer Inhalt mit der Absicht und den dieser Absicht gemäß erfundenen Methoden der fiktiven Ineinssetzung mit den Massen zusammenfällt. - Die praktischen Konsequenzen aus den vorgetragenen Urteilen sind keineswegs ein Geheimnis. Es erübrigt sich also in Teil V ganz und gar, den Leser darauf aufmerksam zu machen, daß und wie die Analyse die Grundlage unserer Politik ist. Schließlich rich- tet sich das Heft nicht an Kinder; und die kindischen Linken, die die Welt mit ihren alternativen Augen sehen und deshalb in Sachen Demokratie und Ausbeutung keines objektiven Urteils fähig sind, brauchen ihr Bedürfnis nach praktischen Alternativen gar nicht erst zu heucheln. Sie können sich getrost der Frage widmen: Wie "dem lustlosen Weiterwursteln und dem Aussteigen begegnen?" - sich also bis zu ihrem glücklichen Ende mit s i c h befassen Ebenso wie dem echten Bedürfnis nach Auskunft darüber, was die MARXISTISCHE GRUPPE "denn eigentlich will", genügt die Neufassung der alten Programmatischen Erklärung dem - viel üblicheren, ge- heuchelten Interesse an dem politischen Standpunkt dieses Ver- eins. - Wer Auskunft wünscht über die Maßstäbe und "normativen Leitkri- terien" marxistischer Polemik gegen die herrschenden Verhält- nisse, der kann dem Heft entnehmen, daß dieser Wunsch eine metho- dologische Ausflucht vor der Tatsache darstellt, daß der bundes- deutsche Kapitalismus selber alle nötigen und hinreichenden Gründe für Gegnerschaft enthält. Die erkenntnistheoretische Lüge, Urteile über die Wirklichkeit beträfen nie diese, sondern wären allemal bloß die Emanationen eines ihr gegenüber eingenommenen Standpunkts, wird ausführlich widerlegt und als philosophische Selbstaufgabe des wissenschaftlichen Verstandes kritisiert. - Wer ein Vorbild und eine "menschliche" sozialistische Perspek- tive und Alternative gewiesen haben möchte - so als fehlte ihm bloß noch die Anregung seiner Vorstellungskraft, um sich zu ent- schlossener Gegnerschaft zu entschließen -, der wird darüber auf- geklärt, daß die MARXISTISCHE GRUPPE ihren politischen Zweck nicht aus der Phantasie, sondern aus der Analyse der ziemlich är- gerlichen Verhältnisse unserer Gesellschaft bezieht. Utopien ebenso wie "konkrete Vorbilder" haben nämlich nichts mit Kritik und Gegnerschaft gegen die reale Herrschaft zu tun, sondern sind Äußerungen einer Moral, die Kritik an der Herrschaft nur im Namen einer Alternative oder eines Ideals der Herrschaft zuläßt, oder darauf festlegen will und gegen diese Moral richtet sich die gesamte Schrift. Die Frage nach "Philosophie" und "Menschenbild" schließlich fin- det ebenfalls eine befriedigende Antwort: Erstens in der Darle- gung, welches Bild die bundesdeutschen Menschen heute bieten; zweitens in den Darlegungen darüber, daß die philosophische Zu- rückführung jeden Gedankens auf ein angeblich zugrundeliegendes "Menschenbild" für nichts anderes taugt und nichts anderes be- zweckt, als den Begriff einer Sache durch ihre Erklärung zu einem "Problem" für den "Menschen" und das Nachdenken durch freihändi- ges Spintisieren zu ersetzen. Die Resultate Nr. 1 unterscheiden sich also ziemlich stark von den Analysen zur geistigen und sonstigen "Situation der Zeit", die den bundesdeutschen Meinungsmarkt in zunehmender Zahl bevöl- kern. Dieser Unterschied ist beabsichtigt; das Risiko, dafür als "methodisch unreflektiert", "von der realen Bewegung abgehoben" und "dogmatisch" verschrieen zu werden, wird dafür in Kauf genom- men, jeder entsprechende Vorwurf gern ignoriert. Das Heft ist für Leute geschrieben, die auf ihr Urteil etwas geben und deswegen Argumente als solche zu Behandeln gewillt sind. zurück