Quelle: Archiv MG - BRD ALLGEMEIN - Auf dem Weg zur Weltmacht
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Der Kern der "2 + 4"-Verhandlungen
GROSSMACHT DEUTSCHLAND
Die Sache scheint klar zu sein. Die Bundesrepublik wird größer -
um 108.000 qkm Land samt ca. 16 Millionen Untertanen. Das Pro-
gramm zur Herstellung der Einheit der beiden deutschen Staaten
läuft auf Hochtouren: Die Währungsunion ist mittlerweile bis ins
kleinste Detail für Juli geregelt, gesamtdeutsche Wahlen oder
Nachwahlen in der DDR für ein gemeinsames Parlament, also end-
gültiger Abtritt des anderen Deutschland, sind nur eine Frage des
Datums. Jedermann diesseits wie jenseits der Elbe ist klar, es
geht um "Deutschland einig Vaterland". Es geht um das
"natürliche" Völkerrecht der Deutschen, in einem gemeinsamen
Staat leben zu dürfen, und um den Willen der DDR-Bürger, endlich
zusammen mit ihren Brüdern und Schwestern Freiheit und DM ge-
nießen zu dürfen. Eigentlich doch alles paletti!? Aber so gesehen
scheint es gar nicht in die Landschaft zu passen, daß dieses
Recht der Deutschen auf einer
Konferenz mit den Siegermächten des
2. Weltkriegs
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entschieden wird. Die sehen die Sache allerdings auch etwas an-
ders. Allem Anschein nach haben sie eine sehr genaue Ahnung da-
von, daß hier nicht einfach "zusammenwächst, was zusammengehört".
Von wegen Wiedervereinigung der Brüder und Schwestern. Um so un-
schuldige Anliegen geht es nicht, wenn sich Sieger und Besiegte
nach 45 Jahren an einen Tisch setzen und "Sicherheit und Frieden
in Europa" überhaupt zum Thema haben. Da stehen Gewaltfragen zwi-
schen den Staaten an. Da ist die Revision der Nachkriegsordnung
Gegenstand der Auseinandersetzung, denn da will ja der Verlierer
des letzten Weltkriegs eine neue europäische Großmacht werden.
Das ist der Zweck der Verwirklichung des "natürlichen Menschen-
rechts" der Deutschen. Darum geht es der Bundesrepublik, wenn die
DDR mit Freiheit, Marktwirtschaft und BRD-Recht versorgt wird.
Bedient werden also nicht deutsche Bürger, sondern der deutsche
Staat, und zwar in seinem Interesse an der Stärkung seiner Souve-
ränität. Die wächst dadurch, daß die staatliche Hoheit über mehr
Land und Leute gebietet. Und damit werden nicht nur die bisheri-
gen Machtverhältnisse in Europa revolutioniert, sondern auch die
rechtlichen Zuständigkeiten der alten Siegermächte in Sachen
deutsche Souveränität.
Schon im Vorfeld der Verhandlungen schafft die BRD tagtäglich
jede Menge neuer Fakten in puncto Anschluß, macht mit jedem neuen
Treffen von Kanzler und DDR-Ministerpräsidenten neue
A n s p r ü c h e geltend auf den Staat drüben sowie seine
Ausgestaltung. All das hat aber bisher bloß die Form eines
Z u g e s t ä n d n i s s e s der zuständigen Mächte. Immerhin
steht der Anschluß der DDR immer noch unter dem Vorbehalt eines
Ja der SU, genauso wie es nach wie vor den im Deutschlandvertrag
geregelten Vorbehalt der Westalliierten für eine deutsche Wieder-
vereinigung gibt. Da mag die deutsche Öffentlichkeit nur noch
Verfahrensfragen des Anschlusses - etwa die spannende Frage, ob
lieber nach einem Art. 146 oder einem Art. 23 des GG - diskutie-
ren. Für sie mag noch so sehr alles feststehen: Was aussteht, ist
nach wie vor die definitive Zustimmung der Siegermächte zum poli-
tischen wie militärischen Status des großen Deutschland. Immerhin
waren es ja s i e, die diese Verhältnisse in der Welt nach 1945
so hergestellt haben. An genau diesem Status quo beginnt die BRD
mit ihrem Ansinnen zu rütteln. Was sie will, ist eine
Revision des Kriegsergebnisses in Europa
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Und das passiert normalerweise nicht an irgendeinem runden, grü-
nen oder sonstwie gearteten T i s c h, sondern auf dem
S c h l a c h t f e l d. Unseren deutschen Sicherheitspolitikern
ist sonnenklar, daß die Lösung der "deutschen Frage" lauter
europäische Sicherheitsfragen aufwirft. Sie sind es nämlich zual-
lererst, die sie s t e l l e n: Grenzfragen, den polnischen
Nachbarn betreffend; die Frage einer Veränderung des immerhin 45
Jahre bestehenden militärischen Kräfteverhältnisses zwischen West
und Ost; die Frage, über welche Militärmacht das neue größere
Deutschland verfügt, wie weit im Osten es seine Truppen statio-
niert und wie es künftig mit der NATO und in der NATO Außenpoli-
tik macht.
Wieso machen da die Gegner von einst überhaupt mit? Immerhin er-
wächst ihnen ja auf der einen Seite, soweit aus den Gegnern
"Freunde" geworden sind, ein mit noch mehr Macht und Einfluß aus-
gestatteter "Partner", auf der anderen Seite der Sowjetunion ein
noch mächtigerer und um ein gutes Stück nähergerückter Feind. Der
NATO
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- und nur mit deren Rückendeckung kann sich die BRD überhaupt so
weit aus dem Fenster lehnen - ist es nur recht, wenn die west-
deutschen Belange gegenüber dem Osten zum Zuge kommen. Die Bun-
desregierung bekommt von ihren Verbündeten, was sie will: die Un-
terstützung für den Anschluß und die Zusage, daß Deutschland
Militärmacht bleiben soll. Da mögen die NATO-Mächte noch so viele
Vorbehalte gegenüber den Bestrebungen des jetzt in jeder Hinsicht
wachsenden und mächtiger werdenden Konkurrenten ins Feld führen;
als NATO-Mitglieder stellen sie ihre nationalen Konkurrenzsorgen
als "kleinlich" hintenan, weil mit der Heimholung des östlichen
Frontstaates ins westdeutsche Reich alle gewinnen. Ein Teilziel,
das die NATO seit ihren Gründungstagen verfolgte, wird damit er-
reicht: Der militärische Einfluß der Sowjetunion in Europa ist
zurückgedrängt, ein östlicher Staat mit einem Schlag in die NATO
eingegliedert und damit die Zersetzung des Warschauer Pakts ent-
scheidend vorangetrieben.
Die SU
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will dem allem kein entschiedenes "Njet" entgegensetzen. Mit dem
Verzicht auf jede machtpolitische D r o h u n g will sie die
Konfrontation in Europa abbauen und dafür die Berücksichtigung
ihrer sicherheitspolitischen Interessen erreichen. Durch
Z u s t i m m u n g zum deutschen Einigungsprozeß versucht sie,
Einfluß zu nehmen auf die Gestaltung des neuen Deutschlands. So
gibt sie zum einen dem Vereinigungsdrang der Deutschen als
"legitim" recht, eine Nahtstelle der Konfrontation ist in ihren
Augen damit getilgt, andererseits soll daraus kein Vordringen der
NATO nach Osten werden. Ausdruck findet dieser Widerspruch im
russischen Versuch, bei den "2+4"-Verhandlungen diplomatische Re-
gelungen für ihre Sicherheitslage zu finden.
Heraus kommen lauter Modelle, die einerseits das Entstehen einer
neuen europäischen Großmacht anerkennen und ihr andererseits Zü-
gel anlegen wollen. Letzteres wird von der Bundesrepublik und der
NATO insgesamt entschieden zurückgewiesen. Das nimmt die So-
wjetunion zur Kenntnis und kann sich Lösungen vorstellen, die dem
neuen Großdeutschland volle militärische Souveränität zugestehen,
wenn nur die NATO politische Garantien dafür abgibt, daß der
deutsche Machtzuwachs zu keiner Bedrohung sowjetischer Si-
cherheitsinteressen in Europa wird. Ausgerechnet die NATO!
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