Quelle: Archiv MG - BRD ALLGEMEIN - Auf dem Weg zur Weltmacht


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       Wahlsieg der Republikaner in Westberlin
       

RECHTSRADIKALE HABEN ERFOLG MIT DER AUSLÄNDERFEINDSCHAFT - DIE ANDEREN DEMOKRATEN GEBEN IHNEN RECHT

Ein "Schandfleck" lastet seit dem republikanischen Wahlsieg auf der Nation, ein "Schock" hat alle demokratischen Parteien ergrif- fen. Die Bekämpfung der "Rechtsradikalen" ist seit Berlin Thema Nr. 1. Die Kritik und Selbstkritik der demokratischen Parteien anläßlich des Wahldebakels zeugt allerdings eher von einer soliden G e m e i n s a m k e i t zwischen REPs und demokratischem Par- teienspektrum als von einem schrillen G e g e n s a t z. Dreg- ger (CDU) über die REPs: "Das meiste haben sie bei uns abge- schrieben." (Weser-Kurier, 3.2.) Die größte "Partei der Mitte" und die gescholtenen Rechtsradika- len vertreten also d i e s e l b e n Inhalte, so der Fraktions- vorsitzende der CDU. Das hinwiederum gilt nicht als Skandal. Der liegt nämlich darin, daß die nationalistischen und ausländer- feindlichen Töne d e n F a l s c h e n Wählerstimmen eingetra- gen haben. Dieser Kritik wegen, die am Inhalt republikanischer Positionen ausdrücklich keinen Anstoß nimmt, ist den christlichen Demokraten der Flötenmann aus Hameln als passendes Bild für die erfolgreichen REPs eingefallen. R a t t e n f ä n g e r werden die Rechten von der CDU geschimpft, eine Metaphorik, die den Gei- steszustand nicht der Republikaner, sondern der Union trifft: Die national-radikalen Parolen von Schönhuber gelten ihr nämlich als ein W o h l k l a n g, den Flötentönen des Rattenfängers ähn- lich, mit denen er das Volk betörte. Das Dumme ist für die CDU eben nur, daß das Volk den r i c h t i g e n Parolen bei den F a l s c h e n hinterherläuft. Der Stimmengewinn der Republika- ner geht nämlich zu Lasten der Unionsparteien, die sich nun mit dem Problem konfrontiert sehen, daß ihnen das rechte Ende "ausfranst". Und wo es um den Machterhalt geht, wird die Partei selbstkritisch. Die "Stabilisierung des rechten Wählerrands" habe die CDU versäumt, meinen Parteistrategen. Eine bemerkenswerte Selbstkritik. Klartext: Es gibt immer noch Rechtsradikale, die n i c h t in der CDU sind - das ist für die Christdemokraten un- erträglich. Als größte rechtsradikale Sammlungsbewegung kommt sich diese Partei deswegen noch lange nicht vor. Sie ist nämlich nach ihrem Selbstverständnis mit der pädagogisch wertvollen Auf- gabe beschäftigt, faschistische Energien zu binden und dadurch unschädlich zu machen. Auch das ist bemekenswert. Der Schönhuber- Fan kann sich also mit seinem Gedankengut bei der CSU g e n a u s o g u t aufgehoben fühlen, wie bei Kanzler Kohl und den Seinen. Die demokratische Ideologie von der Partei als Erfül- lungsgehilfe des Wählerwillens wird nebenher glatt dementiert: Die M e i n u n g des Wählers, faschistisch oder auch nicht, bestimmt nicht die Partei und ihre Politik, sondern gilt den Par- teien als Vertrauensbasis und Auftrag, damit i h r e Politik zu machen. Die sozialdemokratische Bestürzung über den Berliner Wahlausgang ist etwas anders gelagert. Zum einen besteht sie in der Freude darüber, daß der Konkurrenzpartei Wähler weggelaufen sind. Zum anderen teilt die SPD die Besorgnis der C-Parteien, daß der Na- tionalismus des Wählers an der falschen Stelle sein Kreuz malt: "Der Nährboden, aus dem die große Zustimmung zu den Republikanern erwachsen sei, müsse beseitigt werden. Dafür brauche man eine ak- tive Politik zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit und der Wohnungsnot, aber auch den breiten Konsens aller demokratischen Parteien in der Ausländerpolitik." (Anke Fuchs, SPD, Weser-Ku- rier, 4.2.) Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot, jene Produkte von Kapitalwachs- tum und Grundeigentum, gehören zum Lebensstandard einer sozial- staatlich betreuten Marktwirtschaft einfach dazu. Die Grundlüge des Nationalismus, diese E r g e b n i s s e m a c h t v o l- l e n R e g i e r e n s einer S c h w ä c h e der Nation zuzuschreiben, die sich zuviele Ausländer auf deutschem Boden leistet, findet die SPD nicht kritikabel, sondern plausibel. Deswegen will sie ja dieser Auffassung nicht ihre Richtigkeit, sondern den Nährboden bestreiten, und zwar durch die Lüge, sozialdemokratischer Politik ginge es beim wirtschaftlichen Wachstum um Beschäftigung und Wohnraum für alle. Das ist zwar kein Angebot für Schönhuber-Wähler, die sich entschlossen haben die Anwesenheit und den Rechtsstatus von Ausländern für den Inbe- griff aller denkbaren und wirklichen Ungerechtigkeiten gegen In- länder zu halten, und eine durchgreifende Bereinigung d i e s e s Skandals verlangen. Dafür demonstrieren die Sozis sehr schön ihren demokratischen Glauben an die M a n i p u l i e r b a r k e i t des Wahlviehs: Das fräße dem Politiker aus der Hand, der am erfolgreichsten den Eindruck er- weckt, es zu füttern. Damit manipulieren sie zwar niemanden, betören aber Leute, die das Verhältnis zwischen Politikern und Volk genauso sehen und den SPDlern ihr sozialdemagogisches Auf- trumpfen als Führungsstärke hoch anrechnen. So sehr die großen demokratischen Parteien die Republikaner schmähen, so wenig lassen sie auf den republikanischen Wähler kommen. Der muß also mit seinem nationalistischen Schädel sehr gut ins Konzept der Demokraten passen. K r i t i s i e r e n will ihn keine demokratische Partei, b e d i e n e n wollen ihn dagegen alle, so daß sich ernstlich die Frage erhebt: Woran erkennt eigentlich ein Demokrat den Rechtsradikalismus? ------------------------------------------------------------- Schwer zu sagen, meinen Demokraten, die in Schönhubers Programm mühsam, aber vergeblich nach Anhaltspunkten für das un-demokrati- sche Böse suchen: "Daß Ausbildungs- und Fortbildungseinrichtungen für Jugendliche gewünscht werden, ist ebensowenig zu beanstanden wie die Bemer- kungen zur Energiepolitik. Energie sparen, das sagen alle, um- weltfreundliche Technologien fördern, das sagen auch alle." (FAZ, 8.2.) Für "Recht und Ordnung" gegen "Kriminalität und Terrorismus", das sagen schon wieder alle, weil von Kohl bis Otto Schily das staat- liche Gewaltmonopol als friedensstiftende und hilfreiche Einrich- tung gilt, die unser aller Wehrhaftigkeit verdient. Konsens wei- terhin in der "Ausländerfrage", also darin, daß der Staat, der sich schon mal Millionen von Fremdarbeiter herbestellt hat, es sich vorbehält, unter den Fremdlingen zu sortieren und sie wieder rauszuschmeißen: "Die Republikaner sagen, die Bundesrepublik sei kein Einwande- rungsland; das ist mehr oder minder die Ansicht aller Parteien." An der Forderung nach Wiedervereinigung kann ein aufrechter Demo- krat erst recht keinen Rechtsradikalismus entdecken, weil dieser imperialistische Anspruch der BRD auf die Revision des Kriegser- gebnisses seit Kriegsende zur demokratischen Normalität gehört: "Es ist bekannt, daß die Republikaner eine 'staatliche und natio- nale Einheit Deutschlands durch Wiedervereinigung auf Grund des freien Selbstbestimmungsrechts' hervorheben." Der Verdacht auf mangelnde NATO-Treue, eines der größten Staats- verbrechen hierzulande, wird abgewogen und für vergleichsweise unbeachtlich befunden, weil die Hauptsache stimmt, der nationale Antikommunismus, an dem es ganz andere fehlen lassen: "In diesem Zusammenhang gibt es bei den Republikanern einen Hauch von Neutralismus - sonst ein Privileg linker Parteien, vor allem der GRÜNEN: Die Wiedervereiniguing sei höher zu bewerten als 'der Verbleib der BRD in der NATO'. Die Beseitigung der militärischen Überlegenheit der Sowjetunion, als Bedingung, gehört zum Abrü- stungs-Abc aller Parteien außer den Grünen." Und gegen die "Achtung der nationalen Symbole", wie die Schönhu- bers sie fordern, wird ein Sozi genausowenig einwenden können wie ein C-Mann. Schließlich führt letzterer hier und da soeben die erste Strophe des Deutschlandliedes wieder in den Schulunterricht ein, wohingegen ersterer seine Parteitage auch nicht mit der Ver- brennung der Deutschlandfahne einzuleiten pflegt. Man sieht: An den Z i e l e n u n d M a ß s t ä b e n kann der gute Demokrat den bösen Rechtsradikalen gar nicht von sich unterscheiden, weil beide d i e s e l b e n haben. Eben damit ist die Entlarvung aber auch schon geleistet. Denn - so denkt der demokratische Fahnder -: Was will eigentlich eine Partei, die im Grunde dieselben Programmpunkte vertritt wie die regierenden Christen und trotzdem eine eigene Partei neben den und gegen die etablierten Demokraten sein will? So etwas ist ganz einfach der leibhaftige Vorwurf an die gleichgesinnten Machthaber, sie nähmen i h r e i g e n e s P r o g r a m m n i c h t e r n s t g e n u g. Schönhuber ärgert die regierenden Patrioten mit der einfachsten demokratischen Übung: Er deutet auf die D i s k r e p a n z zwischen den Versprechen eines ordentlichen Polizeistaats und der Realität des Verbrechensalltags, zwischen der offiziellen Ernennung der Ausländer zum Problem und der tatsächlichen Einwohnerstatistik, zwischen grundgesetzlichem Wie- dervereinigungsanspruch und der Tatsache eines diplomatischen Verkehrs mit den "Spaltern des Vaterlandes". Kein Zweifel: Dieses Deuten auf die Glaubwürdigkeitslücke einer Regierung, die an ih- ren eigenen Idealen gemessen wird, erfüllt den demokratischen Tatbestand der Rechts- R a d i k a l i t ä t. Zu allem Überfluß hat der Gründer der Republikaner auch noch ein autobiographisches Buch geschrieben, das schon bei seiner Entlas- sung aus dem Bayerischen Rundfunk als Argument gegen ihn zu Ehren gekommen ist. "Ich war dabei", lautet der Titel, mit dem Schönhu- ber sich so schnörkellos zu seiner Mitgliedschaft in der Waffen- SS bekennt wie Alfred Dregger zu seinem Bruder, der für Hitler, pardon: das Vaterland, vor Stalingrad dem Iwan die Hölle heiß ge- macht hat. Das Sakrileg des Herrn Schönhuber liegt für die Demo- kraten also nicht in den Z i e l e n seiner Partei, sondern in dem G e i s t, mit dem sie vorgetragen werden. Und der läßt zu wünschen übrig, weil er sich an dem seit 45 betriebenen Natio- nalsport vergeht, die S c h a m über Hitler und die deutsche Vergangenheit als Berechtigungsausweis für den S t o l z auf den demokratischen Rechtsnachfolger zu pflegen. Ein Sakrileg, das deutlich an Gewicht verloren hat. Denn immerhin verfügt die BRD über einen Kanzler, der an der Seite von Reagan in Bitburg auch Hitlers SS- und Frontsoldaten in den guten Teil deutscher Vergan- genheit eingemeindet hat und sich selbst als begnadete späte Ge- burt die ewige nationale Selbstbezichtigung wg. Auschwitz verbit- tet. Dieses gute Gewissen hat ein Schönhuber schon lange. Übri- gens wie alle Mitmacher beim damaligen 3. Reich. Und weil keine diplomatischen Rücksichten ihn behindern, kann er sich damit er- folgreich gegen die Überreste bundesdeutscher Nachkriegsheuchelei sogar noch bei den C-Gruppen in Szene setzen. Noch ein Pluspunkt also beim zu neuem Nationalstolz erzogenen deutschen Wähler, den die etablierten Parteien ihm von Herzen neiden. Also wird Schön- hubers Rechtsradikalismus bekämpft. Und wie! Bekämpfen durch "Abdecken" -------------------------- Das Prinzip dieser Technik ist einfach. Die Parteien bekämpfen den Rechtsradikalismus dadurch, daß sie sich als dessen b e s s e r e r V e r t r e t e r profilieren. Wer das überzeu- gend schafft, liegt nicht etwa rechts neben der Schönhuber-Linie, sondern voll auf Spiegel-Linie: "Sie (die Koalition) könnte aber, müßte sogar sich einen neuen Kopf zulegen, der nicht nur Sprechblasen vom 'Wertewandel' abson- dert, sondern Führungsqualität zeigt, mit der die Union einer breiten Wählerschaft - jenseits vom altzopfigen Links-Rechts-Ge- zeter - den Weg in die Zukunft ebnet." (Spiegel 6/89) Nicht eine Birne, sondern einen echten Führer will das Blatt für kritische Intellektuelle, das wie neulich Kaiser Wilhelm nur noch Deutsche und kein Links-Rechts-Gezeter mehr kennen will. Die Strategie der Regierungsparteien liegt ganz auf dieser Linie. Welcher Machthaber ließe sich nicht gern zu Führung und Durch- greifen ermahnen? Die CDU/CSU handelt also. "In einem Gespräch mit dieser Zeitung forderte Waigel, die Union müsse mit den Wählern der Republikaner über die Frage sprechen, wie die Ziele, die diese Wähler verwirklicht sehen wollten, er- reicht werden könnten. Er werde darauf hinwirken, daß noch in dieser Legislaturperiode ein neuer Anlauf unternommen werde, um das Ausländerrecht zu verändern..." (FAZ, 4.2.) Mit O p p o r t u n i s m u s gegenüber dem Wähler ist das nicht zu verwechseln. AKW-Kritikern und Friedensdemonstranten ist die CDU/CSU schließlich auch nicht mit dem Einstampfen von AKWs und Raketen gekommen, um sich Wählerstimmen zu sichern, die sonst an die Grünen gefallen wären. Die Berufung auf die Stimmungslage des Wählers ist hier eine auf C-Positionen selber, die im Auslän- der einen Verstoß gegen das Reinheitsgebot für den deutschen Volkskörper sehen. Deswegen ist den C-Parteien hier einmal die demokratische Ideologie von der Regierung als Befehlsempfänger des Wählers recht, die sie ansonsten heftig bekämpfen. "Der Straße" gibt der Kanzler keinen Millimeter nach, auch wenn sie im Unterschied zu den damaligen Friedensdemonstranten aus 150-pro- zentigen Patrioten besteht, an denen jeder Führer seine helle Freude haben könnte. Die prinzipielle Abgrenzung gegen Ausländer ist nämlich das eine, die Sortierungsmaßstäbe gegenüber den Aus- gegrenzten sind etwas anderes. An den Abtransport von A u s l ä n d e r n mit einwandfreiem Aufenthaltsrecht ist nicht gedacht - stattdessen an eine umsichtige Modifikation der ein- schlägigen Rechtsgrundlage, so daß Flüchtlinge möglichst gar nicht erst hereinkommen, Gastarbeiter jederzeit an ihren Hauptbe- ruf erinnert werden können - und andererseits der Kosmopolitismus gewahrt bleibt, der zu einer imperialistischen Macht mit weltwei- ten Interessen und Zuständigkeiten einfach dazugehört. In der A u s s i e d l e r frage gibt es zwar Flexibilität auf Kosten der herbestellten "Volksdeutschen", aber vor allem ein übergeord- netes Interesse am Hineinregieren in gewisse "Ostblockländer", an dessen Konsequenzen die Freunde eines reinrassigen Volkskörpers sich gewöhnen müssen. So wird der Berliner Falsch-Wähler nicht nur bedient, sondern auch zusammengestaucht: "Helmut Kohl urteilte nach der Wahl, die Propagandisten des Franz Schönhuber zögen 'aus den Ängsten der Menschen' Stimmen. Dabei seien das 'Asylantenproblem und die Ausländerfrage mit der Aus- siedlerfrage verknüpft' worden." (Spiegel 7/89) Im Klartext: Der Wähler hat sich das 'Scheinasylanten raus!' der Regierung so sehr zu Herzen genommen, daß er das 'Aussiedler rein!' glatt für einen ungebührlichen Verstoß gegen die regie- rungsamtliche Säuberungspolitik hält und einen Schönhuber für den konsequenteren Ausländerfresser. Das ist tragisch für die Regie- rung, wird aber nicht hingenommen. Aussiedler gehören nicht mit der A u s l ä n d e r frage verknüpft, weil sie als d e u t s c h stämmiger Import gefragt sind zur Unterstreichung bundesdeutscher Ansprüche auf Ostgebiete im weitesten Sinn. Das stellt die Koalition mit ihrem Maßnahmenkatalog klar: In diesem Jahr werden noch weitere 350.000 Aussiedler aus Polen und der So- wjetunion eingeführt, Schönhuber hin, Berlin her. Anders an der Asylantenfront: Hier hält die Regierung für die vielen "Schicksale" den Visumzwang für Kinder unter 16 bereit, erwägt die Wiedereinführung der prämierten Abschiebung ("Rückkehrhilfe") und macht jenen, die durch die engen Maschen der Asylprozedur durchgeschlüpft sind, das Leben unerträglich. Die Abschiebefrist wird von 3 auf 1 Jahr verkürzt, Lothar Späth geht beispielhaft voran mit der Kürzung der Sozialhilfe für Asylanten um 20% auf 80 (in Worten: achtzig) deutsche Mark im Monat: "Seine Initiative, die Sozialhilfe für Asylbewerber pauschal um 20% zu kürzen, gaukelt vor, Flüchtlinge hätten bislang ein Leben gehabt wie Gott in Fankreich. Dort freilich erhält der Asylbewer- ber 450 Mark im Monat bar auf die Hand ... bei uns sind es runde 80. Späth verschweigt, daß in vielen Gemeinschaftsunterkünften jedem Flüchtling etwa soviel Platz zur Verfügung steht, wie ihn nach dem Gesetz ein deutscher Schäferhund mittlerer Größe für seinen Zwinger beanspruchen darf: sechs Quadratmeter nämlich." (SZ, 8.2.) So ist letztlich allen gedient: Den Ausländern, weil ihnen die U n g e w i ß h e i t ihres Schicksals genommen wird - "Was ist denn das für eine Position, jeden aufzunehmen und nach dreijährigem Verfahren 90% von ihnen zu sagen: Jetzt geht ihr wieder!" (Späth im Spiegel 6/89 S. 24); den Schönhuber-Wählern, weil die Ausländer rausfliegen; und den vielen "anständigen Deutschen" (Geißler), die den Rechtsradika- lismus für einen Schandfleck der Nation halten. Denn die C-Par- teien graben den Republikanern mit deren eigenen Argumenten das Wasser ab. Die sozialdemokratische Bewältigung des Rechtsradikalismus: ----------------------------------------------------------- Aussiedler rein, Asylanten raus, -------------------------------- kommunales Wahlrecht für ausgesuchte Exemplare ---------------------------------------------- Halbherzigkeit wirft die SPD der Regierung bei der Bekämpfung der Ausländerfeindlichkeit vor. Das ist mehr als drollig: Als wäre die Koalition nicht mit der Schaffung des Ausländerproblems, son- dern mit der Bekämpfung von Ausländer f e i n d l i c h k e i t zugange, wenn sie die einschlägigen Gesetze verschärft. Diese seltsame Optik kommt dadurch zustande, daß die SPD in der Ver- schärfung der Ausländergesetze und der Asylantenabschieberei gar nichts Kritikables entdeckt, weil sie dergleichen unterstützt. Dabei ist jeder Abgeschobene eines sozialdemokratisch regierten Bundeslandes ein Beitrag gegen die Ausländerfeindlichkeit, getreu der verlogenen Devise: 'Bevor der Ausländerhaß von rechts kommt, betreiben wir ihn lieber selbst - schon den Ausländern zuliebe!' Ausländerfeindlichkeit fängt für die SPD daher erst jenseits der praktischen Drangsalierung der Fremden an, nämlich bei der S p r a c h r e g e l u n g dafür. Nicht 'Ausländer raus!' ruft ein Vogel oder Lafontaine einem abgeschobenen Asylanten hinter- her, sondern 'Wir verteidigen das Asylrecht!' Alles andere wäre ausländerfeindlich. Weder in der Behandlung der Asylanten, noch in der Aussiedlerimportfrage zielt die SPD-Strategie auf eine praktische Differenz zur Regierungspolitik. Pingelige Kriterien für die Entscheidung, welche - eigentlich gar nicht hierhergehö- rigen - Ausländer trotzdem auf dem Boden des Grundgesetzes hocken bleiben dürfen, sind dieser Partei genauso wichtig wie der natio- nale Anspruch, fremde Staatsbürger als deutsches Volk zu rekla- mieren der Hoheit unbeliebter kommunistischer Machthaber zu ent- ziehen und auch auf diese Weise deutsche "Fragen" zur fälligen Neusortierung Europas "offenzuhalten". Auf dem Feld der D a r s t e l l u n g dieser Politik aber geht's für die SPD ans Eingemachte. Eine propagandistische Nähe zu Nazi-Deutschland be- kämpft ein wehrhafter sozialer Demokrat, indem er Z e i c h e n setzt: "Die SPD-Abgeordnete Ursula Caberta nannte die Einführung eines kommunalen Wahlrechts (für Ausländer) ein Zeichen gegen die Aus- länderfeind1ichkeit." (Weser-Kurier, 2.2.89) Das freut die Ausländerfreunde, also jene Wähler, die meinen, ein guter Deutscher wäre sich ein bißchen Weltoffenheit, Vorurteils- losigkeit gegenüber "fremden Kulturen", guten Eindruck im Ausland und Erhabenheit über die "Ewiggestrigen" schuldig. Außerdem ko- stet es nichts, diese Variante von Patriotismus mit der Errungen- schaft zu bedienen, daß "wir" "unsere" Ausländer sogar wählen lassen - jedenfalls mal auf der Ebene, wo sie nach basisdemokra- tischer Einschätzung nicht viel kaputtmachen können, nämlich in den Kommunen. Sympathien bei den anderen Wählern, die ihr einge- bildetes Privileg, geborene Deutsche zu sein, schon durchs Herum- fuhrwerken von ausländischen Privatleuten beleidigt sehen, soll diese sozialdemokratische Großzügigkeit natürlich auch nicht ko- sten. Deswegen setzt die SPD zugleich ein "Zeichen" gegen Sozial- hilfeempfänger und polizeilich auffällige Gestalten unter "unseren" Ausländern: S o l c h e Typen dürfen sich kein Wahl- recht herausnehmen, auch nicht in Hamburg und auf Bezirksebene. Nur Ausländer, die mindestens 8 Jahre lang bewiesen haben, daß sie nach allen bürgerlichen Anstandsregeln von dem, was ein guter Deutscher von Geburt an ist, kaum mehr zu unterscheiden sind, sollen diesen ideellen Lohn kriegen. Dem Sortierungskriterium "Deutsch viel gut - Ausländer Vorsicht!" will die sozialdemokra- tische Ausländerfreundschaft eben auf gar keinen Fall zu nahe treten. Insofern darf man sich noch auf den Grundkonsens deutscher Demo- kraten verlassen auch wenn die CDU/CSU durch ihren Zimmermann eine Verfassungsklage androhen und ihren Dregger laut aufheulen läßt: "Grundbegriffe sind verlorengegangen: Das deutsche Volk, nicht die Bevölkerung in der BRD, ist der Souverän unserer Republik. Ausländer sind Gäste, nicht Bürger und von daher auch nicht Mit- bürger. Gäste sollte man gut behandeln, aber man sollte ihnen nicht einen Teil der Herrschaft überlassen und ihre Zahl auch nicht zu groß werden lassen. Aus Gästen können Bürger werden. Dann erhalten sie nicht nur das Wahlrecht, sondern dann unterlie- gen sie auch der Wehrpflicht. Das heißt: Sie bürgen mit ihrem Le- ben für diesen Staat. Damit e r s t werden sie auch Bürger." (Dregger, CDU, Die Welt, 6.2.) Der Staat ist keine fürsorgende Instanz gegenüber seinen Insas- sen. Umgekehrt: Als Bürger verdient Anerkennung nur, wer sein Le- ben in den Dienst am Staate stellt. Soweit eine bemerkenswerte Klarstellung über den Radikalismus nicht der Rechten, sondern der Demokratie. Abgesehen davon aber zeugt diese Tirade Dreggers ge- gen das Ausländerwahlrecht der SPD davon, worin beide Parteien sich unterscheiden: Der Politchrist denkt schon beim Bürgermei- ster an den Militärkommandanten; der sozialdemokratische Kosmopo- lit denkt noch bei der Stadtpolizei und beim Militärkommandanten an Bürgernähe. An Ausländer denken beide als an eine Menschengat- tung, die sich jedes Stück rechtlicher Gleichstellung mit Deut- schen durch bewiesene Devotion zu verdienen hat. Deren Kriterien fallen je nachdem aus: Die Tugend, die es nach SPD-Meinung für die Ablieferung einer kommunalen Wahlstimme braucht, ist schon nach acht Jahren Steuerzahlen erwiesen; die CDU/CSU tut es nicht unterhalb der Unterwerfung unter die Pflicht zum bundesdeutschen Kriegsdienst - von anderen Ausländern mag sie sich nicht wählen lassen. Linke und Grüne: Die haben Sorgen! ---------------------------------- Unbestreitbar, eine Entdeckung haben die "Linken" gemacht: "Solange der rechte Mob nur an den Stammtischen Politik machte, hat er niemanden gestört... Hätten dieselben Wähler mit derselben Gesinnung und denselben Hoffnungen auf Ausländerabschiebung und Alle-Demonstranten-kurz-und-klein-Hauen CDU gewählt, alles wäre in bester Ordnung. Nur der geistige Zustand der Stadt wäre kein anderer. Man muß den 'Republikanern' dankbar sein. Sie sprechen offen aus, was der rechte Rand der Union denkt und - was er tut." (TAZ, 31.1.) Richtig, nicht der Rechtsradikalismus der guten Patrioten stört die CDU, sondern das Wahlergebnis. Das hindert aber die demokra- tischen Parlamentskollegen nicht daran, die christdemokratische Partei in Schutz zu nehmen. Der Vorbehalt gilt ihrem "rechten Rand", der sich der Ausländerfrage nicht nur annimmt, wie es sich für Demokraten gehört, sondern dabei ein wenig mehr Handlungsbe- darf entdeckt als die anderen Volksvertreter. Die TAZ und die Al- ternativen in Westberlin finden nichts dabei, sich in die "A u s l ä n d e r f r a g e" einzumischen und die Notwendigkeit staatlicher "Lösungen" anzuerkennen. Enthaltsamkeit von und Kri- tik an der neuesten n a t i o n a l e n F r a g e der Nation ist für dieses linke Gelichter undenkbar. Ganz politische Insider gehen die Fortschrittskräfte davon aus, daß noch jede Politik eine Variante von Nationalhymnen darzustellen hat und bei Wahlen darüber entschieden wird, welche Variante gerade höher im Kurs ist. Schwer zu sagen, ob es sich bei der folgenden demokratischen Übung, sich den Erfolg eines Konkurrenten zu erklären, um ein Kompliment oder um einen Einwand handelt. Nach deutscher Tradi- tion gilt es seit Luther durchaus als fein, dem Volk aufs Maul zu schauen. Und solange gegen die "dumpfen Stimmungen" des Wählers nichts Aufhellendes gesagt wird, steht Schönhuber auch nur für ein d e m o k r a t i s c h e s "Erfolgsrezept". "Schönhubers Erfolgsrezept ist es, dem Volk aufs Maul zu schauen, an Ressentiments und dumpfen Stimmungen anzusetzen und in grif- fige Parolen und Formeln gegen die 'etablierte' Politik umzuset- zen." (TAZ, 31.1.) Aus Volkes Maul kommt gewiß mancher starke Tobak - was soll man nach 40 Jahren gelungener demokratischer Erziehung denn anderes erwarten? Ganz ungerecht ist es aber, die Deutschtümelei der kleinen Leute "dumpfe Stimmung" zu schimpfen und gleichzeitig schmachtend und voller Hingabe an den Lippen des Bundespräsiden- ten zu hängen, wenn der bei seinen großen Reden die "nationale Identität" inklusive Wiedervereinigung zu einem "naturgegebenen Sachverhalt" stilisiert. Dank dieser Optik erscheint der TAZ die große Politik nicht als Q u e l l e des Nationalismus der klei- nen Leute, sondern als B r e m s e r deutschnationaler Stamm- tischparolen, die weiß Gott woher kommen und einfach nicht auszu- rotten gehen. Aber die Alternativen in diesem unserem Lande haben ja sowieso andere Sorgen. Sie befassen sich eben mit den Erfolgs- rezepten ihrer Gegner und erteilen angesichts der Ausländerfrage Ratschläge an die etablierten Parteien. Als Kenner stimmungsbe- dingter Wahlarithmetik warnen sie Kohl und Vogel davor, sich zu vertaktieren. Das freut jeden Ausländer. "Heute ist es für die Bonner Parteien höchste Zeit, Lehren aus der Geschichte Le Pens zu ziehen... Mit einer repressiven Auslän- derpolitik, mit der Verherrlichung von Recht und Ordnung und ei- nem Blankoscheck für alle Brutalitäten der Polizei hatte die rechtsliberale Regierung unter Chirac versucht, den ungeliebten Widersacher auf der Rechten politisch zu vereinnahmen. Am Ende war Le Pen stärker als je zuvor." (TAZ, 4.2.) Jetzt aber ist erst einmal das Kind in den Brunnen gefallen, die Republikaner haben 7,5 % in Berlin abgestaubt. Und das Schlimmste daran ist, daß es einen Leidtragenden gibt: "Berlins weltoffenes Image ist angeschlagen! Tatsächlich haben die Republikaner in wenigen Stunden zerstört, woran ganze Genera- tionen von Regierenden Bürgermeistern gearbeitet haben und wofür Millionen in die Etats der Kultursenatoren gestopft wurden: das Image Berlins als kosmopolitische, weltoffene Stadt... Ob noch so viele Jubelkonzerte und Vierfarbprospekte Berlins ramponierten Ruf wieder hinbiegen können werden, ist zweifelhaft. Sicher ist nur, daß jeder künftige Regierende Bürgermeister den 'Chaoten und Krawallbrüdern' dankbar sein wird, die am Sonntag abend vor dem Rathaus Schöneberg riefen: 'Nazis raus - Ausländer rein!' Denn jede internationale Zeitung, die über die Berliner Wahl berich- tete, erwähnte auch diese Spontandemonstration: Als offenbar ein- zigen Hinweis auf ein noch existierendes, weltoffenes Berlin." (TAZ, 2.2.) Dann ist die Welt ja wieder in Ordnung: Ausländer aus aller Her- ren Länder, schaut auf diese Stadt! zurück