Quelle: Archiv MG - BRD ALLGEMEIN - Auf dem Weg zur Weltmacht
zurückIN OST UND WEST - ÜBERALL KLASSE DEUTSCHE!
Die Zonis --------- protestieren gegen die Lebensverhältnisse, die ihnen der real existierende gesamtdeutsche Kapitalismus - oder nein, das Ding heißt ja "Marktwirtschaft" - beschert. Leider protestieren sie mit dem schlechtesten aller Gründe: Sie wären doch "keine Deut- schen zweiter Klasse", würden aber ungerechterweise so behandelt. Wo haben die guten Leute das eigentlich her, daß wahres Deutsch- tum sich mit Armut und Arbeitslosigkeit nicht vertragen würde? Daß ein bundesdeutscher Paß eine Versicherung gegen Geldmangel und ein Berechtigungsausweis für ein gutes Leben wäre? Aus der deutschen Wirklichkeit jedenfalls nicht. Denn die heißt: erfolg- reicher Kapitalismus. Für den werden die Insassen dieser großar- tigen Nation benutzt - die einen mehr, die anderen weniger; die einen für ein bißchen mehr, die andern für ein bißchen weniger Lohn; wobei intensivere Benutzung in der Regel mit schlechterem Lohn zusammenfällt und Nicht-Benutzung soviel bedeutet wie gar kein Geld. Der ganze Unterschied zwischen Ost und West, "2. Klasse" und "1. Klasse": Von dem kapitalistischen Schicksal, nicht benutzt zu werden, bloß als Reservearmee bereitzustehen, werden zur Zeit im Osten mehr Leute betroffen als im Westen. Und das aus rein kapitalistischen Gründen, die mit der Nationalität und überhaupt mit der Persönlichkeit der Damen und Herren Arbeit- nehmer nicht das Geringste zu tun haben. So weit, so schlecht. Aber dann wird es noch dümmer. Da kommen nämlich Westdeutsche daher, Die altgedienten Bundesbürger, ------------------------------ und legen dieselbe nationalistische Verrücktheit mit umgekehrten Vorzeichen an den Tag: Weil sie sich schon seit Menschengedenken für den Erfolg der bundesdeutschen Wirtschaft verschlissen und krummgelegt hätten, dem Geschäft und seinem Mittel, der D-Mark, selbstlos gedient, deswegen hätten sie als Deutsche erster Klasse auch ein viel größeres Recht als die Nachzügler aus dem Osten. Recht - worauf? Auf so großartige Segnungen wie einen Arbeits- platz (an dem man sich für den Erfolg der Firma verschleißen darf), einen vollen D-Mark-Lohn (egal, wie hoch oder niedrig der ist; Hauptsache, es sind 100% und nicht bloß 60% wie drüben) und volle Schaufenster (die man sowieso nicht leerkaufen kann). Da wird schon eine seltsame Rechnung aufgemacht. Der Deut- sche/West denkt einerseits: ihm geht es gut, er hat es zu etwas gebracht. Andererseits: Mindestens soviel, wie er jetzt vom Leben hat, hat er auch hineingesteckt; nämlich an Anstrengung und Ver- schleiß in seinen Job. Beides zusammengenommen ergibt ein bemer- kenswertes Eingeständnis: Übermäßig gelohnt hat sich das Dienst- tun im westdeutschen Kapitalismus nicht. Und was folgern erstklassige Westdeutsche daraus? Wenn s i e schon sonst nichts von ihrem angestammten Deutschtum haben, dann hätten sie doch zumindest einen mehr geistigen Trost verdient, nämlich ein abgrundtiefes R e c h t darauf, daß es d e n a n d e r n, den nicht so altgedienten Neu-Deutschen aus dem Osten, s c h l e c h t e r geht als ihnen. Wenn schon der bun- desdeutsche Paß keine Fahrkarte ins Lebensglück ist, dann soll für die andern, die ihn jetzt erst kriegen, auf alle Fälle noch weniger herausspringen - die sollen s p ü r e n, daß es kein Glück ist, im bundesdeutschen D-Mark-Paradies zu Hause zu sein, sondern eine Last, die erst einmal geschleppt sein will, bevor man ein paar echte deutsche D-Mark nach Hause trägt. Und wenn die "Ossis" das so richtig merken, dann sollen sie gefälligst die Zähne zusammenbeißen und die Schnauze halten - die erstklassigen Westdeutschen machen das schließlich schon seit Menschengedenken so! Bei allen Gegensätzen zwischen Ost und West: Deutsche aus beiden Landesteilen -------------------------------- lösen ihre Klassenfrage eben doch auf dieselbe bescheuerte Weise. A r b e i t e r klasse wollen sie "hüben" wie "drüben" auf gar keinen Fall sein - sie sind zwar nichts anderes, Manövriermasse des Kapitals in den alten wie den neuen Bundesländern; aber das ist beiden Volkskörpern viel zu wenig. Das Leben wird erst le- benswert mit der Einbildung, k l a s s e zu sein - klasse Deut- sche nämlich. Und wenn man von dieser Einbildung schon sonst nichts hat, dann können doch immerhin die im Osten als gleich- klassige Deutsche ihre westlichen Volksgenossen b e n e i d e n und die im Westen als einzigartige Klasse-Deutsche ihre frisch angegliederten Ost-Kollegen v e r a c h t e n. Was für ein Spaß! zurück