Quelle: Archiv MG - BRD ALLGEMEIN - Auf dem Weg zur Weltmacht
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"10000 Friedenstage" für Kohl
FREIHEITLICHE GEBETSMÜHLEN
Als Gegengewicht zu den Aktionen der Friedensbewegung haben die
in Bonn regierenden Christen "10.000 Friedenstage" für den Herbst
angekündigt.
Daß 9985 davon nicht stattgefunden haben - vom "Spiegel" genüß-
lich recherchiert -, macht gar nichts. Seit wann hat es eine Re-
gierungspartei nötig, ihre Parteianhänger unters Volk zu schic-
ken, um gegen eine Bewegung zu agitieren, die
p a r l a m e n t a r i s c h gerade 7% auf die Bonner Bänke
bringt? An die Wand gedrückt sind sie keineswegs, die Christpro-
pagandisten. Sie nützen die Gunst der Stunde, um wieder einmal
ein paar Klarstellungen über freedom and democracy loszulassen
und die Bevölkerung auf den neuesten Stand in Sachen Wehrbereit-
schaft gegen den Feind, pardon: F r i e d e n s s i-
c h e r u n g, zu bringen.
"Frieden in Freiheit"
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3000 Zuhörer reichen der CDU, um am "Tag der Volksversammlungen"
ihre Veranstaltungen gleichfalls in die Tagesschau rücken zu las-
sen. (Journalisten wissen eben, was "Ausgewogenheit" bedeutet.)
Um mit ihren Anhängern dem ganzen Volk zu präsentieren, was sich
gehört und was nicht, haben die Regisseure solcher Kundgebungen
des bedingungslosen Dafür die notwendigen Vorkehrungen getroffen.
Zum Jubeldienst herbeigefahrene Parteifunktionäre (Freibier im
Bus!) bilden den harten Kern ums Rednerpodium, und jede Menge Po-
lizei in Uniform und Zivil sorgt dafür, daß nicht an den falschen
Stellen gepfiffen wird bzw. keine "friedensstörenden" Transpa-
rente aufgezogen werden. Bei der CSU in München vermeldet der Po-
lizeibericht hinterher 22 "vorübergehende Festnahmen". Dieses
Szenario sorgt schon für den ersten Anschauungsunterricht dar-
über, was sich keinesfalls gehört für einen anständigen Bürger:
Kritik und Widerstand gegen eine durch Wähler ermächtigte Regie-
rung - so was "ist eine Sünde wider den Geist des inneren Frie-
dens und wider die Funktionsfähigkeit unseres Staats- und Gemein-
schaftswesens" (Strauß). Es gehört sich: Gehorsam gegenüber dem
"Verantwortungspazifismus" der gewählten Politiker, die erstens
festlegen, wie gegenüber dem Osten vorzugehen ist, und die zwei-
tens den inneren Frieden definieren - wer hiergegen verstößt, ist
Anhänger einer "Unsicherheits-" und "Unterwerfungsbewegung unter
die kommunistische Vorherrschaft" und hat folglich kein Pardon
verdient. (Beliebtes C-Argument: Wenn ich Sie morgen früh vor Ih-
rer Haustür blockieren würde...")
Unterwerfung unter die Richtigen ist gefordert: "Die Pflicht, un-
seren Teil für die Sicherung von Freiheit und Frieden beizutra-
gen, fordert von jedem Bürger sein echtes Bekenntnis für die Er-
haltung der Freiheit." (CSU-Generalsekretär Wiesheu) Ohne langes
Hin und Her bekennen die Christdemokraten den Inhalt des "Wertes
der Freiheit", die "wir alle" zu verteidigen haben. Es handelt
sich um nichts anderes als die Summe aller Verdienste ihrer Re-
gierung, wofür die Bürger D a n k b a r k e i t zu zeigen ha-
ben. Freiheit ist kein Titel für irgendwelche Auslassungen von
Bürgerunmut, gar von Forderungen an die Regierenden. Umgekehrt:
Die ständige Beschwörung "unserer Freiheit" ist das anspruchvoll-
ste Regierungsprogramm, das sich formulieren läßt. Weil die Herr-
schaft sie gewährt, soll man sich bei jeder Zumutung, die sie ei-
nem abverlangt, immerzu laut vorsagen, daß man immerhin, auf je-
den Fall, trotz und vor allem seine Freiheit hat. Die ständige
Erinnerung, daß "wir" schließlich im "freiheitlichsten Staat der
deutschen Geschichte, in der ersten Wirtschaftsmacht Europas und
in einem beispielhaften Sozialstaat" leben, gemahnt an die
P f l i c h t, alles dies zu v e r t e i d i g e n. Und da
kommen erklärtermaßen noch einige Aufgaben auf das Volk zu: "Die
E i n h e i t i n F r e i h e i t bleibt Forderung! " Und so-
lange sich der Osten gegen diese "Forderung" sperrt, ist "unser"
aller Freiheit und Sicherheit p r i n z i p i e l l gefährdet.
Die bekannten Schaubilder "haushoher sowjetischer Überlegenheit"
in allen militärischen Sparten, auf den Kundgebungen verteilt,
i l l u s t r i e r e n dieses Prinzip.
"Schutz vor militärischer Erpressung"
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Keine Lüge über die angebliche Überlegenheit der anderen Seite
ist der CDU/CSU-Agitprop zu blöde, und die leierkastenhafte Wie-
derholung der Stichworte "Polen, Afghanistan, Jumbo" etc. reicht
voll aus für die christliche "Überzeugungsarbeit". Besser als je-
des Argument ist da doch allemal die demonstrative Frechheit, die
eigenen Glaubenssätze als die allerselbstverständlichsten und of-
fensichtlichsten Grundkenntnisse hinzustellen. Wer hier noch ir-
gendetwas anzweifelt oder alternative Vorstellungen über das Aus-
maß der westlichen "Nach"rüstung hat, ist weltfremd, verblendet
oder und vor allem ein Mitglied der "5. Kolonne Moskaus". Und -
Achtung! - das ist jeder Bundesbürger, der auch nur in die Nähe
von "sogenannten" Friedensinitiativen kommt.
"Die Demokratie verteidigen"
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Und zwar hier und jetzt: Überall lauern für CDU/CSU-ler "lüsterne
Chaoten" (Frankfurter Allgemeine Zeitung) und Verführer, die so-
gar in den Kirchen "unrationale Friedenssehnsucht" für ihre fin-
steren Zwecke ausnützen. In dem Maße, wie sich die Friedensbewe-
gung dem staatlichen Friedensgebot bei ihrer Demonstration unter-
wirft und immer mehr kindergartenhafte "Kampf"formen erfindet,
erweitert der Staat sein Instrumentarium zur Beobachtung und Kon-
trolle derartiger Aktivitäten und setzen Geißler und seine Propa-
gandamannschaft neue Märchen von Unterwanderung und DKP-Steuerung
bei Grünen und SPD in die Welt. (Der "Spiegel" hielt es für eine
"Enthüllung", daß "Geißler seine rhetorischen Tiefschläge gegen
SPD und Friedensbewegung offenbar im Bonner Konrad-Adenauer-Haus
sorgsam vorbereiten läßt"!)
Die A r r o g a n z d e r M a c h t bedient sich bei allen
vorfindlichen Feindbildschemata und gängigen Vorstellungen über
die Freiheiten im freien Westen, die sie als Selbstlob selber in
die Welt gesetzt hat - Beispiele: "Freizeit statt Sibirien" oder
"Leben und arbeiten nach den eigenen Vorstellungen und Wünschen",
"in den Urlaub über die Grenzen fahren...". Die C-Gruppen sind
sich einfach sicher, daß die Demokratie die wirkungsvollste Pro-
pagandamaschinerie zum Einsatz bringen kann, weil sie ganz vorur-
teilslos jedermann an der frechen Selbstgerechtigkeit der Macher
teilhaben läßt. Ganz autonom darf der "kleine Mann" sich in seine
Obrigkeit und ihre Sorgen einfühlen; und so ist es sogar den C-
Gruppen-Mitgliedern erlaubt, in der Frage des richtigen Vorgehens
gegen die Friedensbewegung Meinungsauseinandersetzungen zu
entfachen. In München war bei der Basis der CSU-"Friedens-
manifestation" der Spruch "3 Meter vom Leib oder ich schbeib - Ja
zur Verteidigung" wegen seiner "Einfachheit" umstritten;
andererseits zog sich die Parteiführung Vorwürfe zu, nicht genug
Parteivolk herangekarrt zu haben. Und überall in der Republik
soll es ja inzwischen CDU-Anhänger geben, die sich wie Franz Alt
einen moralisch standfesteren Umgang mit dem "Thema: Frieden"
wünschen. Daß sie ihrer Partei den Rücken gekehrt hätten, ward
bisher kaum gehört, eher dienen sie schon als Ausweis einer
vorzeigbaren "innerparteilichen Demokratie".
Wer die Macht hat, braucht nun mal wenig Argumente - er
a p p e l l i e r t an die soliden Feindbilder seiner Untertanen
und stachelt sie zu neuen Höchstleistungen im Kampf gegen alle
Wucherungen des (Sowjet-)"Bösen" an. Vielleicht sind "die 50er
Jahre" auch deswegen zur Zeit so ein Renner. Der "einfache"
Adenauer-Antikommunismus von damals muß jedenfalls einen Ver-
gleich mit dem von heute nicht mehr scheuen - auch so verbinden
sich Nachkriegs- mit Vorkriegszeiten. Umgekehrt braucht das
Freundbild ebenso bloß genannt zu werden, um schon als "Argument"
(beliebte Flugblattüberschrift bei CDU/CSU und ihren Freundes-
kreisen) zu gelten. "Unsere Verbundenheit mit den USA und der
NATO ist unerschütterlich!" - das reicht, um jede denkbare Aufrü-
stungsmaßnahme zu "begründen".
Heutzutage nennen christdemokratische Politiker ihre Hetzblätter
ganz einfach "Wir"; sie wissen, daß sie bei der Durchsetzung der
außenpolitischen Interessen des bundesdeutschen Staates auf die
alltäglichen Leistungen und Entbehrungen des Volkes sowie auf
seine Bereitschaft zum Mitmachen und zum ganz persönlichen
"Sparen" bzw. Verzichten setzen können. Wenn Christdemokraten für
die Notwendigkeit von Opfern bis hin zum Einsatz des Lebens im
"Dienst am Vaterland" a g i t i e r e n, dann decken sie unge-
sckminkt auf, was sie in aller Rücksichtslosigkeit vom Volk
v e r l a n g e n und alles noch" einzuklagen gedenken. Das ist
wehrhafte Demokratie.
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Die Parteien sind gemeinnützige Vereine
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CDU, CSU, FDP, SPD, die bundesdeutschen Parteien eben, waren
schon immer gemeinnützig: Sie werben Mitglieder und treiben von
denen Beiträge ein; sie kämpfen um Bestechungsgelder, um die Wer-
bung um Wählerstimmen optimal zu gestalten und damit die politi-
sche Willensbildung nicht aus Kostengründen einseitig ausfällt;
sie nutzen sowohl in der Opposition wie in der Regierung der gan-
zen Bevölkerung, weil sie ja verantwortungsvoll darauf achten,
daß der Reichtum und die Macht der Nation nicht zu knapp ausfal-
len - dafür werden die Opfer gerecht verteilt, eben auf die Op-
fer. Jetzt haben die Parteien endlich beschlossen, ihre Geldge-
schichten ihrer hehren Gemeinnützigkeit anzupassen. Alle ihre Be-
stechungsgelder für ihre hohen Aufgaben können sie ab sofort von
der Steuer absetzen. Das ist nur gerecht, zumal sie für jeden
Wähler in Zukunft 5 statt 3,50 Mark aus ihrer Staatskasse entneh-
men können. Wähler zu Schleuderpreisen wären ja geradezu eine Be-
leidigung der Volkssouveränität.
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