Quelle: Archiv MG - BRD ALLGEMEIN - Auf dem Weg zur Weltmacht
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Regierungserklärung '83
MENSCHLICHKEIT IN SCHWEREN ZEITEN
Die Koalition der "Wende", aus christlich-freidemokratischer Ver-
antwortung entstanden und für Deutschland für die nächsten 4
Jahre am Ruder, hat ihr Programm dem Bundestag vorgelegt. Nichts
abwegiger als die beckmesserische Kritik, Kohl wäre nicht allzu
"konkret" geworden; richtig daran nur, daß man auch vorher schon
hätte wissen können, was in Zukunft "den Nutzen des Volkes mehren
und Schaden von ihm wenden wird".
V o r d e r W a h l wurde dem deutschen Wähler unisono von al-
len staatstragenden Parteien versprochen, daß sich an seiner
Stimme das "Schicksal der Nation" entscheide. Geworben wurde mit
den Opfern, die seit SPD-Zeiten für die Zwecke des Staates an der
Bevölkerung durchgesetzt worden sind und die man auch weiterhin
mit aller Konsequenz über das Volk kommen lassen müsse. Man warb
um Applaus: für eine fraglose Notwendigkeit, von oben: einen
starken Staat zu wählen, der keinerlei Ansprüche seiner Unterta-
nen gelten läßt, weil sich das "Schicksal der Nation" an dieser
und ihren Maßstäben zu entscheiden hat und nicht an der unmaßgeb-
lichen Meinung oder gar am Wohlergehen seiner Bürger.
N a c h d e r W a h l, in der das Volk seine Zustimmung zu dem
über es beschlossenen "Schicksal" abgeliefert hat, wird ihm im
Namen seiner Unterodnung die Regierung e r k l ä r t: Alles,
was die Macher der "Wende" wollen und tun; haben sie nicht ein-
fach beschlossen, sondern ist ihnen von einer höheren Warte ein-
gegeben worden. So als würde die Zeit - und ausgerechnet auch
noch der Politik - ihnen etwas befehlen und als müßten sie
schnell machen, damit ihnen das (ihr) Gebot der Stunde nicht da-
vonläuft:
"Jetzt ist nicht die Zeit für große Versprechungen, es ist
höchste Zeit für die Politik der Erneuerung."
Alles, was das Volk braucht, hat es schon, wenn es genau hin-
durchsieht durch die Arbeitslosen, bei "Aufschwung" an Raketen
und Grundbesitzer denkt sowie sich freut über die Sicherheit, die
einem Bruder Amerika schenkt.
"Es ist gut übersehbar, der Aufschwung hat begonnen. Mit unserer
Außen- und Bündnispolitik stehen wir dort, wo wir stehen müssen -
auf der Seite der Freiheit, auf der Seite unserer Freunde."
Ein herzliches Dankeschön dafür, daß das Volk seine Pflicht als
Wähler ganz anspruchslos und zur Zufriedenheit seiner Herrschaft
erfüllt hat. Das stärkt das Vertrauen der Regierung in sich.
"Die Regierungsparteien CDU/CSU und FDP haben vor der Wahl ge-
sagt, was getan werden mußte, und gesagt, was nach der Wahl zu
tun ist. Und die Wähler haben unserem Programm der Erneuerung zu-
gestimmt."
Als Gegenleistung für "sein großes Vertrauen" die Würdigung der
Tugenden des Volkes - vorgetragen als Glaube an die Bravheit,
Disziplin, den guten Willen der Untertanen:
"Wir glauben an die Kraft, das Wissen und den Willen unseres Vol-
kes." -,
und das unverbrüchliche Versprechen der Politik an das Volk,
i h m zu "entsprechen" in dem, was man von ihm verlangt, indem
man es schonungslos und radikal regiert. Das Programm der Regie-
rung -
"Was für die Gründergeneration der Republik Frucht ihrer bitteren
Erfahrung war, müssen Kinder und Enkel neu erwerben." -
stellt sich vor als ein einziges A n g e b o t der Politik an
die bewährten Tugenden des deutschen Menschen, sich zu bewähren:
"Sparen war immer eine Tugend der Deutschen", und wo der Deutsche
als Arbeitnehmer immer schon naturgemäß die Tugenden des
"Fleißes" und der "Tüchtigkeit" "besitzt", die ihn zu dem präde-
stinieren, was Staat und Kapital ihm abverlangen, da ist der
Deutsche als Unternehmer "dynamisch" und zeigt den "Wagemut"- und
die "Entscheidungskraft", die "gerade in den vor uns liegenden
schwierigen Zeiten verlangt sind".
"Für alle (?) Bürger muß wieder gelten: Wer mehr wagt, wer sich
mehr plagt, der hat auch Anspruch auf Gewinn und Erfolg."
"Leistung lohnt sich wieder" - per Beschluß und gleichermaßen für
jeden; ob seine Leistung darin besteht, für andere Reichtum zu
schaffen, oder nicht einmal dies mehr zu dürfen, oder darin, an-
dere für die Vermehrung seines Eigentums arbeiten zu lassen. Je-
der in seinem Stand für "die Gemeinschaft", die "auf Dauer nur so
leistungsfähig sein kann, wie die Menschen, aus denen sie be-
steht". "Bei uns" funktioniert die "Gemeinschaft", jeder tut
seine Pflicht für das Staatsganze, womit ihm schon die Gemein-
schaft die Ehre zugebilligt hat, die ihm gebührt.
Die Feier der sittlichen Qualitäten des deutschen Bürgers, der
bereitstehe, um sich für das Staatsprogramm benützen zu lassen,
ist so nichts anderes als die Ankündigung der neuen Regierung,
die Politik der alten konsequent fortzuführen, deren angebliche
Rücksichtnahme auf andere denn Staatsinteressen aber radikal
auszumerzen.
Im "Programm der Erneuerung" beruft sich die Herrschaft auf die
g e l u n g e n e Unterwerfung des Volkes unter den maßlosen An-
spruch, der Stärke der Nation und kündigt die passende Inan-
spruchnahme des gefügigen Bürgers an - für die Fortschritte, die
um der Kontinuität der Politik willen der deutsche Staat im In-
nern und - nach außen machen will.
Menschengemäße Marktwirtschaft
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Beschlossen hat die Regierung im Namen des Volkes die geltende
und endgültige Definition dessen, worin der Erfolg des Bürgers
besteht:
"Die soziale Marktwirtschaft ist wie keine andere Ordnung dazu
geeignet, Gleichheit der Chancen, Eigentum, Wohlstand und sozia-
len Fortschritt zu verwirklichen. Wir wollen nicht mehr Staat,
sondern weniger. Wir wollen nicht weniger, sondern mehr persönli-
che Freiheit. Die soziale Marktwirtschaft ist nicht nur die er-
folgreichste Wirtschaftsform, sie ist auch dem Menschen gemäß,
sie fordert den Bürger, aber sie verfügt nicht über ihn. Wir ma-
chen Schluß damit, die Belastbarkeit der Wirtschaft zu erproben.
Das Ergebnis. dieser falschen Politik war (!) Massenarbeitslosig-
keit..., Investitionsschwäche..., Firmenzusammenbrüche"
Weil per Beschluß die "soziale Marktwirtschaft" dem Bürger dient,
ist jede Berücksichtigung seiner Sorgen eine Belastung und ein
Vergehen gegen ihn. Weil es auf die Stärke von Eigentum und Na-
tion ankommt - das i s t nämlich "menschengemäß" -, bestehen
Wohlstand und sozialer Fortschritt für den Bürger, in der
"persönlichen Freiheit", sich vom Kapital "fordern" zu lassen
oder auch nicht - eine Freiheit, die ihm "drüben" verweigert
wird. Weil er a b h ä n g t von seiner "Beschäftigung" -
"Aufgabe Nummer eins ist die Beseitigung der Massenarbeitslosig-
keit. Und hier geht es für uns nicht nur um irgendein wirtschaft-
liches Problem, sondern vor allem um ein Gebot der Mitmenschlich-
keit. Die Jahre der Krise haben gelehrt, daß administrative Gän-
gelung nicht weiterhilft." -,
wird "administrativ" über ihn verfügt, daß er für die Bedingung
seiner Existenz, "die Wirtschaft", b e d i n g u n g s l o s
geradezustehen hat. "Noch wichtiger" "als der beginnende Auf-
schwung", dessen Segnungen die Bevölkerung in wachsenden Arbeits-
losenzahlen, Lohnsenkungen und Mehrarbeit erfährt, ist es näm-
lich, "unserer Wirtschaft wieder zu einer robusteren Konstitution
zu verhelfen" - ein Gebot der Mitmenschlichkeit. Versprochen wird
dem Volk in puncto Wirtschaft, daß die Regierung im Zeichen , der
"Wende" mit ihrem Beschäftigungsprogramm auch wirklich alles da-
für tut, "den Investitionswillen und die Investitionsfähigkeit zu
stärken", und die denkbar günstigste Bedingung für die Tugenden
des Lebenskampfes zu schaffen - nicht nur für Deutsche. Der Pro-
tektionismus bei anderen Staaten wird bekämpft, - wo freier Han-
del der deutschen Nation die Benützung fremden Reichtums sichert.
In unserer Verantwortung sind wir gefordert, wo wir den ver-
werflichen internationalen Subventionswettlauf - durch eigene
Subventionen bekämpfen. Die deutsche Agrarpolitik, die ausländi-
sche Bauern zu spüren bekommen, ist
"für uns... ein wichtiger Teil des europäischen Einigungswerkes";
mit der "wir uns auch dort beharrlich für unsere Bauern und für
die Verbraucher einsetzen werden - Ja natürlich, das ist der Ver-
fassungsauftrag. Dies ist eine Koalition, Herr Ehmke, die eben
nicht Klassen vertritt, sondern das Ganze -."
Menschenwürdiger Sozialstaat
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In puncto Sozialpolitik kommt als "Entgelt" für den eingeforder-
ten Dienst an der Geltung der deutschen Nation in der Welt die
"Mitmenschlichkeit" voll zum Tragen. Ob man nun als Lohnarbeiter
an dem "Leitgedanken" der "persönlichen Freiheit" und der
"sinnerfüllten Arbeit" teilhaben kann und so die Wahrheit des
Kanzlerspruchs "Arbeit ist nicht nur Broterwerb" kennt, oder ob
man zu denen gehört, die ganz ohne Broterwerb "Mensch" sein dür-
fen - das Ganze beschenkt alle Bürger mit der Chance zu
"praktiziertem Bürgersinn":
"Das gehört zu der geistigen Erneuerung, die wir wollen. Deshalb
ermutigen wir den Bürger, nicht nur zu fragen, wer hilft mir,
sondern auch, wem helfe ich. Eine Gesellschaft, unsere Gesell-
schaft, - beweist ihre Humanität, wenn viele ihren Dienst am
Nächsten leisten, wenn viele für andere da sind, und nicht nur
jeder für sich selbst."
Für die Zwangsläufigkeit der Selbsthilfe an sich oder an anderen
sorgt eine Regierung, die mit Arbeitslosigkeit, Krankheit und di-
versen Zumutungen nicht nur die Angewiesenheit auf den Sozial-
staat produziert, sondern sich auch nach Kräften darum bemüht,
den Geschädigten das Ideal einer kostenlosen "sozialen Sicher-
heit" nahezubringen. Deshalb wird die staatlich verhinderte
"soziale Sicherheit" auch gleich als in jedem Fall existente de-
finiert - Nachzählen gilt nicht:
"Die Rentner können sich auf uns verlassen, daß die Renten sicher
sind und sicher bleiben."
Kleinere Differenzen über die aktuell brauchbarste Definition der
"sicheren Renten" sind beim Ganzen und seinem Sicherungsbedürfnis
gut aufgehoben.
"Im Interesse der Renten wollen wir uns um eine einvernehmliche
Lösung bemühen."
Ebenso auch sonstige "humanitäre" Belange, die allesamt schon
praktiziert werden, was den Staat angeht, der dem Bedürfnis der
Bürger nach Selbsthilfe kontinuierlich nachhilft:
"Die Gleichberechtigung von Mann und Frau muß (noch) selbstver-
ständlicher werden."
Papi soll hin und wieder zu Mami sagen, daß sie auch ihren Mann
steht, hat Kohl gesagt. Miteinander auskommen hilft über so
vieles hinweg, z.B. über die Kürzungen des Kindergeldes, das
selbstverständlich nicht abgeschafft wird.
"Mit Kindergeld und steuerlichen Erleichterungen werden wir die
Familie weiterhin fördern."
Jeder ist aber für sich selbst verantwortlich, sogar für seine
Gesundheit, wenn sie kaputt ist. Ein gutes Wort und kalte Um-
schläge dämpfen die Kosten des Gesundheitswesens.
"Unsere Gesundheitspolitik wird die Eigenverantwortung des Men-
schen für seine Gesundheit betonen... Der Patient braucht und
will... nicht nur Technik, sondern vor allem auch menschliche Zu-
wendung."
Neue Grenzwerte sollen auch die Behinderten erhalten, weil sie so
unter Mitleid leiden.
"Körperliche und seelische Belastungen in der Industriegesell-
schaft, Verkehrs- und Arbeitsunfälle setzen jeden der Gefahr ei-
ner Behinderung aus. Der soziale Rechtsstaat hat die Pflicht, al-
len Behinderten zu helfen, damit sie sich in Beruf und Gesell-
schaft entfalten können. Behinderte wollen jedoch nicht Mitleid,
sondern aktive Solidarität... In Zukunft muß die Hilfe denjenigen
zukommen, die sie wirklich benötigen."
So kommt die Natur zu ihrem Recht, selbst vor bösen Kraftfahrzeu-
gen:
"Die Schonung der Umwelt und der natürlichen Ressourcen ist
selbstverständlich. ... Auch die Grenzwerte für Kraftfahrzeuge
werden wir herabsetzen."
Nichts souveräner als ein Staat, der die Fortschritte in der Rui-
nierung der Existenz seiner Untertanen als P r i n z i p der
"Mitmenschlichkeit" vorstellig macht: Ein Verbrechen gegen den
Idealismus der Selbsthilfe, keine Verelendungspolitik zu betrei-
ben.
"Menschennatürliche Ordnung"
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In puncto Innen- und Rechtspolitik -
"Wir werden Gewalt, unter welchem Namen und mit welcher Begrün-
dung sie auch auftreten mag, in unserem Rechtsstaat nicht dul-
den." -
tritt die Gewalt, die selbstverständlich von ihrer eigenen Un-
duldsamkeit ausgenommen ist, gegen die (ihre) "ü b e r l a n g e
V e r f a h r e n s d a u e r" des Rechts auf, weil sie den kur-
zen Prozeß verhindert, den die Staatsgewalt dem unanständigen
Bürger machen will, und die deshalb dessen Bedürfnis - "Gutes
Recht muß auch schnelles Recht sein." - nicht entspricht und sein
"Vertrauen in die Rechtspflege untergräbt". Was dem Bürger ent-
spricht, ist ein "straffes, vereinfachtes Verfahren", die Ab-
schaffung kostspieliger Berufungsverfahren, in denen der Staat
dem Bürger die Überprüfung von Urteilen gegen ihn gewährt und die
Einsicht des Bürgers, daß das "knappe Gut Rechtsgewährung" nicht
für ihn, sondern für den Staat da ist;
- gegen den d e m o n s t r i e r e n d e n "E x t r e m i-
s t e n", dessen Menschennatur es entspricht, "hierzulande keine
Chance" zu haben. Also wird sie ihm genommen im Hinblick auf
mögliche staatswidrige Proteste gegen die Nachrüstung; durch die
Wiedereinführung alter Landfriedensbruchs-Bestimmungen, die jeden
Mitläufer an ernst gemeinten Protesten zum verbrecherischen
Mittäter bei der Behinderung der staatlichen Sicherheitspolitik
stempelt. Und durch den Verfassungsschutz, dem dafür "Dank und
Vertrauen des Bürgers" zustehen. Denn schließlich wird so des
Bürgers Menschenrecht darauf geschützt, daß seine Untertänigkeit
das Normale ist und eine faschistische Moral überhaupt nicht
extrem, geschweige denn extremistisch;
- gegen den A u s l ä n d e r, der passend ausländergerechten
Ausweisung durch die Staatsgewalt "seine politischen Auseinander-
setzungen mit kriminellen Mitteln auf dem Boden der Bundesrepu-
blik Deutschland austrägt".
Wenn die Staatsgewalt die Menschheit nach In- und Ausländern sor-
tiert; und wenn der Staat andererseits wieder dafür sorgt, daß
die türkische und die bundesdeutsche Rasse kräftig durcheinander-
gemischt werden, dann fordert das Menschenrecht eben zweierlei.
Erstens soll der d e u t s c h e Mensch wissen, daß "deutsch"
seine Natur ist, auf seinen Unterschied zu den Untertanen anderer
Herren also größten Wert legen, sich wer weiß was darauf einbil-
den - kurzum: den Inhaber eines fremden Passes, wo auch immer man
sich an ihm stört, als naturmäßigen Verbrecher betrachten. Zwei-
tens hat der Nationalmensch seine nationalmenschennatürliche
V e r a c h t u n g der fremden Nationalrasse soweit zu zügeln,
wie der Regierung am Import von Exemplaren noch gelegen ist: Die
Verachtung soll gefälligst die Form der Toleranz annehmen, die
Kohl mit dreister Heuchelei seinen Bürgern ans Herz legt: Natür-
lich sind "die Ausländer", nämlich "ihr Zusammenleben mit den
Deutschen", "ein Problem" - dem soll man "aber" mit Toleranz be-
gegnen. Drittens ist Kohls Empfehlung vor jedem ideologischen
Mißverständnis sicher, weil die Regierung entdeckt, die
(kriminelle) Menschennatur eines Ausländers, der hier nicht mehr
gebraucht wird, ließe sich doch wohl unter der Obhut seiner ein-
heimischen Diktatoren am besten verwirklichen, und bevorzugt
Asylbewerber und Kritiker der "Toleranz" ihrer Heimatstaaten
überantwortet.
Menschenfreundliche Außenpolitik - nach außen
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heißt nach wie vor "Gewaltverzicht", der "Kernstück unserer Frie-
denspolitik ist und bleibt". Die Regierungskoalition i s t der
Hort der Friedensbewegung:
"Wer von ganzem Herzen für den Frieden eintritt, wer Freiheit und
Menschenwürde als höchstes Gut betrachtet, wer unsere nationalen
Interessen auf Dauer gesichert sehen will, der muß das westliche
Bündnis stark und gesund erhalten."
Wer Frieden will, der kalkuliert mit Krieg, "Frieden schaffen mit
immer weniger Waffen", das heißt mit Kohlschen Übersetzungslei-
stungen 'immer mehr Waffen gegen den Osten' - im Interesse der
BRD und an der Seite "unserer amerikanischen Freunde": Wo das
westliche Bündnis Aufrüstung und Abschreckung braucht, da
"rechtfertigt nichts die Überrüstung der Sowjetunion, die die Si-
cherheit der Nachbarn bedroht und politischer Erpressung dient."
Wo "jeder weiß, daß unsere vitalen Interessen über den NATO-Ver-
trag hinausreichen" und, "unsere Verbündeten weltweit Verantwor-
tung übernommen haben", "rechtfertigt nichts die expansive Poli-
tik Moskaus, die zur Invasion Afghanistans geführt hat und die
auch dem polnischen Volk seine Entscheidungsfreiheit beschränkt".
Die Entlarvung des Hauptfeinds braucht keine Belege für die welt-
weite "Expansion" der Sowjetunion - das eigene Interesse, ihn auf
der Welt nicht dulden zu wollen, ist sein moralisches Todesur-
teil. Ein Urteil, das sich durch nichts revidieren läßt:
"Wir messen den Willen der Verantwortlichen in der Sowjetunion
zur Zusammenarbeit an ihrer Bereitschaft, zum Abbau und zur Be-
seitigung aller Belastungen konkret beizutragen. Zu diesen Bela-
stungen gehört auch, daß die Sowjetunion Außenpolitik auf zwei
Ebenen betreibt, Ebenen, die sich wechselseitig ausschließen.
Wenn die sowjetische Führung gleichzeitig den weltrevolutionären
Kampf gegen die freie Welt führen will, sind stabile Beziehungen
nicht möglich."
Der "weltrevolutionäre Kampf", den die Sowjetunion nirgendwo
führt, ist der fiktive Maßstab, an dem ihre kontinuierlich defen-
siveren Verhandlungsangebote gemessen und für zu gering befunden
werden. Gemessen wird die Sowjetunion an dem von ihr verlangten
Willen zur Selbstaufgabe - und im Namen ihres "Versagens" an die-
sem totalen Anspruch des Westens werden ihr die "stabilen Bezie-
hungen" zum Westen als politisches Erpressungsmittel aufgemacht.
Im Namen der "von, der Sowjetunion unterdrückten Völker", die
"unsere Anteilnahme" verdienen -
"Das Schicksal des polnischen Volkes läßt uns nicht gleichgültig.
Gerade in diesen Stunden und Tagen empfinden wir dies in besonde-
rer Weise. Wir wünschen, daß es dem polnischen Volk gelingt, zu
einer nationalen Übereinstimmung zu finden und die gegenwärtige
Krise zu überwinden, Ablauf und Folge des Besuches von Papst Paul
Johannes II. werden dabei ein Maßstab des inneren Friedens sein."
-,
im Namen der Menschenrechte und päpstlicher Westpolitik gegen den
teuflischen Materialismus und Kommunismus wird der Anspruch auf
das "Selbstbestimmungsrecht" östlicher Völker unter dem Diktat
der Freiheit erhoben, die einen "inneren Frieden" schließen sol-
len, der vom Warschauer Pakt nicht mehr viel übrig läßt.
Im Namen der Freiheit und des Friedens führt Kohl an der Seite
"unserer amerikanischen Freunde" einen Kampf gegen die Russen,
der an den freien Völkern die westliche Definition des
"Selbstbestimmungsrechts" exekutiert. Die idealistischen Appelle
an gute Beziehungen, wechselseitige Hilfe und friedliche Krisen-
lösung, der demonstrative gute Wille in dieser Hinsicht haben die
Sicherheit zur Grundlage, daß die amerikanische Macht mit
"unserer" Unterstützung schon dafür sorgt, daß überall auf der
Welt die Ordnung herrscht, die dem Westen genehm ist. Konflikte
werden sowieso dem Osten in die Schuhe geschoben, entsprechend
radikal sehen die westlichen Lösungen aus. Der deutsche Imperia-
lismus gilt weiter als nicht direkt beteiligt. Deshalb leistet er
sich den Luxus, im sicheren Wissen um die gewaltsame 'Lösung', so
zu tun, als sei er der Anwalt von Frieden und Völkerverständi-
gung. Man merke auf, was tatsächlich dort überall passiert!
- In Lateinamerika:
"Unsere geschichtlichen engen Verbindungen mit Lateinamerika wer-
den wir besonders pflegen. Die Bundesregierung setzt sich für die
Überwindung von Krisenursachen in Zentralamerika durch wirt-
schaftliche und soziale Reformen auf der Grundlage eines wirkli-
chen demokratischen Pluralismus ein."
Für demokratischen Pluralismus abgeschlachtete Völker in El Sal-
vador und Nicaragua
- In der "D r i t t e n W e l t" überhaupt:
"Viele Entwicklungsländer sind auf unsere Mithilfe angewiesen.
Auch für uns sind Entwicklungsländer längst unentbehrliche Part-
ner. Viele haben sich in schwierigen Zeiten als unsere Freunde
erwiesen. Sie können damit rechnen, daß auch wir sie als unsere
Freunde unterstützen. Wir werden den Ländern der Dritten Welt
helfen, die Erfindungskraft und Dynamik zu entfalten."
- In S ü d a f r i k a, immer schon Hort freiheitlicher Prinzi-
pien, wichtiger Handelspartner und von geostrategischer Bedeu-
tung:
"Im südlichen Afrika unterstützt die Bündesregierung einen ge-
rechten Interessenausgleich. Sie tritt für die Überwindung der
Apartheid und das friedliche Zusammenleben aller Südafrikaner
ein."
- In I n d i e n u n d P a k i s t a n, wo wegen der Nähe zu
Afghanistan Frieden und Selbstbestimmung als Stabilität buchsta-
biert werden:
"Im Interesse von Frieden und Stabilität begrüßen wir die
Schritte Indiens und Pakistans, historische Belastungen Verhält-
nis zueinander abzubauen."
- in C h i n a, ehemals kommunistisches Teufelsregime, inzwi-
schen zum Russenfeind avanciert:
"China ist ein wichtiger Faktor der Weltpolitik. Wir werden das
zu berücksichtigen haben."
Deutsche Friedenspolitik, das ist "der richtige Weg, den die Ko-
alition der Mitte geht".
Im sicheren Wissen um die Durchschlagskraft deutschen Interesses
in der Welt mit der Schlagkraft und Macht des gemeinsamen Bünd-
nisses leistet sich der Kanzler den Zynismus, das eigene weltpo-
litische Interesse in die Form von lauter selbstlosen Idealen der
weltpolitischen Abhängigkeit zu kleiden. Die Toten und Schlächte-
reien müssen da doch der V e r l e t z u n g der Ideale ge-
schuldet sein, wofür der Verursacher als bekannt unterstellt
wird.
Menschenfreundliche Außenpolitik - innerdeutsch
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Der imperialistische Anspruch der BRD auf Wiedervereinigung, den
sie seit ihrer Gründung vertritt. "Unsere Brüder und Schwestern
im Osten" verlangen seit eh und je und insbesondere seit der di-
rekten politisch-militärischen Kriegserklärung des Westens nach
Wiedervereinigung. Kohls offizielle Wertschätzung der
"großartigen Leistung der Vertriebenen, daß der Revanchismus in
Deutschland keinen Boden fand" -
"Bereits in ihrer Charta von Stuttgart im Jahre 1950 haben die
Vertriebenen feierlich den Gewaltverzicht erklärt mit den Worten
(!): Wir verzichten auf Rache und Vergeltung. Wir unterstützen
jedes Beginnen, das auf die Schaffung eines geeinten Europas ge-
richtet ist!" -
ist das Lob der eigenen Politik, die die Wiedervereinigung nicht
kleinlichen Gesichtspunkten von "Rache und Vergeltung" unter-
stellt, sondern sehr prinzipiell und mit Staatsgewalt das Recht
der BRD gegenüber einem "Unrechtsstaat" behauptet. Jeder DDR-Bür-
ger, wie national er immer zu dem Staat stehen mag, der seiner
ist, und dem er als solchem, nicht anders als demokratische Un-
tertanen, zustimmt, i s t ein "Vertriebener":
"Wir Europäer, wir Polen, Tschechen, Slowaken, Ungarn und Deut-
sche brauchen eine Friedensordnung, die unsere Menschenrechte und
unser Selbstbestimmungsrecht garantiert."
"Die Menschen in den beiden Staaten in Deutschland halten an der
Zugehörigkeit zu Deutschland und an ihrem Selbstverständnis als
Deutsche fest. Für uns gibt es nur eine deutsche Staatsangehörig-
keit. Wir bürgern niemanden aus",
sondern alle Deutschen ein. Das Programm der "friedlichen Wieder-
vereinigung", hat 1983 die Mittel und damit die Wucht, einen
harmlosen Herztoten zum Anlaß für nationale Schritte erklären zu
können, die den "menschlichen Erleichterungen" alle Illusionen
nehmen, welche mit ihnen vorgegaukelt wurden. Der deutsche Osten
gehört zum Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volks in Gestalt
seines Kanzlers. Für diese Freiheit, auf deutsch definiert, hat
man in Bonn doch längst sich dagegen versichert, daß Wiederverei-
nigung kein Deckchensticken ist. Zu was wäre auch eine im Ernst-
fall sofort zwei Millionen starke Armee in der NATO sonst da! Auf
den Krieg wird deshalb n i c h t wie drüben psychologisch vor-
bereitet!
"Wir wollen keine Wehrerziehung, aber wir brauchen eine realisti-
sche Darstellung der Notwendigkeit unserer Sicherheitspolitik und
unserer Verteidigungsbereitschaft auch in unseren Schulen."
Wehrerziehung "realistisch", Krieg als einkalkuliertes "Risiko"
des Siegeszugs der Freiheit - das stellt den Osten in den Schat-
ten, der die Notwendigkeit der Gegenwehr gegen die reale Bedro-
hung durch die westliche Weltherrschaft "propagiert".
Und mit "gegenseitig vorteilhaften und ausgewogenen Wirtschafts-
beziehungen" wird der Kampf gegen den Osten im "Frieden" geführt:
"Wir sind uns mit allen unseren Bündnispartnern einig, daß solche
Beziehungen wichtiger Faktor des Ost-West-Dialogs sind. Entschei-
dend als Voraussetzung bleibt aber - und ich will dies deutlich
sagen -, daß unser Handel in vollem Einklang mit unseren Sicher-
heitsinteressen steht."
Während so für die Verschuldung osteuropäischer Staaten ein-
schließlich der DDR und den Export von billigen Gütern in den We-
sten gesorgt ist, die der heuchlerisch beklagten "notleidenden
Bevölkerung im Osten" vorenthalten werden; während die westliche
Aufrüstung den östlichen Staaten die Notwendigkeit des Mitziehens
aufnötigt, was Abzug vom Lebensunterhalt der Bevölkerung dar-
stellt, werden der DDR auf der Grundlage der militärischen und
ökonomischen Macht des Westens um der "gutnachbarlichen Beziehun-
gen" willen "menschliche Erleichterungen" aufdiktiert, insbeson-
dere die Pflicht, mehr Deutsche in ihre deutsche Heimat im Westen
zu entlassen.
Der "Aufstieg der Deutschen aus der moralischen Katastrophe" läßt
nichts zu wünschen übrig. Nichts ist menschengemäßer als demokra-
tische Herrschaft; auf nichts hat der Mensch hüben und drüben ein
höheres Menschenrecht als auf Gewalthaber, die ihm das Menschen-
recht zugestehen, ihr zugehören zu dürfen. Deswegen liegt die
Menschenwürde, des Deutschen drüben im Recht auf Wiedervereini-
gung. Und der hiesige Deutsche, der der richtigen Gewalt unter-
steht, hat ganz freiwillig dankbar zu sein für das Zugeständnis
demokratischer Gewalthaber an ihn, ganz f r e i w i l l i g
dankbar sein zu dürfen: Deshalb bewährt sich seine Würde logi-
scherweise in der Pflicht, sich zum d i e n s t b a r e n
K n e c h t und im Ernstfall zur l e b e n d e n W a f f e
unter dem Kommando seiner menschenberechtigten Herrschaft zu ma-
chen. Daß die so aussieht wie Kohl, macht sie nicht lächerlich,
sondern beweist, daß es für erfolgreiche Herrschaft eben gar
nicht auf die Geschmacksurteile eingebildeter, selbstbewußter Un-
tertanen ankommt - sondern auf Untertanen. Das hat ihnen der
Kanzler gerade erklärt.
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