Quelle: Archiv MG - BRD ALLGEMEIN - Auf dem Weg zur Weltmacht
zurück Von der "Entspannung" zur WendeZWEI DEUTSCHE STAATEN MIT BESONDERS NORMALEN BEZIEHUNGEN
"Wir alle wissen: Die Überwindung der Teilung ist nur in histori- schen Zeiträumen denkbar." So eine tiefe Einsicht des westdeutschen Staates, die sein amtie- render Kanzler Kohl zum besten gab. In seiner ersten Regierungs- erklärung tritt der (west-)deutsche Nationalismus weiterhin mit dem vollen Anspruch seiner Gründerjahre auf, angereichert um die Erfolge der sozialliberalen Ostpolitik und mit dem geballten Selbstbewußtsein der neuen Politik des Westens, die ihren Kreuz- zug gen Osten gern vom Atem der Geschichte umwehen läßt. Unverän- dert bescheiden geblieben ist hingegen der devote Wunsch des "sozialistischen deutschen Staates": Er möchte seine de-facto-An- erkennung auf die de-jure-Akzeptierung der Staatsbürgerschaft seines Volkes ausgedehnt haben. "Daß die Einheit der Deutschen, der deutschen Nation eine Kraft der Gegenwart ist" - so redet Barzel über seine innerdeutschen Beziehungen -, diese "Tatsache" hat ihr eindeutiges Subjekt in der BRD, was nicht zusammenfällt mit dem dringenden Wunsch des deutschen Volkes hüben und drüben. Das "Einheitsverlangen unseres Volkes" (Barzel) steht für das Interesse der westdeutschen Poli- tik, weshalb es auch immer wachgehalten und in den Schulen gebil- det werden soll. Das Volk war es denn auch nicht, das Ende der 60er Jahre eine Wende in der Deutschlandpolitik gefordert und durchgesetzt hätte, weder im Westen noch im Osten Deutschlands. Dem ward mitgeteilt, daß es nun das Beste für die Brüder und Schwestern drüben sei, wenn man mit den verhaßten kommunistischen Führern der Unfreiheit rede, angeblich wegen der menschlichen Erleichterungen. Und auf der anderen Seite bekamen die Volksgenossen zu hören, daß es auch eine Gesetzmäßigkeit des Sozialismus sei, mit - den Imperialisten und Revanchisten friedliche Beziehungen aufzunehmen. Die beiden deutschen Staaten fanden einen Weg, ihrem nationalen Interesse anders als bisher mehr Geltung zu verschaffen. Freilich ging das nur, weil die Großen Brüder dieser Frontstaaten dafür grünes Licht gegeben hatten. So kam das Kuriosum zustande, daß zwei deutsche Teilstaaten begannen, quasi wie zwei Staaten miteinander zu verkehren, obwohl der eine Staat beide Staaten zusammen sein wollte (und immer noch will). Vorher war da aber noch etwas, was zu dieser eigentümlichen "Normalisierung" zwischen Doppeldeutsch- land beitrug. Dazwischen die Mauer -------------------- Der Beschluß Ostberlins und der Warschauer-Pakt-Staaten, aus der Zonengrenze und um den Fluchtpunkt Westberlin eine dichte Staats- grenze zu bilden, der "Mauerbau" vom 13. August 1961, führte nicht zu der Konfrontation, die sich westdeutsche Politiker da- mals gern gewünscht hätten. Pläne in der Adenauer-Regierung, die "Ostzone" mit einem Panzervorstoß über die oder längs der Auto- bahn Helmstedt-Berlin heimzusuchen, blieben im Erörterungsstadium hängen, vor allem deshalb, weil Kennedy keine Anstalten unter- nahm, die NATO in irgendeiner Weise rührig werden zu lassen. Nach Ablehnung aller Vorschläge Moskaus zur Lösung der "Deutschen Frage" durch die Westmächte - 1959 das Angebot einer deutschen Konföderation ohne Bindung an die Militärbündnisse; Juni 1961 das Memorandum Chruschtschows an Kennedy, in dem die Alternative: Friedensvertrag mit beiden deutschen Staaten oder Separatfriede mit der DDR und Westberlin als neutralisierte freie Stadt den so- wjetischen Standpunkt definierte -, beschloß Chruschtschow die endgültige Absicherung der DDR mit der Hauptstadt Ostberlin und beließ Westberlin den Westmächten. Aber nicht nur das Berlin-Ul- timatum wurde aufgegeben, auch der angedrohte Separatfriede - mit der DDR zurückgestellt zugunsten des Planes, Gespräche zwischen der BRD und der DDR zustandezubringen. Das deutsch-deutsche Ver- hältnis war unter die politischen Zweckmäßigkeiten der Entspan- nung geraten, obwohl es noch eine Zeitlang dauerte, bis sich BRD und DDR auf Staatsebene trafen. Der "Mauerbau", der Wendepunkt, an dem sich der Übergang vom Kal- ten Krieg zum Ost-West-Gegensatz mit dem Mittel der "Entspannung" abzeichnete, ist aber noch in anderer Hinsicht bemerkenswert. Für die DDR war der "antifaschistische Schutzwall" - so als hätten sie es mit reaktionären Junkern und nur auf Großdeutschland sin- nenden Altfaschisten zu tun und nicht mit dem Imperialismus west- lichen Freiheitsdranges tatsächlich der Ausgangspunkt zur gewalt- samen Konsolidierung des Staates drüben, so daß der gelungene Aufbau und ein wenig Wirtschaftswunder auch bei den Untertanen drüben so etwas wie nationalen Stolz aufkommen ließen (wie das noch bei allen Opportunisten der Herrschaft so ist). Für die BRD war und ist die Mauer vor allem ein Propagandamittel der Freiheit gegen die "mörderische" Unfreiheit. Nach dem 13. August 1961 er- fand die "Bild"-Zeitung eine neue Zeitrechnung: "1312 Tage nach dem Mauerbau". Adenauer verkündete nach jeder dritten Rede sein ceterum censeo: Die Mauer muß fallen, die Mauer wird fallen. Westberlin schickt jeden Verantwortlichen und Touristen der Frei- heit auf den Aussichtsturm. Dichter bespielen den Zement mit Gi- tarre, als wollten sie ihn zerbrechen. Mit Stacheldraht bespannte Mauerdenkmäler zieren oder verunzieren - wie man's nimmt - west- deutsche Städte. Obwohl westdeutsche Souveräne über alle möglichen Sachen in die DDR hinein verhandeln, ein Hinweis auf die Mauer ist immer gut: Die sind eigentlich nicht konkurrenzfähig mit unserem offenen Sy- stem; die können ihr Volk nur so bei der Stange halten (als woll- ten alle Bürger in Mecklenburg, Brandenburg und Sachsen nichts wie rüber und als würde mit lauter potentiellen Flüchtlingen ein Staat zu machen sein); die konnten ihr gestörtes oder fehlendes Nationalbewußtsein nur hinter einer Mauer notdürftig zusammenzu- flicken versuchen... Eine richtige Kritik des realsozialistischen Mauerbaus ward nicht gehört. Die Erklärungen, die neben aller Empörung über das Schandmal der Unfreiheit noch gegeben werden, zeugen von heimli- chem Verständnis: 30 000 Flüchtlinge im Juli 1961; Schutz, völ- kerrechtlich unhaltbar, vor dem ungehinderten Eindringen westli- cher Propaganda und Spionage; oder ganz aktuell, wo die Mauer trotz Schießbefehl schon ziemlich durchlöchert ist: "Hält die DDR ein solches Maß an Reiseverkehr aus. Ich muß nur dagegen sagen: Das muß sie aushalten, weil das der Kernpunkt von Helsinki ist. Da haben wir Freizügigkeit verabredet, und Herr Honecker hat das dort unterschrieben." (Hennig, Innerdeutsches Ministerium) Was würde wohl die BRD tun, wenn ihr die Staatsbürger zu Tausen- den wegliefen, wenn die feindliche Propaganda sich aufführen würde, als wäre sie hier zu Hause, wenn jährlich Millionen Kommu- nisten die westdeutschen Lande bevölkern würden? Da aber nicht die BRD, sondern die DDR so ein gewaltsames Ding nötig hat, ist es der Staat drüben, den man zu zersetzen und zu destabilisieren nicht aufgehört hat, der nur gewaltsam seine Ordnung zusammen- hält. Das reicht, hat aber mit wirklicher Kritik des ostdeutschen Systems mit der Mauer nichts zu tun: Daß nämlich der reale Sozia- lismus deutscher Prägung ziemlich verkehrt sein muß, wenn er für seinen Plan einer lebenswerten Gesellschaft die Leute einspannt, von ihren Interessen abstrahiert und seinen "Plan" gegen die Leute zustandebringt. Daß er für dieses Staatsbildungsprogramm Unbedingt Leute braucht, die sich der moralischen Überzeugung un- terwerfen, weil so ein Plan die Menschen nicht davon überzeugt, daß es in i h r e m I n t e r e s s e ist, so und im Gegensatz zur bürgerlichen Gesellschaft zu produzieren (und die gehen läßt, denen nicht zu helfen ist). Statt dessen sollen die Leute schon wieder zu ihrem Glück des Lebens gezwungen werden und für einen Reichtum arbeiten, der sich am Geld als Mittel des S t a a t s mißt und nicht an den Bedürfnissen der Leute. Aber - wie gesagt - darum geht es nicht bezüglich des Mauerbaus. Der Osten entschuldigt sich dafür und der Westen prangert diese Schandmauer mitten in Deutschland beständig an, als wäre sie das größte Unglück, das der Menschheit je widerfahren sei. 22 Jahre nach dem Mauerbau sieht der westdeutsche gesamtdeutsche Nationa- lismus in ihr immer noch das stärkste moralische Unterpfand sei- ner handfesten Ansprüche, die sich nie auf moralische Werte ver- lassen haben. "Wer wollte es für einen in Europa auf Dauer tragbaren Zustand halten, daß Berlin, die alte deutsche Hauptstadt, eine europäi- sche Capitale, durch eine Mauer zerteilt ist?... Bis die alte deutsche Hauptstadt wieder die ihr gemäßen Funktio- nen ausüben kann, gelten ihr unsere konzentrierten Anstrengun- gen." (Barzel) Damals, nach 1961 und schließlich mit Erfolg zu Beginn der 70er Jahre ging es darum, ein effektiveres Mittel als den Kalten Krieg auch im innerdeutschen Staatengegensatz in Stellung zu bringen. Die Teilstaaten wollen und sollen sich näherkommen -------------------------------------------------- Um ein Mehr an staatlicher Anerkennung, also um größeren politi- schen und ökonomischen Einfluß in der Welt ging es beiden deut- schen Staaten, als man daran ging, das Verhältnis der BRD zur DDR (neu) zu regeln. Doch bedeutete dieses nationale - Anliegen auf beiden Seiten etwas sehr Unterschiedliches, was die Vorausset- zung, nämlich die Stellung der NATION, anbetrifft. Die BRD war schon ein anerkannter Staat in der 1., 2. und 3. Welt, während die DDR weiter um ihre Anerkennung als zweiter deutscher Staat außerhalb des Ostblocks kämpfte. Für die BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND erwies sich die Deutschlandpo- litik Adenauers mit ihren Spezialitäten: Alleinvertretungsan- spruch, Hallstein-Doktrin und Nichtanerkennung der Existenzbe- rechtigung der "DDR" als Hindernis für den außenpolitischen Akti- onsradius. Westdeutschland war noch immer nicht Mitglied der UNO und verfügte im Unterschied zu den anderen EG-Staaten über keine diplomatischen Beziehungen zu verschiedenen Dritt-Welt-Ländern und Ostblockstaaten. Das Festhalten an der Politik des Kalten Krieges hätte nicht nur die Fortdauer dieser außenpolitischen Einschränkung bedeutet, sondern auch den Verzicht auf die Chan- cen, die die Entspannungspolitik Westdeutschland bot. Es brauchte freilich erst die Entscheidung der Amerikaner, auf Entspannungs- politik mit den Russen zu setzen, damit die BRD mehr Flexibilität in Sachen Ostpolitik zeigte. Nicht zuletzt über die Verschlechte- rungen der Beziehungen zu den USA stürzten der Kalte Krieger Adenauer und sein Nachfolger Erhard - "Zwei Bundeskanzler - Konrad Adenauer und Ludwig Erhard - hatten wegen ihrer Kontroversen mit den Regierungen Kennedy und Johnson früher aus dem Amt ausscheiden müssen." (Kissinger, Memoiren) -, weil sie an der bisherigen Deutschland- und Ostpolitik festhalten wollten. Damals waren es die Sozialdemokraten (dieselben, die in den frühen 50er Jahren den nationalen Ausverkauf Deutschlands an die Amerikaner kritisiert hatten), die den C-Parteien vorwarfen, die guten Beziehungen zu den USA aufs Spiel zu setzen. Und wenn auch schon unter Erhard und Kiesinger gegenüber der DDR Verhand- lungsbereitschaft signalisiert wurde - in Bewegung kam das inner- deutsche Verhältnis erst nach dem Regierungswechsel, der Macht- übernahme durch die Sozialliberalen. Dem Interesse der USA, die nationalen Belange ihres wichtigsten europäischen Bündnispartners der neuen Situation anzupassen, trotz aller Bedenken, Europa könne sich mehr dem Osten zuwenden, entsprach das westdeutsche Interesse, sich gegenüber der DDR und überhaupt dem Ostblock mehr staatliche Handlungsfreiheit zu verschaffen. Dabei konnte die BRD die deutsche Frage weiter offenhalten. Die USA stimmten zu, daß kein Friedensvertrag abgeschlossen wurde und auch Moskau fand sich damit ab, daß die BRD und DDR nicht wie normales Ausland miteinander verkehrten. Dem bundesdeutschen Interesse daran, den Eindruck der Endgültigkeit zu vermeiden, ward Genüge getan. Es kam eine Anerkennung der Ergebnisse des 2. Weltkrieges zustande, die nicht eine endgültige Anerkennung der Teilung Deutschlands und der Staatlichkeit der DDR bedeutete, ohne daß die Nachteile der Nichtanerkennung der Existenz der DDR weiter in Kauf genommen werden mußten. Vom Standpunkt der DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN REPUBLIK aus stellte sich die entspannende Angelegenheit ziemlich anders dar. Ohnehin allein auf die Sowjetunion als Mittel verwiesen, um sich gegen über dem Westen als Staat zu behaupten stellte die von der Bru- dermacht angestrengt Entspannungspolitik für die Selbstbehauptung der DDR eine Bedrohung dar. Den Anspruch auf volle völkerrechtli- che Anerkennung mußte sie aufgeben. Deshalb mußte auch der harte Gegenspieler Adenauer Ulbricht, gehen, weil er genauso wie Adenauer andersherum, die totale Anerkennung - als selbständiger Staat beharrlich forderte als die Voraussetzung für die Aufnahme von Beziehungen mit Westdeutschland, soweit er das überhaupt wollte und nicht schon die Gefahren für den weiteren Aufbau des sozialistischen Systems voraussah. Der DDR blieb unter Maßgabe des Moskauer Willens nur die Wahl, aus den Verhandlungen das Beste zu machen und wenigstens ein Mi- nimum an Anerkennung zu erreichen, was dazu führte, daß Ost- deutschland immer wieder seinen nationalen Geist per Interpreta- tion hervorhob und bei jeder neuen Regelung mit Westdeutschland, wenn auch bis heute ziemlich ergebnislos, ein Stück Anerkennung mehr forderte. Viel schwerwiegender war aber für die DDR, daß mit Beginn der Bonner Ostpolitik ein Prozeß Gang gesetzt wurde, der auf Seiten der BRD darauf hinauslief, sich schrittweise immer mehr Einflußmöglichkeiten in die inneren Angelegenheiten der DDR zu schaffen. Gegenüber dieser kunstvollen Öffnung der deutschen Frage sah sich die DDR gezwungen, die ideologische Abgrenzung ge- genüber den westdeutschen Imperialisten zu forcieren und für den Lebensstandard-Vergleich besondere Anstrengungen zu unternehmen. Dennoch gewann auch die DDR an internationalem Spielraum und konnte wegen der vorläufigen Klärung des deutsch-deutschen Ver- hältnisses mit über 100 Staaten diplomatische Beziehungen aufneh- men. Moskau macht's möglich ---------------------- Das neue Verhältnis Bonns zur Deutschlandfrage zeigte sich in der Phase der Großen Koalition zwischen 1966 und 1969, als die Regie- rung mehrfach ihre Bereitschaft bekundete, über "alle praktischen Fragen des Zusammenlebens der Deutschen" zu verhandeln. Daß die DDR unter Ulbricht alle diese Angebote ablehnte, weil sie auf vorheriger völkerrechtlicher Anerkennung bestand, war insofern nicht so sehr von Belang, als die westdeutschen Botschaften mehr an die Adresse der Sowjetunion, denn an die der DDR gerichtet wa- ren. Die DDR war mit ihrem Standpunkt ziemlich ins Abseits gera- ten, als 1969 Willy Brandt der Sowjetunion und der DDR Gewaltver- zicht und Anerkennung des Status quo in Mitteleuropa sowie die Formel "von der Existenz der DDR als eines zweiten Staates in Deutschland" als Verhandlungsgrundlage im innerdeutschen Verhält- nis anbot, und der Politische Beratende Ausschuß des Warschauer Pakts der BRD Realismus in der Deutschlandfrage bescheinigte und sich erstmals des Postulats enthielt, vor der Regelung ihrer Be- ziehung mit den osteuropäischen Staaten müsse die Bundesrepublik die DDR anerkennen. Das spezielle Anliegen der DDR wurde geradezu übergangen. Die BRD konnte die weltpolitischen Interessen der So- wjetunion für ihre Ostpolitik nutzen: 1. Der Sowjetunion ging es primär darum, die deutsche Front zu befrieden, den Nachfolger des Faschismus, dessen Beurteilung als "Revanchismus" die sowjetischen Politiker bitter ernst nehmen, auf Frieden und Gewaltverzicht vertraglich zu verpflichten. Zumal den Russen in China gleichzeitig eine neue gegnerische Front im Osten entstanden war. 2. Die Sowjetunion war sehr an der Klärung der deutschen Frage interessiert, um den Ausbau wirtschaftlicher Beziehungen für sich und den ganzen Block zu den starken westeuropäischen Industrie- staaten, vor allem zur BRD, zu erleichtern und zu forcieren. Dies wußte die Bundesregierung, und das hat sie ausgenutzt, indem sie Moskau bedeutete, daß, "die angestrebte Regelung der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten in enger Verbindung mit weiteren offenen Fragen (stünde), die das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur Sowjetunion, zu Polen und zur CSSR betrafen." 3. Der Sowjetunion war es für ihre auf Basis der friedlichen Ko- existenz angestrebte Anerkennung als Weltmacht sehr wichtig, ohne Hinzuziehung der USA mit einer bedeutenden Macht in Europa zu verhandeln. Auf der anderen Seite sah sie das Angebot Nixons, für Berlin eine Viermächtelösung zu finden, als Schritt des Westens an, auf die Sowjetunion zuzugehen, also als ein Eingeständnis, daß an ihrer weltpolitischen Bedeutung nicht mehr vorbeizukommen sei. Die BRD hat davon profitiert. Sie hat es verstanden, bei den Viermächte-Verhandlungen über Berlin aus dem Hintergrund auf die Verhandlungen Einfluß zu nehmen, sie hat das Interesse der Alli- ierten, die Hoheit über Westberlin zu behalten, für sich benutzt, die Alliierten dazu veranlaßt, in Verhandlungen zu treten und das Optimale für die BRD herauszuholen. Die Erinnerungen Kissingers mögen belegen, welche Zugeständnisse die Sowjetunion machte und wer sich da wie erpressen ließ: "Seit zehn Jahren hatten die Sowjets die Verwundbarkeit Berlins zu ihrem Vorteil auszunutzen versucht, aber nichts unternommen, die Verhältnisse zu normalisieren. 1971 half uns Moskaus Inter- esse an der Ratifizierung der Ostverträge Brandts. Da es im Wesen der Ostpolitik lag, daß die realen Vorteile offensichtlich nur auf einer Seite lagen - schließlich erkannte Bonn die Teilung Deutschlands an und bekam dafür nichts als Verbesserungen in der politischen Atmosphäre -, mußten die Gegenleistungen in einem günstigen Ergebnis der Berlin-Verhandlungen bestehen. Moskau be- fand sich demnach in der paradoxen Lage, zu Zugeständnissen auf- gefordert zu werden, die sich durch das lokale Gleichgewicht der Kräfte nicht rechtfertigen ließen, um auf anderen für die Sowjets wichtigen Gebieten voranzukommen. Das Ganze war ein klassischer Fall für die Verkoppelung verschiedener außenpolitischer Bedürf- nisse. Die praktische Konsequenz dieses Verkoppelungsmechanismus lag jedoch dann, daß wir schließlich für den Erfolge der Politik Brandts verantwortlich wurden. Zwei Hauptprobleme mußten erledigt werden: Die Westmächte verlangten eine sowjetische (und nicht eine ost- deutsche) Garantie dafür, daß ihr Zugang nach Berlin als vor- dringlich behandelt und nicht behindert wurde. Die Bundesrepublik Deutschland verlangte die Anerkennung wesent- licher politischer Bindungen zwischen der Bundesrepublik und Ber- lin durch die Sowjets, um den Kommunisten die bisher immer wieder ins Spiel gebrachten Vorwände zu nehmen, gegen West-Berlin Druck auszuüben... Die Sowjets erklärten sich damit einverstanden, daß die Bundesre- publik mit ihren Konsulaten im Ausland auch für die Bürger West- Berlins zuständig war und daß Westberliner mit westdeutschen Päs- sen ausgestattet werden durften. Als Gegenleistung erklärten wir uns mit der Einrichtung eines sowjetischen Konsulats in West-Ber- lin einverstanden, eine Maßnahme, die es der Sowjetunion er- laubte, ihr Gesicht zu wahren. Das stützte allerdings nicht die sowjetische Theorie, daß Berlin scharf von der Bundesrepublik ab- getrennt werden sollte, denn es gibt auch in westdeutschen Städ- ten sowjetische Konsulate. (In den fast zehn Jahren seit Inkraft- treten der Berlin-Vereinbarungen hat das sowjetische Konsulat in West-Berlin keine besondere Rolle gespielt.) Als der Vertrag schließlich unter Dach und Fach war, schickte mir Rush über den Sonderkanal folgende Botschaft, die seinen berech- tigten Stolz zum Ausdruck brachte: 'Ein Entwurf der vorläufigen Vereinbarung ist beigefügt, und es fällt mir immer noch schwer zu glauben, daß er so günstig aussieht. Sie, Gromyko und Brandt müs- sen ihm noch zustimmen... Gestern haben wir von Falin praktisch alles bekommen, was wir von ihm wollten.' Rush hatte recht. Wäh- rend es bisher keine rechtliche Grundlage für den zivilen Zugang zu West-Berlin gegeben hatte, lagen jetzt in diesem Abkommen alle Einzelheiten des Verfahrens fest. Dazu gehörten auch rein techni- sche Fragen wie etwa der Verschluß für auf dem Transitweg zu be- fördernde Waren. Während die Sowjetunion bisher immer wieder be- hauptet hatte, für den Zugang nach Berlin nicht zuständig zu sein, da dies eine Angelegenheit der souveränen ostdeutschen Re- gierung sei, würde der Zugang jetzt von der Sowjetunion garan- tiert. Die Präsenz der Bundesrepublik in West-Berlin wurde ge- ringfügig beschnitten - besonders in bezug auf die Aktivitäten, die bisher von den Verbündeten nicht anerkannt worden waren, wie etwa die alle fünf Jahre stattfindende Wahl des Bundespräsiden- ten. Die Sowjetunion hatte jedoch die prinzipiellen Bindungen zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin anerkannt und er- klärte, sie könnten 'aufrechterhalten und weiterentwickelt wer- den'. Damit war die rechtliche Grundlage für eine Stärkung der wirtschaftlichen und kulturellen Bindungen zwischen Berlin und Bonn geschaffen. Mit den Vereinbarungen hatte die Bundesrepublik das Recht, Berlin im Rahmen internationaler Verträge und Körper- schaften zu vertreten, und Westberliner durften mit westdeutschen Pässen reisen. Insgesamt brachten die Berlin-Vereinbarungen für das Leben und die Sicherheit der Bevölkerung West-Berlins wesent- liche Verbesserungen. Mit diesem Text hatten wir fast alles er- reicht, was der Entwurf verlangte, der am 5. Februar den vier Mächten vorgelegt worden war; in den wichtigsten Teilen entsprach der Vertragstext sogar diesem Entwurf." (Kissinger, Memoiren, 1968-1973, S. 877 und 882/83) Die Bundesrepublik hatte sich ihr Symbol der Freiheit und deut- schen Einheit vertraglich absichern lassen: Westberlin ist zwar kein 12. Bundesland, und Regierungsakte dürfen dort auch nicht stattfinden, aber die Westberliner sind Bundesbürger. Die Bindung Westberlins an die Bundesrepublik ist prinzipiell akzeptiert, auch wenn wegen dieser "besonderen politischen Einheit" immer wieder Zusatzverträge (Berlin-Klausel) zwischen der BRD und der DDR notwendig sind. Die alliierte Besatzungsmacht bleibt dort und garantiert, daß Westberlin der BRD angeschlossen bleibt. Die DDR hat ihren sicheren Pfahl im Fleisch des Sozialismus, be- sitzt nach wie vor die Einmaligkeit einer Hauptstadt, die zugleich ein Besatzungsterritorium ist, darf die antikommunisti- schen Besucher nach Ostberlin reisen lassen und sorgt noch oben- drein mit allerlei Verkehrsregelungen, Wirtschaftsabkommen und einer Müllbeseitigung dafür, daß Westberlin nicht nur von der BRD subventioniert wird, so daß es die Waffe bleibt, als die es der Westen vorgesehen hat. Der Moskauer Vertrag -------------------- (ebenso wie der Warschauer Vertrag) war der Ersatz eines Frie- densvertrages mit der Sowjetunion. Kernpunkte sind die vertragli- chen Erklärungen zum Gewaltverzicht und zur Unverletzlichkeit der Grenzen aller Staaten in Europa, "wie sie am Tage der Unterzeichnung dieses Vertrages verlaufen, einschließlich der Oder-Neiße-Linie, die die Westgrenze der Volksrepublik Polen bildet, und der Grenze zwischen der Bundesre- publik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik." (Moskauer Vertrag, Art. 3) Die Sozialliberalen, die unermüdlich die Schwierigkeiten der Ra- tifikation durch den Bundestag in die Verhandlungen miteinbrach- ten und sehr bewußt auf Kräfte in der BRD hinwiesen, die die Ver- träge zu Fall bringen könnten, wenn... bekamen ihr Entgegenkommen durch die Russen, wo es ihnen wesentlich erschien. Den Begriff "Anerkennung" (der Grenzen) ließen sie sich nicht abhandeln, die deutsche Wiedervereinigung hielten sie sich offen, indem bei der Unterzeichnung des Vertrags der Sowjetunion der "Brief zur deut- schen Einheit" in die Hand gedrückt wurde, derselbe Brief, den auch die DDR bei Unterzeichnung des Grundlagenvertrags erhielt: "...Im Zusammenhang mit der heutigen Unterzeichnung des Vertra- ges... beehrt sich die Regierung der Bundesrepublik Deutschland festzustellen, daß dieser Vertrag nicht im Widerspruch zu dem po- litischen Ziel der Bundesrepublik Deutschland steht, auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt." Aber nicht nur das. Die Sowjetunion segnete offiziell den Wunsch der BRD ab, mit der DDR zu "normalen Beziehungen" unter Umgehung der völkerrechtlichen Anerkennung zu gelangen. 1970 gaben Bahr und Gromyko folgende "übereinstimmende politische Absichtserklä- rung" ab: "Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland erklärt ihre Be- reitschaft, mit der Regierung der Deutschen Demokratischen Repu- blik ein Abkommen zu schließen, das die zwischen Staaten übliche gleiche verbindliche Kraft haben wird wie andere: Abkommen, die die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Re- publik mit dritten Ländern schließen. Demgemäß will sie ihre Be- ziehungen zur Deutschen Demokratischen Republik auf der Grundlage der vollen Gleichberechtigung, der Nichtdiskriminierung, der Ach- tung der Unabhängigkeit und der Selbständigkeit jedes der beiden Staaten in Angelegenheiten, die ihre innere Kompetenz in ihren entsprechenden Grenzen betreffen, gestalten. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland geht davon aus. daß auf dieser Grundlage, nach der keiner der beiden Staaten den an- deren im Ausland vertreten oder in seinem Namen handeln kann, die Beziehungen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundes- republik Deutschland zu dritten Staaten entwickelt werden." (sogenanntes Bahr-Papier) Dies war die hochoffizielle Beendigung de Hallstein-Doktrin, aber eben nicht die völkerrechtliche Anerkennung der DDR. Vielmehr sanktionierte die Sowjetunion die bundesdeutsche Zweistaatentheo- rie und die Gleichberechtigungsformel. Das nationale Interesse der DDR ließ die große Freundesmacht geradezu im Stich, was die Chinesen in ihrer unverblümten Art "Ein Schmutziges Geschäft" nannten: "Nun hat die sowjetrevisionistische Führungsclique auf die von ihr früher gestellte Vorbedingung für die Aufnahme von Verhand- lungen, nämlich auf die vorherige Anerkennung der Deutschen Demo- kratischen Republik als einen souveränen Staat durch Westdeutsch- land verzichtet, weil sie es eilig hat, mit diesem zu kollaborie- ren. Westliche Nachrichten triumphierten: Das zeigt, daß die So- wjetunion ihre seit 20 Jahren verfolgte Politik aufgegeben hat." (Renmin Ribao, 22. Dez. 1969) Ein Grundlagenvertrag für die offene deutsche Frage --------------------------------------------------- Die DDR war also ziemlich in der Defensive, als sie auf die Brandtsche Offerte vom Oktober 1969 ihrerseits Dezember 1969 mit einem "Entwurf eines Vertrages über die Aufnahme gleichberechtig- ter Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland" reagierte. Diesen Vorschlag, der die völkerrechtliche Anerkennung der DDR verlangte - Ulbricht nannte die westdeutsche Zweistaatentheorie sehr richtig einen "Vormundschaftsanspruch" -, lehnte Bonn natürlich ab. Da aber in- zwischen feststand, daß eine deutsch-deutsche Regelung zustande- kommen würde, wollte sich die DDR die Initiative nicht ganz aus der Hand nehmen lassen. Stoph ging deshalb gern auf das Angebot Brandts ein, einen Meinungsaustausch zwischen den Regierungen zu beginnen, und brachte seinerseits den Vorschlag ein, daß sich die Regierungschefs persönlich treffen sollten. Die DDR versprach sich von diesem Gipfeltreffen nationalen Prestigegewinn und bekam auch den entsprechenden: Das Bild von Erfurt, wo DDR-Bürger dem anderen Willy zujubelten, machte im Westen Schlagzeilen. Die ge- gensätzlichen Standpunkte waren von erfreulicher Offenheit, es war nicht zu übersehen, auf welcher Seite politische Frechheit verhandelte. "Brandt: ...Ich bin der Überzeugung, daß sowohl der Begriff völ- kerrechtliche Anerkennung, als auch der Begriff der Nichteinmi- schung in die inneren Angelegenheiten nicht das trifft" (das ist gut!), "worum es bei der Herstellung gleichberechtigter Beziehun- gen zwischen der Bundesrepublik und der DDR geht. Stoph: ...In der Formel von den besonderen innerdeutschen Bezie- hungen ist der alte Anspruch enthalten, die DDR einem Vormund- schaftsverhältnis zu unterwerfen... Brandt: Statt von innerdeutschen können wir auch von zwischen- deutschen Beziehungen" (Brandt kommt der DDR entgegen) "sprechen, Beziehungen zwischen den beiden Staaten in Deutschland... Wir maßen uns keine Vormundschaftsrechte an, noch schreiben wir der DDR einen minderen Status zu" (eine diplomatische Lüge), "als wir ihn selbst in Anspruch nehmen..." (Willy Brandt, Begegnungen und Einsichten), Das letzte Wort - in welchem Sinne, war schon keine Frage mehr - ward dann nach Abschluß des Moskauer Vertrags und des Viermächte- abkommens gesprochen. Oktober 1970 begannen die deutsch-deutschen Verhandlungen über den Grundlagenvertrag sowie über eine Regelung der Transitwege, eine Regelung über Erleichterungen und Verbesse- rungen des Reise- und Besucherverkehrs, über Gebietsaustausch und Probleme des Post- und Fernmeldewesens bezüglich Berlin, Auflagen aus dem Viermächteabkommen an die beiden deutschen Staaten. Die westdeutschen Vertreter der deutschen Einheit der Nation, für welche sie sich selbstverständlich zuständig wissen, siegten auf der ganzen Linie. Anerkannt hatte man, daß der Staat drüben ir- gendwie Realität hat, viel mehr nicht. Die Option auf eine ge- samtdeutsche Wiedervereinigung hielt man sich mit dem schon ge- nannten Brief zur deutschen Einheit extra offen. Die Staatsange- hörigen gehen dem zweiten deutschen Staat weiterhin ab, sie gehö- ren qua Grundgesetz zur BRD. "Erklärungen zu Protokoll Die Bundesrepublik Deutschland erklärt zu Protokoll: 'Staatsangehörigkeitsfragen sind durch den Vertrag nicht geregelt worden.' Die Deutsche Demokratische Republik erklärt zu Protokoll: 'Die Deutsche Demokratische Republik geht davon aus, daß der Vertrag eine Regelung der Staatsangehörigkeitsfragen erleichtern wird." Vermögensfragen wurden nicht geregelt, damit auch hier gar nicht offen bleibt, wem das ostdeutsche Hab und Gut gehört. Dazu die ganzen Mittel der Einmischung in die inneren Angelegenheiten der DDR, die sich die BRD vertraglich verschaffte, von der Familien- zusammenführung über Besucher- und Reiseverkehrsregelungen, Ver- kehrsabkommen, Handel bis zu westdeutschen Journalisten, die drü- ben, wo sie nur können die für die Hetze zurechtgerückten Bilder ablichten. Klar, daß in der einen Nation keine zwei Botschaften, sondern nur ständige Vertretungen eingerichtet werden. Deutschnationale Definitionen ----------------------------- Der westdeutsche Staat hatte sich nichts vergeben, vielmehr mit seiner Ostpolitik seinen wirtschaftlichen und politischen Akti- onsradius enorm erweitert, sowie sich eine Menge Möglichkeiten der Einmischung in den anderen deutschen Staat verschafft. Trotz- dem gab es nationale Töne von Gewicht, die den Moskauer Vertrag, erst recht aber den Grundlagenvertrag als deutschen Ausverkauf an den Osten anprangerten, den ehemaligen Emigranten Brandt als Va- terlandsverräter beschimpften und das sehr am nationalen Inter- esse orientierte Vertragswerk verhindern wollten. Der Grundlagen- vertrag kam auf Betreiben der CSU vor das Bundesverfassungsge- richt. Dort erfuhr man in der Beurteilung der DDR neue Windungen des Nationalismus, die den alten Erfindungen aus der Zeit des Kalten Krieges nicht nachstanden. Damals hieß das Ding, das man sich fast schämte, in den Mund zu nehmen, "Ostzone, SBZ, Gebilde, drüben, Unrechtssystem, Unstaat, das andere Deutschland, Ost- deutschland, sogenannte DDR, 'DDR'" ...Heute darf man DDR sagen, während man die BRD ausschreiben muß. Das Bundesverfassungsgericht hat den alten westdeutschen Geist in moderne Worte gesetzt. Einige Kostproben: Wer ist das D e u t s c h e R e i c h? "Mit der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat begründet, sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert (...). Die Bundesrepublik Deutsch- land ist also nicht 'Rechtsnachfolger' des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat 'Deutsches Reich' - in bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings" (zu dumm) "'teilidentisch', so daß insoweit die Identität keine (?) Aus- schließlichkeit beansprucht." Was ist eine d e u t s c h e Nation? "Wenn heute von der 'Deutschen Nation' gesprochen wird, die eine Klammer für Gesamtdeutschland sei, so ist dagegen nichts einzu- wenden, wenn darunter auch ein Synonym für das 'deutsche Staats- volk' verstanden wird, an jener Rechtsposition also festgehalten wird und nur aus politischen Rücksichten (!) eine andere Formel verwandt wird. Versteckte sich dagegen hinter dieser neuen Formel 'deutsche Nation' n u r noch der Begriff einer im Bewußtsein der Bevölkerung vorhandenen Sprach- und Kultureinheit, dann wäre das r e c h t l i c h die Aufgabe einer unverzichtbaren Rechts- position." W e r gehört zu dieser Nation? "Deutscher Staatsangehöriger im Sinne des Grundgesetzes ist also nicht nur der Bürger der Bundesrepublik Deutschland. Für die Bun- desrepublik Deutschland verliert ein Deutscher diese deutsche Staatsangehörigkeit nicht dadurch, daß sie ein a n d e r e r Staat aberkennt. Eine solche Aberkennung darf die Bundesrepublik Deutschland nicht rechtlich anerkennen; sie ist für sie ohne Wir- kung." Wo hat die BRD ihre G r e n z e n? "Für die Frage, ob die Anerkennung der Grenze zwischen den beiden Staaten als Staatsgrenze mit dem Grundgesetz vereinbar ist, ist entscheidend die Qualifizierung als staatsrechtliche Grenze zwi- schen zwei Staaten, deren 'Besonderheit' ist, daß sie auf dem Fundament des noch existierenden Staates 'Deutschland als Ganzes' existieren" (zwei Existenzen!), "daß es sich also (?) um eine staatsrechtliche Grenze handelt ähnlich denen, die zwischen den Ländern der Bundesrepublik Deutschland verlaufen." Was f e h l t der Bundesrepublik? "Sie" (die Bestimmung des Grundgesetzes, Art. 23) "besagt, daß sich diese Bundesrepublik Deutschland als gebietlich unvollstän- dig versteht..., und daß sie erst 'vollständig' das ist, was sie sein will (!), wenn die anderen Teile Deutschlands ihr angehören. Dieses 'rechtliche Offensein' gegenüber dem erstrebten Zuwachs liegt spezifisch darin, daß sie, die Bundesrepublik, rechtlich a l l e i n Herr der Entschließung über die Aufnahme der anderen Teile ist, sobald diese sich dafür entschieden haben. Diese Vor- schrift verbietet also, daß sich die Bundesregierung v e r t r a g l i c h i n e i n e A b h ä n g i g k e i t b e g i b t, nach der sie rechtlich nicht mehr a l l e i n, sondern nur noch im Einverständnis mit dem Vertragspartner die Aufnahme verwirklichen kann." Was also ist ein i n n e r d e u t s c h e r v ö l k e r- r e c h t l i c h e r V e r t r a g? "Der Vertrag hat also einen Doppelcharakter; er ist seiner Art nach ein völkerrechtlicher Vertrag, seinem spezifischen Inhalt nach ein Vertrag, der vor allem inter-se-Beziehungen regelt. In- ter-se-Beziehungen in einem völkerrechtlichen Vertrag zu regeln, kann vor allem dann nötig sein, wenn eine staatsrechtliche Ord- nung, wie hier wegen der Desorganisation des Gesamtstaates, fehlt." Und warum ist der G r u n d l a g e n v e r t r a g v e r- f a s s u n g s g e m ä ß? "Die Wiedervereinigung ist ein verfassungsrechtliches Gebot. Es muß jedoch den zu politischem Handeln berufenen Organen der Bun- desrepublik überlassen bleiben zu entscheiden, welche Wege sie zur Herbeiführung der Wiedervereinigung als politisch richtig und zweckmäßig ansehen." Ein Lehrstück gegen die Illusion, Recht und staatliches Interesse seien zwei verschiedene Dinge, wo das eine das andere überwacht. Ein schöner Beweis zudem, daß die DDR immer noch in Anführungs- zeichen und als "Gebilde" behandelt wird, obwohl diese Redeweise überholt sein soll. Die DEUTSCHE DEMOKRATISCHE REPUBLIK definiert denn auch weniger deutschnationale Ansprüche, als sie ihre fehlende Anerkennung ih- rer Souveränität herausinterpretiert. Verträge, wenn man von ih- rem Inhalt absieht, sind so schon ein Stück Anerkennung. Jeder Staatsbesuch bei irgendjemand soll mehr sein, als er ist. Nachdem die DDR die Ostverträge nicht verhindern konnte, legte und legt sie Wert darauf, auch durch Abgrenzung ihr nationales Selbstbe- wußtsein zu stärken, ohne dem deutschen Gegner im Westen auskom- men zu können. Die enge Anlehnung an Moskau im Freundschaftsver- trag von 1974 steht dafür ebenso wie der ständige Versuch, immer wieder Forderungen in Sachen Staatsbürgerschaftsfrage und Bot- schafteraustausch zu stellen - zugleich aber die parallelen deut- schen Interessen in Mitteleuropa für den Frieden und so zu beto- nen. Für das reichlich defensive Anliegen des Buhlens um mehr An- erkennung der eigenen Souveränität nahm der ostdeutsche Staat so- gar eine Verfassungsrevision vor. Die DDR strich die "deutsche Nation" aus der Verfassung und erfand den Begriff der "sozialistischen Nation der DDR". Ab sofort leistete sie sich den Widerspruch, daß Nation keine Frage von Sprache, Kultur... also Macht sein solle, sondern eine des Gesellschaftssystems (wobei man sich fragen muß, was denn die Organisation gesellschaftlichen Produzierens und Zusammenlebens mit Nation zu tun hat). Während die DDR früher gerade gegen Adenauers Alleinvertretungsanspruch den Standpunkt der einheitlichen deutschen Nation verfochten hat und die "BRD-Faschisten" und "Revanchisten" als "Verräter an dem Einheitswunsch des deutschen Volkes" angegriffen hat - eine Posi- tion, die in den frühen 60er Jahren dazu geführt hatte, daß die DDR immer wieder Briefe an die SPD-Opposition schickte mit dem Inhalt, diese möge doch um der Einheit aller fortschrittlichen Kräfte des deutschen Volkes willen von der Oppositionsbank aus eine Politik forcieren, die auf die Anerkennungswünsche der DDR eingeht -, verbannt die DDR den Begriff der deutschen Nation aus ihrem Vokabular in dem Moment, in dem er von Brandt als Waffe ge- gen die DDR, als Begründung der Einmischung in die DDR, benützt wird. Und sie gibt sich alle Mühe, Goethe, Luther und andere deutsche Kulturgüter - nicht zu vergessen den Fußballer Sparwas- ser - in Konkurrenz zum west d e u t s c h e n Imperialismus und Revanchismus für die DDR zu verbuchen. Der reale Sozialismus will offenbar nicht gehen, ohne auf die Realität des Nationalismus zu setzen - in der DDR auf den deutschen! zurück