Quelle: Archiv MG - BRD ALLGEMEIN - Auf dem Weg zur Weltmacht
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Der schwarz-rot-goldene Block
"Vermummungsverbot" usw.
DIE FREIHEITEN POLITISCHER GESINNUNGSKONTROLLE
Seit den Schüssen an der Startbahn West diskutiert die Öffent-
lichkeit ohne falsche Scheu vor 'Vorverurteilungen', ob man einem
Untersuchungshäftling gleich einmal die bürgerlichen Ehrenrechte
entziehen soll, ob nicht gewisse Sorten Demonstrieren automatisch
in Gewalt und Totschlag enden und ob dagegen ein "strafbewehrtes
Vermummungsverbot" sowie die Wiedereinführung des Landfriedens-
bruchparagraphen oder was sonst sinnvoll, überflüssig bzw. schäd-
lich sei.
Einigkeit herrscht, daß hier der Rechtsstaat in Frage gestellt
ist, und die Staatsgewalt mit dem nötigen Nachdruck endlich für
Gewaltfreiheit sorgen muß - oder, wie es so schön liberal heißt,
"das Recht auf friedliche Demonstration besser schützen" muß. Das
ist von A bis Z gelogen. Die Politiker betrachten sich als her-
ausgefordert. Das ist etwas ganz anderes.
Das Recht, zu demonstrieren
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hat alles längst einschlägig geregelt. Dank der grundgesetzlichen
Erlaubnis, sich nur "friedlich und ohne Waffen", mit ausdrückli-
cher Erlaubnis der Behörden und unter polizeilicher Aufsicht zu
versammeln, ist die öffentliche Kundgabe des politischen Willens
weder s e l b s t v e r s t ä n d l i c h noch gar eine
a u f r ü h r e r i s c h e Angelegenheit, mag sein Anliegen
noch so radikal sein. Was die demokratische Obrigkeit ihren Bür-
gern außer Wählen, Zeitunglesen, Stammtischdebatten oder Partei-
mitglied werden zugesteht, ist das gemeinschaftliche Vorzeigen
ihrer M e i n u n g, und zwar garantiert unmaßgeblich und ohne
praktische Konsequenz. Wer wirklich etwas will, erreicht durch
Demonstrationen gar nichts - nämlich bestenfalls eine Meldung in
der Öffentlichkeit und berechnende politische Anerkennung oder
Zurückweisung, je nachdem, ob sein Appell an Öffentlichkeit und
Verantwortliche sowieso zu deren eigener Auffassung paßt oder
stört. Der Staat läßt sich in seinen p o l i t i s c h e n Vor-
haben nicht beirren und garantiert r e c h t l i c h die Fol-
genlosigkeit der öffentlichen Einwendungen. Wo auch nur der An-
schein wirklicher oder exemplarischer Behinderung staatlicher Un-
ternehmungen aufkommt, gilt das als "Nötigung von Verfassungs-"
und anderen Organen mit entsprechenden Folgen. Und der Adressat
solcher Bürgerdemonstrationen, die Öffentlichkeit, von der enga-
gierte Demokraten sich irgendwie Druck auf die Politik verspre-
chen, bestimmt säuberlich je nach Anliegen, Zahl und Art der Mei-
nungsbekundung, ob und wie sie überhaupt von ihr berichtet.
So ist das in einer lebendigen Demokratie: Beim Entscheiden hat
der Bürger nichts zu bestellen. Wo er gefragt ist, darf er die
vorgeschlagenen Politfiguren freistellen, und wenn er sich unge-
fragt zu Wort melden will, muß er durch massenhaftes Herumlat-
schen um öffentliche Aufmerksamkeit für seine werte Meinung nach-
suchen. Daran ändert sich auch gar nichts, wenn Demonstranten ih-
rer Unzufriedenheit durch spektakuläre Aktionen oder symbolischen
Widerstand und Auseinandersetzungen mit der Polizei Nachdruck
verleihen wollen. Von so etwas lassen sich regierende und mei-
nungsbildende Kreise nie und nimmer beeindrucken, sondern
höchstens in dem bestätigen, was sie mit den einschlägigen öf-
fentlichen Auftritten kritischer Menschen sowieso machen.
Politische Konsequenzen des Demonstrierens
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bleiben nämlich auch bei den friedlichsten Aufläufen garantiert
nicht aus. Die Verantwortlichen nehmen die vorgetragenen politi-
schen Anliegen schon zur Kenntnis - bloß ganz andersherum, als
mancher, an besserem Regieren interessierte, gutgläubige Mar-
schierer sich das denken mag: Sie stellen das Anliegen und seine
Träger unter Verdacht. Wirklich v e r a n t w o r t u n g s-
b e w u ß t e Bürger schreiben ihrem Abgeordneten, der Zeitung,
werden demokratisches Parteimitglied oder, am besten: Sie
vertrauen darauf, daß die politische Führung schon das Richtige
macht und es die Opposition ja auch noch gibt. Wer das
Demonstrationsrecht wahrnimmt und auf die Straße geht, wird daher
mißtrauisch beobachtet, ob er sich nicht eine
E i n m i s c h u n g in die Staatsgeschäfte durch "Druck der
Straße" anmaßt. Wenn die Protest- und andere Märsche nicht wie
bei Bauern, Gewerkschaften und Polizisten dem Ruf nach Ordnung,
Beschäftigung und mehr Härte am Brüsseler Konferenztisch, also
dem Appell nach mehr Führung dienen, sondern sich gegen nationale
Lieblingsprojekte wie Raketen und Atomkraftwerke, Vietnam- und
andere Kriege richten, registrieren die Zuständigen den ungebete-
nen Protest, egal, ob von Friedensbewegung oder Marxistischer
Gruppe, als gefährliches Mißtrauen in die zuständige Obrigkeit
und als P r a k t i s c h w e r d e n von S t a a t s-
f e i n d s c h a f t, die entsprechend betreut werden muß.
Die entsprechenden Stellen werden also aktiv. Statt die vorgetra-
genen Einwände und Forderungen zur Kenntnis oder gar sich zu Her-
zen zu nehmen, e r f a s s e n sie nach ihren nicht gerade ge-
ringen Kräften die dahintersteckenden Personen. Sie nehmen also
das öffentliche Auftreten als Gelegenheit wahr, abweichende Mei-
nungen dingfest zu machen und ihre Träger ö f f e n t-
l i c h e r K o n t r o l l e zu unterwerfen. So wird aus einem
oppositionellen Umzug dank staatlicher Vorsorge ein Stück
Erkennungsdienst und ein Bekenntnis, das sich gegen die
Demonstranten verwenden läßt. Freie Bürger mit freiem Gesicht
werden fleißig abgelichtet und müssen sich dann später eventuell
fragen lassen, wieso sie mit ihrer Gesinnung eigentlich einem
Staat dienen wollen, gegen dessen Maßnahmen sie öffentlich aufge-
treten sind im Zusammenhang mit... Auf jeden Fall werden sich
möglichst alle gemerkt - nicht erst seit und in Wackersdorf.
Demonstranten, die sich dagegen schützen wollen und entsprechend
eingekleidet haben, um sich nicht gleich den observierenden
Staatsbehörden frei zu zeigen, machen sich aus diesem Grunde
e x t r a v e r d ä c h t i g. Das verweist auf ihre Gesinnung
und nutzt außerdem nicht viel. Anläßlich der Frankfurter Ereig-
nisse erfuhr man en passant, daß die Vermummten der einschlägigen
'Szene' registriert, überwacht, abgehört und somit voll im Griff
der Staatsgewalt sind. Darüber hinaus aber sind sie der öffentli-
che Anlaß für
Eine Staatsdebatte um Demonstrieren und Gewalt
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Diese Debatte lebt davon, die zwei erschossenen Polizisten zu ei-
ner H e r a u s f o r d e r u n g an das s t a a t l i c h e
G e w a l t m o n o p o l zu erklären und damit das Verhältnis
von ohnmächtigem Protest und politischer Kontrolle auf den Kopf
zu stellen. Auf die Verwechslung von Demonstrieren mit Aufruhr
und Gewalt - "Gefahr von" oder "Gelegenheit zu" heißen die Zau-
berworte, die einen Zusammenhang ohne weiteres Argument stiften -
legen die für das Demonstrationsrecht und das dazugehörige Straf-
recht Verantwortlichen wieder einmal allergrößten Wert. Die Chri-
sten an vorderster Front, die Liberalen im Gefolge, die SPDler
hinterdrein und die Grünen als Rattenschwanz verhandeln
D e m o n s t r a n t e n als p o t e n t i e l l e
G e w a l t t ä t e r; und die Christen geben mal wieder die
Maßstäbe vor, an denen sich orientiert wird.
Für Alfred Dregger zieht sich "ein und dieselbe Blutspur" von den
ersten Demonstrationen gegen Brokdorf über Wackersdorf und die
Hamburger Hafenstraße bis hin zu den beiden toten Staatsdienern.
Eine denunziatorische Logik, mit der P r o t e s t gegen be-
schlossene nationale Großprojekte zum generellen Mißbrauch des
Demonstrationsrechts erklärt wird. Wie wenn der Schutz gegen Ob-
servation und polizeiliche Behandlung dasselbe wäre wie die Aus-
rüstung für eine demonstrative Schlacht mit den Ordnungskräften,
setzen die obersten Ordnungshüter beides gleich, behaupten, gar
nicht mehr unterscheiden zu können oder jetzt furchtbar genau un-
terscheiden zu müssen - da scheiden sich die Geister. So stellen
sie eine ganze Protestbewegung unter Terrorverdacht: Ein Schutz-
helm dient zum Beweis krimineller Absichten, ein Stein gegen
Schaufensterscheiben als Dokument der Gewalttätigkeit, eine
Zwille als Mordversuch. Und umgekehrt gelten zwei Todesschüsse
auf Polizeibeamte als z w a n g s l ä u f i g e s Ergebnis ei-
nes öffentlichen Kritikwesens von unten. Wenn einer dabei genau
weiß, daß Vermummen und Vermummen zweierlei sind, dann diejeni-
gen, die längst die Personen und Täterkreise auseinandersortiert
haben, bevor sie in Wackersdorf und anderswo kontrolliert gegen
alle zuschlagen oder jetzt im Namen von Ordnung und Anstand für
allgemeine Gesichtskontrolle plädieren.
Verboten ist selbstverständlich die Anwendung dieser Logik auf
die erlaubte Gewalt: Eine "Blutspur" vom Einsatz von Wasserwer-
fern gegen friedliche Demonstranten bis hin zum Tod Günther Sa-
res; eine direkte Linie von der politischen Absicht, ausländi-
schen Schahs jeden Mißton vom Leibe zu halten, zu den Todesschüs-
sen auf Benno Ohnesorg - das gehört sich nicht. Es geht nämlich
gar nicht darum, Z u s a m m e n h ä n g e f e s t z u-
s t e l l e n, sondern um den regierenden Willen, s t r a f-
r e c h t l i c h einen Zusammenhang herzustellen, und keinen
Unterschied zwischen Vermummen und Vermummen zu m a c h e n.
Eine Strafrechtsänderung im Dienste der politischen Generallinie
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Mit dem "strafbewehrten Vermummungsverbot" und anderem Paragra-
phenwerk, das der Gesetzgeber gegenwärtig diskutiert und dem-
nächst in irgendeiner Form verabschiedet, leisten sich die Zu-
ständigen weder einen A n s c h l a g auf das Demonstrations-
recht, wie manche Freunde freier Meinungserlaubnis meinen, noch
s i c h e r n sie dasselbe, also ihre Zuständigkeit über das
Meinungswesen, gegen gewaltsame Anschläge aus den Reihen der De-
monstranten, wie die Mehrzahl der Meinungsmacher als staatliche
Absicht diskutiert.
Die Verantwortlichen verwandeln einen V e r d a c h t, den sie
an Schal und Skimütze, an Helm und Sonnenbrille geknüpft haben,
in einen T a t b e s t a n d: Der Beweis für diesen Verdacht
muß nicht mehr erbracht werden, sondern gilt mit einem verdeckten
Gesicht als gegeben. Damit wird die Streitfrage, ob es nicht auch
Unschuldige trifft beim Abräumen, und wie und wann man Demon-
stranten in friedliche und gewalttätige auseinandersortieren soll
und muß, strafrechtlich hinfällig, weil jeder zuviel Bekleidete
mit Strafe - und zwar einer saftigen zu rechnen hat. Damit ändert
sich auch das Eingreifen der Polizei, vor allem aber die Lage für
jeden, der sich zum Protestieren aufgerufen fühlt. Denn die
p o l i z e i t a k t i s c h e n und e r m i t t l u n g s-
t e c h n i s c h e n Erwägungen - so bezeichnend sie für die
Sichtweise sind, der öffentliche Protestbekundungen unterliegen -
sind nämlich nur die halbe Wahrheit: Die Gesichter sind
aktenkundig, oder ihnen steigen zivile Beamte solange nach, bis
sie den Strumpf abstreifen. Sicher, die Staatsanwaltschaften
werden zu tun bekommen und sich leichter tun, wenn auf ein
verhülltes Gesicht Freiheitsstrafe steht. Doch hat man dieses
Problem bereits durch den Tatbestand der "passiven Bewaffnung" im
Griff; und ein geworfener Stein reichte bisher schon zum Vorwurf
an alle, an einer "gewalttätigen Demonstration" beteiligt gewesen
zu sein.
Die p o l i t i s c h e Absicht zielt darauf, eine oppositio-
nelle Demonstrationskultur noch besser in den Griff zu bekommen,
die dank der gesetzlichen Handhaben, polizeilichen Behandlung und
politischen sowie öffentlichen Gegnerschaft gegen die entspre-
chenden öffentlich vorgetragenen Anliegen entstanden ist. Indem
die Koalitionsregierung mit der Verschärfung des Vermummungsver-
bots den U n t e r s c h i e d zwischen friedlichen und gewalt-
tätigen Demonstrationen strafrechtlich in diesem Punkt
a u f h e b t, zwingt sie die Demonstranten, Farbe zu bekennen
und sich zu entscheiden: Entweder polizeilich aufgelöst oder
straffällig zu werden, oder sich offen und ehrlich den Kameras
und im Zweifelsfall auch Wasserwerfern und Polizeiknüppeln zu
präsentieren. Damit demonstriert die oberste Gewalt, daß sie es
ist, die rechtmäßigerweise zwischen gewaltsam und friedlich sor-
tiert, im Rahmen ihres Demonstrationsrechts, welches zur gesitte-
ten Meinungskundgabe verpflichtet - und im Sinne der politischen
Berechnung, potentielle Staatsgegner ausfindig zu machen und ab-
zuschrecken. Wenn darüber Bürger die Lust verlieren, gegen AKWs
oder anderes öffentlich Vorbehalt anzumelden, oder andere jetzt
erst recht ihrer Empörung ohnmächtig Luft machen, ist das recht.
So s o r t i e r e n sich die Kritiker a m R e c h t auf
freies Meinen und Demonstrieren. Und nicht erst jetzt.
Die Freiheit der politischen Berechnungen
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Die Auseinandersetzung, die seit Jahr und Tag darüber geführt
wird, ob die bisherigen Gesetze ausreichend, unvollständig oder
nur konsequenter anzuwenden seien, um der Krawallmacher Herr zu
werden, zeugt einerseits von der radikalen politischen Sicht-
weise, unter der Protest gewürdigt wird: lauter Gesichtspunkte
s t r a f r e c h t l i c h e r Natur. Sie dokumentiert anderer-
seits die F r e i h e i t, mit der Politiker darüber rechten,
welchen Umgang sie mit allen möglichen kritischen Umtrieben im
Rahmen des Demonstrationsrechts pflegen und wie rücksichtslos sie
den Grundsatz der öffentlichen R u h e u n d O r d n u n g
über den des individuellen Rechts auf f r e i e
M e i n u n g s ä u ß e r u n g stellen sowie die Verstöße ahn-
den wollen. Kein Wunder, daß zustimmungsgewohnte und -heischende
Souveränitätsfanatiker da niemals zimperlich sind, wenn sie mit
allen Mitteln und Berechnungen parteilicher Selbstdarstellung
streiten und taktieren.
Der FDP haben "neue Erkenntnisse" aus Polizeikreisen, auf deren
Befehle Politiker bekanntlich unbedingt hören, klargemacht, daß
sie jetzt zur CSU umfallen muß: "Die Vermummung wird immer mehr
eine Vorbereitungshandlung zur Ausübung von Gewalt bei Demonstra-
tionen." Also sind die Zeiten vorbei, in denen "Vermummung eine
Folge der Furcht vor dem 'Radikalenerlaß' gewesen" ist, wofür li-
berale Radikale im öffentlichen Dienst ja vollstes Verständnis
aufgebracht haben. Die CSU darf sich endlich bestätigt sehen. Die
SPD und ein paar FDP-Abweichler aber halten daran fest, daß gar
kein gesetzlicher Handlungsbedarf, sondern nur mehr polizeiliche
Konsequenz vonnöten sei. Das Spektrum reicht von Straußens ehrli-
chem Votum, wer das Recht wahrnehme, sein Maul aufzureißen, solle
sich auch der Pflicht stellen und die staatlich vorgesehenen Kon-
sequenzen tragen, wie wenn das ins Belieben gestellt wäre -
"Wer in diesem Staat meint, demonstrieren zu müssen, der soll ge-
fälligst seine Visage herzeigen." (Aschermittwoch 86) -,
bis zu den sachdienlichen Einwänden der SPD, mit einer undiffe-
renzierten Verschärfung mache man es sich gerade schwer zu unter-
scheiden. Liberalen Kritikern ist das originelle Bedenken einge-
fallen, statt daß für wirksame Schnellgerichtsverfahren gesorgt
würde, würde hier "das Recht am falschen Ende", bei der Polizei
aufgemacht. Immer aber waltet dieselbe Logik: Kritische Bürger
gehören sich bei ihren öffentlichen Verlautbarungen k o n-
t r o l l i e r t, s o r t i e r t und offiziell mit der Ge-
waltfrage k o n f r o n t i e r t.
Die Ordnungshüter der Öffentlichkeit
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haben die Botschaft verstanden, noch bevor sie von oben so recht
als Direktive ergangen ist. Soweit sie wie "Bild" die öffentliche
Stimme des gesunden Volksempfindens mimen, beschwören sie den
"wehrlosen Staat", der jetzt unbedingt zuschlagen muß. Sie spen-
den vorsorglich fordernden Applaus im Namen der Mehrheit für ent-
schlossenes Handeln und bringen das Demonstrationsrecht auf sei-
nen nackten volkstümlichen Begriff: Wer demonstrieren d a r f,
hat deswegen auch dankbar zu sein und die S c h n a u z e zu
halten; wer trotzdem meckert, predigt G e w a l t. Das ist der
"niveaulose" Nährboden eines Staatsbürgerradikalismus, auf den
sich dann die liberalen Bangemänner als Volkswillen berufen kön-
nen, an dem sie jetzt nicht mehr vorbeikommen.
Die "niveauvollere" Abteilung weiß natürlich auch, daß es gegen
den "Schwarzen Block" nicht mit einer Kommission zur Erforschung
der Ursachen der Gewalt getan ist. Da hilft kein guter Wille,
sondern nur Rechtsgewalt. Aber ein paar Warnungen, das Demonstra-
tionsrecht nicht auszuhöhlen und nicht gleich a l l e
f r i e d l i c h e n Demonstranten mitzuverteufeln und unnötig
in die Arme des Radikalismus zu treiben, das wollen sie schon
noch. Als Meinungsmacher für das Recht auf freie Meinung plädie-
ren und so tun, als hätte man Angst darum, daß die Demonstrati-
onskultur auf Deutschlands Marktplätzen erstirbt, das macht sich
gut und zeugt von Berufsverantwortung derjenigen, die nie auf die
Straße gehen, keine oppositionelle Meinung der Protestler teilen,
ihnen nicht einmal freigiebig Eingang in ihre Schlagzeilen und
Artikel gewähren. Auch die Plädoyers dieser Anwälte des Rechts
auf ordentliches, friedliches und verantwortliches Demonstrieren
zeugen von der erbärmlichen politischen Qualität einer Erlaubnis
zum freien Meinen, die jede weitere Würdigung von Kritik erüb-
rigt.
Die Stimme der Staatsbüttel
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darf nicht fehlen; wenn das gesamte demokratische Parteienspek-
trum von NPD über CDU/CSU und FDP, die realo-Grünen bis hin zur
DKP, von Schily bis Zimmermann alle einig sind, daß dem
"Schwarzen Block" Zunder gegeben werden und höchstens noch aufge-
paßt werden muß, daß es möglichst keinen Falschen trifft. Die Po-
lizeigewerkschaft macht es sich zum Anliegen, den Saubermannsfa-
natismus besonders nachdrücklich zu Gehör zu bringen und gar
nicht vorhandene Bedenken öffentlich zu bekämpfen.
A l s P o l i z e i hat sie ihre einschlägigen Erfahrungen über
den inneren Frieden:
"Die Einsatz-Erfahrungen zeigen, daß vermummte Demonstranten
grundsätzlich zur Unfriedlichkeit neigen." (Polizeigewerkschaft-
ler Gregg im "Spiegel"-Gespräch, 46/87)
Der Verein hält selbstverständlich die Einführung von Namens-
schildern für Polizisten für eine Diskriminierung der Beamten,
die bei ihren Demonstrationseinsätzen grundsätzlich nicht identi-
fiziert werden möchten.
Als O r g a n i s a t i o n a n s t ä n d i g e r Menschen
kennt sie das wahre Gesicht dieser Typen:
"Wenn diese Leute die Masken vom Gesicht nehmen, dann erschrecken
Sie, Herr Lutz, dann erschrecken auch unsere Polizeibeamten über
die Entschlossenheit, die Verachtung, die bei diesen Menschen zu
erkennen ist. Ich bedaure unsere Kollegen, die sich mit diesen
Kriminellen herumschlagen müssen."
Diese (Unter-)Menschen machen, was sie machen, weil sie so sind.
Also verdienen sie, was sie bekommen sollen: Staatliche Ächtung
und entschlossene Kriminaler.
Als A n w a l t des Volkes kennt sie dessen gesunde Freiheits-
empfindungen:
"Die deutsche Bevölkerung hat ein sehr feines Gespür für ein be-
sonderes Anliegen derer, die da auf die Straße gehen. Die deut-
sche Bevölkerung hat aber überhaupt kein Verständnis für diejeni-
gen, die vermummt auf der Straße herumspringen, und dies im frei-
heitlichsten Land dieser Erde."
Freiheitliches Demonstrieren geht anders: Für den Staat und seine
volle Härte, das ist allenfalls mit dem Feingefühl anständiger
Staatsbürger vereinbar; z.B. eine Polizistendemonstration oder
jene erschütternden Aufzüge, zu denen die CDU/CSU ihre Fans ver-
sammelt hat, damit sie laut und öffentlich "Hurra!" schreien.
Als V e r t r e t e r d e r d e u t s c h e n
A r b e i t e r s c h a f t weiß sie, daß die nichts und nieman-
den zu kritisieren oder zu bekämpfen hat bei ihrer Obrigkeit und
höchstens mal Warnstreiken oder Demonstrieren geht, vors Fabrik-
tor oder nach Bonn und das auch nur, wenn es ihr von den DGB-Eh-
renmännern angeschafft wird:
"Um die Arbeiter mache ich mir ja dieser Hinsicht keine Sorgen.
Deutsche Arbeiter wissen, wie sie sich zu benehmen haben, auch
bei Demonstrationen. Die lassen sich nicht vergleichen mit dem
Lumpenpack, das heute im Schwarzen Block zu finden ist."
Jutta Ditfurths skandalöse Bemerkung
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"Der Staat braucht fast nichts so sehnsüchtig wie den Terror, den
Schrecken für seine tagtägliche Gewalt."
trifft also die Sache nicht ganz. Es hat zwar den Anschein, als
ob die Zuständigen den so empört zurückgewiesenen Spruch wahrma-
chen wollten, wenn sie ihre "Schlüsse" aus den Schüssen an der
Startbahn vorexerzieren. Bloß: Es ist ja gar nicht so, daß der
demokratische Staat den Terror b r ä u c h t e. So sehr Politi-
ker solche Anlässe n u t z e n, um Polizeibewaffnung, straf-
rechtliche Bestimmungen und geheimdienstliche Aktivitäten als mo-
ralische Verpflichtung hinzustellen, so wenig haben sie die Aus-
übung ihres staatlichen Gewaltmonopols je von irgendwelchen An-
lässen abhängig gemacht. Und sie stützen sich und rechnen dabei
auf den Applaus nicht nur der "Bild"-Zeitung, sondern auch und
gerade von Leuten, die mit unter DM 3000.- brutto im Monat an-
scheinend fast nichts so sehnsüchtig brauchen wollen wie eine
endlich mit "effektiven Distanzwaffen" ausgerüstete Polizei,
einen Rechtsstaat, der "bis an seine Grenzen geht", und ent-
schlossene Politiker, die diese Grenzen mit "mutigen Gesetzen"
abstecken. Ohne schon Anhänger der tagtäglichen Staatsgewalt zu
sein, ließe sich nämlich niemand von Leuten wie Kohl, Vogel und
Strauß betören, der Staat und damit wir alle seien bedroht.
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