Quelle: Archiv MG - ASIEN JAPAN - Besonderheiten einer Handelsnation
zurück
Marxistische Studentenzeitung 1/81
Japan
BESONDERHEITEN EINER HANDELSNATION
"Die Japaner kommen!": Mit ihrer "rücksichtslosen Exportoffen-
sive" haben sie bislang unsere (!) "Werften, Elektronik-Firmen
und Kamera-Hersteller in die Knie gezwungen", holen nunmehr un-
barmherzig zum "Schlag gegen die Autoindustrie" aus und wollen
mit ihrer "fernöstlichen Heimtücke" letztendlich die "Deutschen
vom Weltmarkt verdrängen".
Andererseits ist aber "Jammern nicht angebracht". Es gilt die
"japanische Herausforderung anzunehmen", jedoch keineswegs mit
protektionistischen Maßnahmen: "Im Wettbewerb bestehen", lautet
die allgemein verkündete Devise.
Schließlich sind von den "betroffenen Firmen", denen Japans Ex-
portflut bis an den Hals stehen soll, sehr moderate Töne zu ver-
nehmen. "Schutz würde nur schwächen ", meint BMW-Chef Eberhard
von Kuenheim, und VW-Chef Toni Schmücker äußert gar gelassen:
"Aber es kann schon sein, daß unsere Autoindustrie den Japanern
für diese Herausforderung einmal dankbar sein wird."
So der wahllos zitierte bisherige Stand öffentlicher Meinungsbil-
dung, der keineswegs Hirnkrämpfe bei den dabei Beteiligten ausge-
löst hat.
"Eine nützliche Bedrohung"
--------------------------
Einmal abgesehen vom ideologischen Pluralismus, der glattweg den
deutschen und japanischen Herrn Jedermann zum Subjekt des Welt-
markts erklärt - "Die (!) Japaner verdrängen uns (!) vom Welt-
markt" -, auch einmal abgesehen vom souveränen Verzicht auf pro-
tektionistische Schritte, bei dem das genügsame Beibehalten be-
stehender "Handelshemmnisse" - 10% EG-Einfuhrzoll und je nach Be-
darf Kontingente und "administrative" Einfuhrerschwernisse für
diverse japanische Waren in den einzelnen Mitgliedsländern - als
kämpferische Verteidigung eines weltweit gefährdeten "freien
Welthandels" dargestellt wird, passen solche apokalyptischen Töne
glänzend zur "geplanten Gegenoffensive": Die "japanische Heraus-
forderung" ist die ökonomische N a t i o n a l ideologie wie
schon lange keine und findet ihre Anwendung bei jeder wirt-
schafts- und sozialpolitischen Gelegenheit im Kreis von Kapital,
Staat, Gewerkschaft und Arbeiter.
Jeder hat sich angesichts der drohend an die Wand gemalten
"Exportwut" der Japaner an die deutsche Brust zu klopfen und be-
reitwillig all die Maßnahmen des Kapitals hinzunehmen, die das
planerische Stadium bereits verlassen haben: Vermehrter Druck auf
die Zulieferbetriebe, Rationalisierungen und weitere Entlassungen
inklusive zunehmender Sondereinsätze für die in der Produktion
Verbliebenen als Ergänzung zu den fortschreitenden Reallohnsen-
kungen.
Echt j a p a n i s c h e Maßnahmen also, die über die "Export-
kraft" dieser Nation bereits einiges verraten.
Eugen Loderer, Vorsitzender der größten Einzelgewerkschaft der
Welt, hat also schon recht, wenn er in Japan äußert, daß "es die
Sache der deutschen Unternehmer sei, dort wo wir (!) ins Hinter-
treffen gekommen sind, wieder gleich gut zu werden wie die Japa-
ner." Und daß seine Gewerkschaft das "wir" dabei sehr ernst
nimmt, stellte erst kürzlich wieder Loderers Kollege Blank,
stellvertretender Gesamtbetriebsratsvorsitzender von VW und mit
dabei auf Loderers Japanreise, im deutschen Fernsehen (9.1.81)
klar: Die IG Metall werde im Hinblick auf die japanischen Ar-
beitskosten und -bedingungen keinerlei Abbau des erreichten Nive-
aus sozialer Leistungen zulassen - aber dieses reiche auch erst-
mal aus; und die 35-Stunden-Woche sei ja bekanntlich von der Ge-
werkschaft schon immer als l a n g fristige Forderung angesehen
worden.
Worauf es ankommt, haben auch die deutschen Gewerkschaften ver-
standen. Auch bevor VW mit Nissan ein "Kooperationsabkommen" ver-
einbarte, um sich damit die "bedrohliche" Produktivität Nippons
zum Mittel seines Profits zu machen, dürfte Eugen Loderer - im
Aufsichtsrat die Bewältigung des "Rückstandes" überwachend ge-
merkt haben, daß es mit der "japanischen Bedrohung" nicht so weit
her ist.
I. Export um jeden Preis
------------------------
Daß die Bedrohung durch die "Exportnation Japan" in der Tat eine
sehr relative ist, ergibt sich schon aus den Zahlen: Auch 1979
und 1980 lag der Export der Bundesrepublik in absoluten Zahlen um
mehr als das Eineinhalbfache über dem Japans, betrug der Anteil
des Exports am Bruttosozialprodukt der BRD rund 25%, der Japans
genau die Hälfte davon. Zahlen, die einfach dadurch zustandekom-
men, daß die Bundesrepublik über alle Branchen ihrer Wirtschaft
ganz selbstverständlich voll im Export engagiert ist, während es
zur Zeit immer noch einen größeren Zeitungsbericht wert ist, daß
das japanische Kapital nach Kameras, Unterhaltungselektronik,
Straßenfahrzeugbau "nun auch" im Maschinenbau, bei Pharmaproduk-
ten o.ä. zur "Exportoffensive " antritt.
Es ist denn auch weniger das Volumen des japanischen Exports als
die Bedeutung, die ihm Japans Staat und Kapital beimessen, weni-
ger sein Anteil am Weltmarkt, als die Art und Weise, wie es sich
auf demselben aufführt, was die Besonderheit der "Exportnation
Japan" ausmacht.
"Japan verfügt außer dem Fleiß und dem Können seiner Arbeitnehmer
praktisch über keine nennenswerten natürlichen Ressourcen. Es ist
deshalb mehr als andere Länder auf den Import von Rohmaterialien
angewiesen und daher gezwungen (!), die notwendigen Devisen hier-
für durch immer neue Exportoffensiven zu erwirtschaften."
- wodurch es auf immer mehr Rohstoffimport angewiesen ist etc.
...
"Nicht nur Japans Leistungsbilanzdefizite sind die Ursache für
neue Exportoffensiven, auch der Ansatz hoher Steuermehreinnahmen
zwingt (!) die Tokioter Administration, alles auf den Export zu
setzen." (Die Zeit, 12.12.80)
- weil nämlich die japanischen Steuereinnahmen wesentlich von der
Beschäftigung der Exportindustrie und ihren Gewinnen abhängen,
deshalb auch dazu benötigt werden, um deren Exportanstrengungen
zu fördern. Der Zwang zum Export, der diesen Argumenten, wie sich
an ihrer Zirkelhaftigkeit zeigt, vorausgesetzt ist, verweist un-
mittelbar auf die Eigenart des japanischen Kapitalismus. Der ver-
dankt sich nämlich dem Beschluß der staatstragenden Clans, ihn
v e r m i t t e l s d e s W e l t m a r k t s aufzuziehen und
damit die neuen Möglichkeiten nach dem Krieg zur Stärkung Japans
wahrzunehmen. Das Wachstum der Exportindustrie wurde zur Basis
der nationalen Akkumulation gemacht, der innere Markt blieb eine,
lediglich allmählich im Gefolge der Exporterfolge sich einstel-
lende und davon abhängige, zusätzliche Sphäre der Akkumulation.
Die "duale Industriestruktur"
-----------------------------
Fällt Japans Allgemeinwohl mit dem Florieren der Exportindustrie
zusammen, so bedeutet das für die restlichen industriellen Sphä-
ren, daß sie als förderliche Bedingung für den Export zu fungie-
ren haben:
"Im Schatten weltbekannter Unternehmensgiganten... fristen Zehn-
tausende kleiner und mittlerer Unternehmen ihre Existenz: sie
bleiben fast immer unerwähnt, wenn von der japanischen Wirt-
schaftsmacht die Rede ist. Und doch verdankt Japan gerade diesen
Klein- und Mittelbetrieben zu einem großen Teil seine wirtschaft-
liche Stellung." (Manfred Pohl, Japan, S. 102)
Das Nebeneinander von wenigen Großen und vielen Kleinen ist nicht
der Witz der "dualen Industriestruktur". Die Funktionalität die-
ser Klein- und Mittelbetriebe für die "16 großen Industriegrup-
pen" besteht darin, daß sie als Zulieferfirmen auf die Nachfrage
der "Großen" auf Gedeih und Verderb angewiesen sind. Diese Abhän-
gigkeit versuchen sie durch scharfe Konkurrenz untereinander für
sich zu nützen, was wiederum den erpresserischen Mitteln der Ex-
portindustrie ihre durchschlagende Wirkung verleiht. Fortgesetzte
Preisdrückerei und die Überwälzung weiterer Kosten - zum Beispiel
für Transport und erweiterte Lagerhaltung - resultieren nicht
selten in einer Produktion zum Selbstkostenpreis, was zur Kre-
ditaufnahme zwingt. Dabei sind die Geldgeber in Sachen Zins nicht
zimperlich, ist es doch um die "Kreditwürdigkeit" dieser Klit-
schen nicht sonderlich bestellt.
Über Wasser hält man sich mit "arbeitsintensiver Fertigungs-
weise", was nicht etwa heißt, daß in den "kapitalintensiven" Kon-
zernen die Arbeit minder intensiv wäre. 10- bis 12-stündige Ar-
beitstage an oft sechs Tagen in der Woche, Sondereinsätze nicht
einmal mitgerechnet, sind an der Tagesordnung und das mit einem
Hungerlohn, der 'um 30% unter dem Lohnniveau der Großindustrie
liegt". (Süddeutsche Zeitung)
Die Funktionalität der Zulieferfirmen schließt also einen handfe-
sten Gegensatz zum Exportkapital ein, mit dem dieses Mittel sei-
ner Konkurrenzfähigkeit umgeht:
"Die... hohen (?) Arbeitskosten werden somit durch die
Zulieferinnen kompensiert. Daneben drückt aber auch die scharfe
Konkurrenzsituation der Kleinbetriebe untereinander auf die
Lieferpreise und erhöht zugleich die Konkurrenzfähigkeit der
Vatergesellschaften." (Mitteilungen der bfai, Nr. 400)
Die "Selbständigkeit" der Zulieferindustrie ist somit formeller
Natur; ihrem Inhalt nach ist sie eine von der Exportindustrie
ausgelagerte Produktion, um der Vorteile willen, die sie als
"eigenständige Betriebe" bieten. Dabei bleibt es nicht aus, daß
sich gerade diese Vorteile oft zu einem Hemmschuh entwickeln. Das
hohe Maß der Ausbeutung an veralteter Maschinerie stößt da an
Grenzen der Produktivitätssteigerung, wo der Einsatz neuer Ma-
schinerie notwendig wäre, aber aufgrund der "Gewinnsituation"
nicht geleistet werden kann. So wird es für die Großunternehmen
zunehmend erforderlich, ihren Zulieferfirmen die nötigen Mittel
selbst als Kredit zur Verfügung zu stellen, um sich die ihnen
aufgezwungenen Kostenvorteile zu sichern, womit diese Vorteile so
oder so nur noch eingeschränkt zu erhalten sind: Verlust des Kre-
dits oder Erhöhung der Zulieferkosten sind die naheliegenden Al-
ternativen. Angesichts dessen wird nicht selten der Ausweg ge-
wählt, die Zulieferbetriebe in eigener Regie zu übernehmen, wie
zuletzt bei Toyota.
"Japans kranker Wirtschaftszweig"
---------------------------------
In ihrer Abhängigkeit von der Exportindustrie ist die Zulieferin-
dustrie den Konjunkturen des Exportkapitals voll ausgesetzt. Sie
gilt demgemäß in Japan als "Krisenpuffer", da sich das Exportka-
pital in der Krise durch verschärften Druck zum Teil an ihr
schadlos hält.
Für den Staat macht sich an dieser Stelle regelmäßig bemerkbar,
daß es sich immerhin um einen relevanten Teil der japanischen
Ökonomie handelt.
"Der scharfe Rückgang im Wachstum der Industrieproduktion in Ja-
pan... ist zurückzuführen auf den deutlichen Rückgang der verfüg-
baren privaten Einkommen und den Einbruch bei der Investitionsgü-
ternachfrage. Letzteres scheint den Prognosen wachsender Investi-
tionsausgaben der Großunternehmen zu widersprechen, erklärt sich
aber aus einem diesen Zuwachs mehr als ausgleichenden drastischen
Rückgang der Investitionsgüternachfrage der kleinen Unternehmen,
auf die 40% der Gesamtnachfrage in diesem Bereich entfallen."
(Financial Times, 18.11.80)
Der Staat bewahrt dann die Zulieferindustrie mit verbilligten
Krediten, Steuernachlässen und Zuschüssen vor dem unmittelbar
drohenden Ruin, um sie als Bedingung der Exportindustrie zu er-
halten, geht aber eine Sanierung dieses "kranken Wirtschaftszwei-
ges" lieber "langfristig" an:
"Die Wirtschaftswächter im MITI und im Wirtschaftsplanungsamt
streben langfristig eine Reorganisation des Sektors der Klein-
und Mittelbetriebe an, gegenwärtig aber konzentrieren sie sich
auf kurzfristige Maßnahmen, um den krisengeschüttelten Bereich
der Kleinindustrie über die kommenden kritischen Monate hinwegzu-
helfen." (Pohl, S. 106)
Denn staatliche Ausgaben für diesen Bereich mögen zwar letztend-
lich auch der Exportwirtschaft zugutekommen, beschränken jedoch
zunächst die verfügbaren Mittel für die unmittelbare Förderung
der großen Industrie. Deshalb verläßt er sich hier auch haupt-
sächlich auf eine spezifische "Dynamik" dieses Sektors.
"So leicht Unternehmen der Kleinindustrie auch zusammenbrechen,
so schnell werden neue gegründet." (ebenda).
Das Fehlen von staatlichen "sozialen Sicherungen" entfaltet ge-
rade hier seine segensreiche Wirkung. Frühere Stammarbeiter der
Exportindustrie sind darauf angewiesen, nach ihrem Ausscheiden
aus dem Betrieb mit 50 bis 55 Jahren ihre einmalige Abfindung -
40 bis 60 Monatslöhne - "produktiv" in der Zulieferindustrie als
"Kleinunternehmer oder Teilhaber" anzulegen. Diese Abfindung wird
deshalb von den Exportkapitalisten auch ganz richtig als ein Art
Vorschuß verstanden, der sich in der Regel durch Koppelung der
Abfindungshöhe mit Auflagen, wo und wie man sich in der Zuliefer-
industrie zu engagieren hat, sogar unmittelbar auszahlt.
Die "duale Industriestruktur" Japans ist also keineswegs das Re-
sultat einer naturwüchsigen Entwicklung der Konkurrenz. Sie wurde
vom Staat nach dem 2. Weltkrieg absichtsvoll ins Werk gesetzt und
wird durch ihn laufend aufrechterhalten.
Nippons Exportindustrie
-----------------------
"Den Export bestreiten die Großen. Sie haben mittlerweile eine
Produktivität erreicht, die vielfach diejenige vergleichbarer
Firmen in anderen Ländern übertrifft."
"Japan muß schon seit langem mit sinkenden Exportgewinnen um
seine Auslandsmärkte kämpfen." (Wirtschaftswoche)
In der Produktivität Weltspitze und sinkende Gewinne im
"Exportboom"? Der Weltmarkt ist schließlich kein Wochenmarkt, bei
dem der niedrigste Anbieter den Zuschlag erhält. Im Kampf um Aus-
landsmärkte entfaltet hohe Produktivität ihre volle Durchset-
zungskraft erst, wenn man sich zu seiner Behauptung noch anderer
Mittel bedienen kann, Mittel, die in diesem "Kampf" gerade zu
steigenden Exportgewinnen führen. Der ökonomische Erfolg will
durch wirtschaftliche Erpressung, politischen und militärischen
Druck ermöglicht, abgesichert und weiter vorangetrieben werden.
Japan tritt - mangels ausgebildetem Binnenmarkt - als "Handels-
nation", deren ausschließliche Wirtschaftskraft im Export
besteht, deren Produktivitätsvorteile als Preisvorteile ihre ein-
zigen "Waffen" in der internationalen Konkurrenz sind, auf einen
"Weltmarkt", den als Anbieter und zahlungsfähige Nachfrager im
wesentlichen nur zwei weitere Partner bestreiten: die USA und die
EG. Erstere sowieso, letztere durch die zwischen den Mitglieds-
staaten vereinbarte Einichtung eines gemeinsamen Binnenmarktes
und einer gemeinsamen Außenwirtschaftspolitik, haben hinsichtlich
ihrer Akkumulationskraft auf dieser Grundlage aber auch ihrer Po-
tenz als Käufer füreinander auf dem restlichen Weltmarkt wirt-
schaftliche und politische Argumente anderen Kalibers für die Ge-
staltung exklusiver nützlicher Beziehungen mit dem Rest der Welt
anzubieten als die "Handelsnation" Japan.
"Immer die Nase vorn!"
----------------------
"Bei Personenkraftwagen besteht ebenso wie im Schiffbau und in
der Stahlerzeugung ein deutlicher japanischer Rationalisierungs-
vorsprung." (Pohl, S. 116)
Wenn die Konkurrenz das einzige Mittel ist, sich auf dem Welt-
markt zu behaupten, dann wird Rationalisierung zum Dauerprogramm.
Um in Sachen Preis und Qualität die Nase vorne zu haben, ist dem
japanischen Kapitalisten das Neueste immer gerade gut genug. Hie-
sige Wirtschaftsjournalisten geraten oft geradezu in Verzückung
über die daraus resultierende "höchste Investitionsrate der Indu-
strieländer", was in der Autoindustrie zum Beispiel dazu führt,
daß das
"eingesetzte Realkapital pro Kopf... das 2,5 bis 3,5fache gegen-
über der europäischen und amerikanischen Autoindustrie" beträgt.
(Süddeutsche Zeitung, 9.10.80)
"Das Erfolgsgeheimnis der fernöstlichen Automobilhersteller liegt
weder in niedrigen Löhnen noch in ungewöhnlich (!) harter Arbeit,
sondern in umfassender Rationalisierung und weitsichtigem Manage-
ment." (Süddeutsche Zeitung, 23./24.8.80)
Daß das Geheimnis des Erfolgs durch Rationalisierung allerdings
in niedrigen Löhnen und gewöhnlich harter Arbeit liegt, dokumen-
tieren Japans Kapitalisten ebenso wie ihre Kollegen in Sachen
Ausbeutung hierzulande. Der Einsatz kostspieliger Maschinerie er-
reicht durch billige und fleißige Arbeiter erst seine profitable
Würze: Dequalifikation, Abgruppierung, gesteigerte Arbeitsinten-
sität und vermehrte Anordnung von Überstunden und Sonderschich-
ten.
Die japanischen Kapitalisten haben dabei aber besondere Origina-
lität durch die Einrichtung eines "Systems der lebenslangen Be-
schäftigung" bewiesen, das historisch in der lebenslangen Leibei-
genschaft bei den alten Familienclans seinen Ausgangspunkt , hat.
Sie haben sich also eine "Stammarbeiterschaft" installiert und
den mit den Jahren zunehmenden Verschleiß zum Maßstab der Entloh-
nung gemacht. Bei der "Beschäftigung auf Lebenszeit - die mit
Kündigungsschutz allerdings nicht zu verwechseln ist:
"Immer häufiger wurde das japanische System der lebenslangen Be-
schäftigung durchbrochen..." (M. Pohl, S. 98) -
werden die Arbeiter "Nur" dann entlassen, wenn sich die Strei-
chung von Prämien und Bonuszahlungen, die oftmals bis zu zwei
Drittel des Lohnes ausmachen, als nicht ausreichendes Mittel er-
weist. Entlohnt wird nach Dauer der Betriebszugehörigkeit, das
heißt, die ersten 10 bis 12 Jahre keine Lohnsteigerungen als Be-
währungsprobe, dann mäßige Lohnzuschläge, schließlich Pensionie-
rung, möglichst bereits mit 50 Jahren, um leistungskräftigeren
jüngeren und zudem billigeren Arbeitskräften Platz zu machen. Auf
Urlaub wird auf "Anraten der Firmenleitung" weitgehend verzichtet
und der Zwang zur Überarbeit sind eine fast alltäglich prakti-
zierte Ehrensache. Ansonsten bedienen sich die Kapitalisten aus
dem noch billigeren "Heer der Zeitarbeiter". ( Näheres dazu in
MSZ Nr. 29 und 30)
"Die höchste Investitionsrate der Welt!"
----------------------------------------
Die Ausbeutung des japanischen Arbeiters braucht Vergleiche also
nicht zu scheuen und das im Verein mit Rationalisierungen, bei
deren Vollendung "fast kein Mensch mehr zu sehen ist". Dennoch
weiß "Die Zeit" zu berichten, daß sich japanische Kapitalisten
"im Zenith (!) ihres Welterfolges ... beinahe kleinmütig geben."
So sollen die "zur Größe verdammten (!) Autogiganten des Insel-
reiches" über ihren "Riesenwuchs" selbst nicht so recht froh wer-
den und angesichts der "astronomischen Forschungs- und Entwick-
lungsausgaben der Amerikaner" gar resignieren:
"Toyota kann es mit General Motors nicht aufnehmen!" (Toyotas
Chairman Hanai)
So bewerkstelligt gegenwärtig der "Superstar des Weltautomarktes"
General Motors seine Ausbeutung "pro Kopf" mit einem Drittel des
Realkapitals - Gebäude, Maschinerie, etc. - der Japaner, und das
obwohl japanische Autos derselben Klasse und Qualität wesentlich
billiger sind. Ist nämlich der Preis das ausschließliche Mittel
der Konkurrenz, so ergibt sich für die japanischen Exportkapita-
listen der Zwang, den Produktionsprozeß zwecks Kostensenkung in-
nerhalb kurzer Zeitperioden permanent technisch revolutionieren,
d.d. das angewandte fixe Kapital auf Kosten des Profits abschrei-
ben zu müssen. Sie leisten sich also einen hohen moralischen Ver-
schleiß, erklären ihre Maschinerie aus Konkurrenzgründen für ver-
altet, bevor sie überhaupt einen anständigen Gewinn abgeworfen,
die Akkumulation befördert hat, sofern sie an ihrem Preisvorteil
festhalten. So wird der Ausweg über erhöhte Stückzahlen zur Sen-
kung der Stückkosten gesucht. Und hier stoßen sie erneut auf die
Beschränkung, die es für sie bedeutet, auf dem Weltmarkt allein
über den Preis konkurrieren zu können. Die Ausnutzung des teuer
erkauften Preisvorteils durch vermehrten Export stößt sehr
schnell auf die "nicht unbegrenzte Geduld" der kapitalistischen
Partner Japans als neue Schranke. Die Feilscherei beginnt und
zähneknirschend, aber in weiser Voraussicht praktiziert man dann
"flexible Selbstbeschränkung":
"Die von einem Exportkartell der sechs größten japanischen Stahl-
produzenten praktizierten Selbstbeschränkungen begrenzen die ja-
panische Stahlausfuhr in die EG auch im Jahre 1977 auf 1,22 Mio.
t jährlich." (M. Pohl, 116)
Das Resultat davon ist, daß der mit dem Rationalisierungsvor-
sprung verdiente Extraprofit den ausbleibenden Rückfluß des Werts
des durch Rationalisierung ersetzten und damit entwerteten Anla-
gekapitals ersetzen muß. Das gute Geschäft der japanischen Expor-
teure erfordert also einen außerordentlich großen Aufwand für Ka-
pital und Staat. Um auf die gleiche Profitmasse zu kommen, muß
ein japanischer Kapitalist einen viel höheren Vorschuß tätigen
als seine Klassenbrüder anderswo. Ein ärgerlicher Umstand, den er
am deshalb immer aktuellen "Liquiditätsproblem" spürt. Das Resul-
tat ist "ein im internationalen Vergleich übermäßiger Anteil an
Fremdkapital, insbesondere Schulden bei den Kreditinstituten".
(Mitteilungen der bfai, Nr. 400) Der Kapitalist versucht diesem
"Dilemma", für eine nützliche Ausbeutung mehr Geld ausgeben zu
müssen als etwa deutsche Kapitalisten, mit den gleichen Methoden
entgegenzuwirken, die es herbeigeführt haben: vermehrter Export
durch Erhöhung der Produktivität, flankiert von Lohnsenkungen und
zunehmendem Druck auf die Zulieferbetriebe, selbst unter den
Selbstkosten zu produzieren.
Mit diesem "Dilemma", das ideologisch als "mehr auf Wachstum als
(!) auf Profit angelegte japanische Unternehmenspolitik" auf-
taucht, gehen die zehn großen Unternehmensgruppen auf ihre Weise
funktional um. Diese großen Konzerne, mit Mitsubishi, Mitsui, Su-
mitomo, Fuji an der Spitze, die die konkurrenzfähige japanische
Ökonomie darstellen, vereinigen in sich, in der Form rechtlich
selbständiger Unternehmen, alle Branchen des industriellen Kapi-
tals und alle verselbständigten, hier also nur formell selbstän-
digen Existenzweisen des Kapitals. Diese aus der Grundlage dieser
Unternehmen in den alten Feudalclans gleichen Namens sich
zwanglos ergebende (und auch durch die amerikanische
"Entflechtung" nach dem 2. Weltkrieg nicht beseitigte) japanische
Lösung des Problems, daß es einer gewissen Mindestgröße des
Kapitals bedarf, um auf dem Weltmarkt etwas zu putzen, bringt
freilich auch negative Wirkungen mit sich.
Das Bestreben, alle einträglichen Geschäfte, alle Quellen der Ak-
kumulation im eigenen Hause zu unterhalten, erhält die Verlaufs-
form, daß der Ausgleich der Profitrate, der unter "normalen" ka-
pitalistischen Verhältnissen als Resultat der Abwanderung von Ka-
pital aus un- oder minder rentablen Produktionssphähren in ren-
table vor sich geht, in Japan innerhalb einer Unternehmensgruppe
stattfindet. Das heißt aber, daß man diesen Ausgleich wegen sei-
ner Wirkungen Kapital wird abgezogen bzw. entwertet, eigene Be-
triebe machten Konkurs - möglichst zu verhindern trachtet. So
treten die konzerneigenen Banken, Versicherungen und Handelshäu-
ser durch Kredithilfe auf den Plan - und demonstrieren die für
das Kapital als solches nicht gerade förderliche Wirkung einer
Subsumtion des Geldkapitals, des Kredits unter das Geschäftsin-
teresse der Konzerne.
"Erdrückende Schuldenlasten"
----------------------------
"Die Kernunternehmen - Mitsubishi Bank, Mitsubishi Corporation
und Mitsubishi Heavy Industries gehören sämtlich zu den führenden
Gesellschaften ihrer Branche: Mitsubishi Bank ist die viertgrößte
japanische Geschäftsbank..." (Handelsblatt)
Die Akkumulation von Geldkapital fällt also weitgehend zusammen
mit den Exporterlösen. Das im Ausland verdiente Geld zentrali-
siert sich - über die ausländischen Filialen vermittelt - in den
Geschäftsbanken der Konzerne und wird den industriellen Unterneh-
men zusammen mit den inländischen Erlösen auf ihrem Konto gutge-
schrieben. Daneben wird auch die Armut der Proleten als nicht zu
verachtende Geldquelle entdeckt. Dank weitgehend fehlender sozi-
aler Sicherungen für Alter, Krankheit, hoher Kosten für eine ei-
nigermaßen zukunftsträchtige Ausbildung der Kinder, haben es
diese nämlich zur "höchsten Sparquote der Welt" gebracht. Und
nicht nur die "Unternehmensehre" eines Mitsui-Arbeiters, sondern
auch die extrem niedrigen Zinsen der öffentlichen Sparkassen ma-
chen es zur Selbstverständlichkeit, daß er bei der Mitsui-Bank
spart, sein Geld also unmittelbar seinem Unternehmen als Kredit
zur Verfügung stellt.
Wenn die Banken das in "ihrer" Unternehmensgruppe je nach Ge-
schäftsgang anfallende Geld sammeln, so beweist das, daß das Geld
der Gesellschaft für die Kreditbedürfnisse der Unternehmen eine
immer nur beschränkte Basis abgibt.
Mit dieser beschränkten Liquidität betreiben die Banken dann fik-
tive Geldkapitalschöpfung, wobei die immer "übermäßige Kredit-
nachfrage" der Anlaß eigentümlicher Geschäftspraktiken ist. Mit
ihrem "System der Ausgleichsguthaben" koppeln sie die Kreditver-
gabe mit der Auflage, bei der kreditgewährenden Bank wiederum 20
bis 50% des Leihgeldes, je nach "Liquiditätslage", als Einlage zu
deponieren, um den "Finanzierungsspieliraum" der Bank zu gewähr-
leisten. Eine Praxis, die dazu führt, daß die Unternehmen gleich
die doppelte Kreditmenge in Anspruch nehmen, was durch Aufblähung
des Kredits durch die erhöhte Nachfrage die "Liquiditätslage" zum
Zerreißen anspannt, was bei den Unternehmen zu einer Schulden-
summe von "85% der Bilanzsumme, statt 40 bis 60% wie es in ande-
ren Industrieländern üblich ist" führt:
"Nach westlichen Kriterien müssen Schuldenhöhe und Zinslast japa-
nischer Unternehmen dementsprechend als ungewöhnlich hoch be-
zeichnet werden." (Mitteilungen der bfai)
Ein Umstand, der sich zwar laufend störend in der Kostenrechnung
japanischer Unter nehmen bemerkbar macht, den Kapitalisten im üb-
rigen aber keine schlaflosen Nächte bereitet, da die Banken in
ihrer Geschäftspolitik tagtäglich die unmittelbare Abhängigkeit
von der Akkumulation der Exportindustrie praktisch vor Augen ge-
führt bekommen, weshalb bei
"Geschäftsschwierigkeiten fast immer eine Rettungsoperation
durchgeführt wird, die um so unausweichlicher ist, je höher das
Unternehmen bei der Bank verschuldet ist." (Mitteilungen des
bfai)
Bei weniger drastischen "Geschäftsschwierigkeiten" werden einver-
nehmlich die Laufzeiten von Krediten verlängert oder Kapitalerhö-
hungen durch Ankauf neuer Aktien finanziert. Geht es aber hart
auf hart, werden Schulden kurzerhand gestrichen, wobei der Staat
nicht untätig zusieht und mit einem Sprung in die
"Finanzierungslücke" hilfreich unter die Arme greift. Das japani-
sche Bankkapital hat also, um das Florieren der Exportindustrie
zu gewährleisten, permanent Abstriche von seinem Gewinn hinzuneh-
men.
Die Handelshäuser
-----------------
Die Handelshäuser der "Zusammenfassungen von Industrie-, Handels-
und Finanzgesellschaften" betreiben Ein- und Verkauf, Lagerhal-
tung und Erschließung neuer Absatzmärkte in eigener Regie.
Sie "beherrschen eine Vielzahl von Klein- und Mittelunternehmen,
denen sie mit Gesamtverträgen Rohstoffe und Halbfertigwaren lie-
fern, deren Produkte sie abnehmen und an die nächste Verarbei-
tungssstufe wiederverkaufen." (Mitteilungen der Bundesstelle für
Außenhandelsinformation)
Billig einkaufen und teuer verkaufen ist ihre Devise, mit deren
Praktizierung sie den fortwährenden Ruin der Zulieferindustrie
betreiben. Sie vermitteln die Akkumulation des Exportkapitals vom
Standpunkt des Handelsgewinns aus, der leider nicht zur Gänze in
eigenen Unternehmungen - vor allem Lagerhäuser und Transportmit-
tel - investiert werden kann, da sie im eigenen Interesse der Zu-
lieferindustrie mit billigen Krediten, die eine Geschäftsbank nie
gewähren würde, unter die Arme greifen.
Im Außenhandel haben sie das Wechselkursrisiko zu tragen und so-
mit für Verluste aus Veränderungen des Wechselkurses als
"selbständiges Unternehmen" geradezustehen; Anlaß genug, sich so
weit als möglich bei der Zulieferindustrie schadlos zu halten.
Die Handelshäuser dienen somit als Puffer, daß - im Inlandsge-
schäft wie im Außenhandel - eingetretene "Risiken" nicht unmit-
telbar auf das produktive Kapital durchschlagen.
Da ihr Außenhandelsgewinn in Dollars besteht, kommen sie auf die
naheliegende Idee, sich in Devisenspekulation zu versuchen:
"Über die Hälfte des japanischen Außenhandels wird von den großen
Handelshäusern abgewickelt. Sie sind deshalb die Hauptakteure im
Tokioter Devisenmarkt." (Handelsblatt, 8.10.80)
Das führt oftmals zu unangenehmen "kurzfristigen Kursfluktuatio-
nen des Yen" - unangenehm immer dann, wenn ein Handelshaus er-
folgreich gegen die eigene Währung spekuliert hat - und veranlaßt
den Staat durch ein neues Devisengesetz den "Umkreis der melde-
pflichtigen Transaktionen" weiter zu fassen.
II. Der japanische Staat - ein ziemlich reeller Gesamtkapitalist
----------------------------------------------------------------
"Schließlich besitzt die Wirtschaft in der vom Staat gesteuerten
MITI ein machtvolles Instrument." (WiWo)
Die berühmte japanische "Wirtschaftspolitik aus einem Guß" vom
"Ministry for International Trade and Industry" (MITI) in enger
Abstimmung mit den großen Unternehmenshäusern durchgeführt, legt
Charakterisierungen als "staatsmonopolistischer Kapitalismus"
schon recht nahe. Dennoch hat die "Japan Inc." mit der Verwirkli-
chung jener Revi-Ideologie wenig zu schaffen. Der geschäftsfüh-
rende Ausschuß, als den sich die japanischen Clans mit ihren Un-
ternehmensgruppen den Staat eingerichtet haben, dient bekanntlich
nicht dazu, einen niedergehenden Kapitalismus krampfhaft über
Wasser zu halten, sondern der Durchsetzung des japanischen Kapi-
tals auf dem Weltmarkt und ihrer inneren Absicherung. Die
"Willens- und Entscheidungsbildung" innerhalb des Staatsapparats
hat dementsprechend - da die Konkurrenz unter den großen Konzer-
nen in der Sphäre der Politik durchaus nicht aufgehoben ist -
ihre Eigenheiten. In der Regierungspartei LDP sind die verschie-
denen Kapitalgruppen als Fraktionen von Politikern vertreten, de-
ren unverhüllte Finanzierung durch das jeweilige Unternehmenshaus
nur Nichtjapaner als Korruption bemängeln. Die Hauptaufgabe des
Staats, die Förderung des Exports, wird dabei als Gerangel der
verschiedenen Kapitalgruppen um Kredite, Subventionen etc. be-
trieben, wobei im Streitfall den Ausschlag der bereits aus eige-
ner Kraft errungene Exporterfolg gibt.
So versucht auch immer wieder ein Unternehmen, um seine Position
in der innerjapanischen Konkurrenz um die staatlichen
Fleischtöpfe zu verbessern, selbständig, ohne finanzielle Unter-
stützung durch das MITI, auf einem neuen Markt im Ausland einen
Stich zu machen, - angesichts der bereits angeführten Beschrän-
kungen des japanischen Kapitals auf dem Weltmarkt: ohne genügend
Liquidität, Größe des disponiblen Kapitals, Marktbedingungen etc.
und ohne ausreichende staatliche Unterstützung seiner internatio-
nalen Expansion ein riskantes Unternehmen. So kostete Honda sein
verfrühter, wegen zu geringen Kapitaleinsatzes für den Aufbau ei-
nes Vertriebs- und Servicenetzes gescheiterter 'Vorstoß auf den
westdeutschen Automarkt seine Selbständigkeit. Und der Versuch
des Mitsui-Konzerns, sich nach der ersten "Ölkrise " durch eine
3,5 Mrd. Dollar-Investition in ein Petrochemieprojekt - ohne Ab-
sicherung durch MITI - im Iran um die Sicherung der nationalen
Ölversorgung verdient zu machen und daran natürlich auch zu ver-
dienen, endete jüngst mit Totalverlust. Die Zustimmung seiner
Konkurrenten in Japan zur nun nötigen Finanzhilfe durch das MITI
wird für Mitsui nicht umsonst zu haben sein.
Der Fall Mitsui/Iran illustriert schön die Schranken des japani-
schen Tummelns auf dem Weltmarkt. Wo seine imperialistischen Kon-
kurrenten mit 100 Millionen oder gleich dem Angebot einer Inve-
stitionsmöglichkeit bei sich (Krupp, Mercedes), verbunden mit ih-
rem "politischen Einfluß" das gleiche bzw. ein entschieden bes-
seres Ergebnis erzielen, hat Japan nur das Mittel Kapitalexport
zur Verfügung, und dieses deshalb auch immer viel zu knapp und
mit allen möglichen Risiken durch politische Veränderungen aber
auch Versuchen, solche Veränderungen für sich zu benutzen.
Wirtschaftspolitik
------------------
Die Förderung der Exportkapitalisten betreibt der Staat in erster
Linie durch Versorgung der Wirtschaft mit billigem Geld. Die Bank
von Japan betreibt eine "Niedrigzinspolitik", was mit dem staat-
lichen Eigeninteresse nach billiger Schuldenmacherei glücklich
zusammenfällt. Wird über Diskontsatzerhöhungen der Kredit verteu-
ert, um einer Gefährdung der Exportfähigkeit durch eine aufgrund
gelungener Exporterfolge "überhitzte" Binnenkonjunktur entgegen-
zuwirken, so hält sich die Exportwirtschaft an Arbeitern und Zu-
lieferern schadlos, soweit sie nicht gleich durch Sonder-Kredit-
konditionen von den Wirkungen solcher geldpolitischer Maßnahmen
ausgenommen wird.
Um den Kreditdurst des Exportkapitals zu lindern, leistet sich
der Staat eine gewaltige Aufblähung der Geldmenge durch eine
"reflationäre Notenbankpolitik" und verschuldet sich in riesigem
Umfang, um das "Wirtschaftswachstum anzukurbeln":
"Die Firmen erhalten von MITI Fremdkapital, das zu günstigen Sät-
zen verzinst wird, den Unternehmern aber praktisch wie Eigenkapi-
tal zur Verfügung steht." (WiWo)
Der Staat schenkt also fast den Kapitalisten Geld im Vertrauen
darauf, daß sich diese fiktive Kapitalbildung im Exportgeschäft
schon auszahlen wird.
Diese Verschuldungspolitik zugunsten der Akkumulation in der Ex-
portindustrie findet ihre Fortsetzung in der Gewährung großzügi-
ger Investitionen und Anpassungsbeihilfen, Exportkrediten und
Ausfallbürgschaften für Verluste seiner wesentlichen ökonomischen
Basis. Als fruchtbare Ergänzung dazu geht er mit "wachstums-
hemmenden Auflagen" sehr sparsam um: Sein Steuersystem begünstigt
die notwendige schnelle Abschreibung der Industrieanlagen und ist
zudem schuldenfreundlich, da Kreditzinsen weitgehend abzugsfähig
sind. Mit Auflagen in Sachen Umweltschutz und Sozialabgaben hält
er sich vornehm zurück, was zu den bekannten "Auswüchsen" in der
Ruinierung von Arbeitskraft und Natur führt.
Weil also der Staat von seiner Binnenökonomie nur beschränkten
Nutzen hat, richtet er seinen Haushalt vorrangig auf die Bedürf-
nisse der Exportakkumulation aus. Daß sich dabei seine immense
Verschuldung in einer hohen Inflationsrate auswirkt, ist ihm ein
geringes Ärgernis, da sich steigende Inlandspreise vor allem auf
die Zulieferindustrie und die Konsumtion der Arbeiterklasse nega-
tiv auswirken.
"Sorgen" bereitet ihm seine Verschuldung nur in einer Hinsicht:
Das enorme Ausmaß der Staatsschuld zieht einen belastenden Schul-
dendienst nach sich. Der Staat hofft dabei auf "künftige Export-
mehreinnahmen", eine Hoffnung, die nicht immer aufgeht. Sein Nut-
zen ist also von den Konjunkturen der Exportindustrie unmittelbar
abhängig und Krisenzeiten schlagen durch das "hohe Verschuldungs-
niveau" unmittelbar auf den Zustand der Staatsfinanzen durch: An-
laß für eine kräftige Neuverschuldung, um die Exportindustrie in
der Hoffnung auf künftige Mehreinnahmen anzukurbeln.
Der Yen - eine begrenzt konvertible Währung
-------------------------------------------
Für die japanische Währung ergibt sich dadurch, daß sie die Wäh-
rung einer Handelsnation ist, eine Besonderheit. Änderungen in
der Zahlungsbilanz und die Devisenspekulation schlagen sich un-
mittelbar in Wechselkursänderungen nieder. Der Yen ist nämlich
auf den Kapitalmärkten der freien Welt bedeutungslos und dadurch,
daß alle Auslandsgeschäfte in Dollar fakturiert werden, verändern
mehr oder weniger verdiente Dollars, sei es im Handel oder in der
Devisenspekulation, sofort die Nachfrage nach Yen und somit sei-
nen Wechselkurs. Kurzfristige Auf- und Abwertungen sind also die
Regel, was den Staat veranlaßt, die Yen-Konvertibilität zu be-
schränken durch Begrenzung und Meldepflicht des Devisenverkehrs.
III. Die Schranken einer Handelsnation im imperialistischen
-----------------------------------------------------------
System
-------
"Heute ist Japan zusammen mit Deutschland und den USA eine der
drei wichtigsten Säulen der liberalen Weltwirtschaftsordnung."
"Der EG-Raum nimmt nur ein Drittel der japanischen Exporte in den
amerikanischen Markt auf." (Manfred Pohl, Japan 77/78, S. 123)
Japan ist eine "wichtige Säule" in der Weltherrschaft des Kapi-
tals in seiner Besonderheit als beschränkte Welthandelsnation. Es
ist somit unabdingbar darauf angewiesen, daß seine Exporte im
Rahmen der "liberalen Weltwirtschaftsordnung" zugelassen werden.
Die Öffnung, bzw. das Offenhalten des amerikanischen und europäi-
schen Marktes für die noch immer beschränkten leistungsfähigen
Exportbranchen ist die conditio sine qua non des japanischen Han-
delserfolgs. Der Exporterfolg ist zugelassen, und es war die Be-
reitstellung vor allem des amerikanischen Marktes, was ihren Auf-
stieg erst ermöglichte. Daß man dabei nicht ausbleibende Schädi-
gungen eigenen Industriezweige, die man allerdings mit
"geeigneten Maßnahmen" in Grenzen zu halten weiß, mit in Kauf
nimmt, liegt am sehr eigennützigen Interesse an dieser fernöstli-
chen Kapitalbastion.
'Handel solk sein, aber mit Maßen!' heißt die Losung der
"Welthandelspartner", die unter sich um die 'Bewältigung der ja-
panischen Exportflut' hadern. Der Bestand dieser eigentümlichen
"Exportnation" ist damit ebenso garantiert wie in die Schranken
gewiesen.
Ein Beispiel: Die Werftindustrie
--------------------------------
"Japan hat 1976 einen Anteil von 60% des Weltschiffbaus, an den
1976 eingehenden Neuaufträgen sogar von über 80% erreicht. Europa
möchte das Verhältnis im Weltschiffbau auf 50:50 zurückschrau-
ben." (ebenda, S. 116)
Mit Milliardenpragrammen des MITI hatte die japanische Werftindu-
strie zu Beginn der siebziger Jahre, vor allem im Öltankerbau,
Weltspitze in Preis und Qualität erreicht und wurde damit für die
"traditionellen Schiffbauer" ein zunehmendes Ärgernis. Die euro-
päischen Regierungen, mit ihren Schiffbau-Kapitalisten in der Sa-
che einig, begannen daraufhin die "diplomatischen Kanäle" zwi-
schen Brüssel und Tokio zunehmend zu beleben. Schließlich verfaß-
ten die europäischen Regierungschefs auf ihrem "Gipfel" im Novem-
ber 1976 in Den Haag eine "fünfzehnteilige Deklaration", bei de-
ren Verabschiedung man ausdrücklich betonte, daß sie "kein Ulti-
matum" sei und keine "Gegenmaßnahmen anführt oder auch nur an-
droht." Zur selben Zeit begann man als flankierende Maßnahme -
kongenial japanisch - die eigenen Schiffbaukapitalisten verstärkt
zu subventionieren. Der Wink mit dem Zaunpfahl verfehlte seine
Wirkung nicht: "Selbstbeschränkung" sonst Fremdbeschränkung wurde
deklariert; schließlich, so ein dezenter "Hinweis", haben die ei-
genen Märkte nicht nur Nippons Schiffe zu "verdauen". Die
"zugespitzte Situation" machte sich dann in der "Misere im Welt-
tankerbau" gewaltsam Luft, in der Japan versuchte, Schiffe zu
"Dumpingpreisen" loszuschlagen und einen großen Teil seiner
Werftkapazitäten durch Stillegung entwerten mußte:
"Exportbeschränkungen: Im Schiffbau und bei Stahl sind auch für
uns, d.h. für die Bundesrepublik Deutschland (ach so!), relevante
Ergebnisse erzielt worden." (ebenda, S. 120)
Das Resultat: Gar nicht überraschend konnte Europa seine Stellung
ausbauen, und die Japaner mußten der Tatsache Rechnung tragen,
daß die Lasten der Krisenbewältigung auf sie abgewälzt wurden:
"1979 entfielen Angaben aus Tokio zufolge 32,9% aller in der Welt
neugebauten Schiffe auf japanische Werften." (NfA vom 16.12.80)
So schraubt man das "Verhältnis im Weltschiffbau" auf 50:50 zu-
rück.
Der Preis einer "Handelsnation"
-------------------------------
"Wie es die Japaner sehen, habe Japan erstmals aus 'politischen'
Gründen Bereitschaft(!) zu 'Opfern' für Europa gezeigt, die es
unter den geltenden Regeln der Weltwirtschaftsordnung eigentlich
nicht (!) nötig hätte." (Manfred Pohl, Japan, S. 120)
Die Japaner waren zu Opfern bereit, obwohl es eigentlich nicht
nötig gewesen wäre? Diese "eigentlich" überflüssige Opferbereit-
schaft muß schon einen anderen Grund haben, als einfach das
"Interesse, guten Willen zu demonstrieren"; und daß gewaltsam
verfügte "Importrestriktionen" bei den "geltenden Regeln der
Weltwirtschaftsordnung" miteingeschlossen sind, weiß Japan nicht
zuletzt aus seiner eigenen Praxis.
Als Handelsnation ist Japan auf den Absatz in Europa angewiesen
und mußte sich deshalb den "Argumenten" der europäischen Regie-
rungschefs aufgeschlossen erweisen, da Japan deren Erpressung
nicht mit gewichtigeren "Argumenten" als dem Verweis auf gemein-
same Freihandelsideale entgegentreten konnte. Daß die "geltenden
Regeln" des imperialistischen Weltmarkts ökonomische Erpressung
und politischen Druck ausschließen ist zwar ein Witz, mit dem die
Japaner aber - in Ermangelung dieser Mittel - gerne Ernst machen
würden. Japan hat keinen eigenen Wirtschaftsraum, auf dem man
sich lohnende "Präferenzen" sichert und auf den andere angewiesen
wären. Und Nippons eigene politische Macht besteht wesentlich in
seiner Existenz als Welthandelsnation, gegenüber der EG und den
USA auf jeden Fall kein "überzeugendes" Argument. Das macht Japan
von der Weltmacht Nr. 1 in ganz anderem Maße abhängig, als es
etwa die EG ist. Die Japaner verspüren dies am stärksten in ihrer
Außenpolitik, die sie selber gerne bescheiden als
"Wirtschaftsdiplomatie" bezeichnen. Es tut sich in Sachen
"Rohstoffgewinnung", "Sicherung von Absatzmärkten" und derglei-
chen immer das Ärgernis auf, bei ökonomischen Unternehmungen
nicht die sie fruchtbar ergänzenden politischen und militärischen
Gewaltmittel zur Hand zu haben und deshalb völlig auf den
"Schutzschild" der USA angewiesen zu sein. Sie müssen mit den von
den USA eingerichteten 'liberalen' Weltmarktbedingungen zurecht-
kommen, ohne sie wie die EG modifizieren zu können. Ihr Gewicht
als imperialistische Macht haben sie nur in der Durchsetzung
ihres Kapitals auf dem Weltmarkt; weshalb sie mit allen Beschrän-
kungen, die diesem dort entgegengestellt werden, ökonomisch zu-
rechtkommen müssen, ohne sie anderweitig kompensieren zu können.
Eine eigenständige Außenpolitik, wie sie die EG, natürlich immer
nur "in Abstimmung" mit dem big brother, betreibt (AKP-Abkommen,
Süderweiterung), ist also für sie nicht drin.
"Japan war zusammen mit den Niederlanden allein von dem absoluten
Erdölembargo betroffen worden. Dies war nicht eine Folge beson-
ders aggressiver japanischer Politik, sondern diplomatischer
Schwäche, die Japan zu einem leichteren Opfer politischer Erpres-
sung werden ließ als vergleichbare andere Länder." (ebenda, S.
127)
Mit der Einstellung von Militärhilfe, dem Einfrieren iranischer
Konten, der "Unternehmensruinen" produzierenden Reduzierung von
"Kapitalhilfe" und solcher schönen Dinge mehr, konnte Japan in
diesen "kritischen Zeiten" also nicht aufwarten. Japan stand eine
eigene Mitsui-Ruine ins Haus, ohne daß es sich dafür auch nur zum
Teil schadlos halten konnte, was heißt, daß die imperialistischen
Aktivitäten Japans sich in höheren Kosten und geringeren Erfolgs-
garantien niederschlagen.
Der konzedierte Aufstieg
------------------------
"Der letzte Weltkrieg war für Japan der letzte - gescheiterte -
Versuch, unter den Verhältnissen des modernen Industriestaates
einen eigenen abschließbaren Lebensraum zu schaffen, wenn auch
als 'Co-Prosperity-Zone', einen (mit anderen) "gemeinsamen" Raum
also." (ebd., S. 109)
Der "Versuch", sich durch Krieg eine exklusive Einflußsphäre zu
schaffen, wurde von den Amis unsanft abgebrochen. In der japani-
schen Verfassung, die von den USA entworfen wurde, wird der
"Krieg als Recht eines souveränen (!) Japan" verboten.
Konzediert wurde der ökonomische Aufstieg zur Exportmacht durch
Verordnung von freedom democracy, wirtschaftliche Aufbauhilfen
und durch Öffnung des amerikanischen und europäischen Marktes.
Forciert wurde der ökonomische Aufstieg durch die Kriege der USA
in dieser "Region". Vor allem im Koreakrieg (später auch im Viet-
namkrieg) erlebte die japanische Ökonomie den Boom einer Kriegs-
wirtschaft ohne selber Krieg führen zu müssen.
Es galt "Sonderbedarf" für die amerikanische Kriegsführung zu
produzieren - von Armeekleidung über kleinere Bomben und Leucht-
kugeln bis zu militärischen Transportmitteln - und der dadurch
entstandene Exportboom erreichte eine "Rekordhöhe" von 41% am Ge-
samtexportvolumen. Das schöne ökonomische Ergebnis wurde durch
die politische Genugtuung abgerundet, mit den nunmehr zum Teil
kommunistisch gewordenen Erzfeinden abzurechnen, ohne auch nur
einen Blutstropfen zu vergießen.
Die Wirtschaftskraft Japans erblühte also unter dem Pationat der
USA. Bedeutende faux-frais für die "Verteidigung" waren nicht zu
erbringen, so daß diese Gelder in den Aufbau der Wirtschaft ge-
steckt werden konnten, während man sich unter amerikanischer
Ägide ökonomisch im asiatischen Raum umtun konnte:
"Das Verteidigungsbündnis mit den USA als Rückgrat der japani-
schen Diplomatie der Nachkriegszeit lieferte zusätzlichen Rück-
halt." (ebd. S. 125)
Keineswegs zugestanden wurde der Aufbau einer militärischen
Macht, geschweige denn die Entwicklung einer eigenen "Präferenz-
zone", die die Japaner vor der Weltwirtschaftsmacht Nr. 1 und dem
Wirtschaftsblock Nr. 1 begünstigen würde. Daß es die BRD bei
ähnlicher Ausgangslage binnen kurzer Zeit zur "heimlichen
Großmacht" mit den "stärksten konventionellen Streitkräften in
Europa" brachte, braucht dabei nicht zu verwundern. Im Unter-
schied zum pazifischen Raum, der unter politisch-militärischer
Kontrolle der USA steht, verläuft schnurstracks durch Westeuropa
unter Einschluß der Ostgrenze der BRD die Hauptfront im "Ost-
West-Konflikt".
Daß Japan dagegen der Konkurrenz der Amerikaner und Europäer auch
in der eigenen Region voll ausgesetzt ist und die Mittel zur
Schaffung einer 'Einflußsphäre' nicht besitzt, ist noch heute für
manchen japanischen Veteranen Anlaß, sich alter Zeiten zu entsin-
nen, in denen der Rohstoffabtransport zum Wohle Japans ohne Um-
schweife mit Waffengewalt gewährleistet wurde. Diverse
"japanische Vorstöße", die ASEAN-Staaten "enger" an sich zu bin-
den, wurden immer abschlägig beschieden: Schließlich wissen ge-
rade solche Staaten, und das besonders in erhitzten Friedenszei-
ten, was die "Tokioter Angebote" angesichts "amerikanischer Si-
cherheitsgarantien" wert sind.
Und auch in der Konkurrenz um den "neuen Markt China", immerhin
unmittelbar vor der eigenen Haustür, erfährt Japan seine eigenen
Beschränkungen recht deutlich.
Die Beziehungen zu den ASEAN-Staaten und zu China sind somit
"reine" Geschäftsbeziehungen: Für Japan ein Rohstoffreservoir und
ein beschränkter Markt für billige Konsumartikel. Südkorea und
Taiwan sind die Billiglohnländer Japans, bestens geeignet für
"Halbfertigwaren" und "billige Gebrauchsgüter", eine dem Tatbe-
stand nach ausgelagerte Zulieferindustrie also. Seine wirtschaft-
lichen Interessen läßt sich Japan dabei auch einige "Entwick-
lungshilfe" kosten, ein Haushaltstitel, der ganz ohne ideolo-
gischen Schnick-Schnack im wesentlichen staatliche Zuschüsse zu
Direktinvestitionen japanischer Unternehmen zur Rohstoff-
erschließung und -abfuhr beinhaltet, eine nationale Aufgabe, mit
deren profitablen Ausführung das japanische Kapital sich mangels
Masse nach wie vor schwer tut.
Modifikationen in der imperialistischen Arbeitsteilung
------------------------------------------------------
Die "Handelsmacht" Japan stellt also für die USA und die EG Ko-
sten dar: Kosten, die der ökonomische Erfolg der Japaner zu Hause
verursacht und Kosten für die "strategische Sicherheit" in
Fernost, die zwar nicht um der Japaner willen eingerichtet wurde,
unter deren "Schutzschild" sie sich aber bisher "sonnen" konnten.
Kurzum, faux-frais, die man sich wegen eigener "Interessen und
Einflußsphären" leistet, was noch lange kein Argument gegen deren
Minimierung ist. Was die "Exportflut" der Japaner betrifft, so
ist ein Streit der USA mit der EG darüber im Gange, wer denn nun
vermehrt die ökonomischen Lasten zu tragen habe:
"Japan war bislang an Europa in dem Maße, wie sein Gewicht in der
Weltwirtschaftspolitik wuchs und ihm eine aktivere Rolle auf-
zwang, vornehmlich als Gegengewicht zu Amerika interessiert; ähn-
lich glaubten die USA, die europäischen Märkte könnten als Ventil
dienen, um den japanischen Exportdruck vom amerikanischen Markt
abzulassen." (ebd., S. 108)
Für Japan war also der Export nach Europa zugleich Mittel, seine
Abhängigkeit von den USA zu verringern, um der amerikanischen
Konjunktur nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein.
Dies ein Interesse, dem auch die Amis aufgeschlossen gegenüber-
stehen oder sich durch "Kooperation" mit ausländischen Firmen
Vorteile zu sichern und den Zugang zu den Exportmärkten zu ge-
währleisten.
Die europäischen Automobilhersteller sahen sich also bei ihrer
letzten "Runde" in Tokio mit "unnachgiebigen" Japanern konfron-
tiert, die Zugeständnisse nur auf der "Ebene der Selbstbeschrän-
kung versprachen". "Informierte Kreise" wußten den Grund solch
selbstbewußten Auftretens, wie die Frankfurter Allgemeine zu be-
richten weiß:
"Aus Washington kam nämlich der deutliche Hinweis, daß die Japa-
ner Öl ins Feuer der angeheizten politischen Debatte über mögli-
che Zwangsbeschränkungen bei Autoausfuhren in die USA schütten
würden, wenn auch nur der leiseste (!) Hinweis auf freiwillige
Zugeständnisse an die Europäer sichtbar werden sollte."
Ein "Hinweis", den die Japaner sicherlich zu beherzigen wissen,
wenn auch der Ausgang nicht so eindeutig ausfallen dürfte. Auf
jeden Fall sind ihnen dieses Mal die "geltenden Regeln der Welt-
wirtschäftsordnung" nicht eingefallen.
Die Aufrüstung Japans
---------------------
Japan hat eine "Berufsarmee, die als 'Selbstverteidigungs-
streitkräfte' mit der 7. US-Flotte und ca. 40000 US-Soldaten auf
japanischem Boden in taktischem Verbund kämpfen würden." (M.
Pohl, S. 3)
Der Hinweis westdeutscher Militärjournalisten, daß Japans gegen-
wärtige Streitkräfte nicht einmal (!) in der Lage sein werden,
das Land "selbst" zu verteidigen, trifft durchaus den Kern des
westlichen Interesses. Es sind die USA, die ihren eigenen
"Entmilitarisierungsbeschluß" rückgängig machen und Militarisie-
rung "anraten".
Der scheidende US-Außenminister sieht eine Steigerung des Rü-
stungshaushaltes um 10% als "absolutes Minimum" an und mußte sich
darauf den vernichtenden "Vorwurf gefallen lassen, daß eine
"derart spezifische (!) Forderung an Einmischung in innere Ange-
legenheiten Japans grenze (!)". 'Aber ja doch', mußte sich H.
Brown gedacht haben, als er die amerikanische Forderung in der
Öffentlichkeit wiederholte.
Es ist nun einmal beschlossene Sache der USA im Rahmen ihres glo-
balen militärischen Aufbaus, einen Teil der faux frais in der
"Verteidigung" der südasiatischen Region - mit einem deutlichen
"Hinweis" auf die Höhe der japanischen Exportquote in die USA -
den Japanern aufzuhalsen. Die Japaner sollen als wachsende Mili-
tärmacht in diesem Gebiet kleinere Ordnungsaufgaben übernehmen.
Daß sie darin einen zusätzlichen Stachel gegen die Russen bilden,
ist eh klar.
Die Japaner ihrerseits können bisher für derartige Pläne "wenig
Verständnis" aufbringen, da keine Rede davon sein kann, damit für
sich neue Souveränität zu gewinnen:
"Allerdings herrschte in Tokio Verlegenheit über den Charakter
eines verstärkten japanischen Engagements in Südostasien, wenn
man von Japan mehr als eine wirtschaftliche Rolle erwarte."
(Pohl, S. 158)
Japan ist schließlich unter amerikanischem Patronat ganz gut ge-
fahren, und vermehrte Ausgaben für vermehrte Rüstungsanstrengun-
gen stellen bei dem kostenaufwendigen Charakter von Nippons Öko-
nomie eine empfindliche Beschränkung dar:
"In Tokio spricht man allerdings nicht gern darüber, daß dieser
Pazifismus ein Luxus ist, den man sich nur leisten kann, weil
eine wirksame amerikanische Abschreckung existiert." (ebd., S.
158)
Das wußte allerdings Carter auch, weshalb er es nicht bei einem
Anraten beließ und durch "Abzug von US-Bodentruppen aus Südkorea"
eine kleine, aber wirksame "Geste" machte:
"Die mit dem Abzug der US-Truppen einhergehende Stärkung der süd-
koreanischen Streitkräfte ist ein Element der Beunruhigung in To-
kio."
"Es mußte Japan schon jetzt irritieren, daß der südkoreanische
Nachbar seine Stärke dann auch in Verhandlungen mit Japan poli-
tisch wirksam werden lassen könnte." (ebd., S. 136)
Der Forderung nach einer Beteiligung an den gewaltigen Rüstungen,
mit denen Amerika unter Benutzung des gesamten Westens die SU in
die Knie zwingen will, wird sich Japan also auch im wohlverstan-
denen Eigeninteresse nicht grundsätzlich widersetzen können. So
sind eben die "Regeln der Weltwirtschaftsordnung".
Bild ansehen
Der Weg nach oben
zurück