Quelle: Archiv MG - ASIEN INDIEN - Die volkreichste Demokratie
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Bochumer Hochschulzeitung, 18.12.1984
Wochenschau
DER GAU IN BHOPAL
Irgendwann, so haben alle Öko-Propheten und Grünen-Politiker im-
mer schon gewußt, irgendwann kommt's einmal zu einer Riesenkata-
strophe. Jetzt ist sie passiert, mit vorläufig garantiert 2000
Toten, zehntausenden Vergifteten und menschlichem Massenelend,
soviel man will. Und doch haben es die Nachrichten aus Nordindien
zumindest in der seriösen Presse kaum geschafft, von der Rubrik
"Vermischtes" auf die vorderen Titel zu dringen. Denn erstens ge-
schah das Malheur in Indien, wo ohnehin auch ohne Chemieunfall so
massenhaft krepiert wird, daß es auf die paar Hundert auch nicht
groß ankommt. Zweitens passierte die Panne in Indien, einem Ent-
wicklungsland, wo sowieso klar ist, daß man es da mit Sicher-
heitsbestimmungen nicht so genau nimmt. Drittens kann so etwas
nur in Indien vorkommen und nicht bei uns in Deutschland, wo die
gesamte Branche, die mit demselben Giftzeug ihr Geschäft macht,
versichert, daß es bestenfalls theoretisch denkbar, aber prak-
tisch völlig ausgeschlossen ist. Und viertens schließlich ist die
Zweigstelle der US-Firma Union Carbide in Indien betroffen und
nicht die Filialen in den USA, Großbritannien und anderen zivili-
sierten Staaten, die dennoch vorsorglich einstweilen die Produk-
tion eingestellt haben. Den Berichten aus Indien schließlich ent-
nehmen wir eine gehörige Portion Mitschuld der Vergasten. Erstens
wußten sie gar nicht, was die Fabrik herstellt. "Die meisten
glaubten, es seien Medikamente." Zweitens siedelten sich über
40.000 Pauper hartnäckig in den Slums um die Fabrik an (einem
herrenlosen Gebiet, weil darauf keiner mit Geld wohnen wollte),
obwohl "wir ihnen immer wieder sagten, daß das gefährlich ist"
(der Bürgermeister von Bhopal). Drittens schließlich hätte jeder-
mann gewarnt sein können: "In den vier Jahren seit Bestehen der
Fabrik gab es bei Giftunfällen über 30 tote Arbeiter." Wenn die
Leute so scharf sind auf einen Arbeitsplatz bzw. einen mietfreien
Slumbauplatz... Inzwischen hat sich Union Carbide bereit erklärt,
der Forderung der indischen Regierung zu entsprechen und Entschä-
digungen zu bezahlen. Der US-Konzern braucht sich dabei nur an
den gültigen Tarif für einen Toten halten, den Radschiw Gandhi
festgesetzt hat, nachdem der losgehetzte Mob ein paar Tausend
Sikhs zur Leichenfeier für Indira massakrierte: 1200 für einen
ganz Toten und für Verletzte zwischen 400 und 800 Mark. Jackson
Browning, S i c h e r h e i t s d i r e k t o r von Union Car-
bide, hat denn auch schon drei Tage nach dem "Unglück" angekün-
digt, das Werk in Bhopal werde weiterarbeiten, wenn die Ursachen
für das Entweichen von Gas festgestellt und behoben seien. Bei
den Zweigstellen in USA könne es eventuell etwas länger dauern...
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