Quelle: Archiv MG - ASIEN INDIEN - Die volkreichste Demokratie
zurück
Marxistische Studentenzeitung 12/83
Die Freiheit stiftet Ordnung
WELTWEIT UNTERWEGS IN SACHEN FRIEDEN
Politikerreisen in Vorkriegszeiten haben entweder den Charakter
von Truppeninspektionen, wenn sie Freunde heimsuchen, oder erin-
nern an Erkundungsmissionen hinter den feindlichen Linien, wenn
die Sendboten des Frontstaats BRD im Zeichen der Raketenstatio-
nierung "Ostkontakte pflegen".
Lauter F r e u n d e von "uns", wie zu hören war, hat der
Kanzler in Fernost
------------------
besucht. Zuerst die J a p a n e r. Das erste Thema, über das
verhandelt wurde, galt natürlich wieder einmal den leidigen Han-
delsbilanzdefiziten zu Ungunsten von BRD und EG beim Geschäft mit
Japan. Kohl, der in Tokio als selbsternannter "Pflichtverteidiger
japanischer Interessen in Europa" auftrat, wartete zunächst ein-
mal mit der Drohung "unvernünftiger" EG-Partner auf, die angeb-
lich immer nach Protektionismus zur Beschränkung japanischer Han-
delserfolge rufen. Der deutsche Kanzler ganz freundschaftlich-
selbstlos:
"Das Problem der japanischen Handelsüberschüsse muß durch eine
Steigerung der japanischen Importe gelöst werden."
Sichergestellt wurde auch noch einmal der Beitrag der BRD gegen
die fernöstliche Konkurrenz:
"Die Deutschen sind nicht out und haben nicht abgedankt. Also,
Sie können und dürfen mit uns rechnen, auch mit unserer Konkur-
renz."
Eine nette, kleine Handelskriegserklärung, die der Kanzler noch
extra für den Gegner und als Forderung ans eigene Arbeitsvolk
verdolmetscht:
"Meine eigenen Landsleute sollten über die Tüchtigkeit der Japa-
ner nicht klagen, sondern es ihnen gleichtun!"
So wird mittels friedlichen Wettbewerbs zwischen Opel-, Siemens-
und Werftarbeitern und ihren japanischen Klassenbrüdern jenen das
Feindbild von den gelben Arbeitsplatzkillern erhalten und
zugleich auf E i n m ü t i g k e i t zwischen den beiden Regie-
rungen Wert gelegt. Diese beruht gemäß der Tokioter Erklärung
beider Staatschefs darin, daß die wechselseitige Benutzung der
eigenen Wirtschaftsmacht nicht zur politischen Feindschaft ausar-
ten darf. Eine Einmütigkeit, die um so notwendiger ist, weil Ja-
pan und die BRD ein gemeinsames S i c h e r h e i t s i n-
t e r e s s e haben, dem der Hauptteil des Staatsbesuches galt.
Die beiden westlichen Frontstaaten eint nämlich ein höheres
Schicksal: "Eine gemeinsame schwere Vergangenheit", ein
verlorener Krieg gegen den Rest der Welt und "eine gemeinsame
Zukunft" mit dem Rest der Welt gegen den gemeinsamen Feind. Eine
neue Achse zwischen Deutschland und Japan wird durch den Umstand
geschmiedet, daß die sowjetische Grenze einen westlichen und
einen östlichen Streckenabschnitt besitzt, den die alten
Weltkriegsverlierer auf beiden Seiten besetzt halten. "Mit der
Dislozierung von sowjetischen SS-20-Mittelstreckenraketen hat in
den vergangenen Jahren die Bedrohung eine neue Qualität erhal-
ten", aus der jetzt eine ganz eigene Verantwortung der Bundesre-
publik für Japan erwächst: Sollte nämlich Kohls unbedingtem Wil-
len zur Abrüstung - der Sowjetunion - nachgegeben werden, schon
ist Gefahr in Verzug - für Japan.
"Aber wir sind nicht bereit zu einem Verhandlungsergebnis zu je-
dem Preis... Und ich füge klar und deutlich hinzu: auch nicht zu
Lasten unserer japanischen Freunde und unserer übrigen Freunde in
Ostasien. Wir wollen eine drastische Verminderung der Bedrohung.
Aber es ist völlig ausgeschlossen, daß wir einer Verlagerung der
Bedrohung von Westeuropa nach Ostasien zustimmen werden. Friede
und Sicherheit in der heutigen Wett sind unteilbar, deshalb ist
es undenkbar, daß unsere Sicherheit auf Kosten der japanischen
Sicherheit geht."
Logische Folge: Aufrüstung hier wie dort ist angebracht. Egal,
wie die Genfer Verhandlungen ausgehen: Dem "eurostrategischen
Gleichgewicht" muß ein o s t a s i a t i s c h e s entsprechen.
Und das folgt zwingend aus der japanischen Vergangenheit.
"Die Namen Hiroshima und Nagasaki stehen für uns als ver-
pflichtende Mahnungen zum Frieden... Mit tiefer Besorgnis sehen
wir den über Vietnam in den Pazifik ausgreifenden Expansionismus,
die Unterjochung des afghanischen und die Unterdrückung des Frei-
heitswillens des polnischen Volkes. Wir erkennen in diesen Kri-
senherden nicht nur das Unglück anderer Völker, sondern die ei-
gene Bedrohung... SS 20..."
Es ist also keineswegs makaber, in Japan mit dem Namen Hiroshima
das gemeinsame Aufrüstungsprogramm hochleben zu lassen. Schließ-
lich haben die alten Friedenswaffen Japan an die Seite der Macht
gebombt, die beiden Kriegsverlierern eine Karriere im Bündnis er-
öffnet hat, mit der verglichen sich die alten Weltherrschaftsab-
sichten bescheiden ausnehmen. Daher lassen sich heute beide von
ihrer Vergangenheit zu einem e r f o l g r e i c h e n Kriegs-
programm "mahnen" und definieren ihre Bedrohung am Maßstab der
eigenen Vorhaben. Die Gefahr für die Inseln besteht nach Kohl
heute darin, bei der Aufrüstung der westlichen Front nicht ent-
sprechend mitzuhalten. Hierbei kommt der japanischen Rüstung eine
Aufgabe zu, mit deren Erfüllung sie ihrem verfassungsgemäßen Ti-
tel "Selbstverteidigungsstreitkräfte" in ganz neuen Dimensionen
nachkommen kann.
Die gemeinsame Willenserklärung, "die Weltwirtschaft zu beleben"
und die Kritik des Kanzlers, "daß Japan bislang Großaufträge an
die Vereinigten Staaten vergibt", sollte dann wohl auch zu ein
paar Großaufträgen an deutsche Waffenschmieden führen. Kleinlich
war also die Kritik von Grünen und Friedensbewegten, daß Kohl ab-
schließend ein Goethe-Institut eingeweiht hat, statt Hiroshima zu
besuchen. In den Lehren, die sie aus Hiroshima ziehen wollen, wa-
ren sich Kohl und sein neuer Freund "Yasu" schließlich einig.
Die Grünen im Osten...
----------------------
Während der Kanzler in Japan die erforderlichen Leistungen für
Frieden und Freiheit erörterte, nahm sich seine grüne Opposition
desselben Programms in Moskau an: Einseitige Abrüstung und Men-
schenrechte, also die freiwillige Entwaffnung und die offizielle
Erklärung, daß die Volksdemokratie, gemessen an den Idealen der
westlichen, nichts taugt - damit wären die Grünen zufrieden gewe-
sen und hätten im Austausch der Sowjetunion eine gesicherte Zu-
kunft garantiert.
Dasselbe ein paar Tage später i n O s t b e r l i n: eine in-
nerdeutsche Wunschliste mit Abrüstung, Senkung des Minde-
stumtauschs, Reiseerleichterungen, Erlaubnis für Fahrradtouren in
die DDR, Umweltschutz und 24 Häftlingen und als Gegengeschenk ein
"persönlicher Friedensvertrag" auf grüner Pappe. Eine Freilassung
war Honecker die gute Meinung der Grünen auch wert, aber zufrie-
denstellen lassen sich dadurch die Grünen ebensowenig wie die of-
fizielle Bonner Politik. Eine später angesetzte Demonstration
wurde unterbunden, weil der andere deutsche Staat westliche Pro-
teste auf seinem Territorium gegen die Waffen seiner Schutzmacht
nicht schätzt. Die Manöverkritik der Grünen:
"Selbst die sogenannten Aktionen sind kein Erfolg gewesen. Prak-
tisch mit Erlaubnis der sowjetischen Behörden haben wir einige
Zeit auf dem Roten Platz Plakate hochgehalten, sind mithin ins
Leere gelaufen. Und in Ostberlin haben wir lernen müssen, daß ein
freundliches Gesicht Honeckers beim Gespräch längst nicht bedeu-
tet, daß wenige Tage später auch dessen Polizei freundlich drein-
schaut."
Darin sind sie also sehr gelehrig, daß auch ihnen der Osten
nichts recht machen kann, ob er sie nun demonstrieren läßt oder
nicht. Gerade so war ihre Aktion sehr erfolgreich: Sie taugte zum
Beweis dafür, daß den freundlichen Worten drüben nicht zu trauen
ist, weil der "unfreiheitliche Charakter" sich nicht verleugnen
läßt. Als Beweis dafür also, daß man mit denen anders umspringen
muß.
...im Gefolge ihrer christdemokratischen Kollegen
-------------------------------------------------
Wie z.B. ihr Kollege Stoltenberg, der zur gleichen Zeit anläßlich
des Luther-Jahrs das SED-Politbüro-Mitglied Günter Mittag auf-
suchte. Ganz ohne die Luthersche Abneigung gegen die Zinsknecht-
schaft überbrachte er die Botschaft, daß die Bundesregierung auf
der Eintreibung der politischen Zinsen für die Vermittlung des
letzten Kredits besteht. Geldklemme oder Annahme des BRD-Diktats,
die DDR darf es sich aussuchen. Einen Teil der Antwort konnte der
Bundesfinanzminister gleich mit nach Hause bringen: Die DDR nimmt
die Raketenstationierung nicht zum Anlaß, die deutsch-deutschen
Geschäfte abzubrechen.
Mit demselben Programm: "Jetzt Ostkontakte pflegen" - also gerade
jetzt als neue Raketengroßmacht Interessenkonflikte ins feindli-
che Bündnis hineinzutragen und auszunützen - bewegten sich andere
CDU/CSUler nach Prag und Budapest. Den dortigen Herrschaften er-
klärte man, daß sie die "ungeschmälerte Erhaltung der Sicherheit
der Bundesrepublik" zu schlucken haben, wenn sie weiterhin mit
einer "aktiven deutschen Ostpolitik zum gegenseitigen Nutzen",
d.h. zur Abwendung größeren Schadens kalkulieren wollen. Während
den "Satelliten" nachdrücklich klargemacht wurde, daß sie auf
Protest gegen die deutsche Rüstung lieber gleich verzichten sol-
len, erkundete Todenhöfer in Moskau die sowjetischen Gegenmaßnah-
men. Welche Waffen die Sowjetunion aufzustellen gedenkt, welche
Modernisierungen sie beabsichtigt, zu welchem Zeitpunkt sie die
Gegenmaßnahmen ansetzt, das will man ja schließlich alles genau
wissen. Das läßt sich für die Propaganda daheim gut verwenden: 1.
rüstet die Sowjetunion ohnehin immer, 2. können ihre jetzigen
Maßnahmen daher nicht den moralischen Titel von Gegenmaßnahmen
beanspruchen, folglich ist 3. jede westliche "Gegenmaßnahme" nur
zu gerechtfertigt. Die Versicherung der sowjetischen Gespräch-
spartner, daß sie am allerwenigsten den Dialog mit dem Westen
einstellen wollten, brachte Todenhöfer auch noch mit zurück. Das
taugt auf jeden Fall für den Beweis, daß die Russen ihre eigenen
Angriffe auf die Nachrüstung so ernst gar nicht nehmen wie manche
ängstlichen Kreaturen hierzulande.
Dieselbe Mission brachte 2 Tage später Genschers Planungschef ins
sowjetische Außenministerium, wo er sich seinerseits die Gegen-
maßnahmen erklären ließ samt dem guten sowjetischen Willen, ir-
gendwie immer noch auf die Beziehungen zur BRD zu bauen. Auch die
BRD, versprach Seitz, will weiterhin Kontakt halten. "Nach Bonner
Vorstellung soll dabei jedoch mehr über allgemeine Grundsätze ge-
sprochen werden, statt über bestimmte Gebiete, was die Moskauer
Diplomaten gern gesehen hätten." (Frankfurter Allgemeine) Eine
Fortsetzung der Gespräche bei absoluter Kompromißlosigkeit des
Westens sieht dann eben so aus, daß sich die Sowjetunion auf al-
len Ebenen die Prinzipien vorhalten lassen darf, gegen die ihre
Existenz verstoßt. So hält man d i p l o m a t i s c h auch die
"verschärfte Lage" unter Kontrolle.
Vom gleichen Reiseziel kehrte kurz darauf eine Delegation der
Jungsozialisten unter Leitung des Vorsitzenden Rudolf Hartung mit
einer oppositionsgerechten Hiobsbotschaft zurück. Würde jetzt
stationiert, dann sei in Genf alles aus und in Sachen Ost-West-
Beziehungen breche die "Eiszeit" aus. D a g e g e n wollten die
SPD-Nachwuchspolitiker mit ihrem Moskau-Trip vorbeugend gewirkt
haben.
Genscher in Finnland
--------------------
Nach einer rundum gemeinschaltlichen Bekräftigung in Norwegen,
daß die Nachrüstung in Mitteleuropa und die konventionelle Aufrü-
stung in Nordeuropa unverzichtbar sind, erklärte Genscher den
Finnen, auf welche Seite sie dabei gehören:
"Eine Stationierung von Mittelstreckenraketen nach einem mögli-
chen Scheitern der Genfer Verhandlungen wird keine Beeinträchti-
gung der Sicherheitslage Finnlands und Schwedens zur Folge haben.
Dagegen wird ein Verzicht der Sowjetunion auf ihre Mittelstrec-
kenraketen die Sicherheit in allen Staaten Europas verbessern."
Das haben die neutralen im Norden sich zu merken, daß sie von der
SS 20 mit bedroht, von der Pershing mitbeschützt werden.
Im übrigen warnte der Außenminister davor, "die Politik auf Rake-
tenfragen zu reduzieren". Vor allem die für Januar in Helsinki
geplante "Konferenz über Vertrauensbildung und Abrüstung in Eu-
ropa" (KVAE) soll sich nämlich nach NATO-Auffassung nicht mit Ra-
ketenfragen belasten, damit die Sowjets das Forum nicht für ihre
"Propaganda mißbrauchen" können. Nach NATO-Auffassung hat es dort
ausschließlich um Vertrauen zu gehen, das die Sowjetunion her-
stellen soll. Ankündigung, Beobachtung und Nachprüfung militäri-
scher Aktionen in ganz Europa bis zum Ural braucht der Westen für
sein Vertrauen, während umgekehrt "die für Europa lebenswichtige
Seeverbindung zwischen den Vereinigten Staaten und dem Kontinent
sowie die Bewegungen der amerikanischen mobilen Einsatztruppe"
keinesfalls auf diese Konferenz gehören. Die finnischen Gastgeber
haben Verständnis dafür versprochen und auch Einsicht darin ge-
zeigt, daß die KVAE nicht durch den alten skandinavischen Vor-
schlag einer atomwaffenfreien Zone in Mitteleuropa gestört werden
soll. Dafür hat Genscher ihre Rolle als neutrale Vermittler ei-
gens gewürdigt - den Erfolg können sie sich zugutehalten, daß in
so schwierigen Zeiten der Gesprächsfaden nicht abreißt.
Derweil trifft
Kohl in Indonesien
------------------
ein. Aus der Vorausschau der "Frankfurter Allgemeinen": "Der Bun-
deskanzler wird in Indonesien einen wohlgeordneten asiatischen
Staat vorfinden."
Seit der Abschlachtung der Kommunisten 1967 haben die Militärs
alles fest im Griff inkl. der Bevölkerung Osttimors, von der im-
mer noch nicht genug umgebracht worden sind, um die Vorzüge der
Zugehörigkeit zu diesem wohlgeordneten Staat einsichtig zu ma-
chen. Im weiteren zeichnet sich Suhartos sauberes Staatswesen
durch eine "eigenständige Außenpolitik gegenüber Vietnam und Kam-
bodscha" aus, "eigenständig", weil als Scharfmacher im ASEAN-
Bündnis. Und drittens hat Suharto den Ölpreisverfall geradezu
staatsmännisch bewältigt: "den Gürtel enger geschnallt, die Ru-
piah abgewertet, Subventionen für Düngemittel und andere Produkte
gestrichen. Das war für die Bevölkerung, von der ein Teil immer
noch an der Armutsgrenze lebt, schmerzlich, scheint aber verstan-
den worden zu sein." Wie also nicht anders zu erwarten, "wird der
Bundeskanzler in Jakarta viel Freundlichkeit spüren. Die Bezie-
hungen sind wirklich gut und problemlos."
Dementsprechend hat es dem Kanzler dort auch gefallen. Er hat
sich den Honolulu-Blumenkranz vor den Bauch gehängt und seine
Friedensbotschaft passend für ein solch blitzsauberes Vorbildent-
wicklungsland abgefaßt. Klar, daß auch die Indonesier nichts so
verabscheuen wie Afghanistan, Kambodscha und Polen. Klar, daß da-
für gerüstet werden muß. Klar, daß deshalb Rüstungsfragen Indone-
sien unmittelbar angehen:
"Die Länder der Dritten Welt können mithelfen, dieses Ziel zu
verwirklichen, indem sie auch auf die Sowjetunion einwirken, sich
für eine solche gleichgewichtige und nachprüfbare Abrüstung auf-
geschlossen zu zeigen."
Dann nämlich, "dann würden wir starke Kräfte zur Bekämpfung von
Hunger, Not, Elend und Unterentwicklung auf der ganzen Welt frei-
setzen". So aber sind die Russen natürlich an der ganzen
"Unterentwicklung" schuld.
Die Nebenfront, den weltweiten Wirtschaftskrieg der BRD, hat der
Kanzler dabei nicht vergessen. Über Kredite ließe die Bundesre-
gierung auch jetzt mit sich reden, allerdings müßte sich auch In-
donesien "von der einseitigen Bindung an Japan frei machen"
(Boenisch). Das gebietet der faire Welthandel gegen die japani-
schen Freunde. Ein Zeichen guten Willens hat der Kanzler schon
mit zurückgebracht: Ob nicht deutsche Airbusse "Hunger, Not und
Elend" in Indonesien eher beseitigen als amerikanische Boeings,
haben unsere indonesischen Freunde zu prüfen versprochen.
Ganz so gesprächig zeigte sich der Kanzler nach seiner nächsten
Station
In Indien
---------
nicht. Zwar erklärte er auch dort als erstes seine Besorgnis über
die SS 20. Aber die indische Regierung wollte sich nun einmal
nicht von der SS 20 bedroht fühlen und gab statt dessen ihre Be-
sorgnis über die NATO-Rüstung sowie ein Lob für die sowjetischen
Abrüstungsvorschläge zu Protokoll. Schließlich lohnt es sich für
die Hauptmacht der Blockfreien immer noch, sich mit beiden Seiten
zu arrangieren. Daß die indischen Politiker daher nach wie vor
ihr Bekenntnis zur "Sinnlosigkeit von Militärblöcken" ablegen
wollten, trübt die Beziehungen aber auch nicht weiter. Zumal der
Kanzler eine ansehnliche Bestelliste für die Firmen Dornier,
Krauss-Maffei, MTU, MBB und Siemens entgegennahm. Auch wenn die
Inder das Zeug nicht wegen der sowjetischen Bedrohung einkaufen
-, daß sie es bei u n s einkaufen, ist Garantie genug, daß Waf-
fen bei den Indern nicht in falschen Händen sind.
BRD-Innenpolitik auf Grenada
----------------------------
Ärger im Kabinett erwartete den Kanzler dann zu Haus wegen eines
anderen Reiseunternehmens. Spranger, Staatssekretär im Innenmini-
sterium, war zu Besuch bei den amerikanischen Freunden zwecks Be-
ratungen über "Umweltschutz" und "Terrorismus", was ja irgendwie
dasselbe ist. Einigkeit erzielte er nach mehrtägigen Gesprächen
mit dem CIA und dem Nationalen Sicherheitsrat darüber, "daß der
kommunistische Einfluß auf die Friedensbewegung unter Kontrolle
gebracht werden muß" und "daß die Sowjetunion bei der Ausbreitung
des internationalen Terrorismus eine Schlüsselrolle spielt. Man
braucht daher eine politische Strategie, denn mit polizeilichen
Mitteln ist das Problem allein nicht zu lösen." Nur logisch also,
daß er sich von seinen CIA-Gastgebern als erster inoffizieller
Staatsbesuch ins frisch befreite Grenada einfliegen ließ, um sei-
nen Polizeiverstand an den dortigen toten und lebenden Beweisen
für den internationalen Terrorismus zu schulen. Kubaner hat er
vorgefunden und Waffenlager; beides nach einem armseligen und
völlig aussichtslosen Versuch, sich zu verteidigen - B e w e i-
s e für das G e g e n t e i l: "Waffenlager, die jedes legiti-
me Verteidigungsbedürfnis weit übersteigen." Daß noch der alt-
modischste Vorderlader gegen eine US-Armee "illegitim" ist, weiß
Herr Spranger eben, wahrscheinlich aufgrund seiner innen-
politischen Vorstudien über die Gewalttätigkeit von Kapuzen und
Ölmänteln.
Den Ärger gab es, weil sich Kompetenzstreitigkeiten zwischen Zim-
mermann- und Genscherleuten nicht gehören. Sie könnten nämlich
dem Kanzler als Führungsschwäche ausgelegt werden, und wo käme
eine so sensible und weltweit für Gewaltlosigkeit streitende De-
mokratie hin, wenn das Vertrauen in die Führungskraft der ob er-
sten Figur verlorenginge. Währenddessen reisten schon wieder die
nächsten in Wirtschaftsfragen,
Lambsdorff nach Moskau und Strauß in die Republik Südafrika
-----------------------------------------------------------
Während Lambsdorff die Tagung der deutsch-sowjetischen Wirt-
schaftskommission wegen der sowjetischen Rüstung mit einem häßli-
chen Ton einleiten mußte -
"Mit großer Betroffenheit hat die Bundesregierung die angekün-
digte Raketenstationierung in der DDR und der Tschechoslowakei
zur Kenntnis genommen. Sie hält dies für eine gefährliche Eskala-
tion" -,
absolvierte Strauß ein reines, rundum ersprießliches Festprogramm
und weihte ein neu erweitertes BMW-Werk ein. Während Lambsdorff
gleich dem gefährlichen sowjetischen Ansinnen entgegentreten
mußte, die BRD mit wirtschaftlichen Bestechungen von ihrem Frei-
heitswillen abzubringen, konnte Strauß allen Beteiligten in Süd-
afrika nur Glück wünschen zu ihrer prosperierenden Wirtschaft:
"Die wirtschaftliche Entwicklung und der allgemeine Aufschwung,
die dieses Land erlebt hat, müssen weitergeführt werden zum Nut-
zen für alle rassischen Elemente, nicht nur die Weißen, sondern
auch die Mischlinge und die schwarze Bevölkerung."
Nichts ist den Schwarzen zuträglicher als ein funkelnagelneues
BMW-Werk, ausgestattet mit dem Menschenrecht, für einen starken
Partner der Freien Welt und deutschen Profit verheizt zu werden.
Als gute Landesväter sollen sich die südafrikanischen Kollegen
nicht von der superdemokratischen Mäkelei an ihrer Apartheid ver-
drießen lassen, rät Strauß.
"Die Erhaltung der Leistungsfähigkeit Südafrikas ist mit einer
schwarzen Regierung, ist mit einer schwarzen Mehrheitsregierung
nach dem Prinzip 'one man, one vote' unvereinbar."
Was sich wiederum aus dem roten Arbeitssklaven an neuen Geschäf-
ten herausschlagen läßt, verhandelten Lambsdorff, Wolff von Ame-
rongen, Beitz und Oetker als echte Demokraten: "Überdimen-
sionierte Großprojekte" hielten sie aufgrund der unsicheren
Zukunft des sowjetischen Imperiums nicht für rentabel. Auch die
hoffnungsvolle sowjetische Adresse an die deutsche Un-
ternehmerwelt als mächtige Friedenslobby hat der Wirtschaftsmini-
ster zum krönenden Abschluß höchstpersönlich zurückgewiesen. 1.
hat sich eine solche Friedensinitiative bei ihm noch nicht vorge-
stellt, und 2., wenn es sie gäbe, ließe sich die Bundesregierung
auch nicht von ihren Lieblingsbürgern in ihr Geschäft pfuschen.
Im übrigen steht er mit den Herren auf bestem Fuße: die seien ge-
rade so mit ihrer Bundesregierung zufrieden.
Wer in der Welt neben dem einen unbelehrbaren Feind nur noch
Freunde hat, erhält auch viel Besuch. Der
Ägyptische Verteidigungsminister
--------------------------------
z.B. besichtigte Bundeswehrübungen, Werften und andere Waffenfa-
briken. Die Aufnahme einer militärpolitischen Zusammenarbeit wie
mit Saudi-Arabien wurde ebenso dementiert wie aktuelle Waffen-
käufe. Beide Abteilungen werden ja zur Zeit zwischen Ägypten und
den USA bestens geregelt. Aber was nicht ist, kann noch werden.
Deutsche Waffen interessierten Ausländern vorführen, schadet nie.
Zwei Pannen gab es bei den Besuchen, von denen die eine den deut-
schen Bürgern zur Freude, die andere zum Ärger gereichen sollte.
Der
König von Tonga
---------------
soll sich im Münchner Hilton überfressen haben, so daß ein Besuch
im KZ Dachau ausfallen mußte. "BamS" berichtete: "Drei Fi-
letsteaks, drei Portionen Ofenkartoffeln, drei Portionen Broc-
coli. Dazu: zehn Pils. Alles nur für sich allein." Die betref-
fende Person ist König über 170 Inseln in der Südsee, die seit
Bismarcks Zeiten Deutschland lieben und bei denen es sonst auf
nichts ankommt. Daher darf der dicke König auch gerne zu uns auf
Vergnügungsreise kommen und wird dem Volk als Zoologikum liebens-
werter Natur vorgezeigt. Das mit Dachau kann dann ruhig entfal-
len. Nicht entfallen darf hingegen ein Besuch an der Mauer. Die
Weigerung einer Parlamentarierdelegation aus Griechenland, das
Bauwerk zu betrachten, hat die Nation, bzw. ihre politischen Sit-
tenwächter in Aufruhr versetzt. Staatsminister Mertes hat den
Griechen den entsprechenden Anstandsunterricht erteilt:
"Die Berliner Mauer ist ein unnatürliches" (wohl im Gegensatz zu
organisch gewachsenen Grenzen) "und anarchistisches" (im Gegen-
satz zu gemeinschaftsgewollten Grenzen) "Bauwerk, das die leid-
volle Spaltung für die beteiligten Menschen zum Ausdruck bringt.
Vor dieser Realität im Herzen Europas darf man nicht die Augen
verschließen."
Wenn es sie nicht gäbe, müßten die Bonner Politiker die Mauer
selber bauen. Ein so ausgezeichnetes Instrument zur Prüfung der
Unterwürfigkeit zweitklassiger Staatsbesucher gibt es nicht noch
einmal.
Frau Thatcher
-------------
die das dahinterliegende freie Berlin eigenhändig mitverteidigt,
braucht selbstverständlich nicht jedesmal hin: Sie bekräftigte in
Bonn zusammen mit Kohl den Stationierungswillen sowie das Vorha-
ben: "Jetzt geht es darum, in die Zukunft zu schauen." Deshalb,
weil Kohl ihr dabei half, die Verärgerung über die mangelnde Be-
rücksichtigung der europäischen Kompetenz bezüglich Grenada zu-
rückzustellen. Daher stand auch nicht Grenada zur Debatte, son-
dern "die Verbesserung von Konsultationsmechanismen im Bündnis".
Damit hatten die europäischen Herrschaften auf die ihnen gebüh-
rende Rolle bei der Überwachung des Weltfriedens hingewiesen. Und
der Blick "in die Zukunft" stellte das Einvernehmen wieder her:
"Grenada besitzt nun eine neue Chance, zur Demokratie zurückzu-
kehren".
Die erwünschte Berücksichtigung erfuhren Kohl und Thatcher ge-
meinschaftlich von seiten der nächsten Besucher, der
US-Politiker Dam und Burt
-------------------------
Erstens "sei Washington enttäuscht über die voreiligen und nega-
tiven Urteile, die man eilends abgegeben habe, statt sich erst
einmal die Argumente und die Rechtspositionen der Vereinigten
Staaten anzuhören." (Süddeutsche Zeitung) Zweitens wurden Kohl
und Thatcher dann ausführlichst mit allen zwischenzeitlich er-
stellten Dokumenten bekannt gemacht. Damit sind sie in allen Eh-
ren konsultiert worden und können die Unsinnigkeit jeglicher Kri-
tik an der US-Invasion mit lauter bestürzenden "Erkenntnissen"
vertreten. Drittens untermauerten die amerikanischen Besucher den
Stationierungswillen ihrer europäischen Partner durch alleraller-
letzte amerikanische Vorschläge. Dam übermittelte eine Botschaft
seines Präsidenten, "keinen Stein im Spiel unberührt zu lassen,
damit man später sagen kann: Wir haben alles versucht." Und dar-
auf kommt es schließlich an.
zurück