Quelle: Archiv MG - ASIEN CHINA - Wie tot ist Mao?
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Bochumer Hochschulzeitung, 17.10.1984
Kohl in China
DIE FREUNDE VON DER "GELBEN GEFAHR"
Es gibt also doch Bedingungen, unter denen ein christlicher Ge-
mütsmensch, demokratischer Machthaber und antikommunistischer
Frontstaatschef mit einem nationalkommunistischen 'Regime' seinen
Frieden machen kann; Bedingungen, unter denen er sogar Vorhaben
besagten 'Regimes' fördert. Die chinesische Regierung mußte nur
- "besondere Investitionschancen in den vor kurzem geöffneten Kü-
stenstädten" (FAZ) schaffen und eine Veränderung der
"chinesischen Rechtsordnung" einleiten, durch die der chinesische
Staat ausländischen Kapitalisten dieselbe Macht verleiht, die sie
zu Hause haben: den Gebrauch ihres Eigentums an Produktionsmit-
teln, also die Benutzung der gelben Arbeitskraft nach kapitali-
stischem Kalkül zuzüglich freier Verwendung des von dieser ge-
schaffenen Reichtums als Anspruchstitel auf weitere profitliche
Benutzung von Leuten und Land in China und der ganzen Welt (FAZ:
"ganz normaler Devisen- und Dividendentransfer"). Die Chinakommu-
nisten mußten nur glaubhaft machen, daß unter dem nationalen
Stichwort "Modernisierung" der chinesische Staatsreichtum Kauf-
kraft für deutsche Autofabriken, freiheitliche Maschinen und
christliche Raketen darstellt, daß chinesische Staatsschulden
nach Umfang und Kreditkonditionen ein Bombengeschäft für deutsche
Banken werden und daß die kümmerliche Kaufkraft der chinesischen
Massen von deutschen Groß- und Mittelbetrieben mit 1 Milliarde
multipliziert und auf deren DM-Konten gesammelt werden darf.
Schon kam im Gefolge des Kanzlers die Elite westdeutscher Ban-
kiers und Industriekapitäne angeflogen, handelte Sondervorteile
gegen Amis und Japaner heraus und unterschrieb Abkommen, daß dem
Kanzler das Herz im Leibe lachte. VW schloß einen Vertrag über
den Aufbau eines VW-Werkes bei Shanghai ab. Der "internationale
VW-Verbund" (FAZ) verfügt damit über eine chinesische Filiale,
wofür ihm China die Hälfte des dazu nötigen Kapitals zur Verfü-
gung stellt, ein Monopol auf den dortigen Markt zusichert und ein
"Standbein in Asien" (FAZ) verschafft: unter Mitleitung eines
chinesischen Managing directors und eines chinesischen Personal-
chefs will VW demnächst nicht nur 20 000 Santanas für China her-
stellen, sondern 100 000 Motoren jährlich auf den fernöstlichen
Markt werfen. Schon konnte sich der Entwicklungsminister Warnke,
ebenfalls von Kohl mitgebracht, nicht mehr zurückhalten und spen-
dierte für die nächsten 5 Jahre 85 Millionen DM Entwicklungshilfe
"zur Förderung kleinerer Projekte deutscher Firmen in China"
(FAZ). Das freute den friedliebenden Kanzler, der befand, daß die
Deutschen "beim Umsatz von grauen Zellen den Japanern weit über-
legen" seien (Kohl in der FR). Nur die SPD mußte über die
"skandalöse Neuheit" meckern, "daß Kohl einen solchen Betrag für
bilaterale finanzielle Zusammenarbeit zusage ohne die geringsten
Vorstellungen darüber, was mit dem Geld gemacht werden solle"
(FR). Abgesehen von der Übertreibung, die der Opposition indessen
wohl zusteht, sind die Demokraten sich also einig: wenn deutsches
Geld für "Zusammenarbeit", dann kann die Unterordnung des Part-
ners unter das deutsche Interesse gar nicht perfekt genug gere-
gelt sein.
- Die chinesische Regierung mußte nur in der "deutschen Frage"
den Schulterschluß von 1 Milliarde Chinesen an der sowjetischen
Ostfront mit dem NATO-Frontstaat BRD an der Westfront des War-
schauer Pakts vollziehen. Sie brauchte bloß den westdeutschen
Standpunkt zu unterschreiben, daß ohne die Beendigung der realso-
zialistischen Souveränität der DDR, Polens, der SU usw. Frieden
in Europa nicht möglich sei - welche Unterschrift der chinesische
Parteichef Hu Jao-pang schon vor zwei Jahren in Bonn persönlich
ablieferte -, schon erwies der Kanzler China die Ehre, die bun-
desdeutsche Version des NATO-Kriegsprogramms höchstpersönlich in
Peking vorzutragen und damit zur Bekräftigung der antisowjeti-
schen Einigkeit von freiem Westen und fernem Osten aufzufordern:
"Wirklich Frieden gibt es nur, wenn die Deutschen ihre Chance für
die Selbstbestimmung bekommen." Es reichte völlig aus, daß die
Chinesenchefs beteuerten, "der chinesische Standpunkt zur deut-
schen Wiedervereinigung sei unverändert positiv" (FAZ). Ohne wei-
teres erlaubte Kohl den Chinesen den eigenständigen Zungenschlag,
sie betrachteten "die deutsche Frage als eine offene, historisch
geprägte, die nicht auf der Tagesordnung der Weltpolitik stehe".
Die weltpolitische Tagesordnung, der diese diplomatische Sprach-
regelung sich verdankt, wurde in Peking als offenes Geheimnis ge-
handelt. Die Chinesen nehmen mit diplomatischen Scheindistanzie-
rungen Rücksicht auf ihre guten Beziehungen zu Rumänien und ande-
ren "Satelliten" der SU, denen sie (hier wieder in bruchloser
Übereinstimmung mit der BRD) das chinesische Modell der Kriegs-
vermeidung einladend vorführen: aus eigener Kraft vom Bünd-
nispartner der SU zum antisowjetischen Entwicklungsland des Impe-
rialismus. So einfach ist die Bedingung für Frieden mit der NATO.
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