Quelle: Archiv MG - ASIEN CHINA - Wie tot ist Mao?
zurück
Marxistische Studentenzeitung 4/89
DAS CHRISTLICHE ABENDLAND SORGT SICH UM DIE VOLKSREPUBLIK CHINA
Früher:
-------
"Es war höchste Zeit, daß Deng kam... die Volkskommunen aufge-
löst, die Bauern auf Privatgrund produzierend, die städtischen
Märkte gefüllt mit Lebensmitteln und Konsumgütern jeder Art: Mao-
Nachfolger Deng Xiaoping hat seinem Land eine kapitalistische Re-
volution beschert, deren Früchte sein Volk begeistert genießt.
Und die Partei läßt es geschehen... Aus den berüchtigten blauen
Ameisen sind von außen identifizierbare Individuen geworden...
Der Realist Deng hat den Chinesen aber auch wiedergegeben, was
ihnen das Wichtigste im Dasein war: die kleinen Freuden."
(Spiegel, 15.10.84)
*
"Deng setzte Zhao als Generalverwalter der Partei ein, und seine
Absicht ging auf, Chinas Partei hatte nichts nötiger als einen
nüchternen Manager, um aus der verfahrenen Situation nach Hu Yao-
bangs Abgang wieder herauszukommen... Daß Deng die anderen Alten
dazu brachte, diesem Übergang zuzustimmen, zeigte abermals, über
welche Autorität aber auch über welch taktisches Geschick dieser
Spitzenpolitiker verfügt... " (FR, 3.11.87)
*
"Der 59jährige Li Peng, ein in der Sowjetunion ausgebildeter
Kraftwerksingenieur, ist der erste chinesische Regierungschef,
der sich für seine steile Karriere neben politischer Protektion
durch eine solide akademische Ausbildung und seine auch westliche
Experten beeindruckende fachliche Qualifikation empfahl. Als Vi-
zepremier (seit 1983) hatte er maßgeblichen Anteil an der Er-
schließung moderner Technologien für die Volksrepublik. Bei aus-
gedehnten Auslandsreisen sowie in Peking war er der wichtigste
Gesprächspartner westlicher Lieferländer in Verhandlungen über
Großprojekte in den Bereichen Energie, Transport und Rohstoffver-
sorgung." (SZ, November 87)
*
"Die Gegner (des ehrgeizigen Wirtschaftsreformprogramms von Deng)
sind einflußreich: 1983 setzten sie eine der typisch maoistischen
Massenkampagnen, gegen geistige Verschmutzungen" (angeblich durch
die Kontakte mit dem Ausland) und 1987 eine solche "gegen die
bürgerliche Liberalisierung" (angeblich in der Gesellschaft als
Folge der neuen Wirtschaftsfreiheiten) "durch." (SZ, 31.8.88)
*
"Deng hat an die Chinesen eine fürwahr revolutionäre kapitalisti-
sche Losung ausgegeben sich zu bereichern... Das neue Klima hebt
die Arbeitsmoral... Wer sich nicht anstrengt, riskiert seinen
Job..." (Spiegel, 15.10.1989)
*
"Deng ist einer der bedeutendsten Staatsmänner des 20. Jahrhun-
derts." (Helmut Schmidt / Franz-Josef Strauß)
Heute:
======
"Deng Xiaoping stützt sich nur noch auf Gewalt. Das letzte Ge-
fecht des Menschenverächters... Deng hatte nach seinem eigenen
Gesetz gehandelt, in dem die geistigen Bedürfnisse des Volkes
nicht vorgesehen waren - das Weltbild eines Kommunisten aus der
Stalin - und Mao-Schule... Dengs Marsch durch die Partei war von
Skrupeln nie behindert gewesen... Öffnung zum Ausland... Der Er-
folg macht zeitweilig vergessen, daß Deng die fundamentalen Neue-
rungen nur eingeführt hatte, um die Macht der Partei zu bewahren,
die auch seine Macht war... Deng... ist... in Wahrheit immer ein
Menschenverächter gewesen, dem sein Lehrer Mao die Richtung ge-
wiesen hatte." (Spiegel, 12.6.89)
*
"Nach dem am Freitag erfolgten ersten öffentlichen Auftritt Deng
Xiaopings seit dem Massaker durch das Militär... gab es... keinen
Zweifel mehr, daß der 84jährige Deng und Staatschef Yang Shanghun
sowie Ministerpräsident Li Peng und mit ihnen eine Gruppe von
Parteiveteranen die Kontrolle über das Militär fest in Händen
hielten... Geschlossenheit der aus 'Hardlinern' bestehenden Füh-
rung...". (SZ, 12.6.89)
"Deng hinterläßt die Blutspur eines Dschingis Khan des zwanzig-
sten Jahrhunderts" (FR, 6.6.89)
*
"Von den Aktiven hatte Deng den Premier Li Peng auf seiner Seite.
Er hatte sein Studium als Elektroingenieur in der Sowjetunion der
Stalin-Zeit absolviert..." (Spiegel, 12.6.89)
"Als Exponent dieser radikal-konservativen Politik zeigte sich
Ministerpräsident Li Peng am Donnerstag zum ersten Mal nach der
brutalen Niederschlagung der Massenbewegung in Peking der Öffent-
lichkeit und dankte den Truppen für ihren Einsatz..." (SZ,
9.6.89)...
"Terror als Arbeit - solches hatte schon Hitlers SS rapportiert."
(Spiegel, 12.6.89)
*
"Wider das Begehren des Volks nach Demokratie veranstaltete Deng
Kampagnen gegen 'geistige Verschmutzung', 'bürgerliche Liberali-
sierung' und 'Verwestlichung'". (Spiegel, 12.6.89)
*
"Er war immer ein skrupelloser Bürokrat, der dem alten Denken
verpflichtet blieb." (Antje Vollmer, FR 6.6.89)
*
"Außerdem führt eine Marktwirtschaft zur Unzufriedenheit: Einer
muß gewinnen, einer muß verlieren." (Henry Kissinger in "Welt am
Sonntag", 4.6.1989)
So sind sie, die Chinesen - mal so, mal ganz anders. Gott sei
Dank bleiben wenigstens unsere demokratische Öffentlichkeit und
unsere Politiker ihren Maßstäben treu: Sonst wüßten wir als auf-
geklärte Westler überhaupt nicht, ob wir die im fernen Osten ge-
rade für gut - weil "Öffnung nach Westen" - oder für abgrundtief
böse - weil "ewiggestrige Kommunisten" - halten müssen.
zurück