Quelle: Archiv MG - ASIEN AFGHANISTAN - Vom heiligen Krieg des Westens


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       Marxistische Schulzeitung, 18.02.1987
       
       Die NATO beschließt
       

DER KRIEG IN AFGHANISTAN GEHT WEITER

Die Sowjetunion will den Krieg in Afghanistan beenden. Ihre jah- relangen Bemühungen um eine Konferenz zur "friedlichen Beilegung des Afghanistan-Konflikts" sind am hartnäckigen Widerstand des Westens gescheitert. Im Januar hat jetzt die afghanische Regie- rung den Rebellen ein umfassendes Waffenstillstandsangebot unter- breitet. Daneben wurden Pläne zum Abzug von Teilen der russischen Truppen aus Afghanistan veröffentlicht. Das Angebot wurde nach Überprüfung ihrer Kontakte zu Allah und zu Washington von den meisten Rebellenführern abgelehnt. So verfeindet diese moslemischen Stammes-Fürsten sonst auch sein mögen - darin sind sie sich einig. Die verschiedenen Fraktionen der "Kämpfer Allahs" brauchen zwar von parlamentarischer Demokra- tie und den Segnungen der freien Marktwirtschaft keinen Dunst zu haben, dank regelmäßiger westlicher Waffenlieferungen sind sie in den vergangenen sieben Jahren zu "unseren Freiheitskämpfern vor Ort" geworden. Und die kämpfen selbstverständlich solange weiter, wie der Waffennachschub sicher ist. Daß das Friedensangebot einer moskautreuen Regierung kein Verhandlungsgegenstand ist, sondern rundweg abgelehnt gehört, leuchtet einem aufgeklärten demokrati- schen Zeitgenossen hierzulande sofort ein. Er weiß nämlich ganz genau, daß Angebote vom Hauptfeind immer Finten sind. Solange die Sowjetunion den NATO-Staaten Afghanistan - und damit die Kon- trolle über einen Teil der sowjetischen Südgrenze - nicht bedin- gungslos auf dem Präsentierteller überreicht, kriegt sie nach westlicher Logik nie und nimmer ein ernsthaften Angebot zur Be- friedung Afghanistans hin. Zu "Angeboten" solchen Kalibers ist die Weltmacht Nr. 2 in der Tat nicht bereit. Keiner weiß das besser als die verantwortlichen NATO-Politiker. Sie kennen nämlich den G r u n d d e s s o w j e t i s c h e n E i n m a r s c h e s i n A f g h a- n i s t a n nur zu gut und können ihn von ihren Propagandalügen fürs Volk unterscheiden - von wegen, "russischer" Bär überfällt mal wieder kleines hilfloses Volk zum Zwecke der sinnlosen, brutalen Knechtung". Mit ihrem Einmarsch in Afghanistan vor sieben Jahren ging es den Russen darum Eine weitere NATO-Front gegen die Sowjetunion --------------------------------------------- zu verhindern. Damals (1979) hatte die NATO in puncto militäri- sche Einkreisung des Ostblocks bereits Beachtliches geleistet: Die Westgrenze des Warschauer Pakts - von Norwegen bis zur Türkei eine einzige NATO-Frontlinie mit modernstem Gerät ausgerüstet. Zusätzlich wurde der SU im Herbst '79 unmißverständlich mitge- teilt, daß in Mitteleuropa unbedingt noch weitere NATO-Atomrake- ten gegen sie in Stellung gebracht werden müßten. "Nachrüstungsbeschluß" hieß das. Ungefähr zur selben Zeit eröff- nete der aus heutiger Sicht ach so friedliebende US-Präsident Carter die Debatte über die Möglichkeit eines "begrenzten Atom- schlags" gegen die SU. Im Osten der Sowjetunion - Südkorea, eine einzige US-Militärbastion, und Japan, das von den USA unablässig zu höheren Rüstungsanstrengungen gedrängt wurde. An der südlichen Grenze - China, mit dem die NATO-Staaten immer besser ins Ge- schäft kamen. Die ersten US-Horchposten an der chinesisch-sowje- tischen Grenze durften bereits installiert werden. Und dann gab es im Süden noch den Iran, der gerade seine islamische Revolution hinter sich gebracht hatte. Ein Staat, in dem man die Russen als "gottlose Teufel" zu bezeichnen pflegt. Und zwischen all diesen - der Sowjetunion unfreundlich bis feindselig gesinnten - Staaten gab es im Süden eben noch jenes Afghanistan. Ein Staatswesen, an dem keine der beiden Weltmächte bis dahin ein übermäßiges Inter- esse hatte. Es paßte - mit stillschweigendem Einverständnis der USA - in die strategische Kalkulation der Sowjetunion: als neutraler Puffer- staat mit einer Regierung in Kabul, die traditionell, auch schon als Monarchie, ein gutes Verhältnis mit der Sowjetunion unter- hielt und ansonsten herzlich wenig von sich hören ließ. Bis eben vor sieben Jahren die Region in "Unordnung" geriet. Die US-Regierung nahm den mißglückten Versuch, die US-Geiseln im Iran herauszuhauen, zum Anlaß, mit einer Kriegsflotte im Persischen Golf aufzukreuzen. Mit der Möglichkeit, daß sie den Khomeini- Staat kippen und wieder eine proamerikanische Regierung einsetzen würden, mußte gerechnet werden. Gleichzeitig geriet die Regierung in Kabul in Schwierigkeiten. Sie hatte ihre Bergvölker mit ein paar zivilisatorischen Errungenschaften bekannt machen wollen und dadurch den Zorn der Mullahs auf sich gezogen, die sich Khomeini zum Vorbild nahmen. Es gab bewaffneten Widerstand und Streitig- keiten in der Regierung. Die Gefahr, daß daraus ein Regierungssturz und damit unberechen- bare Verhältnisse an diesem Stück ihrer Südgrenze entstehen könn- ten, wollten die sowjetischen Politiker 1979 lieber gleich aus- räumen. Sie ließen ihre Truppen einmarschieren, setzten eine neue Führungsmannschaft ein, die sich mit ihrer militärischen Unter- stützung um stabile Verhältnisse kümmern sollte. Für westliche Politiker in ihren "Hinterhöfen" eine völlig normale und übliche Sache. Befreundeten Regierungen militärischen Beistand leisten, wenn ihre Herrschaft in Gefahr ist, das treiben die USA seit '45 unablässig, Damit hören die Gemeinsamkeiten zwischen Ost und West beim weltpolitischen "Stabilisieren und Ordnungsstiften" aber auch schon auf. Der sowjetische Kampf um ein verbündetes Volk --------------------------------------------- Unter stabilen Verhältnissen an ihrer Südgrenze haben sich die sowjetischen Politiker nämlich etwas anderes vorgestellt als eine bloß militärische Bereinigung der Lage. Mit der ganzen Wucht ih- rer Militärmacht zuschlagen, die Aufständischen kurz und klein hauen und die Gewalt einer Militärdiktatur übertragen, die mit einer einheimischen Mördertruppe für Ruhe und Ordnung sorgt - da- für hätte das russische Waffenarsenal doch wohl ausgereicht. Wie diese Sorte Ordnungsstifterei geht, hat der Freie Westen schon x- mal vorgeführt. Die USA haben Vietnam eine nachdrückliche Lektion erteilt, daß man notorische Störenfriede einer imperialistischen Weltordnung auch mal "in die Steinzeit zurückbomben" kann. Und in Lateinamerika haben die verschiedensten Guerilla-Bewegungen Ruhe und Ordnung weichen müssen. Diese Lösung hatten die Sowjets für Afghanistan nicht vorgesehen. An ihrer Südgrenze wollten sie einen verbündeten Staat, der stabil ist, weil er sein Volk hinter sich hat. Einen Staat, der seine Angelegenheiten selber regelt und dabei der SU freundschaftlich verbunden ist. Deshalb unter- stützten die russischen Politiker ihre Verbündeten in Kabul bei ihrem Reformprogramm, das aus den rückständigen afghanischen Bergbewohnern ein brauchbares Staatsvolk machen wollte. Den Leu- ten Lesen und Schreiben beibringen; ihnen die Vorteile von Hy- giene und gewissen medizinischen Elementarregeln erklären - ei- nige afghanische Sprößlinge wurden sogar nach Moskau geholt und dort der Tortur einer schulischen Ausbildung unterworfen (Überfremdung! Knechtung!) -; eine Landreform, die Teile des Großgrundbesitzes an die Pächter verteilt; eine Schuldenbefrei- ung; die Mitteilung, daß Frauen irgendwie auch vollwertige Men- schen sind: Das hat gereicht, die hartgesottensten Mullahs und deren Schäfchen gegen die "gottlosen Teufel" aufzubringen. Wer weiß, vielleicht hätten sich sogar afghanische Mullahs an ein paar Grundregeln der Hygiene und Lenin-Bilder gewöhnt. Auf jeden Fall wären ihnen ziemlich bald ihre Vorderlader für einen bewaff- neten Widerstand gegen die Staatsgewalt ausgegangen. Diese Schmach wurde ihnen vom Freien Westen erspart. Der Beschluß der NATO, daß sich der Ostblock keine eigenen weltpolitischen Stabi- lisierungs- und Ordnungsprogramme in seinen Nachbarstaaten her- auszunehmen hat, stand schon lange vor dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan fest. Der Einmarsch war der passende Ernstfall, um das Ende der Entspannung auszurufen. Zwischen Weihnachten und Neujahr '79 haben die NATO-Führer verkündet, Afghanistan sei ab sofort nicht mehr uninteressant zu finden. Afghanistan wurde zu dem Sündenfall der Sowjetunion erklärt. Seither spielen sich westliche Politiker als Schutzpatrone der aufsässigen Volksteile auf und betätigen sich als Waffenlieferanten. Und "Afghanistan" ist schon längst kein Staatsname mehr, sondern in erster Linie ein Dauervorwurf als Rechtfertigung für alle Kriegsvorbereitungen des Westens gegen das "Reich des Bösen". Das sowjetische Friedensangebot... ---------------------------------- Der vom Westen organisierte Dauerkrieg hat dazu geführt, daß an die Einrichtung eines sozialistischen Afghanistan überhaupt nicht mehr zu denken ist. Das hat die SU zur Kenntnis nehmen müssen. Ihre Friedensangebote an die afghanischen Rebellen will die pro- sowjetische Regierung in Kabul durch Abstriche von ihren Reform- programmen glaubwürdig machen. Deshalb ist jetzt auch in Kabul und Moskau weniger von Aufklärung und Erziehung der Massen oder einer Umgestaltung der mittelalterlichen Eigentumsverhältnisse die Rede, sondern vor allem von "Gemeinsamkeit im Glauben" und von "nationaler Aussöhnung" die Rede. Inhaftierte Aufständische werden auf freien Fuß gesetzt, den kämpfenden Mudschaheddin wird angeboten, daß sie wieder ihre alten Stammesrechte ausüben kön- nen, ihren Führern sogar eine Regierungsbeteiligung, solange sie nur die Regierung nicht militärisch bekämpfen. Die im Krieg zer- störten Moscheen werden - vorrangig vor allen anderen Gebäuden - auf Regierungskosten wieder aufgebaut. Die Sowjetunion hat ihr Modernisierungsgrogramm für Afghanistan also aufgegeben. Sie will den kostspieligen Dauerkrieg in dieser Weltregion beenden. Die NATO macht ihr an anderen Fronten Sorgen genug. Die einzige Be- dingung, die die russische Seite an ihr Friedensangebot knüpft, lautet: Afghanistan darf k e i n e r k l ä r t e r F e i n d d e s O s t b l o c k s werden. Solange die Mudschaheddin sich nicht aktiv als Söldnerheer der NATO einspannen lassen, können sie treiben was sie wollen. Diesen Frieden für Afghanistan ...weist der Freie Westen hämisch zurück ---------------------------------------- Mit dem geheuchelten Gejammer über das "furchtbare Blutvergießen des afghanischen Volks" kann man hierzulande hervorragend hetze- rische Plakatwände vollschreiben oder ganze Fernsehsendungen fül- len. Aber das heißt natürlich nicht, daß demokratische Politiker wegen ein paar tausend toten Afghanen dem Hauptfeind einen zer- mürbenden Kleinkrieg ersparen. An einem neutralen, friedlichen Afghanistan besteht im Freien Westen absolut kein Interesse. Die NATO will, daß dieser Krieg weitergeht. Sie hat ihn schließlich von Anfang an führen lassen, um den Hauptfeind zu schwächen - und nicht, um verrückten Mullahs die Religionsfreiheit zu erkämpfen. Da nützt es der Sowjetunion nichts, wenn sie durch ihre Waffen- stillstandsangebote klarstellt, daß sie den Unruheherd an ihrer Südgrenze befrieden will. Postwendend kommt aus dem Westen die Antwort, daß es genau darauf ankommt, ihr diesen kostspieligen Krieg samt der Bedrohung ihrer Grenze zu erhalten. So läßt die Freie Welt auch am Khaiber-Paß klarstellen, daß sowjetische Ein- flußzonen immer und überall bekämpft werden. Deshalb wird in Afghanistan weiter gestorben - das Belegmaterial für das schöne Russen-Feindbild, das auch jedes schlichte Gemüt im Ausruf "Afghanistan" zusammenfassen kann, geht nicht aus. zurück