Quelle: Archiv MG - ASIEN AFGHANISTAN - Vom heiligen Krieg des Westens


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       MSZ 2/85
       
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"Haarsträubende pro-sowjetische Argumentation"

"Betreffs 'Was wollen die Russen in Afghanistan?' (MSZ 12/1984) Die Klarstellung, daß zwei Weltmächte am Blutvergießen in Afgha- nistan beteiligt sind, wäre sicher auch gelungen ohne die haar- sträubende pro-sowjetische Argumentation. 'Richtiggehend militärisch befrieden und Ordnung stiften wollen die Russen gar nicht', sie wollen viel lieber, daß die afghani- schen Bauern Lesen, Schreiben und die Grundlagen der Hygiene bei- gebracht bekommen und dann als Volk glücklich unter einer Regie- rung leben, der sie jetzt als Landesbevölkerung unwillig gegen- überstehen. Und an diesem Ziel machen sie sich so konsequent zu schaffen, daß es gar nicht durchführbar ist (und in dem Maße, in dem sich beide Weltmächte für ihre Interessen engagieren, undurchführbar bleibt), weil, außer Krieg im Land nichts mehr stattfindet. Wo ihr da die 'brüderliche Hilfe' ernstgemeint seht?! Die SU kann sich Stabilität nämlich sehr wohl auch anders vor- stellen, egal ob Monarchie oder Militärdiktatur - solange sie ihre Interessen gewahrt sieht. Der einzige Grund, den ich sehe, weshalb die SU die Situation nicht militärisch bereinigen will, ist ihr Wille, die USA nicht vor die Entscheidung zu stellen, ihre Boys auf den Kandahar-Paß zu exportieren. E.H." Warum nicht einmal sagen, was die Russen wollen? ------------------------------------------------ 1. Wir sehen keinen Grund, ein Programm der Sowjetunion, das nicht zuletzt der Westen undurchführbar macht, für gar nicht exi- stent zu erklären. Und wir kritisieren dieses Programm auch - nicht angesichts seiner offenkundigen Widersprüche von Zweck und Mittel damit, daß es keine "Glaubwürdigkeit" besitze. Wir sehen auch nicht den geringsten Grund dafür, daß man sich über dieses Programm 'Sozialismus in Afghanistan' d e s h a l b entrüsten sollte, weil "die Landesbevölkerung" ihm "unwillig gegenüber- steht". Spricht die religiöse Borniertheit, die Frauen lieber krepieren als von einem Arzt untersuchen läßt, die lieber auf ih- ren Mullah als auf einen russischen Landwirtschaftsexperten hört, nicht auch ein bißchen gegen diese Landesbevölkerung? Beziehungs- weise gegen die ausländischen Protektoren, die sie für ihren Groll mit Waffen beliefern? 2. Daß das Programm "gar nicht durchführbar" ist - und zwar wegen der NATO-Intervention -, heißt andererseits noch lange nicht, daß die Sowjetunion deshalb grundsätzlich andere Absichten verfolgen würde, die man zu 'entlarven' hätte. Das mit der 'brüderlichen Hilfe' ist ernst gemeint und ist auch gar keine Beschönigung von irgendetwas. Sieht man von dem Völkerfreundschaftsgetue ab, das wie überall sonst auch Unsinn ist, weil Staaten die Subjekte sind und nicht 'die Völker', dann steht die Phrase für ein reelles sowjetisches Interesse: Für das sowjetische Interesse an einem sicheren Grenzabschnitt wäre die beste und bequemste Garantie ein selbständiger afghanischer Staat, mit der Sowjetunion freund- schaftlich verbunden, der seine internen Angelegenheiten selbst regelt, ohne der Sowjetunion zur Last zu fallen. Ein selbständi- ger Staat mit einer Regierung, die ihrem Volk etwas zu bieten hat und d e s w e g e n Stabilität garantieren kann. 3. Sicher kann sich die Sowjetunion Stabilität auch anders vor- stellen - wenn es sie g i b t! Dann hat sie auch mit Monarchen und Militärdiktatoren gute Beziehungen gepflogen. Nur: In Afgha- nistan will sie Stabilität h e r s t e l l e n. Und dabei geht sie eben nach i h r e n Kriterien einer stabilen, nämlich "volksfreundlichen" Herrschaft vor. 4. Wenn der Sowjetunion dabei der Erfolg von den USA bestritten wird, heißt das nicht, daß ihre Afghanistan-Politik nunmehr aus- schließlich durch die Furcht vor einer militärischen Konfronta- tion mit den USA bestimmt würde. So klar es übrigens ist, daß die USA gewillt sind, den Preis für eine sowjetgelenkte Stabilisie- rung hochzutreiben, so sicher ist es auch, daß wegen Afghanistan die USA keine über den Stellvertreterkrieg hinausgehende Konfron- tation mit der Sowjetunion wollen. Diese ist ihrerseits immer noch bestrebt, die Angelegenheit so zu regeln, daß sie ihre Truppen auch wieder einmal zurückziehen kann. Nur so lassen sich nämlich Maßnahmen wie die folgende er- klären, an der die "Frankfurter Allgemeine" (vom 19.11.84) wieder einmal nur ein himmelschreiendes Unrecht erkennen kann: "Kabuler Kindesraub Nt. Unter den vielen Schreckensmeldungen, die uns aus Afghanistan erreichen, ist jene Nachricht besonders beunruhigend, die von der massenhaften Verschickung afghanischer Kinder in die Sowjetunion erzählt. Offenbar hat die Moskauer Führung eingesehen, daß sie die jetzt bestimmende Generation der afghanischen Erwachsenen nicht mehr für sich gewinnen kann, weder mit Gewalt noch mit Ver- sprechungen von einer besseren Zukunft. Sie muß sich also der jungen Generation versichern und sie dem Einfluß ihrer Eltern entziehen, die sich der Sowjetisierung Afghanistans noch mit all ihren Kräften widersetzen. So nimmt sie Tausenden von ihnen ihre Kinder, vor allem ihre Söhne, einfach weg, indem sie die Eltern unter Druck setzt oder rosige berufli- che Aussichten für den Nachwuchs vorspiegelt - und bringt sie zur Indoktrination in die asiatischen Teile der Sowjetunion oder so- gar nach Moskau. Bis zu neun Jahre sollen die Afghanen-Kinder dort bleiben. Das zeigt, wie langfristig die sowjetische Führung ihre Afghanistan-Politik betreibt und daß auch im Westen immer noch genährte Hoffnungen auf eine politische Lösung für Afghani- stan vergeblich sind." Diese Maßnahme ist durchaus charakteristisch für die sowjetische Politik: Wenn die religiös verhetzten Stämme als Staatsvolk für eine fortschrittliche Regierung nicht taugen, muß man eben versu- chen, per Erziehung und Ausbildung Teile eines solchen Staats- volks zu s c h a f f e n - so sieht der sowjetische Schluß aus. Und was ist das anderes als Teil des sowjetischen Bemühens, die Besetzungssituation einmal dadurch zu e r ü b r i g e n, daß man ein geordnetes Verhältnis von Regierung und Volk hinterläßt. Und wenn man den Sachverhalt nicht gleich mit Schaum vor dem Mund betrachten und zum bethlehemitischen Kindermord assozieren will wie die FAZ, kann man sich durchaus auch einmal fragen, ob die Erziehung am heimischen Herd für die afghanischen Blagen wirklich den Vorzug vor einer soliden sowjetischen verdient. 5. Nun zu Deinem Vorwurf von wegen "haarsträubend prosowjetisch". Hierzulande ist es üblich, jeden Spruch über die Sowjetunion so- fort darauf zu befragen, ob er pro oder anti ist. Das erste ist verboten, das zweite erwünscht. Wir halten das allerdings für eine Unsitte, nämlich für das Gebot zu bedingungsloser Partei- lichkeit f ü r die westlichen Demokratien und g e g e n die Sowjetunion. Diese Unsitte, als allgemein befolgte Vorschrift zur Betrachtung der Welt, führt nicht nur zum Resultat der von oben verordneten Dummheit, sondern verbürgt auch politischen Gehorsam: Weil sie immerzu die antisowjetische Politik der NATO-Staaten als g e r e c h t f e r t i g t dastehen läßt, o h n e sie ein einziges Mal auf i h r e Gründe hin zu befragen. Deshalb ist es uns auch gar nicht bloß um die von Dir zitierte "Klarstellung" gegangen, sondern explizit um die Erklärung, wo- rauf es den Russen in Afghanistan ankommt. Wir halten es nämlich für ganz nützlich, wenn sich hiesige Leser einmal vorurteilslos vorführen, was in der Welt warum passiert, anstatt gut demokra- tisch gebildet von einer russischen Anwesenheit auf einen bösen Zweck und von da auf die berechtigte westliche Einmischung zu "schließen". Insofern ist es auch ein Irrtum Deinerseits, unsere Argumente für prosowjetisch zu halten. Die Motive der Sowjetunion einfach wie- derzugeben, anstatt sie gleich in die westliche Verurteilung zu übersetzen, ist noch lange nicht prosowjetisch. Prosowjetisch ist es auch nicht gleich, wenn man feststellt, daß es den Afghanen unter der sowjetischen "Knute" und nach Maßgabe der russischen "zivilisatorischen Errungenschaften" allemal besser gehen würde als mit ihrem Allah und den US-Panzerfäusten. MSZ-Redaktion "Gerechter Krieg wieder entdeckt" --------------------------------- Betrifft: Krieg gegen Nicaragua - Die demokratische Lösung, MSZ 12/1984 Da geht es unter der Überschrift "Wen stören die Sandinisten" (die auch Sie keineswegs "in Ruhe lassen wollen"; darum u.a. die wohlfeile Belehrung, daß die sich Wahlen "gut sparen (hätten) können") los mit: "Hätten sie (die Sandinisten) das (das "aus-dem-Land-Jagen" des von den USA ausgehaltenen Gorillas Somoza mit Waffengewalt) lie- ber bleiben lassen sollen, damit Nicaragua weiterhin die volle Anerkennung der USA und ihrer Verbündeten genossen hätte -" (S. 14) Es würde mich überraschen, wenn irgendjemand, der (wenn auch mit noch so falschen Argumenten) etwas gegen das Herrichten eines an- sehnlichen Fetzens Erde durch Freedom and Democracy (zweifellos eine sehr "heilige Sache"!) bzw. im speziellen die Umtriebe der Nummer eins des Imperialismus in ihrem "Hinterhof" hat, so be- fragt das Kästchen mit der Antwort "Ja" ankreuzen würde. Auch hört sich das mit dem Vorhaben einer "Produktion, von der die Leute etwas haben", wenigstens noch sympathischer an als der ganze längst durch seine 200-jährige Wirklichkeit desavouierte Freiheits-Freude-Eierkuchen-Dreck. Ich gebe darauf wegen guten Willens den Nachsichts-Bonus - trotzdem natürlich "Produktion, von der die Leute etwas haben", nur das begriffslose Gelaber von idealistischen Kriegsberichtserstattern ist, die nicht wahrhaben wollen, daß dieser Zweck mit der bolschewistischen Oktoberrevolu- tion und dem, was danach so an Erfrischendem über "die Massen" kam, längst auch und ein für allemal gelaufen ist, es sich also erübrigt, die Ideale nochmal gegen das, wovon sie "Lichtbild" sind, verwirklichen zu wollen - und komme sogleich auf den trau- rigen Witz Ihrer rhetorischen Beschwörungen des kommunistischen common sense. Die Botschaft - und ich traute anfangs meinen Augen nicht - ist schlicht, aber niederschmetternd: Wer nicht für die Zwecke eines Staates, der doch vorhat, eine "Produktion, von der die Leute" - am St. Nimmerleinstag - "etwas haben", zu veranstal- ten, draufgeht, der muß ein "falsches Bewußtsein" haben oder, an- ders gewendet: Wenn da eine so tolle Sache, zu staatlicher Wirk- lichkeit gekommen, sich gegen, wie heißt derlei so schön bei Ih- nen?, die "praktische Kritik" des Imperialismus behaupten will, dann wird gefälligst umstandslos dafür gestorben. In deutschna- tionaler Übersetzung heißt das: "Ich kenne keine Klassen mehr, ich kenne nur noch Deutsche." Bevor Sie mir nun attestieren, ich müßte wohl den Arsch offen ha- ben, lesen wir gemeinsam die MSZ. Ganz richtig haben Sie den "politische(n) Willen (der Sandinisten), sich als Staat (gegen die drohende demokratische Lösung) zu behaupten" (S. 19), er- kannt. "Dafür" hält es der Sandinistenstaat "für notwendig, das Volk (= das Menschenmaterial, über das er verfügt)... einzuspan- nen" (S. 14) per allgemeiner Wehrpflicht und der Situation ent- sprechender Rekrutierung. Alles, was nur einen Finger um den Ab- zug legen kann, wird ausgehoben und darf antreten als Material für die Regelung einer dem Sandinistenstaat zweifelsohne aufge- zwungenen Feindschaft (alle diplomatischen Manöver fruchten wegen der Entschlossenheit der USA zu "tabula rasa" nichts). Kritisches mag Ihnen dazu nun nicht einfallen, rücksichtsvolle Kritiker, die Sie sind. Im Gegenteil: "Hätten sie (die Sandinisten) den Erwachsenen, Jugendlichen und Frauen selbst überlassen sollen, ob sie an der Verteidigung gegen den Aggressor teilhaben wollten?" (S. 14) Ja, Sie rhetorischen Verteidiger des um die Herrschaft eines von Freedom and Democracy gehaltenen Gorillas samt Knüppelgarde gereinigten Vaterlandes, warum denn eigentlich nicht? Wegen - so Ihre Antwort, S. 16 - "Kriegszustand, wohlgemerkt". Angesichts des wieder entdeckten "gerechten Kriegs" hat sichs mit jammerse- liger "Problemwälzerei", "ob Nicaragua... Jugendliche und Frauen (wo bleiben die Erwachsenen?) für den Kriegsdienst (so heißt vor- nehm das Krepieren fürs Vaterland, wie sich noch jeder Staat nennt) verpflichten dürfe." Das sind für Sie quadratverrückte "Geschmacksfragen und Humanitätsduselei" - "und das während eines Kriegs und vor einer drohenden Invasion! Sind denn alle verrückt geworden?" (S. 16). All das hat nun aber nicht im entferntesten mehr etwas zu tun mit einer Veranstaltung, wovon "die Leute" was haben. Allenfalls, werte Herren und Damen "rücksichtslose Kritiker alles Bestehen- den", kann man daraus Bitteres über die Dialektik sozialrevolu- tionärer Zweckformen, sobald sie sich staatliche Wirklichkeit ge- ben, lernen. Die Chose beginnt mit dem großen Versprechen ("eine Produktion in Gang zu bringen, von der die Leute etwas haben" - vor allem einmal jede Menge Arbeit) und mündet dann wegen des "Feindes", der keine - Anstalten macht, sich über "tendenziellen Fall der Profitrate" oder sonstige marxistische Erfindungen aus der Weltgeschichte zu verpissen, in: "Ihr habt 15, 20, 50 Jahre Bürgerkrieg und Völkerkämpfe durch- zumachen, nicht nur um die Verhältnisse zu ändern, sondern um euch selbst zu ändern und zur politischen Herrschaft zu befähi- gen." (Marx, geschichtsphilosophisch beschwingt über Leichenberge spähend). So löst sich das große Versprechen auf in blauen Dunst, und es bleiben jede Menge Pflichten, "an die man sich" in der Tat "im eigenen Interesse besser gar nicht erst gewöhnt." Und aus dieser Einsicht gibt es nur eine Konsequenz... A. S., München Führt Materialismus zum Terror? ------------------------------- 1. In Deiner Entrüstung über den Nicaragua-Artikel bringst Du ei- niges durcheinander. Zunächst einmal zu Deiner merkwürdigen Theo- rie über die "Dialektik sozialrevolutionärer Zweckformen". Mit der Feststellung, daß der Zweck einer "Produktion, von der die Leute etwas haben... mit der Oktoberrevolution und dem, was da- nach... kam, längst auch ein für allemal gelaufen" sein soll, machst Du es Dir ein bißchen sehr einfach. G a n z o h n e auch nur irgendeinen Zweck bzw. Fehler der KPdSU beim Namen zu nennen und zu kritisieren, ein vernichtendes Urteil über Revolu- tionen überhaupt zu fällen, kommt der kruden bürgerlichen Hetze schon ziemlich nahe. Man kann sich nämlich durchaus einen Begriff von dem bilden, was nach der Oktoberrevolution geschehen ist, und erklären, was die Produktionsweise leistet. Im Vertrauen: Die Verdammung der für sich recht unschuldigen Kategorie "Zweck" ist ebenso logischer Unsinn wie die schon beim philosophierenden En- gels erfolgte Kür von "Dialektik" zum Subjekt von allerlei Unbill beim Arbeiten und Regiertwerden. An einer wissenschaftlichen Kritik der Sowjetpolitik scheint Dir aber gar nichts zu liegen. Statt dessen erfindest Du einen merk- würdigen naturnotwendigen Zyklus von revolutionären Absichten und üblen Folgen: vom "Versprechen", die Produktion für die Leute einzurichten, zur Verpflichtung auf einen Staat, der seine Leute dann furchtbar arbeiten läßt und schließlich in Kriege hetzt. Mit Verlaub - das ist Deine Erfindung, denn das letztere folgt kei- neswegs aus dem ersteren. Warum soll eine Politik, mit der die Leute endlich einmal für die Durchsetzung ihrer materiellen In- teressen sorgen, notwendigerweise in ihr Gegenteil, finsterste Knechtung, umschlagen? Materialismus führt zum Terror - das sagen der Papst und die anderen Führer der Freiheit. Warum wohl?! 2. Worauf Du Dich so listig berufst, ist die Tatsache, daß ein solches Programm auf M i t t e l angewiesen ist, die Dir nicht passen. Allerdings liegt das daran, daß die Herrschaft von Pri- vateigentum und Freiheit überall auf der Welt eine Gewaltangele- genheit ist, gegen die man sich nur mit Gewalt zur Wehr setzen kann. Dabei handelt es sich um eine Nötigung, aber eine, die von den herrschenden Instanzen ausgeht und noch lange nicht den "Zweck" denunziert. Und da möchtest Du eine Perversion ursprünglich guter Ziele ent- decken und "Gewalt, Gewalt! "flennen? Soll man denn deshalb, weil man mit den Vertretern von Kapital und Demokratie eine Auseinan- dersetzung zu bestehen hat, die Sache lieber gleich lassen? 3. Was schließlich Nicaragua betrifft, sieht die Sache ziemlich aussichtslos aus - angesichts der Mittel, über die der Gegner der Sandinisten verfügt. Ein solcher Krieg ist gegen die USA nicht zu gewinnen. Leider gilt nämlich die kommunistische Wahrheit, daß gegen die Macht der imperialistischen Staaten nur ein Mittel ver- fängt - deren Arbeiterklasse, die Leute, die tagtäglich die Machtmittel bereitstellen, muß ihre Dienste verweigern. Dann ist das Regieren und Ordnung-Stiften rund um die Welt schnell am Ende. Das Pech der Sandinisten besteht darin, daß die arbeitende Menschheit in den westlichen Staaten gar nicht daran denkt, son- dern zu ihrem eigenen Schaden fest hinter ihren Regierungen steht. 4. Nur - was folgt daraus für Nicaragua? Da hast Du den Charakter unserer Fragen, die Du zitierst, gründlich mißverstanden. Es han- delt sich dabei wahrhaftig nicht um R a t s c h l ä g e, an die Adresse der Sandinisten, sondern um eine K r i t i k an den hierzulande tätigen Anstandsaposteln, die mitten in einem Krieg am Opfer herummäkeln, daß es ihren gehobenen demokratieidealisti- schen Ansprüchen nicht genügt, um sich auf diese Weise ein gutes Gewissen für ihr imperialistisches Staatsbürgerdasein zu ver- schaffen. Unsererseits den Sandinisten Ratschläge zu erteilen, was sie zu tun und zu lassen hätten, ist so ziemlich das letzte, was uns einfallen würde - wir wissen nämlich keine. Statt dessen kommt es uns darauf an, den Leuten hierzulande mitzuteilen, was ihnen an Nicaragua auffallen und gegen i h r e Staatsmacht auf- bringen sollte. Du aber scheinst dermaßen scharf auf die Verur- teilung der Sandinisten zu sein - wozu eigentlich? Nimm die Sache einfach mal so: Der Aufstand dort ist schlicht und einfach aus der Not geboren. Die, die ihn gemacht haben, um sich dann unver- sehens in einem Krieg mit den USA wiederzufinden, haben viel- leicht in ihrem Leben noch gar nie die Gelegenheit gehabt, die Alternativen sorgfältig abzuwägen, weil sie nämlich vor der Al- ternative gestanden sind, zu verhungern, erschossen zu werden oder zurückzuschießen. Und da sollten sie sich Deine erlesene Problematisierung zu eigen gemacht haben, ob nicht die Absicht, die Verhältnisse zu den eigenen Gunsten zu verändern, in viel schlimmeres Übel münden muß? Oder willst Du etwa gar ernsthaft behaupten, bei einer "materialistischen" Abwägung hätten sich die Sandinisten und ihre Anhänger für ihren Somoza statt für den Auf- stand entscheiden müssen? Oder das nicaraguanische Volk sollte jetzt den Wehrdienst verweigern, einen antisandinistischen Auf- stand anzetteln und sich wieder in die Hände der USA begeben - und das wäre dann in seinem Interesse das Beste?! 5. Was schließlich Dein merkwürdiges Interesse betrifft, mit Hilfe von Argumenten, die Du von uns hast oder mit uns teilst, und unter Verdrehung der Argumente, die wir verwenden, uns immer wieder nachzuweisen, daß wir unseren eigenen Einsichten in den Rücken fallen, das könntest Du auch mal wieder lassen. MSZ-Redaktion Text- und Bildinterpretation ---------------------------- "Betr.: MSZ-Titelbild der Januarausgabe ("Die Reichen immer rei- cher, die Armen noch ärmer. Was denn sonst!") Ich habe mir - Lehrer, der ich bin - den Spaß erlaubt, meiner Oberstufenklasse am letzten Schultag des Jahres 1984 das - zuge- geben originelle - Titelbild der Januar MSZ vorzulegen und die Schüler aufgefordert, das Bild zu interpretieren. Nach dem altbe- währten Motto: Was will der Dichter uns damit sagen? Erst haben wir uns mal den Text vorgenommen. Da gab es schon ein reichliches Hin und Her. Die einen haben sofort gemeint, das dürfe man nicht sagen, weil das wäre doch wirklich eine Ungerech- tigkeit einer Wirtschaftsordnung. Andere haben darauf entgegnet, in einer Leistungsgesellschaft würde halt jeder das kriegen, was er - je nachdem, was er beisteuert und leistet - verdient, und das wäre doch gerechter, als wenn alle das Gleiche bekämen. Dar- aufhin habe ich eingeworfen, daß die MSZ eine linke Zeitung ist, die g e g e n das kapitalistische System ist. Woraufhin dann ein Schüler auf die Idee kam, was die MSZ-Herausgeber wohl sagen wollten: Daß es blöd ist, sich darüber zu wundern, daß die Rei- chen immer reicher und die Armen immer ärmer werden, weil das in diesem System nun mal so vorgesehen ist. Wir einigten uns dann darauf, daß das wohl die Aussage sein soll. Doch dann kam die spannendere Frage: Was sollen 'die 2' Figuren? Folgende Interpretationsangebote kamen dabei raus: 1. Ein (wohlgenährter) Unternehmerboß und ein (abgearbeiteter und entsprechend ausgemergelter) Arbeiter haben ihre Kleider ge- tauscht. Und schon erkennt - man nur noch an der Zigarre bzw. Zi- garettenkippe, daß der Dicke ein Kapitalist ist und der Dünne ein Arbeiter. Also: Kleider machen Leute. Einwand: Ein Kleidertausch kann nicht vorliegen, weil die blaue Arbeitshose dem (viel dünneren) Arbeiter oder Arbeitslosen viel zu groß ist. 2. Der linke, wohlgenährte Arbeiter fühlt sich pudelwohl, obwohl er eigentlich zu den 'Armen' gehört. Während der Unternehmer (rechts) ziemlich griesgrämig und unzufrieden aussieht, obwohl er zur Klasse der 'Reichen' zählt. Also: Geld allein macht nicht glücklich. Einwand: Der strahlende Arbeiter ist nie und nimmer echt, was man schon an dem neuen Helm, der neuen Latzhose und dem bajuwarischen Bergsteigerhemd sehen kann. Dasselbe für den anderen Typen: Ein richtiger Unternehmer würde nie so 'abgerissen' rumlaufen. 3. Ein Arbeiter, der seine Zigarre genießt und sich wie der King fühlt, ist und bleibt trotzdem ein Arbeiter. Und ein gestreßter Unternehmer ohne Zigarre bleibt trotzdem ein Kapitalist, der die Leute entweder für sich arbeiten läßt oder arbeitslos macht. Also: Es kommt nicht auf die Person an, sondern auf die Rolle, die man in der Wirtschaft (und damit Gesellschaft) spielt. Einwand: Ein Geschäftsmann, der Erfolg haben will, darf nicht so rumlaufen wie ein Sozialfall. 4. Früher wurden (und von manchen Kreisen werden noch heute) Un- ternehmer als dicke Bonzen in Schwarz und mit Zigarre abgebildet, damit jeder sehen kann, daß die es sich auf Kosten des 'kleinen Mannes' gut gehen lassen. Gegen dieses 'Klischee' ist das Titel- bild von der MSZ gemacht. Also: eine Karikatur, die ein gängiges Klischee vom Unternehmerbonzen auf den Kopf stellt. Einwand: Es gibt zwar dicke Arbeiter (Biertrinker!), aber kaum welche, die Zigarren rauchen. Soweit unsere Interpretationskünste. Fragt sich nur: Welche Deu- tung ist die von Euch bezweckte? PS: Nach der Unterrichtsstunde zeigte ich das Titelbild einem Lehrerkollegen, der aus dem Umfeld der '68er Generation' stammt. Er guckte sich das Bild genau an und behauptete sichtlich erregt: 'Das darf doch nicht wahr sein. Das ist doch der Fertl!' Und dann klärte er mich auf: 'Hier, der linke Dicke, das ist überhaupt kein Arbeiter, sondern einer der Oberführer der Marxistischen Gruppe. Den kenne ich von früher. Sein Vater soll eine Brauerei haben. Den andern kenne ich nicht.' Damit drängte sich mir die Frage auf: Sollte der ganze Gag an dem Titelbild vielleicht darin bestehen, daß sich hier zwei MG-Vete- ranen ein Denkmal setzen wollen und mehr nicht? Mit der Bitte um Auskunft verbleibe ich L. G., Bonn" Antwort der MSZ-Redaktion ------------------------- Die Reichen immer reicher, die Armen noch ärmer. Was denn sonst! Oder wie hättet ihr's denn gerne? Etwa so: zurück