Quelle: Archiv MG - ASIEN AFGHANISTAN - Vom heiligen Krieg des Westens
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MSZ 6/82
Afghanistan
NEUE STRATEGISCHE GLEICHUNGEN
3 Jahre nach der sowjetischen Besetzung Afghanistans ist es der
Westen, der eine stolze Bilanz ziehen kann:
Das berühmte Wort mit A am Anfang hat sich als wirkungsvolles
propagandistisches Beweisstück für die Kriegslüsternheit der So-
wjetunion bewährt. Eine russische Abrüstungsofferte mag aussehen
wie sie will; stets macht sie sich von vornherein unglaubwürdig,
solange noch ein russischer Soldat in Afghanistan steht. Es ist,
als hätte der Westen durch die russische Invasion einen heiligen
Anspruch auf alle freiheitsliebenden Völker, also auf den ge-
samten Ostblock erworben.
Kräftige Einmischung in russische Angelegenheiten ist daher im
Namen der Freiheit nur recht und billig und zählt keineswegs als
kriegerische Aggression - schließlich ist die Schuldfrage ge-
klärt: Wo sonst in der Weltöffentlichkeit schon die Entdeckung
einer Kalaschnikoff oder die Gefangennahme eines versprengten
russischen Offiziers zum Nachweis einer massiven sowjetischen In-
vasionsabsicht ausreicht, rühmt sich der CIA ganz ohne diplomati-
sche Rücksichtnahme öffentlich, den Waffenpark der afghanischen
Friedens- und Freiheitskämpfer innerhalb von 2 Jahren von den
selbstgebastelten Vorderladern voll auf neueste Schnellfeuerge-
wehre, chinesische Bazookas und Plastikminen umgestellt zu haben.
Mit kräftiger Unterstützung der Saudis, Ägyptens, Chinas und Pa-
kistans versorgen sich die afghanischen Rebellen mit Waffen vom
internationalen Markt und schaffen einen Zustand im Land, der die
UdSSR vor Alternativen stellt, die sie politisch noch mehr als
materiell einiges kosten.
Sowjetische Militärintervention
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"Nach ungefähr zwei Jahren und der Entsendung von mehr als 85.000
Soldaten, nach einem größeren Aufwand an Mitteln und politischem
Prestige, hat Moskau wenig mehr als den dürftigen militärischen
Zugriff auf die größeren Städte Afghanistans erreicht.
Ihr grundlegendes politisches Ziel, einen abhängigen Staat zu
schaffen, der nach innen und außen als legitim anerkannt wird,
hat die Sowjetunion verfehlt." (Afghanistan, The Struggle to re-
gain freedom, überreicht von der American Embassy, Bonn, Jan. 82)
Dieser halbwegs nüchternen Bilanz ist zu entnehmen, daß hier eine
Rechnung der SU nicht aufgegangen ist, die allerdings gänzlich
anders als Kalkulation der freien USA im Falle einer Intervention
in einem Staat ihres Interessenbereichs ausfällt. Wenn schon der
Vergleich mit Vietnam angestellt wird, das den Russen angeblich
in Afghanistan bereitet wird, könnte einem auffallen, daß die
UdSSR hier keine Politik der verbrannten Erde verfolgt, keinen
Krieg mit drei Ländern führt, weil es selbstverständlich ist, daß
man die Nachschublinen des Feindes bombardiert, usw. Noch der im
Westen stilisierte "Giftgaskrieg gegen afghanische Zivilisten"
entpuppte sich in einer Fernsehreportage als kurzfristig wirken-
des Betäubungsgas, sehr im Unterschied zu Waffenerprobungen weit
anderer Dimensionen in Vietnam.
Den Übergang, Afghanistan einer Lösung durch totalen militäri-
schen Einsatz zuzuführen, macht die SU wegen ihres Ausgangspunk-
tes sowie ihrer weltpolitischen Kalkulationen nicht. Sie schei-
tert nicht militärisch an den Kämpfen von Aufständischen im gan-
zen Land, sondern mit den Rebellionen gegen die Zentralregierung
und die SU als ausländische Macht an der Aufgabe, das Land durch
die Etablierung einer stabilen Regierung unter zivile Kontrolle
zu bringen, Ihre Entscheidung, für die Stabilität dieses Landes
an ihrer Südgrenze die Auseinandersetzung zwischen den beiden
Flügeln der kommunistischen Partei "Chalk" (Volk ) und "Parscham"
(Fahne) durch militärische Intervention zu klären und auf diese
Weise die souveräne Gewalt einer Regierung zu erhalten, die
freundschaftlichen Kontakt mit der Sowjetunion pflegt, hat sie
allerdings vor neue Probleme gestellt. Sie hat nicht nur nicht
den Widerstand gegen Maßnahmen der kommunistischen Zentralregie-
rung beseitigt, sondern ihm mit ihrer militärischen Präsenz neue
Angriffspunkte gegeben. Die Unterstützung von außen hat dann da-
für gesorgt, daß nicht nur jede Gruppierung im Lande, die in
Fehde mit der Regierung gelebt hat, mit Waffen versorgt wurde,
sondern mit der allgemeinen Eröffnung des Kampfes gegen die
"Besatzungsmacht" gleich noch jede Menge neue Widerständler her-
vorgebracht wurden. Ihren Truppeneinsatz bemißt die SU deswegen
aber noch immer an dem von ihr verfolgten Ziel der Etablierung
eines zuverlässigen und international anerkannten Partners.
Anatomie eines "nationalen" Widerstands
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Noch jede im Fernsehen breit gesendete Klage eines Rebellenchefs
über die mangelnde Vereinheitlichung der Kampfführung ist die Wi-
derlegung, daß sich hier ein n a t i o n a l e r Widerstand ge-
gen das Regime in Kabul gebildet hätte. "Nationalisten" der vor
der Regierung Tarakis herrschenden Großfamilien paschtunischer
Stämme, eine "Befreiungsfront" unterdrückter Hazara-Bergstämme,
religiöse "Fundamentalisten" sunnitischer und schiitischer Glau-
bensrichtung samt Unterabteilungen, von "Maoisten" gar nicht zu
reden, geben zusammengenommen keine nationale Front ab wie - um
den Vergleich mit Vietnam fortzusetzen - der einheitliche Wille
einer kommunistischen Partei und der entsprechenden militärischen
Organisation.
"In außergewöhnlichen Situationen, außergewöhnliche Führer: der
Krieg bringt militärische Persönlichkeiten hervor, die aufgrund
ihres geringen sozialen Status - Schmiede, "Banditen", Tagelöhner
- bisher im Dunkeln geblieben waren," (Le Monde, 24.12.1981)
Und weil's so schön ist, die Eloge auf den "Tod eines Führers im
Afghanischen Krieg, der die Anstrengungen der Rebellen zurück-
wirft."
"Als er nach einer Weile feststellte, daß nur noch ein schweres
Maschinengewehr seiner Schar Widerstand leistete, erklomm Herr
Halim die unter Feuer stehende Befestigung seiner Stellung, wo er
augenblicklich von einer Kugel in den Kopf getroffen wurde. Er
starb auf der Stelle, und sein Tod brachte das Unternehmen (den
Schlußangriff auf eine Schlüsselstellung des Regierungsmilitärs
in Kabul) zu einem plötzlichen und chaotischen Ende. Ganz anders
als seine Mitmujahidin, oder 'Krieger Gottes', hatte es Herr Ha-
lim verstanden, daß im Guerillakrieg die politische Botschaft der
Rebellion ebenso wichtig wie die militärische war.
Er trug den Krieg weit in die befestigten städtischen Zentren,
d.h. die Stützpunkte sowjetischer Kontrolle in Afghanistan. Diese
Strategie bildete einen Teil seiner politischen Mission, da sol-
che Angriffe eine wichtige Rolle spielen, die Stadtbewohner von
der Schwäche ihrer Regierung zu überzeugen." (Int. Herald Tri-
bune, 19.11.82)
Dieser Fan terroristischer Umtriebe kann kaum darüber hinwegtäu-
schen, worin die "politische" Botschaft seines Herrn Halim be-
stand. Nicht umsonst waren die Kommunisten im Lande die einzigen,
die seinerzeit auf die Idee gekommen waren, man müsse Afghanistan
modernisieren, um aus dem Land so etwas wie einen Nationalstaat
zu schaffen, in dem das "Volk" aus seinem bornierten Status von
Bergstämmen auf eine gesellschaftlich höhere Stufe der Produktion
gehoben und sozialer Gerechtigkeit zugänglich gemacht wird. Nicht
einmal die Religionskämpfer im Lande können sich auf die Macht
eines Klerus stützen, wie sie z.B. im Iran existiert.
"Afghanistan ist, bevor es eine Nation ist, ganz einfach ein Ort,
an dem sich gut Muselmann sein läßt. Der Staat ist eben nicht der
Ausdruck der Gesellschaft." (Le Monde Diplomatique, März 1982)
Und selbst die Voraussetzungen für einen Guerillakrieg, der sich
Aussichten auf einen Sieg machen will, fehlen, da er kontinuier-
lich auf medizinische Versorgung angewiesen ist und mit sporadi-
schem Nachschub von Lebensmitteln nicht auskommt.
Das einigende Band gegen die ausländischen Ungläubigen in einem
Land, wo die Staatsgrenzen durch die Rivalität äußerer Mächte
festgelegt worden sind und ansonsten jedes Bergtal seinen eigenen
Freiheitskampf gegen die Steuererfassung durch Kabul führt, taugt
dazu, der russischen Kontrollmacht jede Menge Schwierigkeiten zu
bereiten, weil unter diesem Nenner jeder seinen Privatkrieg mit
der Zentralgewalt aufmachen kann, und vereitelt so das Ziel, eine
einheitliche Staatsgewalt innerhalb der Landesgrenzen herzustel-
len. Daß die UdSSR hier allerdings ihr "afghanisches Debakel" er-
führe, immer weiter in den Krieg gezogen würde, und womöglich
auch noch an den Kosten scheitere, ist westliche Propaganda, die
von dem Wunschdenken lebt, Afghanistan solle doch so etwas für
die UdSSR sein, wie es Vietnam - in der nachträglichen Beurtei-
lung - angeblich für die USA gewesen ist.
Propagandakrieg gegen die UdSSR
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Die bleibende Untauglichkeit Afghanistans für die Absichten der
UdSSR, zur eigenen Sicherheit eine Regierung eigener Wahl in den
Sattel zu heben und die Angelegenheit damit erledigt zu haben,
ist deshalb zu einem Schwächungsmoment der SU geworden, weil der
Westen die militärische Intervention in weltpolitischem Maßstab
kostspielig gestaltet hat. Vom Westen werden die paar Rebellen,
die in den Stand gesetzt wurden, hin und wieder einen Panzer oder
Hubschrauber abzuschießen und für die Freiheit, d.h. ihren Allah
oder was sie sich sonst darunter vorstellen, zu sterben - ein
Sieg gegen die Regierung in Kabul mit ihrer auswärtigen Un-
terstützung würde nämlich das eigene Eingreifen erfordern -, zu
einem Propagandakrieg gegen die aggressiven Absichten der So-
wjetunion ausgebaut. Der Westen läßt es sich nicht nur Waffenlie-
ferungen, sondern auch "humanitäre Hilfe" in großem Stil kosten,
die das sog. afghanische Flüchtlings"problem" erst so richtig
fruchtbar machen. Die vom UNO-Hochkommissariat in Grenznähe auf
pakistanischem Boden errichteten Flüchtlings-Zeltlager haben
einen sehr erwünschten Effekt:
"Die vergleichsweise effiziente Hilfe trägt nicht unwesentlich zu
dem steten Exodus von Afghanen aus ihrer Heimat bei, viele
Flüchtlinge erhalten in Pakistan zum erstenmal in ihrem Leben me-
dizinische Betreuung... Materielle Not herrscht nicht oder ist
doch geringer als zu Hause." (Neue Zürcher Zeitung, 29.4.81)
Zwar ist man sich im klaren darüber, daß es sich um die hierzu-
lande so verpönten "Wirtschaftsflüchtlinge" handelt:
"Nur rund die Hälfte der Flüchtlinge könne als 'echt' bezeichnet
werden. Die andere Hälfte sei eher von den besseren Lebensbedin-
gungen (!) angezogen worden, denn vor Not und Gefahr geflohen."
(ebenda),
was aber in diesem Fall gar nichts ausmacht, wo doch den Flücht-
lingslagern gleich die militärischen Ausbildungscamps angeschlos-
sen sind, von denen aus die frischgebackenen Freiheitskämpfer mit
einem Handschlag von Zia ul-Haq und F.J. Strauß und mit neuen
Waffen zurück in die afghanischen Bergtäler geschleust werden.
Keine Lüge ist der freiheitlichen Propaganda zu blöd, die Wahr-
heit über den Imperialismus an der äußerlichen Anwendung imperia-
listischer Praktiken durch die Sowjetunion aufzufinden. Man ver-
gleiche nur einmal das "reine Machtinteresse" Moskaus, wie es mit
dem von jenseits der pakistanischen Grenze aufgemachten Kriegszu-
stand verfährt, mit den Verteidigungsaktionen solcher Staaten wie
Israel und Südafrika. Daß sich die UdSSR dabei selbst vor den
Kriterien imperialistischer Effizienz blamiert, tut der Beweis-
führung keinen Abbruch und muß als Beleg für die Ungebrochenheit
des Widerstands herhalten.
Jede Rücksichtnahme politischer Natur, die in der sowjetischen
Kriegsführung in Afghanistan zum Ausdruck kommt und hin und wie-
der noch bemerkt wird -
"Den Sowjets gelingt es nicht, die 'afghanische Krise' militä-
risch aus der Welt zu schaffen unter den Umständen ihres Engage-
ments, in dem sie sich seit Januar 1980 befinden. Aber sie wollen
ihre Kontingente nicht verstärken, um ihr Image in der islami-
schen Welt nicht weiter zu verschlechtern." (Le Monde,
24.12.1981) -,
dient zu dem doppelten Beleg, daß der Feind nicht nur böse, son-
dern dazu auch noch schwach ist.
Um das Bild des Imperialisten abzurunden, wird auch prompt die
Qualifikation als Ausbeuter geliefert: die UdSSR bezieht Erdgas
aus Afghanistan - alles klar?
"Zu sehen bekommt Afghanistan seine Einkünfte aus den Erdgasex-
porten ohnehin nicht, da sie von der SU direkt gegen die bei ihr
bestehenden Schulden aufgerechnet werden." (Neue Zürcher Zeitung,
18.2.81)
Schulden im westlichen Lager, Bezahlung von Waffen, Handel mit
Rohstoffen, wer hätte von so etwas jemals gehört! Die kleine Dif-
ferenz zum Imperialismus, daß die SU ihren Klientel-Staaten
politisch berechnete Preise zahlt, die sich von den
Weltmarktpreisen des freien Westens dadurch unterscheiden, daß
hier eine politische Subvention in die Form wechselseitigen Han-
dels gekleidet wird, fällt dabei unter den Tisch. Und was ist mit
der Höhe der Zinsen für die akkumulierten Schulden? Anscheinend
ist nichts schöner, als seine Schulden in Dollar begleichen zu
dürfen.
Möglichkeiten einer völlig neuen strategischen Gleichung
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Die weitergehende Nutzanwendung vor Ort besteht in der militäri-
schen Aufrüstung Pakistans. Ein Militärhilfeabkommen mit den USA
sichert dem Land 2 Mrd. Dollar Unterstützung, ein Betrag in Höhe
von knapp der Hälfte des Haushalts Pakistans für 1982/83, nachdem
Zia-ul Haq die vor einem Jahr prospektierte Militärhilfe von 400
Mio. Dollar als zu geringfügig zurückgewiesen hatte. Unter dem
Firmenschild der russischen Bedrohung setzten sich die USA
kurzerhand über indische Vorbehalte gegen den Feind Pakistan hin-
weg und basteln an einer weiteren "Zone des strategischen Kon-
sens". "Die Besorgnis über Afghanistan wird als Faktor gesehen,
Pakistan näher zu Indien zu bringen." (Int. Herald Tribune,
19.11.82), Um Realität handelt es sich bei diesen "objectives"
amerikanischer Politik nicht, aber um das Bemühen der USA, auch
hier neue Realitäten zu schaffen.
"Pakistans Sorge über die bleibende sowjetische militärische Prä-
senz in Afghanistan hat dramatisch sein Verhalten gegenüber In-
dien beeinflußt und hat die Möglichkeit zu einer völlig neuen
strategischen Gleichung auf dem Subkontinent eröffnet, wie ein
höherer US-Regierungsbeamter ausführte. Aber der Regierungsbe-
amte, der während des Besuchs dieser Region durch eine Delegation
auf hoher Ebene vom State Department sprach, fügte hinzu, daß die
Regierung der Ministerpräsidentin Indira Gandhi nicht bereit
schien, Vorteile aus der Gelegenheit zu ziehen, die Gefahr der
sowjetischen Intervention in Afghanistan voll anzuerkennen...
Er sagte, das Auftauen der Beziehungen zwischen Indien und Paki-
stan kürzlich, wie es bei einem Treffen von General Zia mit Frau
Gandhi während eines kurzen Zwischenaufenthalts deutlich wurde,
war 'nicht bloßes Theater'."
Der "zunehmenden sowjetischen Bedrohung" und der sich damit erge-
benden Notwendigkeit der Eindämmung verleihen die USA schon das
nötige Gewicht, durch Reisetätigkeit - kaum sieht man einmal in
die Zeitung, pendelt ein Eagleburger zwischen Islamabad und Delhi
- und passende Angebote.
"Mitglieder der US-Delegation sagten, sie wären in Islamabad
nicht nur von der Sorge pakistanischer Stellen über die große An-
zahl russischer Truppen in der Nähe ihrer Grenze beeindruckt wor-
den, sondern auch durch die wachsende Unruhe über die Möglichkeit
einer wieder in Ordnung gebrachten und 'ideologisch reinen'
afghanischen Armee.
Obwohl diese Aussicht angesichts der Unordnung in der afghani-
schen Armee in weiter Ferne zu liegen scheint, könnte eventuell
von der Sowjetarmee eine hoch trainierte und gut ausgerüstete
afghanische Streitmacht gebildet werden."
Im übrigen nehmen die sowjetischen Bedrohungen im Quadrat der US-
Präsenz zwischen Rabat und Manila zu. Die einst verbreitete Pro-
paganda-Lüge, die UdSSR wolle wegen ihres sich abzeichnenden Öl-
mangels an den Golf zwischen Persien und Arabien, wird heute wie-
derholt und durch eine Ergänzung korrigiert.
"Die Sowjetunion hat sechs Landebahnen im Süden Afghanistans na-
hezu fertiggestellt, was zum ersten Mal den Golf in die Reich-
weite sowjetischer Düsenbomber bringt. US-Stellen geben an, daß
es so aussieht, als beabsichtige die Sowjetunion Afghanistan in
eine nach vorne verlagerte Basis für sowjetische Streitkräfte zu
verwandeln, insbesondere für Luftwaffeneinheiten an der östlichen
Flanke der Ölfelder rund um den Golf...
Die zweite Gefahr wäre, neue Probleme für die schnelle Eingreif-
truppe der USA zu schaffen, die ab 1. Januar unter einheitlichem
militärischen Kommando voll einsatzfähig sein soll. Bis vor kur-
zem hat sich die Aufgabe der Truppe darauf konzentriert, eine
mögliche sowjetische Invasion von Norden abzublocken. Jetzt muß
sie die neue Gefahr aus Osten in Rechnung stellen... Um dieser
Bedrohung zu begegnen, braucht es wahrscheinlich mehr als die 10
gegenwärtig eingeplanten Luftgeschwader." (Int. Herald Tribune,
15.11.1982)
Die ganze Offensive wird weltdiplomatisch natürlich als Chance
serviert, die die UdSSR mit dem Wechsel in ihrer Führungsspitze
ergreifen könnte, um ihre Friedfertigkeit und guten Absichten un-
ter Beweis zu stellen. Menschlich zutiefst enttäuscht, muß man
dann hinterher sein:
"Der Vorsitzende der vereinten Stabskommandeure, John W. Vessey
jr. sagte, daß die Vereinigten Staaten sowjetische Bewegungen in
Afghanistan auf das erste Anzeichen eines Wechsels in der sowje-
tischen Politik unter dem neuen sowjetischen Führer Jurji V. An-
dropow hin beobachten würden. Er sagte, ein Rückzug der 100.000
sowjetischen Truppen aus Afghanistan 'wäre sicher ein gutes Zei-
chen, das sie dem Rest der Welt geben könnten'. Aber, sagte Gene-
ral Vessey, die Sowjetunion hat alle Anzeichen dafür geliefert,
daß der Charakter ihrer Intervention in Afghanistan sich geändert
hat," (welche Heuchelei!) "und daß die sowjetischen Truppen sich
auf eine lange Besetzung einrichteten."
Sowjetische Kalkulationen
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Pakistan sieht in dem bestehenden Gegensatz ein Mittel, für sich
etwas herauszuschlagen, und beurteilt von der Regierung Karmal
vorgetragene Vorschläge bezüglich eines Bündnisses zweier
"blockfreier Staaten", das für eine internationale Garantie der
Nichteinmischung den Rückzug sowjetischer Truppen in Aussicht
stellt, als "kosmetisch und gegenwärtig nicht bedeutsam". Daß Pa-
kistan allerdings Grund hat, wegen der von seinem Territorium aus
unterstützten Rebellen besorgt zu sein, sich mit der Sowjetunion
ins Benehmen zu setzen, zeigen seine eigenen Sorgen hinsichtlich
der russischen Truppen in der Nähe seiner Grenzen. Die diplomati-
sche Offerte Kabuls, sicher abgestimmt mit Moskau, über eine Re-
gelung des "Afghanistan-Problems" ins Gespräch zu kommen, er-
scheint nur deswegen als ein gänzlich unakzeptables Angebot, weil
der Westen die östliche Strategie einer Entlastung an dieser
Front nicht zulassen will. Mit dem gleichen Diktat wie bei den
Nachrüstungsverhandlungen wird das mit dem diplomatischen Vorstoß
ausgesprochene Eingeständnis, daß Afghanistan ein zu regelnder
Fall ist, aufgegriffen und der Sowjetunion nahegelegt, das Land
ohne Umstände preiszugeben.
In dem Maße, wie die UdSSR den Streitgegenstand Afghanistan am
liebsten aus der Weltpolitik herausnehmen möchte, weil es mit der
westlichen Offensive zu einem Angriffspunkt gegen sie selbst ge-
worden ist, relativiert sich ihr Interesse an diesem Land an den
allgemeinen Sicherheitsüberlegungen im Verhältnis West gegen Ost.
Aus dem Subkontinent verdrängt ist sie damit noch nicht, und wo
der UdSSR die kriegerische Konfrontation aufgemacht wird, zählt
auch wieder das Sicherheitsinteresse, mit der Verteidigung der
eigenen Grenzen ein paar hundert Kilometer weiter im Süden begin-
nen zu können.
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Eine neue sowjetische Bedrohung
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"Die Sowjetunion fährt fort, ihre militärische Macht im Pazifik
mit sowjetischen Backfire Bombern auszuweiten, gaben höhere Offi-
ziere der US-Marine an. 'Sie fügen so der Bedrohung der Seever-
bindungen eine neue Dimension hinzu.'
Admiral Robert Long, Befehlshaber der amerikanischen Kräfte im
Pazifik und Indischen Ozean, führte aus, daß die Überschallflug-
zeuge mittlerer Reichweite Übungseinsätze von der Halbinsel
Kamtschatka im Osten der Sowjetunion und von Cam Ranh Bay in
Vietnam unternähmen.
Von ihren gegenwärtigen Basen aus könnten sie Midway, Guam und
die Philippinen angreifen und ohne aufzutanken zurückfliegen.
... SS 20... SS- N-19... SS-N-20...
Schiffs- und Flugzeugstützpunkte wurden in Äthiopien und Süd-Je-
men erworben, und sowjetische Aufklärungsflugzeuge fliegen Ein-
sätze von diesen Basen über Streitkräfte der Vereinigten Staaten
und andere Mitglieder der atlantischen Allianz im Indischen
Ozean." (International Herald Tribune, 8.11.82)
Wie die Mitglieder der atlantischen Allianz nur in den Indischen
Ozean gelangen? Keinerlei Bedrohung dagegen stellen folgende Maß-
nahmen dar:
"Die Reagan Administration bemüht sich stark darum, Zutritt zu
den Luftwaffenbasen in der Türkei, einem amerikanischen Verbünde-
ten in der NATO, zu erhalten und hat kürzlich eine Vereinbarung
getroffen, die die Stellung der Vereinigten Staaten um etwa 10
Basen verbessert und ihnen Zugang zu ihnen zum Training zusi-
chert...
Militärische Planer gaben an, sie hofften, daß amerikanische
Flugzeuge diese Basen benutzen könnten, um Einsätze gegen sowje-
tische Kräfte im Falle einer Intervention im Iran zu fliegen.
Aber die türkische Regierung habe wenig Begeisterung für den Vor-
schlag gezeigt.
Die Planer haben auch angedeutet, daß sie hoffen, Saudi Arabien
und Oman werden der US-Luftwaffe erlauben, Basen in diesen Län-
dern in Zeiten eines Konflikts zu benutzen, seien aber auf viel
Widerstand gegen diese Idee bei den zwei Staaten gestoßen. "
(International Herald Tribune, 15.11.82)
"Siebenundsiebzig Leopard Panzer werden voraussichtlich im Ok-
tober (an die Türkei) ausgeliefert, entsprechend einem Abkommen
mit Westdeutschland über einen Wert von 600 Mio DM, unterzeichnet
1980. Die Türkei möchte mehr Leopard-Panzer kaufen und diskutiert
über eine mögliche Lieferung von 125 F-104 Düsenfliegern durch
Westdeutschand, die 1983 ausgeliefert werden sollen; eine Über-
einkunft über entsprechende Kreditbedingungen wurde erzielt."
(Middle East Economic Digest, 4.9.1982)
"MAN baut Dieselmotorenwerk in der Türkei."
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