Quelle: Archiv MG - AFRIKA TSCHAD - Imperialistischer faux-pas?
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MSZ 3/80
Tschad
MACHTKAMPF UNTER FRANZÖSISCHER SCHIRMHERRSCHAFT
In der Republik Tschad tobt seit Jahren ein "Bürgerkrieg", der so
ausgerichtet wird, daß drei Armeen mit französischen Waffen um
die Hauptstadt Nguema, den ehemaligen Kolonialposten Fort Lamy,
kämpfen, eine Fallschirmjägerkompanie aus Frankreich Gewehr bei
Fuß zusieht und die Kampfpausen durch Koalitionsregierungen der
kämpfenden Parteien überbrückt werden. Es geht um die Herrschaft
über ein Stück Wüste, Halbwüste, Grassteppe und Trockensavanne,
die teils von arabischen Nomaden, teils von schwarzen Wanderhack-
bauern vor sich hinbewirtschaftet werden.
Um diesen trostlosen Landstrich wäre wahrscheinlich nie ein Krieg
entbrannt, wenn sich die für Frankreich durchaus funktionale
Grenzziehung, die die zentralafrikanischen Besitzungen durch den
Puffer eines Stücks Sahara vor den Beutezügen arabischer Sklaven-
und Elfenbeinjäger absicherte, nicht als äußerst "willkürlich"
für ein souveränes Staatswesen herausgestellt hätte, dem die ab-
rückende Kolonialmacht mit der Souveränität auch den Streit zwi-
schen den paar arabischen und schwarzen Anwärtern auf ihre Ver-
waltung hinterließ. Die von der Staatsmacht ausgeschlossenen,
aber ebenfalls an der Sorbonne ausgebildeten Intellektuellen des
arabischen Nordens erklärten der schwarzen Führungsgarnitur in
der Hauptstadt vom Tag der Unabhängigkeit an den Krieg, gründeten
die dazu benötigte Befreiungsfront Frolinat (= Front pour la li-
beration nationale du Tchad) und rekrutierten aus den freiheits-
liebenden Nomadenstämmen der nördlichen Landeshälfte ausreichend
Befreiungskrieger.
Der Aufstand im Norden währte 9 Jahre und wurde durch den Einsatz
französischer Truppen zum Schutz der Zentralregierung auf den
Nordteil des Tschad begrenzt gehalten. Es hätte noch ewig so wei-
tergehen können, wenn nicht zwei Umstände die Schutzmacht bewogen
hätten, ihre einseitige Unterstützung der Herrschaft des schwar-
zen Präsidenten Tombalbaye zu revidieren:
- Libyen entdeckte unter den Aufständischen arabische Brüder,
spaltete die Frolinat in eine "Armee des Nordens", die gegen Waf-
fenlieferungen gewisse Grenzkorrekturen in der Wüste, in der
mittlerweile Öl vermutet wird, versprach, und in die Bewegung des
Hissen Habre, der durch die Entführung einer französischen Ar-
chäologin in die Spalten der Weltpresse vordrang.
- Unter der schwarzen Elite in Nguema kam es zu Fraktionskämpfen,
die Tombalbaye das Leben kosteten und einem gewissen Malloum den
Posten des Präsidenten einbrachten, den er durch eine
"Aussöhnung" mit der Habre-Frolinat abzusichern trachtete.
Deswegen vermittelte Frankreich für die Freilassung der Madame
Claustre eine Regierungsbeteiligung Habres, und der Machtkampf im
Tschad findet seitdem als bewaffnete Kabinettskrise statt.
Paris hat sich nach einigen "vergeblichen" Vermittlungsversuchen
entschlossen, die Zustände im Tschad für einen "Bürgerkrieg" zu
halten, sich nicht einzumischen und das Kämpfen den "Bürgern" da
unten zu überlassen, die das Schlachtfeld in, um und um Nguema
herum inzwischen geräumt haben und die Dürrezonen des Südens um
ein paar Hungernde mehr bereichern.
Wo der tiefere Sinn der tschadischen Querelen auf der Hand liegt
- es geht um die Besetzung der Posten in der Hauptstadt und um
die Verfügungsgewalt über Mittel, die Frankreich und andere west-
liche Staaten zum Staatmachen bereitstellen - rätselt die journa-
listische Welt um die Hintergründe des "Bürgerkriegs im Tschad"
und gelangt zu dem Urteil, es ginge "chaotisch" zu. Dabei hat
dieses "chaotische" Schlachten durchaus System: Erhalt, einer
Einflußsphäre zwischen Sahara und Sahel, von der man nie weiß,
was sie mal nützt.
Weil sichergestellt ist, daß kein Machthaber in Nguema an
Frankreich vorbeikommt, das den "Staatshaushalt" zu 70% finan-
ziert, greift die Spezialtruppe im Tschad ein, indem sie gegen-
wärtig nicht eingreift. Während der "Schutz weißen Lebens" in der
zairischen Kupferprovinz Shaba die Eroberung einer Stadt und die
Säuberung von "Invasoren" erforderte, stehen die Soldaten der
Grande Nation vor Nguema einsatz b e r e i t und schauen zivi-
lisiert zu, wie sich die Eingeborenen die Köpfe einschlagen. Man
läßt sich für "Zurückhaltung und Nichteinmischung" loben, und die
"Bürgerkriegsparteien" demonstrieren, wozu es führt, wenn der Im-
perialismus die Souveränität einheimischer Gewaltapparate unge-
hindert zum Zuge kommen läßt.
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